Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: HöfeO § 13; HöfeO § 13 Abs. 1; HöfeO § 13 Abs. 9 Satz 2; BGB § 2039; BGB § 2039 Satz 1
Instanzenzug: AG Menden 2 Lw 20/00 vom OLG Hamm 10 W 21/05 vom
Gründe
I.
Die Beteiligten sind neben drei weiteren Geschwistern die Kinder der verstorbenen Eheleute K. K. (Erblasser) und A. M. K. . Der Erblasser war Eigentümer eines Hofes im Sinne der Höfeordnung. Mit notariellem Testament vom setzte er den Antragsgegner zum Hofvorerben und seine Ehefrau zur Alleinerbin des hoffreien Vermögens ein. Des weiteren enthält das Testament Unterhalts- und Grundstücksvermächtnisse zu Gunsten der Ehefrau, weitere Grundstücksvermächtnisse zu Gunsten der Söhne sowie den Vermerk, dass die vier Töchter abgefunden seien.
Nach dem Tod des Erblassers am veräußerte der Antragsgegner mehrere zu dem Hof gehörende Grundstücke. Die Antragsteller verlangen von dem Antragsgegner als Abfindung die Herausgabe eines Teils des aus diesen Veräußerungen erzielten Erlöses. Dabei nehmen sie den Antragsgegner sowohl aus eigenem Recht als auch aus übergegangenem Recht ihrer Mutter, die am verstarb und von ihren Kindern im Wege der gesetzlichen Erbfolge beerbt wurde, in Anspruch.
Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat dem ursprünglich auf die Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung von 122.785,17 € gerichteten Antrag in Höhe von 54.388,77 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Beschwerde der Antragsteller hat das Oberlandesgericht den Abfindungsbetrag auf 96.888,53 € nebst Zinsen erhöht. Dabei hat es den Antragstellern unter Anrechnung der jeweils bereits erhaltenen unterschiedlichen Vorempfänge folgende Teilbeträge zuerkannt: der Beteiligten zu 2 20.514,12 €, der Beteiligten zu 3 21.262,34 € und den Beteiligten zu 4 bis 6 jeweils 18.370,69 €. Die Beschwerde des Antragsgegners ist erfolglos geblieben.
Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Antragsgegner eine Ermäßigung des Abfindungsbetrags auf insgesamt 16.606,59 € nebst Zinsen. Die Antragsteller beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels; soweit sie Abfindungsansprüche aus übergegangenem Recht geltend machen, beantragen sie hilfsweise die Verurteilung des Antragsgegners zur Zahlung des insoweit von dem Oberlandesgericht festgestellten Abfindungsbetrags an die Erbengemeinschaft nach ihrer Mutter.
II.
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts steht den Antragstellern nach § 13 HöfeO sowohl aus eigenem Recht als auch aus übergegangenem Recht ihrer Mutter eine Beteiligung an dem Veräußerungserlös zu. Die Höhe der Beteiligung richte sich dabei in beiden Fällen nicht nach dem Pflichtteil der Antragsteller bzw. ihrer Mutter, sondern nach deren gesetzlichem Erbteil. Das Testament des Erblassers enthalte auch unter Berücksichtigung der Einsetzung des Antragsgegners zum Hoferben keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Enterbung der gesetzlichen Erben.
Der Abfindungsanspruch aus eigenem Recht der Antragsteller belaufe sich somit entsprechend ihrer gesetzlichen Erbquote jeweils auf 1/18 des um die Beerdigungskosten der Mutter (471,82 €) reduzierten Nettoerlöses der Landverkäufe (210.268,14 €) abzüglich der bereits enthaltenen Vorempfänge (1.368,95 € für die Beteiligte zu 2, 620,72 € für die Beteiligte zu 3 und jeweils 3.512,41 € für die Beteiligten 4 bis 6).
Der ursprünglich der Mutter zustehende Abfindungsanspruch beläuft sich nach Auffassung des Beschwerdegerichts entsprechend ihrer gesetzlichen Erbquote auf die Hälfte des Nettoerlöses abzüglich von dem Antragsgegner erbrachter Unterhaltsleistungen in Höhe von 13.081,60 €, mithin auf 92.052,46 €. Dieser Anspruch sei jeweils im Umfang der gesetzlichen Erbquote von 1/9 (= 10.227,89 €) auf die Antragsteller übergegangen und könne von diesen gegen den Antragsgegner geltend gemacht werden.
Dies hält einer rechtlichen Prüfung nur teilweise stand.
III.
1. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist - abgesehen von einem geringfügigen Übertragungsversehen - allerdings insoweit frei von Rechtsfehlern, als sie die aus § 13 HöfeO folgenden Abfindungsansprüche der Antragsteller aus eigenem Recht betrifft. Zutreffend hat das Beschwerdegericht die Antragsteller nicht lediglich als Pflichtteilsberechtigte, sondern als Miterben des Antragsgegners angesehen und dementsprechend der Berechnung ihrer Ansprüche die gesetzliche Erbquote von 1/18 zugrunde gelegt.
a) Nach § 13 Abs. 1 HöfeO ist der Hoferbe bei einer Veräußerung des Hofes oder einzelner Grundstücke innerhalb von 20 Jahren nach dem Erbfall zur Herausgabe des erzielten Erlöses an die Miterben, die nicht Hoferben geworden sind, verpflichtet. Zu diesem Personenkreis gehören die Antragsteller, weil sie nach dem allgemeinen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs zusammen mit dem Antragsgegner und den nicht an dem Verfahren beteiligten Geschwistern Erben auch des Hofes geworden wären und nicht durch die von dem Erblasser errichtete Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind (vgl. Senat, Beschl. v. , V BLw 8/70, RdL 1971, 270, 271; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 10. Aufl., § 12 Rdn. 13).
b) Letzteres hat das Beschwerdegericht in tatrichterlicher Auslegung des Testaments vom angenommen. Diese Auslegung, bei der das Beschwerdegericht auch die Möglichkeit einer Enterbung der Antragsteller in Betracht gezogen hat, ist rechtlich möglich; sie verstößt nicht gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denkgesetze und Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften. Deshalb ist sie für den Senat bindend (vgl. BGHZ 121, 357, 363). Die Rechtsbeschwerde, die lediglich ihre eigene Auslegung an die Stelle der Auslegung des Beschwerdegerichts setzt, bleibt somit in diesem Punkt erfolglos.
2. Mit Erfolg rügt sie jedoch, dass das Beschwerdegericht den Antragstellern Abfindungsansprüche aus übergegangenem Recht ihrer Mutter zuerkannt hat. Das verstößt gegen die Vorschrift des § 2039 Satz 1 BGB.
a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, dass auch die Mutter in Höhe ihrer gesetzlichen Erbquote von 1/2 zum Kreis der Abfindungsberechtigten nach § 13 Abs. 1 HöfeO gehörte. Denn sie war zusammen mit dem Antragsgegner testamentarische Erbin des Erblassers, ist aber nicht Hoferbin geworden. Somit waren wegen der von dem Antragsgegner vorgenommenen Grundstücksveräußerungen zu ihren Lebzeiten Abfindungsansprüche entstanden, die im Wege der gesetzlichen Erbfolge auf ihre Kinder übergegangen sind. Dass ein Teil der Veräußerungsgeschäfte erst nach dem Tod der Mutter durch die Eintragung der neuen Eigentümer in das Grundbuch vollzogen worden ist, schmälert den Abfindungsanspruch der Erben nicht (Senat, BGHZ 37, 122, 124 f.).
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts sind die Antragsteller jedoch nicht berechtigt, die Zahlung eines ihrer Erbquote an dem Nachlass der Mutter entsprechenden Anteils an den Abfindungsansprüchen an sich selbst zu fordern.
aa) Solange eine Erbengemeinschaft besteht, kann nach § 2039 Satz 1 BGB, wenn zu dem Nachlass ein Anspruch gehört, jeder Miterbe nur die Leistung an alle Erben fordern. Eine Ausnahme davon gilt nur, wenn durch die Leistung an einen Miterben die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in zulässiger Weise vorweggenommen werden soll. Dies setzt jedoch voraus, dass die Forderung den einzigen noch auseinander zu setzenden Nachlassgegenstand bildet, andere Miterben neben den Parteien nicht vorhanden sind, Nachlassverbindlichkeiten nicht bestehen und der Miterbe lediglich den Anteil verlangt, der ihm bei einer endgültigen Auseinandersetzung in jedem Fall zufiele (vgl. , MDR 1963, 578; Urt. v. , V ZR 153/04, NJW-RR 2005, 887, 891).
bb) Da auch für eine Ermächtigung der Antragsteller durch sämtliche Miterben nichts ersichtlich ist, weil jedenfalls der Antragsgegner mit der gewählten Vorgehensweise nicht einverstanden ist, sind die Antragsteller nicht berechtigt, von dem Antragsgegner die Zahlung an sich selbst zu fordern. Denn mangels gegenteiliger Feststellungen durch das Beschwerdegericht ist davon auszugehen, dass die Erbengemeinschaft nach der Mutter nicht vollständig ausein-andergesetzt ist. Jedenfalls hinsichtlich der Abfindungsansprüche der Mutter nach § 13 Abs. 1 HöfeO hat eine solche Auseinandersetzung bislang nicht stattgefunden. Soweit die Antragsteller in ihrer Rechtsbeschwerdeerwiderung etwas anderes vortragen, können sie damit in dieser Instanz nicht gehört werden. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist ihr Zahlungsverlangen auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer vorweggenommenen Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft begründet, weil an dem Verfahren nicht sämtliche Mitglieder der Erbengemeinschaft beteiligt sind.
3. Der von den Antragstellern in der Rechtsbeschwerdeinstanz gestellte, auf Zahlung an die Erbengemeinschaft gerichtete Hilfsantrag ist begründet.
a) Dieser Antrag ist zulässig. Zwar können in dem Verfahren der Rechtsbeschwerde grundsätzlich keine neuen Ansprüche im Wege einer Änderung oder Ergänzung der ursprünglichen Sachanträge geltend gemacht werden. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn ein von einem Beteiligten in das Verfahren neu eingeführter Hilfsantrag lediglich eine modifizierte Einschränkung des Hauptantrags darstellt und sich auf einen Sachverhalt stützt, der von dem Tatrichter bereits gewürdigt worden ist (vgl. BGHZ 104, 374, 383 für die Revisionsinstanz). Das ist der Fall, wenn - wie hier - ein Miterbe neben der Leistung an sich selbst im Wege eines Hilfsantrags nach § 2039 Satz 1 BGB die Leistung an die Erbengemeinschaft fordert (RG JW 1928, 107, 108; vgl. auch RGZ 158, 302, 314; IVb ZR 68/86, NJW-RR 1987, 1534, 1535; Urt. v. , VII ZR 84/89, NJW-RR 1990, 505). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde setzt ein solcher Hilfsantrag nicht die Einlegung eines Anschlussrechtsmittels voraus, weil er lediglich die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde zum Ziel hat (vgl. , NJW-RR 2006, 669 zur Anschlussberufung).
b) Der Hilfsantrag ist auch begründet, weil die Antragsteller nach § 2039 Satz 1 BGB befugt sind, den von der Mutter geerbten Abfindungsanspruch zugunsten der Erbengemeinschaft geltend zu machen. Soweit das Beschwerdegericht die Höhe dieses Anspruchs mit 92.052,46 € beziffert, sind Rechtsfehler zu Lasten des Antragsgegners nicht erkennbar.
c) Entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde ist der mit dem Hilfsantrag verfolgte Abfindungsanspruch der Erbengemeinschaft auch nicht verjährt. Nach § 13 Abs. 9 Satz 2 HöfeO ist für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Berechtigte von dem Eintritt der Voraussetzungen des Abfindungsanspruchs Kenntnis erlangt. Steht der Anspruch einer Erbengemeinschaft zu, so ist, wenn der Verstorbene nicht mehr selbst die erforderliche Kenntnis hat, für den Verjährungsbeginn die Kenntnis sämtlicher Miterben erforderlich. Das gilt auch, wenn der Anspruch nach § 2039 BGB von einem oder mehreren Mitgliedern der Erbengemeinschaft geltend gemacht wird (Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 199 Rdn. 38; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 11. Aufl., § 199 Rdn. 16; MünchKomm-BGB/Grothe, 4. Aufl., § 199 Rdn. 34; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 199 Rdn. 25; PWW-BGB/Kessler, § 199 Rdn. 12; Staudinger/Werner, BGB [1996], § 2039 Rdn. 26; a.A. Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 2039 Rdn. 11).
Hier ergibt sich die erforderliche Kenntnis sämtlicher Miterben weder aus den Feststellungen des Beschwerdegerichts noch aus sonstigen Umständen. Zwar weist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hin, dass den Antragstellern bei Einreichung der Antragsschrift an das Landwirtschaftsgericht im Jahr 2000 die Veräußerungsgeschäfte des Antragsgegners im einzelnen bekannt waren. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass auch die an dem Verfahren nicht beteiligten Miterben über diese Kenntnis verfügten. Zwar haben sie sich mit den Antragstellern nach deren Vortrag über die Geltendmachung der Abfindungsansprüche vorgerichtlich verständigt. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ihnen auch die für eine Geltendmachung ihrer Ansprüche notwendigen Kenntnisse vermittelt wurden, bestehen jedoch nicht. Deshalb sind die mit dem Hilfsantrag verfolgten Abfindungsansprüche der Erbengemeinschaft nicht verjährt. Auf die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene und umstrittene Frage, ob die Verjährung eines Anspruchs der Erbengemeinschaft durch den Antrag eines einzelnen Erben auf Zahlung an sich selbst entsprechend dem vorliegenden Hauptantrag unterbrochen bzw. gehemmt wird (dafür BGHZ 94, 117, 123 zu § 744 Abs. 2 BGB; Staudinger/Peters, BGB [2004], § 204 Rdn. 7; dagegen LG Wiesbaden WuM 1998, 18; Reinicke/Tiedtke, JZ 1985, 890; Soergel/Wolf, aaO, § 2039 Rdn. 11), kommt es somit nicht an.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG. Es entspricht hier billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten entsprechend dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens zu verteilen, weil es sich um ein echtes Streitverfahren handelt. Gleiches gilt für die Gerichtskosten der ersten Instanz. In den Rechtsmittelinstanzen sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen, soweit sie mit ihren Rechtsmitteln unterlegen sind (§§ 33 LwVG, 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO).
Die Festsetzung des Geschäftswerts für die Rechtsmittelverfahren beruht auf §§ 19d HöfeVfO, 30 Abs. 1 KostO. Maßgeblich ist dabei nach §§ 33 LwVG, 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO der Wert des Gegenstands der Rechtsmittel, soweit diese zurückgewiesen wurden.
Fundstelle(n):
JAAAC-35013
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein