Leitsatz
[1] Bei der Berechnung der dem Heimarbeiter nach § 29 Abs. 7 HAG für die Dauer der Kündigungsfrist zustehenden Verdienstsicherung sind das Stückentgelt, der Unkostenzuschlag und der Krankengeldzuschlag zu berücksichtigen; Feiertagsgelder sind stets außer Ansatz zu lassen. Urlaubszahlungen sind einzubeziehen, soweit dem Heimarbeiter auf seinen Antrag Urlaub gewährt worden ist.
Gesetze: HAG § 29 Abs. 7; EFZG § 10; EFZG § 11; BUrlG § 12
Instanzenzug: ArbG Solingen 3 Ca 456/04 vom LAG Düsseldorf 5 Sa 625/05 vom
Tatbestand
Der Kläger war etwa 35 Jahre für die Beklagte als Schwertschleifer in Heimarbeit tätig. Er wurde nach Stückentgelten bezahlt. Der Kläger hat die von ihm zu schleifenden Arbeitsstücke am Sitz der Beklagten in Solingen abgeholt und nach dem Schleifen zurückgebracht. Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Heimarbeitsverhältnis zum .
Die Parteien streiten, soweit in der Revision von Interesse, über restliche Zahlungsansprüche des Klägers für die Dauer der Kündigungsfrist. Sie sind sich einig, dass der Kläger für diesen Zeitraum auf der Grundlage des § 29 Abs. 7 HAG Anspruch auf Verdienstsicherung hat. Streitig ist deren Berechnung. Der Kläger ist in seiner im März 2004 erhobenen Klage zunächst davon ausgegangen, die Verdienstsicherung berechne sich nach dem in den Monaten Dezember 2002 bis Mai 2003 erzielten monatlichen Durchschnittsverdienst und hat Zahlung von 16.772,65 Euro verlangt. Auf Grund einer vom Arbeitsgericht eingeholten Auskunft des Staatlichen Amtes für Arbeitsschutz über das Rechenwerk des Klägers hat er seine Klage teilweise zurückgenommen.
Das Staatliche Amt für Arbeitsschutz hatte ausgeführt, die Verdienstsicherung des § 29 Abs. 7 HAG berechne sich nach dem sog. reinen Arbeitsentgelt, das der Heimarbeiter in den letzten 24 Wochen vor der Kündigung erhalten habe. Feiertagszuschläge, vermögenswirksame Leistungen und Krankengeldausgleich seien nicht zu berücksichtigen. Der Kläger habe ausweislich der Lohnbelege und des Entgeltbuchs 20.347,87 Euro erhalten, so dass die Verdienstsicherung für die Kündigungsfrist von hiervon 14/12 sich auf 23.739,18 Euro belaufe. Während der Kündigungsfrist habe der Kläger als reines Arbeitsentgelt 19.988,82 Euro erzielt. Hinzu kämen die in den Monaten Juni 2003 und Dezember 2003 erstatteten Feiertage in Höhe von 541,44 Euro sowie die im August 2003 erstatteten 20 Urlaubstage in Höhe von 2.707,20 Euro. Zu Gunsten des Klägers verbliebe damit ein Betrag von 501,73 Euro.
Der Kläger hat hierzu geltend gemacht, die Auskunft könne nicht richtig sein. Feiertagsvergütung und Urlaubszahlungen müssten entweder sowohl bei der Berechnung des im Referenzzeitraums erhaltenen Gesamtverdienstes als auch bei der Verdienstsicherung berücksichtigt werden oder stets unberücksichtigt bleiben.
Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.750,36 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, Feiertagsgeld und Urlaubsentgelt seien als Lohnersatzleistungen ausschließlich während der Kündigungsfrist zu berücksichtigen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 501,73 Euro stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision, mit der sie die Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts anstrebt, soweit sie zur Zahlung eines höheren Betrags als 501,73 Euro verurteilt worden ist.
Gründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
I. Der Anspruch des Klägers beruht auf § 29 Abs. 7 HAG iVm. dem abgeschlossenen Heimarbeitsvertrag.
1. Nach dieser Vorschrift hat der Heimarbeiter für die Dauer der Kündigungsfrist auch bei Ausgabe einer geringeren Arbeitsmenge einen je nach Dauer der Kündigungsfrist in Zwölftel gestaffelten Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe des Gesamtbetrags, den er in den dem Zugang der Kündigung vorausgegangenen 24 Wochen als Entgelt erhalten hat.
Die Beklagte hat den zwischen den Parteien bestehenden Heimarbeitsvertrag unter Einhaltung der in § 29 Abs. 4 HAG bestimmten Kündigungsfrist von sieben Monaten zum gekündigt. Die Parteien gehen daher zutreffend davon aus, dass die dem Kläger nach § 29 Abs. 7 HAG für die Dauer der Kündigungsfrist zustehende Verdienstsicherung 14/12 des Gesamtbetrags des in dem Referenzzeitraums erhaltenen Entgelts beträgt.
2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der in § 29 Abs. 7 HAG für die Kündigungsfrist maßgebliche Begriff "Arbeitsentgelt" denselben Inhalt hat wie der für den Referenzzeitraum verwendete Begriff "Entgelt". Die Auslegung der Beklagten, bei dem Begriff "Arbeitsentgelt" handele es um einen Oberbegriff, der neben dem Stückentgelt iSv. § 20 HAG auch alle anderen während der Kündigungsfrist erbrachten Zahlungen des Auftraggebers erfasse, während der Begriff "Entgelt" ausschließlich den Stücklohn erfasse, trifft nicht zu. Sie ist mit dem mit § 29 Abs. 7 HAG verfolgten Zweck nicht zu vereinbaren.
a) Der Wortlaut des § 29 Abs. 7 HAG spricht gegen das Verständnis der Beklagten.
aa) Das Heimarbeitsverhältnis wird in §§ 1, 2 HAG definiert als "Arbeit im Auftrag gegen Entgelt". Dieses Entgelt ist nach § 20 HAG möglichst als Stückentgelt zu regeln. Es wird mithin als unmittelbare Gegenleistung für die erbrachte Arbeit geschuldet. Ihm tritt regelmäßig der Unkostenzuschlag hinzu, der die Kosten für Arbeitsstätte, Energie, Werkzeug, Gerätschaften, Instandhaltung usw. abgilt (vgl. § 3 des allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrags für Heimarbeiter der Solinger Schneid- und Besteckwarenindustrie (Rahmen-TV) vom ). Anknüpfend an §§ 1, 2 HAG wird in den Vorschriften des HAG, mit Ausnahme von § 29 HAG, ausschließlich der Begriff Entgelt benutzt.
bb) Der Begriff Arbeitsentgelt ist dagegen kennzeichnend für die Zuschläge und Leistungen des Auftraggebers, die der Heimarbeiter nach den arbeitsrechtlichen Schutzgesetzen beanspruchen kann. So ist zur wirtschaftlichen Sicherung für den Krankheitsfall ein Zuschlag "zum Arbeitsentgelt" zu zahlen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 EFZG). Die Feiertagsbezahlung ist aus dem "reinen Arbeitsentgelt ohne Unkostenzuschläge" zu errechnen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EFZG). Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem "verdienten Arbeitsentgelt" (§ 12 Nr. 1 BUrlG). Aus der Verknüpfung der Hauptwörter Arbeit und Entgelt wird deutlich, dass Bemessungsgrundlage für diese Sonderzahlungen das Entgelt ist, das der Heimarbeiter durch seine Arbeit iSv. §§ 1, 2 HAG erzielt.
cc) An diesem Auslegungsergebnis ändert sich nicht deshalb etwas, weil die Vorschriften zusätzliche Konkretisierungen enthalten: § 10 Abs. 1 Satz 2 EFZG 3,4 vH des Arbeitsentgelts vor Abzug der Steuern, des Beitrags zur Bundesagentur für Arbeit und der Sozialversicherungsbeiträge ohne Unkostenzuschlag und ohne die für den Lohnausfall an gesetzlichen Feiertagen, den Urlaub und den Arbeitsausfall infolge Krankheit zu leistenden Zahlungen; § 11 Abs. 2 EFZG für jeden Feiertag 0,72 vH des nach Halbjahreszeiträumen bestimmten durchschnittlichen reinen Arbeitsentgelts ohne Unkostenzuschläge; § 12 Nr. 1 BUrlG verdientes Arbeitsentgelt vor Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ohne Unkostenzuschlag und ohne die für den Lohnausfall an Feiertagen, den Arbeitsausfall infolge Krankheit und den Urlaub zu leistenden Zahlungen.
Diese detaillierten Angaben erleichtern die Anwendung des Gesetzes; sie rechtfertigen aber nicht das "weite" Verständnis der Beklagten vom Inhalt des Begriffes in § 29 Abs. 7 HAG. Im Gegenteil könnte die gesetzliche Formulierung den Gedanken nahe legen, der Begriff "Arbeitsentgelt" beziehe sich ausschließlich auf das für die tatsächliche Arbeit geschuldete Entgelt. Denn zusammengesetzte Hauptwörter werden üblicherweise gebildet, um das Gemeinte präziser auszudrücken. Dabei wird die Grundaussage regelmäßig hinten angestellt. Der Begriff "Arbeitsentgelt" könnte daher - buchstäblich genommen - den Unkostenzuschlag nicht erfassen. Hierauf beruht die Bemerkung im Schrifttum zur "sprachlichen Ungenauigkeit" der in § 29 Abs. 7 HAG verwendeten Begriffe (Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher HAG 4. Aufl. § 29 Rn. 85).
b) Der mit der Verdienstsicherung verfolgte Zweck steht der Auslegung der Beklagten entgegen.
aa) Das Bundesarbeitsgericht hat schon in seiner Entscheidung vom als "Grundgedanken der Bestimmung" erkannt, dem Heimarbeiter solle für die Dauer der Kündigungsfrist das Arbeitsentgelt in der bisherigen Höhe erhalten bleiben (- 3 AZR 270/81 - BAGE 44, 124). Der Auftraggeber habe ihm deshalb während der Kündigungsfrist grundsätzlich ebensoviel Arbeit zuzuweisen wie vor der Kündigung. Tue er das nicht, so müsse er den Beschäftigten gleichwohl entlohnen wie bisher. Nur so ließe sich der soziale Schutz verwirklichen, den die Kündigungsfristen dem Heimarbeiter einräumen sollen. Diese Fristen hätten keinen Sinn, könnte der Auftraggeber gleichzeitig mit der Kündigung die Arbeitsausgabe und damit die Verdienstmöglichkeit des Beschäftigten ohne weiteres beenden. Daran ist unverändert festzuhalten.
bb) Vorbehaltlich besonderer Absprachen hat der Heimarbeiter keinen Anspruch auf die Ausgabe einer bestimmten Auftragsmenge und der Auftraggeber keinen Anspruch auf Erledigung eines bestimmten Arbeitspensums. Der Heimarbeiter ist aber wirtschaftlich regelmäßig auf die Aufträge des Auftraggebers angewiesen. Mit dem Anspruch auf ein Arbeitsentgelt für die Dauer der Kündigungsfrist in Relation zum bisherigen Entgelt wird sichergestellt, dass der Auftraggeber die aus sozialen Gründen eingeräumte Kündigungsfrist nicht dadurch unterläuft, dass er dem Heimarbeiter eine geringere Menge an Arbeit zur Verfügung stellt. Dieser Zweck wird nur erreicht, wenn die nach § 29 Abs. 7 HAG erforderliche Vergleichsberechnung zwischen dem "Entgelt" und dem "Arbeitsentgelt" nach denselben Merkmalen erfolgt. Hiervon geht das Schrifttum als selbstverständlich aus (vgl. Brecht HAG § 29 Rn. 26; Fenski Außerbetriebliche Arbeitsverhältnisse 2. Aufl. Rn. 282, 283 sowie HzA/Fenski Stand Juni 2006 Gruppe 17 Rn. 282, 283; MünchArbR/Heenen 2. Aufl. § 238 Rn. 101; KR/Rost 7. Aufl. Arbeitnehmerähnliche Personen Rn. 123; Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher aaO; Otten Heim- und Telearbeit Teil A § 29 HAG Rn. 47).
