Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 19 Abs. 4; GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2; GG Art. 12 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; EG Art. 43; EG Art. 49
Instanzenzug: OVG Nordrhein-Westfalen 4 B 1060/06 vom VG Gelsenkirchen 7 L 737/06 vom
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die unter Anordnung des Sofortvollzugs ergangene Untersagung der Vermittlung von Sportwetten durch den Beschwerdeführer.
I.
1. Der Beschwerdeführer betreibt in L. eine Wettannahmestelle. Von dort aus vermittelt er seit März 2006 Sportwetten an das Unternehmen "E.", das seinen Sitz in Malta hat.
2. Mit dem angegriffenen Bescheid vom untersagte die Stadt L. auf der Grundlage der §§ 1, 3 bis 5, 14, 17 und 20 des nordrhein-westfälischen Ordnungsbehördengesetzes (OBG) unter Anordnung des Sofortvollzugs dem Beschwerdeführer den in seinem Geschäftslokal geführten Betrieb der Annahme und Vermittlung von Sportwetten, ordnete die Einstellung des Betriebs bis zum an und drohte für den Fall der Nichteinhaltung ein Zwangsgeld von 3000 €, ersatzweise Zwangshaft, an.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist, und stellte außerdem beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einen Antrag auf Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.
4. Mit dem angegriffenen Beschluss vom lehnte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen den Antrag ab und führte zur Begründung unter anderem aus: Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung gehe zum Nachteil des Beschwerdeführers aus. Die Begründung der Untersagungsverfügung entspreche der durch das geschaffenen Rechtslage, die auf die Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen übertragbar sei. Die sich aus diesem Urteil ergebenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Unterbindung der Wettvermittlung seien durch die mittlerweile eingeleiteten Maßnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen erfüllt. Aus dem Gemeinschaftsrecht folge kein anderes Ergebnis.
5. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit dem angegriffenen Beschluss vom zurück. Weder aus dem einfachen Recht noch unter dem Blickwinkel des Art. 12 GG oder der Art. 43, 48, 49 EG ergäben sich durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung. Im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit gehe der Senat davon aus, dass das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten und die Vermittlung solcher Wetten nach dem Urteil des Ersten Senats des - (NJW 2006, S. 1261) ebenso wie in Bayern weiterhin ordnungsrechtlich unterbunden werden könne. Soweit das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung verlangt habe, dass für die Übergangszeit ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Monopols andererseits herzustellen sei, sei diesen Maßgaben in Nordrhein-Westfalen genügt. Die Untersagungsverfügung erweise sich auch nicht im Hinblick auf die durch Art. 43, 48 und 49 EG gewährleistete Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit als rechtswidrig. Zwar gehe der Senat davon aus, dass sich die gegenwärtige Rechtslage in Nordrhein-Westfalen in derselben Weise im Widerspruch zur Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit befinde, wie sie Art. 12 Abs. 1 GG widerspreche. Hieraus sei aber gleichwohl nichts für die Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung herzuleiten. Den in Rede stehenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts komme zwar grundsätzlich Anwendungsvorrang zu.
Diesem Anwendungsvorrang und der damit korrespondierenden Nichtanwendung nationaler Normen seien jedoch gewisse Grenzen gesetzt. Dass bei der Kollision von Normen mit höherrangigem Recht sich Letzteres nicht stets unbeschränkt durchsetze, sei nicht nur im Gemeinschaftsrecht bei der Überprüfung von Gemeinschaftsakten durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) anerkannt (Art. 231 Abs. 2 EG), sondern etwa auch im Rahmen der verfassungsgerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle. Insbesondere das im deutschen wie im Gemeinschaftsrecht geltende Prinzip der Rechtssicherheit könne es gebieten, die Rechtsfolgen einer Kollision mit höherrangigem Recht zu beschränken, um unerträgliche Konsequenzen einer sonst eintretenden Regelungslosigkeit zu vermeiden. Entstehe durch die Nichtanwendung einer nationalen Rechtsvorschrift eine inakzeptable Gesetzeslücke, könne der Vorrang des europäischen Rechts deshalb vorerst nicht greifen. Der EuGH habe sich zwar bisher einer eindeutigen Aussage zu einer solchen Begrenzung des Anwendungsvorrangs enthalten, sich aber doch um den Nachweis bemüht, dass im Einzelfall durch die Anwendung von EG-Recht keine nicht hinnehmbare Gesetzeslücke entstehe. An das Vorliegen einer derartigen inakzeptablen Gesetzeslücke, die zu einer temporären Durchbrechung des Anwendungsvorrangs führe, seien allerdings hohe Anforderungen zu stellen, die indessen im vorliegenden Fall erfüllt seien.
In Anwendung dieser Grundsätze blieben die Vorschriften der §§ 284 f. StGB und des nordrhein-westfälischen Sportwettengesetzes nach denselben zeitlichen wie materiellen Maßgaben weiter anwendbar, wie es das Bundesverfassungsgericht für das bayerische Recht angenommen habe. Kein Raum sei im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Sache dafür, das Verfahren auszusetzen und in einem Vorlageverfahren nach Art. 234 EG die Frage klären zu lassen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang in Fällen der vorliegenden Art der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts begrenzt sei; da es insoweit nur um die Auslegung, nicht aber um die Wirksamkeit von Gemeinschaftsrecht gehe, sei der Senat zu einer solchen Vorlage an den EuGH im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch nicht verpflichtet. Die danach vorzunehmende Interessenabwägung ergebe im Hinblick auf die abstrakte und auch konkrete Gefährlichkeit der Sportwettenvermittlung, dass das Suspensivinteresse des Beschwerdeführers hinter dem Vollzugsinteresse zurückzutreten habe.
II.
1. Durch die angegriffenen Entscheidungen sieht sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Das Oberverwaltungsgericht habe dem Beschwerdeführer effektiven Rechtsschutz versagt, da es das im vorliegenden Fall maßgebliche Gemeinschaftsrecht "vorsätzlich" gebrochen habe. Die derzeitige Ausgestaltung des Sportwettenmonopols in Nordrhein-Westfalen verstoße gegen Art. 43 und 49 EG. Das Oberverwaltungsgericht habe den unbedingten Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts missachtet und zu Unrecht eine inakzeptable Gesetzeslücke angenommen. Das Land Nordrhein-Westfalen habe nicht die im Sinne des erforderlichen Maßnahmen getroffen. Durch die angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts werde der Beschwerdeführer seinem gesetzlichen Richter entzogen, weil das Gericht es unterlassen habe, den Rechtsstreit nach Art. 234 EG dem EuGH vorzulegen. Die angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts gehe davon aus, dass Art. 43 und 49 EG für eine Übergangszeit in Nordrhein-Westfalen nicht oder nur eingeschränkt anwendbar seien. Entsprechend der auch in Eilverfahren bestehenden Vorlagepflicht nationaler Gerichte bei der Aussetzung eines auf Gemeinschaftsrecht beruhenden nationalen Verwaltungsaktes hätte das Gericht diese Frage dem EuGH vorlegen müssen. Eine Suspendierung primären Gemeinschaftsrechts, wie sie vom Oberverwaltungsgericht für richtig gehalten werde, könne nicht durch nationale Gerichte, sondern ausschließlich durch den EuGH erfolgen. Ferner seien die Befangenheitsanträge des Beschwerdeführers gegen die mit der Sache befassten Richter des Oberverwaltungsgerichts trotz deren offenkundiger Voreingenommenheit zu Unrecht abgelehnt worden. Die angegriffenen Entscheidungen stellten außerdem einen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit dar und verletzten Art. 3 Abs. 1 GG, da die private Veranstaltung von Pferdewetten erlaubnisfähig sei, während für alle anderen vergleichbaren Sportwetten eine Erlaubnis nicht erteilt werden könne.
2. Der Beschwerdeführer hat ferner beantragt, den Vollzug des angegriffenen Bescheides der Stadt L. bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache im Wege der einstweiligen Anordnung auszusetzen.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) sind nicht erfüllt. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet ist.
1. Der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen entzieht den Beschwerdeführer nicht seinem gesetzlichen Richter und verletzt daher nicht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
a) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt einen subjektiven Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Durch diese grundrechtsähnliche Gewährleistung wird das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden einem Gericht unterlaufenden, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Vielmehr beurteilt das Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeitsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als Teil des rechtsstaatlichen Objektivitätsgebots, das auch die Beachtung der Kompetenzregeln fordert, die den oberen Fachgerichten die Kontrolle über die Befolgung der Zuständigkeitsordnung überträgt und auf den Instanzenzug begrenzt. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet deshalb die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (BVerfGE 82, 159 <194>).
b) Der EuGH ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 73, 339 <366>). Die Voraussetzungen, unter denen eine Vorlage eines Rechtsstreits an den EuGH in Betracht kommt, ergeben sich aus Art. 234 EG, zu dessen Auslegung der EuGH berufen ist. Das Bundesverfassungsgericht überprüft aus den dargelegten Gründen nur, ob diese Zuständigkeitsregel in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt worden ist (BVerfGE 82, 159 <195>).
Die Vorlagepflicht nach Art. 234 EG wird insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht). Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des EuGH zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des EuGH noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des EuGH nicht nur als entfernte Möglichkeit, wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (BVerfGE 82, 159 <195 f.>).
c) Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob das Oberverwaltungsgericht seinen Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), da die beiden anderen Fallgruppen ersichtlich nicht einschlägig sind. Dabei kann offen bleiben, ob die genannten Anforderungen, die für letztinstanzliche Hauptsachegerichte entwickelt wurden, auch dann in vollem Umfang Geltung beanspruchen, wenn es wie hier um die letztinstanzliche Entscheidung in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geht. Denn die angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hält auch einer Prüfung anhand des dargelegten Maßstabs für Entscheidungen in der Hauptsache stand.
aa) Eine unhaltbare Handhabung der Zuständigkeitsregel des Art. 234 EG liegt nicht vor, weil das Oberverwaltungsgericht eine Pflicht zur Vorlage des Rechtsstreits im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH verneint hat. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes besteht grundsätzlich keine Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, NVwZ 1992, S. 360). Art. 234 Abs. 3 EG (früher Art. 177 Abs. 3 EWGV) ist nach der Rechtsprechung des EuGH dahin auszulegen, dass ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, nicht verpflichtet ist, dem Gerichtshof eine Auslegungsfrage im Sinne von Absatz 1 dieses Artikels vorzulegen, wenn sich die Frage in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung stellt und die zu erlassende Entscheidung das Gericht, dem der Rechtsstreit danach in einem Hauptsacheverfahren vorgelegt wird, nicht bindet, sofern es jeder Partei unbenommen bleibt, - auch vor den Gerichten eines anderen Gerichtszweigs - ein Hauptverfahren, in dem jede in summarischen Verfahren vorläufig entschiedene Frage des Gemeinschaftsrechts erneut geprüft werden und den Gegenstand einer Vorlage nach Art. 234 EG bilden kann, entweder selbst einzuleiten oder dessen Einleitung zu verlangen ( 107/76, Hoffmann-La Roche/Centrafarm, Slg. 1977, S. 957 Rn. 6, und vom , verbundene Rs. 35 und 36/82, Morson und Jhanjan/Niederländischer Staat, Slg. 1982, S. 3723 Rn. 10). Auf dieser Grundlage hat das Oberverwaltungsgericht ohne Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG von einer Vorlage abgesehen. Die Frage, ob die angefochtene Untersagungsverfügung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, kann im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren erneut geprüft werden, ohne dass die Gerichte an ihre im Eilverfahren vertretene Rechtsauffassung gebunden wären.
bb) Für das Oberverwaltungsgericht bestand auch nicht ausnahmsweise deswegen eine Pflicht zur Vorlage, weil nach seiner Rechtsauffassung zwar die derzeitige Rechtslage mit dem Gemeinschaftsrecht nicht im Einklang steht, der Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts aber für eine Übergangszeit zurücktreten muss. Eine Pflicht zur Vorlage einer Rechtssache im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lässt sich der Rechtsprechung des EuGH nur für den Fall entnehmen, dass ein nationales Gericht die Aussetzung der Vollziehung eines auf einer Gemeinschaftsverordnung beruhenden nationalen Verwaltungsakts anordnen will ( verbundene Rs. C-143/88 und C-92/89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Slg. 1991, S. I-415 Rn. 22 ff.; vgl. auch , Atlanta Fruchthandelsgesellschaft, Slg. 1995, S. I-3761 Rn. 19 ff.). Darum geht es im vorliegenden Fall aber nicht, was auch der Beschwerdeführer nicht anders sieht. Nach seiner Auffassung ist vielmehr die Vorlagepflicht im Eilverfahren auf den Fall einer temporären Aussetzung der Anwendbarkeit von primärem Gemeinschaftsrecht zu erstrecken. Damit nimmt der Beschwerdeführer jedoch lediglich eine von ihm erwartete Auslegung des Art. 234 Abs. 3 EG durch den EuGH vorweg. Allein hierauf lässt sich eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Vorlage an den EuGH nicht stützen (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des -, www.bverfg.de, Rn. 15).
