Benennung eines Anzeigeerstatters
Leitsatz
1. Seit dem ist ausschließlich der BFH für eine gerichtliche Entscheidung darüber zuständig, ob die Weigerung des FA, einem Beteiligten Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Verfahren zu gewähren, rechtmäßig ist.
2. Hat das FG nach dem über einen Antrag eines Beteiligten auf Akteneinsicht entschieden, ist diese Entscheidung auf Beschwerde hin aufzuheben; der BFH trifft über die Frage der Akteneinsicht eine eigene Entscheidung.
3. Die Identität eines Anzeigeerstatters kann gegenüber dem Steuerpflichtigen dem Steuergeheimnis unterliegen; im Einzelfall ist eine Abwägung vorzunehmen. Dabei kommt dem Informantenschutz regelmäßig ein höheres Gewicht gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Steuerpflichtigen zu, wenn sich die vertraulich mitgeteilten Informationen im Wesentlichen als zutreffend erweisen und zu Steuernachforderungen führen (Bestätigung der Rechtsprechung).
Gesetze: AO 1977 § 30 Abs. 4FGO § 71 Abs. 2FGO § 86 Abs. 1 und 3IFG § 3 Nr. 4
Instanzenzug: , 6 K 1607-1608/00
Gründe
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer/Antragsteller (Kläger) hat im Verfahren vor dem Hessischen Finanzgericht (FG) wegen Umsatzsteuer 1992 bis 1994 Einsicht in die Akten des Beklagten und Beschwerdegegners/Antragsgegners (Finanzamt —FA—) beantragt. Das FA hat die Einsichtnahme in bestimmte Aktenteile, die zwei Anzeigen gegen den Kläger (vom und vom ) betreffen, unter Hinweis auf das Steuergeheimnis mit Verfügungen vom und verweigert.
Mit Beschluss vom hat das FG diese Verfügungen des FA aufgehoben und das FA verpflichtet, den Antrag des Klägers im Rahmen einer Ermessensentscheidung und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Mit Schreiben vom hat das FA den Antrag auf Akteneinsicht erneut abgelehnt.
Das FG hat daraufhin das Hauptsacheverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag des Klägers vom auf weitere Akteneinsicht ausgesetzt. Mit Beschluss vom lehnte das FG in einem Zwischenverfahren nach § 86 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Antrag des Klägers vom auf weitere Akteneinsicht ab. Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom Beschwerde erhoben, der das FG nicht abhalf (Beschluss vom ) und die Beschwerde dem Bundesfinanzhof (BFH) vorlegte. Trotz Aufforderungen vom und wurde die Beschwerde nicht begründet.
II.
Die Beschwerde als solche hat zwar Erfolg, weil das FG zur Entscheidung über den Antrag auf weitere Akteneinsicht nicht mehr befugt war; gleichwohl ist der Antrag auf weitere Akteneinsicht unbegründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 62a Abs. 1 Satz 2, 128 Abs. 1 FGO) und begründet.
Nach der seit dem geltenden Fassung des § 86 Abs. 3 FGO war das FG über die Frage der Rechtmäßigkeit der Verweigerung von Akteneinsicht nicht mehr entscheidungsbefugt.
a) Das im Hauptsacheverfahren beteiligte FA hat nach § 71 Abs. 2 FGO die den Streitfall betreffenden Akten an das Gericht zu übermitteln; es ist —wie jede Behörde— außerdem nach § 86 Abs. 1 FGO zur Vorlage von Akten verpflichtet, soweit nicht durch das Steuergeheimnis (§ 30 der Abgabenordnung —AO 1977—) geschützte Verhältnisse Dritter unbefugt offenbart werden. Weigerte sich das FA, Akten oder Aktenteile vorzulegen, konnte das Gericht —wenn und soweit es die Akten oder Aktenteile für das Hauptsacheverfahren für relevant hielt— bislang nach § 86 Abs. 3 FGO alter Fassung verfahren (vgl. , BFHE 107, 560, BStBl II 1973, 253).
b) § 86 Abs. 3 FGO wurde durch das Justizkommunikationsgesetz (JKomG) vom (BGBl I 2005, 837, 845, erschienen am ) mit Wirkung vom (vgl. Art. 16 JKomG) ohne weitere Übergangs- oder Anpassungsregelungen geändert, so dass für alle Verfahrenshandlungen, die ab dem vorgenommen werden, die gesetzliche Neuregelung gilt. Danach stellt auf Antrag eines Beteiligten (ausschließlich) der BFH in den Fällen des § 86 Abs. 1 und 2 FGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Aktenvorlage oder die der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist.
c) Am war deshalb das FG nicht mehr zur Entscheidung über den Antrag des Klägers vom befugt. Aus diesem Grund war der Beschluss vom auf die Beschwerde vom aufzuheben.