3. Bei der Berechnung der Verdienstsicherung sind neben dem Stückentgelt einschließlich des Unkostenzuschlags stets der in der Höhe vom "reinen" Arbeitsentgelt abhängige Krankengeldzuschlag zu berücksichtigen. Feiertagsgelder sind stets außer Ansatz zu lassen. Urlaubszahlungen sind dann zu berücksichtigen, wenn der Auftraggeber dem Heimarbeiter durch Freistellung von der Annahmepflicht tatsächlich Erholungsurlaub gewährt hat.
a) Das Schrifttum geht überwiegend davon aus, der Gesamtbetrag der im Berechnungszeitraum erhaltenen Entgelte umfasse neben dem Unkostenzuschlag auch alle anderen Zuschläge, damit auch die Leistungen, die der Heimarbeiter auf Grund der spezialgesetzlichen Regelungen erhalte (Brecht aaO; Fenski aaO sowie HzA/Fenski aaO; MünchArbR/Heenen aaO; KR/Rost aaO; Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher aaO). Teils wird eine differenzierende Lösung vertreten (Otten aaO). Danach sei zwischen dem Gesamtbetrag der Entgelte und dem zugeflossenen Gesamtverdienst zu unterscheiden. In den Gesamtbetrag seien grundsätzlich alle Entgelte und Zuschläge einzubeziehen, nicht aber einmalige Zahlungen wie Urlaubs- oder Feiertagsbezahlung.
b) Dieser differenzierenden Auffassung stimmt der Senat zu. Sie wird dem Wortlaut der Vorschrift gerecht, entspricht dem besonderen Entgeltsystem in der Heimarbeit und ist geeignet, das mit § 29 Abs. 7 HAG verfolgte Ziel zu erreichen.
aa) Verdeutlichen die für Heimarbeiter außerhalb des HAG geltenden gesetzlichen Bestimmungen, dass unter "Arbeitsentgelt" das Entgelt für die vom Heimarbeiter tatsächlich erbrachte Leistung zu verstehen ist, so ist gleichwohl der Unkostenzuschlag mit erfasst. Das gebietet der Gesetzeszweck. Andernfalls wäre der bezweckte Entgeltschutz nicht gewährleistet. Der Heimarbeiter müsste trotz geringerer Ausgabemenge die (fortlaufenden) Betriebskosten allein tragen. Dem Auftraggeber erwüchse ein nicht gerechtfertigter Vorteil aus seinem geänderten Ausgabeverhalten (Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher aaO).
bb) Erfasst danach § 29 Abs. 7 HAG das Entgelt einschließlich des Unkostenzuschlags, so spricht das zugleich dagegen, mit der überwiegenden Meinung des Schrifttums die auf Grund der arbeitsrechtlichen Gesetze erfolgten Zahlungen in die Vergleichsberechnung einzubeziehen. Denn der Gesetzgeber setzt diese Ansprüche gegenüber den unmittelbar im HAG geregelten Entgeltbestimmungen ab. Sie sind "entsprechend" anzuwenden; das Feiertagsgeld "gilt" als Entgelt. So enthält § 29 Abs. 7 HAG auch keine der ausdrücklichen Umschreibungen, nach welchen Merkmalen Gesamt- und Garantiebetrag zu ermitteln sind, wie sie für §§ 10, 11 EFZG und § 12 BUrlG kennzeichnend sind. Sollte nicht nur das werkbezogene Entgelt einbezogen werden, so hätte eine entsprechende detaillierte Regelung nahe gelegen.
