BGH Beschluss v. - VII ZR 200/05

Leitsatz

[1] Zur Bestimmung der Quote im Sinne des § 182 InsO, wenn der Insolvenzverwalter nicht bereit ist, von den Gläubigern behauptete Forderungen der Insolvenzmasse beizutreiben.

Gesetze: InsO § 182

Instanzenzug: AG Hamburg 20a C 237/04 vom LG Hamburg 320 S 128/04 vom

Gründe

I.

Der Kläger schloss mit der später insolvent gewordenen I. GmbH (Schuldnerin) einen Vertrag über die Errichtung eines Wintergartens. Nach seiner Behauptung hatte ihm die Schuldnerin zugesichert, über 6 Jahre lang mindestens 48 Interessenten pro Jahr zuzuführen. Der Kläger sollte diesen die Möglichkeit einräumen, den Wintergarten zu besichtigen und dafür jeweils 500 DM erhalten. Der Kläger hat den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, nachdem ihm nach der Errichtung des Wintergartens Interessenten nicht zugeführt worden sind. Mit der Klage hat er beantragt, zur Insolvenztabelle festzustellen, dass ihm eine Forderung von 46.797,73 € zusteht. Das Amtsgericht hat die Feststellung lediglich in Höhe von 2.751,83 € ausgesprochen. Die Berufung des Klägers, mit der er die Feststellung in Höhe von weiteren 44.045,90 € verfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat den Streitwert auf der Grundlage einer Quote von 3,14 % auf 1.387 € festgesetzt. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt zwanzigtausend Euro nicht, § 26 Nr. 8 EGZPO.

1. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstandes aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend. Nach § 182 InsO bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes einer gemäß § 180 InsO erhobenen Klage auf Feststellung einer Forderung, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten wird, nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Diese Regelung gilt sowohl für den Gebühren- als auch für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert (, NZI 2002, 549), mithin auch für die Ermittlung des Wertes der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer.

Der Wert der Beschwer ist im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ohne Bindung an eine Streitwertfestsetzung durch das Berufungsgericht von Amts wegen nach §§ 2 ff. ZPO, § 182 InsO zu bestimmen (vgl. , NJW-RR 2005, 1728; Urteil vom - IX ZR 80/99, ZIP 1999, 1811, 1812). Es obliegt grundsätzlich dem Beschwerdeführer darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er mit der beabsichtigten Revision die Abänderung des Berufungsurteils in einem Umfang erstreben will, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt (, NJW 2002, 3180).

2. Der Kläger erhebt Bedenken im Hinblick darauf, dass es dem Beklagten als Insolvenzverwalter ermöglicht werde, auf die Beurteilung der Zulässigkeit Einfluss zu nehmen, indem er Auskunft über die zu erwartende Insolvenzquote erteilt. Es könne nicht hingenommen werden, dass letztlich eine Prozesspartei über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels "entscheide".

Diese Bedenken sind nicht begründet. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beruht auf der aus § 182 InsO, §§ 2 ff. ZPO abgeleiteten Gesetzeslage. Danach ist es Sache der Gerichte, die Wertbestimmung vorzunehmen, vgl. § 2 und § 3 ZPO. Dabei hat das Gericht sämtliche Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen (, ZIP 1999, 1811, 1812). Das Gericht ist nicht an die Auskunft des Insolvenzverwalters gebunden. Diese wird zwar regelmäßig die Grundlage für die Wertbestimmung sein. Das Gericht muss jedoch auch andere Erkenntnismöglichkeiten einbeziehen und diese Auskunft einer sorgfältigen Prüfung unterziehen. Wenn es notwendig erscheint, können Akten des Insolvenzverfahrens beigezogen und verwertet werden.

3. Soweit der Kläger weiter meint, es sei nicht gerechtfertigt, die Zulässigkeit eines Rechtsmittels davon abhängig zu machen, in welcher Höhe ein Anspruch voraussichtlich durchsetzbar sei, wendet er sich direkt gegen die Regelung des § 182 InsO. Die angedeuteten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht. Der Kläger führt auch nicht aus, inwieweit seine verfassungsrechtlich geschützten Rechte beeinträchtigt sein könnten. Der Hinweis darauf, dass er nicht etwa nur in Höhe des durchsetzbaren Betrages, sondern in Höhe der gesamten Forderung beschwert wäre, wenn er die Klage gegen einen Sozialhilfeempfänger erhoben hätte, belegt weder einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 19 Abs. 4 GG. § 182 InsO orientiert sich an dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers. Die Regelung beruht ebenso wie § 148 KO auf einer Interessenabwägung und verfolgt das Ziel, im wohlverstandenen Interesse aller Insolvenzgläubiger eine Aufzehrung der Masse durch Prozesskosten zu verhindern und den Gläubigern bei geringer Konkursquote eine zuverlässige Beurteilung des Prozesskostenrisikos zu ermöglichen (, BauR 1993, 247, 248 = ZfBR 1993, 77; Urteil vom - Ib ZR 155/62, NJW 1964, 1229).

4. Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung ein Betrag zu erwarten ist, der 20.000 € übersteigt. Das wäre nur dann der Fall, wenn mit einer Quote von über 42 % zu rechnen wäre. Davon ist nicht auszugehen.

Der beklagte Insolvenzverwalter hat mit Schriftsatz vom zunächst dargelegt, dass eine Quote von 22 % zu erwarten ist und auf noch mögliche Veränderungen hingewiesen. Zuletzt hat der Beklagte mitgeteilt, dass durch weitere Forderungsanmeldungen sowie Masseverbindlichkeiten die Quotenaussicht berichtigt werden müsse, mit einer höheren Quote als 10 % sei nicht zu rechnen. Der Senat orientiert sich an der ersten Auskunft, die durch das Zahlenmaterial nachvollzogen werden kann.

Der Kläger hat keine Umstände dargelegt, die zu einer höheren Quote führen könnten. Seine Einwendungen betreffen durchweg die von ihm gesehene Möglichkeit des Beklagten, noch weitere Forderungen geltend zu machen. Insoweit trägt er vor, es bestünden noch weitere, vom Beklagten nicht verfolgte Forderungen gegen verschiedene Personen und Gesellschaften und es seien erhebliche Beträge in anfechtbarer Weise geflossen. Der Beklagte müsse, gegebenenfalls nach einer Anfechtung, diese Forderungen einziehen.

Der Beklagte hat sich gemäß der Auflagenverfügung des Berichterstatters vom mit diesen Einwänden auseinandergesetzt. Er hat im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen er die vom Kläger angeführten Forderungen nicht geltend macht. Danach wird er nichts unternehmen, weil entweder die Forderungen rechtlich so ungesichert sind, dass ihre Verfolgung aussichtslos oder im Hinblick auf die Kostenbelastung zu riskant ist oder die Schuldner zur Zahlung nicht in der Lage sind. Der Senat geht nach dieser nachvollziehbaren Darstellung davon aus, dass im Insolvenzverfahren eine Durchsetzung der reklamierten Forderungen unterbleibt. Sie können daher unabhängig davon, inwieweit eine Durchsetzung überhaupt erfolgreich sein könnte, nicht zu einer Erhöhung der Verteilungsmasse führen. Dass der Beklagte durch die Gläubigerversammlung nach einem entsprechenden Beschluss, § 76 InsO, angewiesen werden könnte, bestimmte Forderungen durchzusetzen, bleibt außer Betracht. Der Kläger hat diese Möglichkeit selbst nicht in Erwägung gezogen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
ZIP 2007 S. 247 Nr. 5
TAAAC-36709

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja