Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 301; StPO § 354 Abs. 1; StGB § 227
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
- den Angeklagten Armend M. wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren;
- den Angeklagten Artan M. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten;
- den Angeklagten B. wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde;
- die Angeklagten G. und S. wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Die - zu Ungunsten aller Angeklagten eingelegte - Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich, ebenso wie die Revision der Nebenklägerin, mit sachlich-rechtlichen Angriffen gegen die Schuldsprüche der Angeklagten Armend M. , Artan M. und B. ; darüber hinaus beanstandet die Staatsanwaltschaft mit ihrem auch gegen die Angeklagten G. und S. unbeschränkt geführten Rechtsmittel namentlich, dass die gegen diese Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt worden sind. Bezüglich der Angeklagten Armend und Artan M. sowie B. haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin Erfolg; hinsichtlich des Angeklagten B. führt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gemäß § 301 StPO zur Aufhebung des Urteils auch zu dessen Gunsten. Das weitergehende Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt dagegen gemäß § 301 StPO zum Freispruch der Angeklagten G. und S. .
I. Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin zu den Angeklagten Armend M. , Artan M. und B.
1. Der Schuldspruch des Angeklagten Armend M. hält rechtlicher Überprüfung schon deswegen nicht stand, weil das Landgericht sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob dieser Angeklagte die Messerstiche gegen den Zeugen Be. möglicherweise mit Tötungsvorsatz führte. Der Angeklagte versetzte dem Zeugen Be. zwei Messerstiche in den Rücken, die unter und neben dem rechten Schulterblatt in den Körper eindrangen; durch den mehr zur Körpermitte hin geführten Stich wurde der Brustkorb eröffnet, die Verletzung musste zur Vermeidung tödlicher Folgen unverzüglich operativ versorgt werden. Die Stiche waren somit nach Stoßrichtung und -intensität erkennbar lebensgefährlich. Es drängte sich daher auf, dass sie der Angeklagte mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz geführt haben könnte. Dies musste das Landgericht zwingend erörtern; denn seine sonstigen Feststellungen belegen auch nicht, dass der Angeklagte durch das Verlassen des Tatorts von einem eventuellen Tötungsversuch strafbefreiend zurückgetreten wäre. All dies bedarf daher neuer Prüfung.
Schon deswegen kann auch die tateinheitliche Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge zum Nachteil des C. keinen Bestand haben. Indessen hat der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser Teil des Schuldspruchs auch für sich rechtlicher Überprüfung nicht standhält:
Das Urteil beschreibt den Tathergang bereits in nicht nachvollziehbarer Weise. Nach den Feststellungen ging C. , als der Angeklagte dem Zeugen Be. die beiden Messerstiche versetzte, von hinten gegen den Angeklagten vor. Dieser "drehte sich daraufhin um und vollzog dabei mit der Hand, in der er das Messer hielt, eine ausholende Bewegung, sodass das Messer auf Herzhöhe links in den Brustkorb des C. eindrang". Damit wird der tödliche Messerstich nicht in einer Form veranschaulicht, die den objektiven Tatablauf hinreichend erkennbar macht. Es wird weder verdeutlicht, in welcher Hand und wie der Angeklagte das Messer hielt, in welche Richtung die Messerspitze zeigte, was unter einer "ausholenden Bewegung" zu verstehen ist, gegen wen - Be. oder C. - sich diese Bewegung richtete, noch wird verständlich, wie bei einer rein ausholenden Bewegung das Messer so tief in den Brustkorb eindringen konnte, dass die Herzkammer verletzt wurde. Damit fehlt es aber schon an einer tauglichen Grundlage für die Beurteilung der inneren Tatseite.
Hinzu kommt, dass die Erwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten verneinte, in sich widersprüchlich sind. Das Landgericht legt dar, es habe einen derartigen Vorsatz nicht festzustellen vermocht und führt dazu aus: "Bei der im Umdrehen vollzogenen ausholenden Bewegung war für ihn nicht erkennbar, an welcher Stelle des Körpers er C. treffen würde. Er hat mithin auch nicht erkennen und billigend in Kauf nehmen können, ihm eine tödliche Verletzung zuzufügen." Im unmittelbar anschließenden Satz heißt es in den Urteilsgründen dann aber, dass "der Angeklagte hätte erkennen können und müssen, dass er C. im Körperbereich treffen und ihm dort eine tödliche Verletzung beibringen konnte". Diese Aussagen sind miteinander nicht in Einklang zu bringen.
2. Die Verurteilung des Angeklagten Artan M. hat keinen Bestand, weil sich das Landgericht nicht mit der Frage befasst hat, ob und in welchem Umfang sich dieser Angeklagte die Tat seines Bruders Armend gegen C. nach den Grundsätzen der Mittäterschaft zurechnen lassen muss. Selbst wenn er keine Kenntnis davon hatte, dass sein Bruder ein Messer bei sich führte, schließt dies nicht aus, dass er im Rahmen des festgestellten Tatplans auch Verletzungshandlungen seines Bruders gegen C. bei dem gemeinschaftlichen, auf seine Initiative zurückgehenden Angriff auf die Türsteher voraussah und billigte. Nach den Feststellungen liegt dies sogar nahe. Dann hätte er sich aber auch zumindest der tateinheitlichen - gefährlichen - Körperverletzung zum Nachteil des C. schuldig gemacht. Ob auch eine Verurteilung nach § 227 StGB in Betracht kommt, hängt in diesem Fall davon ab, ob er den tödlichen Ausgang des Angriffs seines Bruders auf C. voraussehen konnte. Erst in diesem Zusammenhang mag es eine Rolle spielen, ob der Angeklagte von dem Messer seines Bruders Kenntnis hatte oder nicht.