cc) Vermag die Erwartung an den Gesetzgeber angesichts der schon durch das Gesetz vom eingeführten Entgeltsicherung (zunächst § 29 Abs. 2 HAG) nicht allein die Ausklammerung von Einmalzahlungen rechtfertigen, so ergibt sich dies zusätzlich aus der Relation zur ausgegebenen Arbeitsmenge. Diese Bezugsgröße legt nahe, dass ausschließlich das Entgelt zu berücksichtigen ist, das der Heimarbeiter während der Kündigungsfrist durch Arbeit erwirtschaftet. Denn § 29 Abs. 7 HAG enthält ein Benachteiligungsverbot (Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher § 29 Rn. 87). Der Auftraggeber hat dem Heimarbeiter während der Kündigungsfrist die gleiche Arbeitsmenge wie vorher zuzuteilen. Es geht mithin um die Sicherung des an die Ausgabemenge geknüpften erzielten Entgelts des Berechnungszeitraums. Das Risiko, das dem Heimarbeiter aus welchen Gründen auch immer während der Kündigungsfrist weniger an Arbeit zugeteilt wird, trägt der Auftraggeber. Er schuldet dem Heimarbeiter das ungeschmälerte Entgelt.
dd) Soweit Zuschläge unmittelbar vom monatlich abgerechneten Stückentgelt abhängen, sind sie beim Arbeitsentgelt sowie beim Entgelt im Referenzzeitraum zu berücksichtigen. Das gilt auch für den vom Auftraggeber nach Maßgabe von § 10 EFZG geschuldeten Zuschlag. In der Heimarbeit besteht, vorbehaltlich hiervon abweichender tariflicher Regelungen, kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung iSv. § 4 EFZG. Der vom Auftraggeber mit jeder Entgeltabrechnung zu zahlende Zuschlag von 3,4 vH des "reinen" Arbeitsentgelts ermöglicht dem Heimarbeiter, für den Fall der Krankheit Rücklagen zu bilden. Daraus erklärt sich zugleich § 29 Abs. 7 Satz 3 HAG, wonach Zeiten des Krankengeldbezugs bei der Berechnung außer Ansatz bleiben. Würde der in der Höhe schwankende Zuschlag nicht berücksichtigt, würde das mit der Einkommensgarantie verfolgte Ziel nur unvollständig erreicht.
ee) Dagegen ist Feiertagsgeld stets außer Betracht zu lassen. Das ergibt sich aus den Besonderheiten seiner Berechnung. Ein "doppeltes" Kassieren des Heimarbeiters ist damit entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verbunden.
(1) Das nach § 11 Abs. 2 EFZG für jeden gesetzlichen Feiertag iSv. § 2 EFZG zu zahlende Feiertagsgeld bemisst sich für die Feiertage, die in den Zeitraum 1. Mai bis 30. Oktober fallen, nach dem reinen Arbeitsentgelt, das der Heimarbeiter in der Zeit vom 1. November bis 30. April erzielt hat. Bei Feiertagen in der Zeit zwischen dem 1. November und 30. April ist das reine Arbeitsentgelt der Monate Mai bis Oktober maßgeblich. Die Regelung trägt den Besonderheiten der Heimarbeit Rechnung. Mangels Arbeitspflicht fällt anders als im Arbeitsverhältnis keine Arbeitszeit aus. Ob der Heimarbeiter tatsächlich am Feiertag nicht arbeitet und damit kein Entgelt erwirtschaftet, ist ihm überlassen. Ihm wird aus sozialen Gründen lediglich ermöglicht, den Feiertag - vergleichbar einem Arbeitnehmer - zur Erholung und Teilhabe am Feiertagsgeschehen zu nutzen. Der gesetzliche Feiertag löst damit zwar einen Anspruch auf Feiertagsgeld aus. Dessen Höhe ist indessen vom Arbeitsentgelt des laufenden Monats unabhängig, es ist nach § 11 Abs. 3 Satz 1 EFZG schon mit der Entgeltzahlung vor dem Feiertag zu zahlen.