2. Nach § 86 Abs. 3 FGO neuer Fassung ist daher der BFH für die Entscheidung über den Antrag des Klägers vom zuständig. Dieser Antrag ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen. Die Verweigerung der Akteneinsicht durch das FA war rechtmäßig.
a) Die Verpflichtung zur Vorlage von Akten und zur Erteilung von Auskünften ist nach § 86 Abs. 1 FGO durch das Steuergeheimnis nach § 30 AO 1977 eingeschränkt. Hiervon hat das FA zutreffend Gebrauch gemacht.
b) Dem Steuergeheimnis unterliegt grundsätzlich auch die Identität eines Anzeigeerstatters (, BFHE 143, 503, BStBl II 1985, 571; vom VII R 88/92, BFHE 174, 197, BStBl II 1994, 552, und vom X B 333/93, BFHE 174, 491, BStBl II 1994, 802). Soweit es nach § 30 Abs. 4 AO 1977 zulässig ist, dem Steuergeheimnis unterliegende Kenntnisse zu offenbaren, folgt daraus grundsätzlich keine Pflicht; es muss vielmehr unter Abwägung der gegenseitigen Interessen eine sachgerechte Ermessensentscheidung getroffen werden. Dabei sind im Einzelfall das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Steuerpflichtigen —wie auch das des Informanten— gegen den Zweck des Steuergeheimnisses —die möglichst vollständige Erschließung der Steuerquellen— abzuwägen; dieser Zweck kann es auch erfordern, die Auskunftsbereitschaft Dritter zu erhalten. In der Abwägung des Einzelfalles bedeutet dies, dass dem Informantenschutz dann ein höheres Gewicht als dem Persönlichkeitsrecht des Steuerpflichtigen zukommt, wenn sich die vertraulich mitgeteilten Informationen im Wesentlichen als zutreffend erweisen und zu Steuernachforderungen führen (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 174, 491, BStBl II 1994, 802).
c) Die Anzeigen gegen den Kläger vom und vom haben sich in wesentlichen Teilen als zutreffend erwiesen; auf ihrer Grundlage haben sich nach einer Außenprüfung gegen den Kläger Steuernachforderungen ergeben. Warum in dieser Situation gleichwohl dem Persönlichkeitsrecht des Klägers ein höheres Gewicht zukommen sollte als dem Zweck des Steuergeheimnisses, hat der Kläger weder vorgetragen noch sind Gründe hierfür ersichtlich. Die Begründung des Antrags vom enthält dazu keine konkreten Aussagen und erschöpft sich vielmehr in einer Kritik angeblich unlogischer Rechtsanwendung durch das FA; die Beschwerde vom wurde —trotz Aufforderung— nicht begründet, so dass sich auch daraus keine konkreten Hinweise auf ein ggf. individuell höher einzuschätzendes Persönlichkeitsrecht des Klägers ergeben.
d) Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes vom (BGBl I 2005, 2722 „Informationsfreiheitsgesetz” —IFG—). Dieses gilt nach § 1 Abs. 1 IFG zum einen nur gegenüber Behörden des Bundes —während das FA eine Landesbehörde ist—, zum anderen besteht ein Anspruch auf Informationszugang nach § 3 Nr. 4 IFG dann nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt; eine solche Rechtsvorschrift stellt § 30 AO 1977 dar.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 275
AO-StB 2007 S. 63 Nr. 3
BB 2007 S. 1096 Nr. 20
BB 2007 S. 314 Nr. 6
BFH/NV 2007 S. 538 Nr. 3
BStBl II 2007 S. 275 Nr. 6
DStR 2007 S. 195 Nr. 5
DStRE 2007 S. 257 Nr. 4
HFR 2007 S. 247 Nr. 3
INF 2007 S. 207 Nr. 6
KÖSDI 2007 S. 15475 Nr. 3
NJW 2007 S. 1311 Nr. 18
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2007 S. 327
SJ 2007 S. 12 Nr. 5
StB 2007 S. 85 Nr. 3
StBW 2007 S. 6 Nr. 3
StuB-Bilanzreport Nr. 5/2007 S. 199
wistra 2007 S. 188 Nr. 5
BAAAC-35675