3. Auch bei dem Angeklagten B. hat das Landgericht nicht geprüft, ob sein Verhalten als Beteiligung an der Körperverletzungshandlung des Angeklagten Armend M. gegen C. zu werten ist. Einer entsprechenden Verurteilung stünde nicht entgegen, dass sich der Angeklagte B. nach den Feststellungen bereits vom unmittelbaren Tatort entfernt hatte, als der Angeklagte Armend M. dem C. die Stichverletzung beibrachte. Zu § 227 StGB gelten die Ausführungen unter 2. entsprechend.
Im Übrigen leidet die rechtliche Würdigung des Landgerichts auch daran, dass es bei der Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe nicht alle maßgeblichen Umstände in seine Überlegungen miteinbezogen hat. Das Landgericht sieht den Angeklagten B. lediglich als Gehilfen an, weil er das gewalttätige Vorgehen der Angeklagten Artan und Armend M. durch seine Begleitung zwar psychisch unterstützt, jedoch keinen eigenen Tatbeitrag geleistet habe und auch nur widerstrebend mitgegangen sei. Dies lässt außer Betracht, dass der Angeklagte B. die Gebrüder M. nicht nur bis zu dem Tatort begleitet, sondern sich mit diesen unmittelbar in die Auseinandersetzung mit den Türstehern hinein begeben hat, nachdem der Angeklagte Artan M. bereits seine Teleskopstahlrute gezogen und geöffnet hatte. Da er anschließend selbst in das Kampfgeschehen eingriff, könnte die gebotene Gesamtwürdigung aller Umstände die Annahme von Mittäterschaft rechtfertigen. Allein sein inneres Widerstreben würde dem nicht notwendig entgegenstehen.
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt gemäß § 301 StPO jedoch auch zur Aufhebung des Urteils zu Gunsten des Angeklagten B. ; denn das Landgericht hat mehrere Umstände unerörtert gelassen, die gegen einen Gehilfenvorsatz des Angeklagten sprechen könnten. So hat sich das Landgericht insbesondere nicht mit der Einlassung des Angeklagten auseinandergesetzt, er habe in das Kampfgeschehen nur eingegriffen, um die Kämpfenden zu trennen. Hierzu hätte aber nicht nur deswegen Anlass bestanden, weil das Landgericht gerade nicht zu klären vermochte, in welcher Form sich der Angeklagte in das Geschehen eingemischt hat, sondern auch, weil es weitere Besonderheiten festgestellt hat, die den Gehilfenvorsatz in Frage stellen könnten: der Angeklagte hatte schon bei dem Vorgeschehen schlichtend zum Ende der Tätlichkeiten beigetragen; er war nur widerstrebend zum Tatort mitgefahren; er war - wie die Angeklagten G. und S. - an einer gütlichen Einigung interessiert; bei seinem Eingreifen in das Kampfgeschehen wurde er durch das Messer des Angeklagten Armend M. verletzt.
Der Tatvorwurf gegen den Angeklagten B. bedarf daher umfassender erneuter Prüfung.
II. Revision der Staatsanwaltschaft zu den Angeklagten G. und S.
Gemäß § 301, § 354 Abs. 1 StPO sind die Angeklagten G. und S. auf die Revision der Staatsanwaltschaft freizusprechen; denn die Urteilsgründe belegen, dass diese Angeklagten ohne den erforderlichen Gehilfenvorsatz handelten. Zwar stellt das Landgericht fest, dass G. und S. den Angeklagten Artan M. bei eventuellen Handgreiflichkeiten mit den Türstehern durch ihre Anwesenheit unterstützen wollten. Ihr festgestelltes weiteres Verhalten zeigt indessen, dass damit ersichtlich nicht eine Unterstützung von aktiven Angriffen auf die Türsteher, sondern nur ein verteidigendes Zur-Seite-Stehen für den Fall eines Angriffs der Türsteher gemeint war. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Beiden Angeklagten war an einer gütlichen Einigung gelegen. Der Angeklagte S. legte Wert darauf, allein mit den Türstehern zu sprechen. Er brachte dies gegenüber dem Angeklagten Artan M. deutlich zum Ausdruck, indem er sich von diesem zusichern ließ, dass er das Auto nicht verlassen werde. Als der Angeklagte Artan M. dennoch abredewidrig ausgestiegen war, sich zu den Türstehern begeben hatte und dann vor diesen wieder in das Fahrzeug geflüchtet war, fuhr der Angeklagte S. zwar noch um die nächste Straßenecke und stellte das Fahrzeug dort ab. Anschließend trennten sich die Angeklagten S. und G. jedoch von den anderen Mitangeklagten und waren an dem späteren Tatgeschehen nicht mehr beteiligt. Der Angeklagte G. holte seinen Pkw, der Angeklagte S. begab sich noch zu dem Chef der Türsteher, um diesen vor den sich anbahnenden Handgreiflichkeiten zu warnen. Dies zeigt deutlich, dass diese beiden Angeklagten das aktive Vorgehen der Mitangeklagten gegen die Türsteher nicht billigten und durch ihre Anwesenheit auch nicht unterstützen wollten. Dementsprechend hat der Angeklagte S. nach der Tat die Angeklagten Artan und Armend M. auch vorwurfsvoll zur Rede gestellt.
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch gegenteilige Feststellungen getroffen werden könnten. Er spricht die Angeklagten G. und S. daher frei. Damit erledigt sich die Revision der Staatsanwaltschaft auch, soweit sie zu Ungunsten dieser Angeklagten eingelegt worden ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
CAAAC-35708
1Nachschlagewerk: nein