Umsätze aus Saunabenutzung; verschärfende Rückwirkung wegen Rechtsprechungsänderung
Gesetze: UStG § 12 Abs. 2 Nr. 9; AO § 176; AO § 4
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren (1998 und 1999) ein Fitnessstudio mit angeschlossener Sauna. Die Benutzung des Fitnessstudios erfolgte auf der Grundlage von Mitgliedschaftsverträgen. Fast alle Mitglieder hatten neben dem Fitnesstraining auch die Saunanutzung vereinbart. Dabei wurden jeweils zwei Verträge abgeschlossen, und zwar ein Vertrag über das Fitnessstudio (50 DM monatlich) und die einmalige Aufnahmegebühr (49 DM) sowie ein Vertrag über die Saunanutzung (49 DM monatlich).
Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung erfasste der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Saunaumsätze mit dem allgemeinen Steuersatz und erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). Sie, die Klägerin, habe für die Vergangenheit auf Abschn. 171 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 (UStR) und auf das (BFH/NV 1999, 992) vertrauen dürfen. Die für sie ungünstigere neuere Rechtsprechung, wie sie im (BFHE 209, 171, BFH/NV 2005, 1470) zum Ausdruck komme, dürfe nicht rückwirkend zu ihren Lasten zur Anwendung kommen. Außerdem sei für den bisher nicht entschiedenen Fall gesonderter „Saunabenutzungsverträge” klärungsbedürftig, ob § 12 Abs. 2 Nr. 9 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) richtlinienkonform dahin gehend ausgelegt werden könne, dass das Saunabad im Ergebnis Heilzwecken zu dienen habe.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (, BFH/NV 2003, 60, mit Nachweisen). Die grundsätzliche Bedeutung muss im Hinblick auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, deren Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, gegeben sein (BFH-Beschlüsse vom IX B 81/89, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760; vom I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254). Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage erforderlich machen (BFH-Beschlüsse vom IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587; vom X B 40/99, BFH/NV 2000, 563).
a) Die von der Klägerin als grundsätzlich angesehene Frage, ob eine verschärfende Rechtsprechung zu Lasten eines Steuerpflichtigen rückwirkend angewandt werden kann, ist geklärt. Die Zulässigkeit einer solchen verschärfenden Rückwirkung —soweit bei nicht bestandskräftigen Steuerbescheiden davon gesprochen werden kann— ergibt sich aus der der Rechtsprechung eigenen Aufgabe der Rechtsfortbildung (Bundesverfassungsgericht —BVerfG—, Beschlüsse vom 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269, 287 f.; vom 1 BvR 898/79 u.a., BVerfGE 59, 128, 165 f.; , BFH/NV 1985, 62). Auch der Gesetzgeber geht, wie § 176 der Abgabenordnung (AO 1977) zeigt, für den Bereich des Steuerrechts von der Zulässigkeit einer rückwirkend verschärfenden Rechtsprechung aus (, BStBl II 1984, 751, 757).
Zwar kann ein Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen in Betracht kommen, wenn das Vertrauen eines Steuerpflichtigen in die Fortgeltung einer bestimmten Rechtsprechung schützenswert ist. Das ist aber keine Frage über die im —hier vorliegenden— Festsetzungsverfahren entschieden werden könnte (z.B. , BStBl II 2006, 541).
b) Auch die Frage, ob gemeinschaftsrechtlich eine andere Behandlung von Saunaumsätzen in Betracht kommt, ist durch das Urteil des BFH in BFHE 209, 171, BFH/NV 2005, 1470 geklärt. Der Senat hat darin entschieden, dass für ihn keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass sowohl der Begriff „Verabreichung von Heilbädern” in § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG als auch der Begriff „Thermalbehandlung” in Kategorie 16 des Anhangs H der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) dahin zu verstehen ist, dass diese im Rahmen einer medizinischen Heilbehandlung erfolgen müssen. Auf die Frage, ob die Saunabenutzung in einem von der Benutzung des Fitnessstudios unabhängigen Vertrag vereinbart worden ist, kommt es deshalb nicht an.
2. Eine Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO) erforderlich, weil das voraussetzt, dass über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, insbesondere wenn der Streitfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (, BFH/NV 2002, 217). Diese Anforderungen sind aus den unter II.1. genannten Gründen nicht erfüllt.
3. Es liegt auch keine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung vor. Das ist nur der Fall, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH (BFH-Beschlüsse vom XI R 10/00, BFH/NV 2000, 1239; vom XI B 71/99, BFH/NV 2000, 1180). Das Finanzgericht (FG) muss seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt (, BFH/NV 2005, 1832). Der Beschwerdeführer muss dabei tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften oder des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (, BFH/NV 2001, 624). Hieran fehlt es; die Klägerin hat nicht einmal eine Divergenzentscheidung benannt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
KAAAC-35646