cc) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ergibt sich die Pflicht zur Vorlage der Sache an den EuGH nicht zwingend aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH. Die Rechtsansicht des Oberverwaltungsgerichts führt daher nicht zu einer unhaltbaren Handhabung der Zuständigkeitsregel, weil nicht festzustellen ist, dass mögliche Gegenauffassungen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts eindeutig vorzuziehen sind.
Dabei ist in erster Linie zu berücksichtigen, dass der EuGH sich bislang noch nicht zu den Grenzen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts geäußert hat, das Oberverwaltungsgericht aber gleichwohl zu einer Entscheidung in dem bei ihm anhängigen Verfahren verpflichtet war. Die vom Oberverwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung erscheint vor diesem Hintergrund schon deswegen nicht unvertretbar, weil das Oberverwaltungsgericht an eine in Ansätzen bereits entwickelte Ansicht anknüpft. Die Frage einer Einschränkung des Anwendungsvorrangs namentlich in zeitlicher Hinsicht wird in dem in den angegriffenen Beschlüssen herangezogenen Schrifttum erörtert (vgl. Jarass/Beljin, NVwZ 2004, S. 1 <5>). Auch die vom Oberverwaltungsgericht zitierten Schlussanträge der Generalanwälte vom und insbesondere vom in der Rechtssache C-475/03 befassen sich mit dieser Frage. Dabei wird in dem zuletzt genannten Schlussantrag (Rn. 147 f.) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der EuGH nach seiner eigenen Rechtsprechung nicht befugt sei, über die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden, sondern nur das Gemeinschaftsrecht in einer Weise auslegen könne, die es dem nationalen Gericht ermögliche, über die Vereinbarkeit zu befinden. Der Ausspruch, dass die fragliche nationale Vorschrift ungültig sei, könne nur vom zuständigen nationalen Gericht - gegebenenfalls mit Wirkung ab einem von ihm selbst oder kraft nationalen Rechts bestimmten Zeitpunkt - getroffen werden. Hierin liege der Unterschied zum Fall einer Vorabentscheidung über die Gültigkeit einer Gemeinschaftsmaßnahme, die der Gerichtshof in der Tat unmittelbar für nichtig erklären könne. Dieser Rechtsauffassung ist der EuGH in seinem mittlerweile ergangenen Urteil vom in dieser Sache nicht entgegengetreten, da sich dem EuGH anders als der Generalanwältin die Frage eines Anwendungsvorrangs nicht stellte.
Auch der vorliegende Fall betrifft die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht, über die das Oberverwaltungsgericht als nationales Gericht - und nicht der EuGH - zu entscheiden hatte; jedenfalls aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts war nicht über die Gültigkeit einer Maßnahme der Gemeinschaft, sondern über die - allein in zeitlicher Hinsicht sich ergebenden - Konsequenzen zu entscheiden, die aus einem Verstoß des nationalen Rechts gegen das Gemeinschaftsrecht für einen Übergangszeitraum zu ziehen sind. Es stellt daher keine unhaltbare Handhabung der Zuständigkeitsregel dar, dass das Oberverwaltungsgericht angesichts des Fehlens einschlägiger Urteile des EuGH den zitierten Schlussantrag herangezogen und sich auf dieser Grundlage als befugt angesehen hat, den Zeitpunkt des Eintritts des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts und der daraus folgenden Nichtanwendung der in Rede stehenden nationalen Maßnahmen selbst zu bestimmen. Ebenso kann aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet werden, dass das Oberverwaltungsgericht von einer Vorlage abgesehen hat, weil das Oberverwaltungsgericht gerade nicht die Geltung von Gemeinschaftsrecht in Abrede stellt, sondern nur die Folgen einer Kollision zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalen Vorschriften näher konkretisiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich hervorhebt, dass den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts so weit wie möglich Rechnung zu tragen sei.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum dafür plädiert wird, dass sogar bei Zweifeln an der Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht unter bestimmten Voraussetzungen eine Vorlage an den EuGH nicht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern im Hauptsacheverfahren durchgeführt wird; im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist nach dieser Ansicht eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der hinsichtlich der maßgeblichen Rechtsfragen verbleibenden Unsicherheiten vorzunehmen (vgl. Jannasch, NVwZ 1999, S. 495 <497>, unter Hinweis auf -, NVwZ 1998, S. 616 <622>). Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, die ebenfalls in erster Linie eine Interessenabwägung vornimmt, steht dieser Ansicht nicht fern. Auch im Hinblick darauf erscheint es jedenfalls nicht unvertretbar, dass das Oberverwaltungsgericht keine Vorlagepflicht im Eilverfahren über die vom EuGH ausdrücklich anerkannten Fälle hinaus bejaht hat.
d) Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG lässt sich auch nicht aus der vom Beschwerdeführer behaupteten Befangenheit der mit der Sache befassten Richter des Oberverwaltungsgerichts herleiten. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig, da der Beschwerdeführer zwar das Ablehnungsgesuch seiner Beschwerdeschrift beigefügt, nicht jedoch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hierüber vorgelegt oder in einer Weise wiedergegeben hat, die eine Beurteilung erlaubt, ob sie mit dem Grundgesetz im Einklang steht oder nicht (vgl. BVerfGE 93, 266 <288>).
2. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer auch nicht in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.
a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nicht nur das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (BVerfGE 93, 1 <13>). Den Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes müssen die Gerichte auch bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über den verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>). Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet zwar nicht schlechthin die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes durch die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorgesehene Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss aber nur insoweit zurückstehen, als es im Einzelfall um die Anwendung gewichtiger konkreter Interessen geht. Denn die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes setzt ein besonderes öffentliches Interesse voraus, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (vgl. BVerfGE 35, 382 <402>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des -, BVerfGK 5, 196 <202>).
b) Gemessen an diesen Maßstäben verstoßen die angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Beschlüsse nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Durch die im Ergebnis zu Lasten des Beschwerdeführers ausfallende Interessenabwägung wird ihm effektiver Rechtsschutz nicht versagt. Denn nach den vom formulierten verfassungsrechtlichen Anforderungen ist zwar das in Nordrhein-Westfalen bestehende staatliche Sportwettenmonopol aufgrund seiner derzeitigen Ausgestaltung mit Art. 12 Abs. 1 GG ebenso unvereinbar wie das Sportwettenmonopol in Bayern (Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des -, WM 2006, S. 1646). Auch die einschlägigen Regelungen des nordrhein-westfälischen Landesrechts sind jedoch nicht nichtig. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bleibt die bisherige Rechtslage - wie das Oberverwaltungsgericht mit nicht zu beanstandender Begründung dargelegt hat - daher mit der Maßgabe anwendbar, dass das gewerbliche Vermitteln von Sportwetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Sportwetten, die nicht vom Land Nordrhein-Westfalen veranstaltet werden, unabhängig davon, ob in der Übergangszeit eine Strafbarkeit nach § 284 StGB vorliegt, weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden darf. Dies gilt jedenfalls, sofern das Land Nordrhein-Westfalen unverzüglich damit beginnt, das bestehende staatliche Sportwettenmonopol konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht auszurichten (vgl. Urteil des Ersten Senats des a.a.O., S. 1267; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des -, WM 2006, S. 1644 <1645 f.> zur Rechtslage in Baden-Württemberg).
c) Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, das Land Nordrhein-Westfalen habe bereits entsprechend den Vorgaben des ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft einerseits und der tatsächlichen Ausübung seines Monopols andererseits hergestellt. Der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts legt ausführlich dar, welche Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen auf dieser Grundlage ergriffen worden sind, und erwähnt hier die Einschränkung der Wettgegenstände und der Werbung, die Begrenzung der Vertriebskanäle und Angebote zur Suchtprävention. Das Oberverwaltungsgericht zieht daraus den Schluss, dass die derzeitige Rechtslage und Verwaltungspraxis den Anforderungen genüge, die das Bundesverfassungsgericht für die Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung aufgestellt habe. Dies begegnet keinen Bedenken. Der Beschwerdeführer setzt der Wertung des Oberverwaltungsgerichts lediglich seine eigene Einschätzung der Sach- und Rechtslage entgegen. Insoweit ist von Bedeutung, dass nach dem für die Übergangszeit nur ein Mindestmaß an Konsistenz verlangt wird. Der Beschwerdeführer hat nicht substantiiert dargelegt, dass dieses Mindestmaß in Nordrhein-Westfalen unterschritten wäre.
d) Auf die - von dem Beschwerdeführer und den angegriffenen Beschlüssen unterschiedlich beurteilte - Frage, ob die Vermittlung von Wetten den objektiven Tatbestand des § 284 StGB erfüllt, kommt es damit im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes derzeit nicht entscheidend an. Denn die Behörden könnten auch unabhängig von der Frage der Strafbarkeit in der Übergangszeit ordnungsrechtlich gegen die Wettvermittlung vorgehen. Es bedarf daher im Rahmen der Beurteilung der hier in Rede stehenden Untersagungsverfügung auch keines Eingehens auf die Frage, welche Bedeutung den vom Beschwerdeführer in Bezug genommenen Schlussanträgen des Generalanwalts vom in den verbundenen Rechtssachen C-338/04, C-359/04 und C-360/04 für die Beurteilung der Strafbarkeit der vom Beschwerdeführer betriebenen Wettvermittlung beizumessen ist.
e) Dem Beschwerdeführer wird effektiver Rechtsschutz auch nicht deswegen versagt, weil das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung eine zeitlich begrenzte Einschränkung des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts befürwortet. Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei dieser Ansicht um eine jedenfalls vertretbare Rechtsauffassung, in der - entgegen der Annahme des Beschwerdeführers - kein vorsätzlicher oder willkürlicher Rechtsbruch zu erblicken ist.
f) Damit ist eine Untersagung der Wettvermittlung durch den Beschwerdeführer jedenfalls derzeit zulässig. Hieraus ergibt sich zugleich - unabhängig von der Frage der Strafbarkeit der Wettvermittlung - ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung (Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des a.a.O., S. 1646). Der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts greift diese Begründung ausdrücklich auf und weist im Übrigen - wenn auch knapp - darauf hin, dass von der Tätigkeit des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt der Spielsucht und ihrer Folgen eine konkrete Gefahr für die Allgemeinheit ausgehe. Diese zusätzliche Begründung dafür, dass das behördliche Vollzugsinteresse das Interesse des Beschwerdeführers, vorläufig von der Durchsetzung der Untersagungsverfügung verschont zu bleiben, überwiege, ist ebenfalls nicht zu beanstanden, zumal die Abwehr von Gefahren, die der Bevölkerung durch das Glücksspiel drohen, ein legitimes Ziel staatlicher Maßnahmen ist (vgl. Urteil des Ersten Senats des a.a.O., S. 1263; BVerfGE 102, 197 <216>).
3. Daraus folgt zugleich, dass der Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt ist. Da die Vermittlung von Sportwetten in der Übergangszeit bis zu einer Neuregelung unter den genannten, hier als erfüllt anzusehenden Voraussetzungen als ordnungsrechtlich verboten angesehen werden darf, stellt ihre Untersagung auch einen zulässigen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit dar.
4. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit mit ihr ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gerügt wird. Ihrer Zulässigkeit steht insoweit der Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) entgegen. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG verlangt auch im Hinblick auf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, dass der Beschwerdeführer die behaupteten Grundrechtsverletzungen im Instanzenzug geltend macht (Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des -, NJW 2003, S. 418 <419>). Den vom Beschwerdeführer vorgelegten Entscheidungen und Schriftsätzen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass er im bisherigen Verfahren eine Rüge der Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG erhoben hätte.
5. Da die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wird, erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 1521 Nr. 21
WM 2007 S. 183 Nr. 4
FAAAC-34508