(2) Bestätigt wird die Abkoppelung vom laufenden Entgelt durch die Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EFZG. Der Anspruch auf Feiertagsgeld ist danach unabhängig davon, ob im laufenden Halbjahreszeitraum noch eine Beschäftigung in Heimarbeit für den Auftraggeber stattfindet. Nach § 11 Abs. 3 EFZG hat der Auftraggeber bei einvernehmlicher endgültiger Einstellung der Ausgabe von Heimarbeit (gemeint ist die Beendigung des Heimarbeitsverhältnisses) bei der letzten Entgeltzahlung das Feiertagsgeld für die noch übrigen Feiertage des laufenden sowie für die Feiertage des folgenden Halbjahreszeitraumes zu zahlen.
(3) Eine "Anrechnung" des Feiertagsgeldes auf das Arbeitsentgelt findet damit weder im gekündigten noch im ungekündigten Arbeitsverhältnis statt. Der Feiertag ist in jedem Fall nach den eigens bestimmten Bemessungsgrundlagen zu bezahlen. Wollte man die Zahlung bei der Verdienstsicherung berücksichtigen, führte dies zu Verschiebungen, die sich je nach Lage und Dauer der Kündigungsfrist zu Lasten und zu Gunsten der einen oder der anderen Partei auswirken können. Eine von solchen Zufälligkeiten unabhängige Verdienstsicherung lässt sich nur bei Ausklammerung der Feiertagsgelder erreichen.
Die Lage des Bezugszeitraums, wie sie hier vorliegt, unterstreicht die Richtigkeit dieses Ergebnisses. In den Monaten Dezember bis Mai eines jeden Jahres liegen regelmäßig mehr Feiertage als in den anderen Monaten (Weihnachten, Sylvester, Ostern, 1. Mai, Himmelfahrt und ggf. noch Pfingsten). Wollte man diese berücksichtigen, erwürbe der Heimarbeiter wegen der Bemessung der Verdienstsicherung mit 14/12 des Gesamtentgelts auch dann einen Ausgleichsanspruch gegen den Auftraggeber, wenn ihm vor und nach der Kündigungsfrist die gleiche Arbeitsmenge zugeteilt wird.
ff) Für Urlaubszahlungen ist zu unterscheiden. (1) § 29 Abs. 7 Satz 3 HAG, nach dem Zeiträume des Bezugs von Kranken- und Kurzarbeitergeld nicht in den Berechnungszeitraum der 24 Wochen einzubeziehen sind, steht dem nicht entgegen. Dem Heimarbeiter soll es nicht zum Nachteil gereichen, wenn er infolge Krankheit oder Kurzarbeit ausschließlich Leistungen Dritter erhält. Im Gegenschluss ergibt sich aus der Vorschrift, dass alle anderen Zeiträume zu berücksichtigen sind. Das gilt auch für die Dauer eines vom Auftraggeber dem Heimarbeiter nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG antragsgemäß gewährten Urlaubs und dem hierfür gezahlten Urlaubsentgelt. Für diese Zeit der Freistellung dient das Urlaubsentgelt der Überbrückung. Das gilt sowohl für den Urlaub im Berechnungszeitraum als auch für den Urlaub in der Kündigungsfrist. Das Urlaubsentgelt hat dann Lohnersatzcharakter.
(2) Anderes gilt, wenn der Heimarbeiter keinen Urlaub nimmt, sondern die ihm ausgegebenen Arbeitsstücke bearbeitet und lediglich deshalb weniger arbeiten (und Entgelte erzielen) kann, weil ihm eine geringere Arbeitsmenge ausgegeben worden ist. Zahlt der Auftraggeber in einem solchen Fall während der Kündigungsfrist "Urlaubsentgelt", so handelt es sich rechtlich um eine Abgeltung von Urlaub im bestehenden Beschäftigungsverhältnis. Die Berücksichtigung des Abgeltungsbetrags als Arbeitsentgelt iSv. § 29 Abs. 7 HAG führt dann zu einer von der Vorschrift nicht gedeckten Entlastung des Auftraggebers (Otten Teil A § 29 HAG Rn. 55). Das verdeutlichen die für Heimarbeiter geltenden Urlaubsbestimmungen.
Nach § 12 Nr. 1 BUrlG berechnet sich das Urlaubsentgelt nach dem in der Zeit vom 1. Mai bis zum 30. April des folgenden Jahres oder bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erdienten Arbeitsverdienstes. Die Vorschrift enthält eine eigenständige Abgeltungsregelung, wie der auf das Ende der Beschäftigung verkürzte Bezugszeitraum zeigt. Nicht gewährter oder nicht genommener Urlaub "verfällt" daher nicht bei Beendigung der Beschäftigung, sondern ist zugleich mit den Feiertagen des Folgehalbjahres in die Schlussabrechnung aufzunehmen (Otten Teil B Rn. 59).
Dem entspricht die Regelung in dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über Urlaubsgewährung an Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende in der Schneid- und Besteckwarenindustrie in Solingen (UrlTV) vom (BAnz. Nr. 119 vom ). Dieser ist auf das Heimarbeitsverhältnis der Parteien nach seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich anzuwenden. Räumlich stellt er auf die Stadt Solingen ab (§ 1 Buchst. a). Vorausgesetzt wird damit, dass der Betriebssitz als Erfüllungsort im Stadtgebiet liegt. Erfüllungsort ist der Ort, an dem die Arbeit ausgegeben und entgegengenommen wird.
Nach § 2 Abs. 1 UrlTV ist Urlaubsjahr der Zeitraum vom 1. Mai bis zum 30. April des Folgejahres; der Urlaub ist nachträglich zu gewähren. Eine Abgeltung des Urlaubs ist nach § 2 Abs. 4 UrlTV nur zulässig, wenn bei Beendigung des Auftragsverhältnisses (Abschluss des Entgeltbuches) noch Urlaubsansprüche bestehen. Daraus ergibt sich einerseits ein Abgeltungsverbot im bestehenden Beschäftigungsverhältnis, zum anderen aber auch ein Abgeltungsanspruch bei Beendigung der Beschäftigung. Das wird bestätigt durch § 3 Abs. 3 UrlTV. Danach erhält der Heimarbeiter seinen vollen Jahresurlaub nach Beendigung des Urlaubsjahres oder bei Beendigung des Auftragsverhältnisses. Die Zahlung von Urlaubsentgelt ohne gleichzeitige Inanspruchnahme von Urlaub durch den Heimarbeiter ist damit eine tariflich unzulässige Abgeltung von Urlaub. Dass die Beklagte dem Kläger im August 2003 tatsächlich Urlaub gewährt und nicht nur Urlaubsentgelt gezahlt hat, hat sie nicht geltend gemacht.
c) Die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge hinsichtlich der vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten Zahlungen greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat dem Zahlenwerk die Auskunft des Staatlichen Amtes für Arbeitsschutz zugrunde gelegt, die von der Beklagten selbst als rechnerisch und rechtlich zutreffend bezeichnet wurden.
4. Der Kläger hat mit seiner im März 2004 erhobenen Klage die dreimonatige Ausschlussfrist des § 16 Rahmen-TV gewahrt. Die von der Beklagten in den Vorinstanzen erhobene Rüge, der Kläger habe zunächst das tarifliche Schlichtungsverfahren nach § 17 Rahmen-TV einleiten müssen, greift schon deshalb nicht durch, weil dieses sich nur auf tarifliche Ansprüche bezieht. Der Kläger verfolgt dagegen seinen gesetzlichen Anspruch.
5. Rechnerisch ist der sich zu Gunsten des Klägers ergebende Zahlungsbetrag unstreitig. Unerheblich ist, dass er den an sich zu berücksichtigenden Krankengeldzuschlag außer Ansatz gelassen hat. Das wirkt sich allenfalls zu seinen Lasten aus.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Zinsen lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
III. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2007 S. 806 Nr. 14
AAAAC-35726
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein