BFH Beschluss v. - VI B 62/06

Ordnungsmaßnahmen gegen nicht erschienen Zeugen

Gesetze: FGO § 82; ZPO § 358; ZPO § 381

Instanzenzug:

Gründe

Das Finanzgericht (FG) —Einzelrichter— hatte mit Verfügung vom die Vernehmung der Beschwerdeführerin als Zeugin angeordnet und sie zu dem auf den anberaumten Termin geladen. Mit Schreiben vom teilte die Beschwerdeführerin dem FG mit, dass ihre Beine nicht mehr mitmachten und sie schlecht laufen könne, dass sie jahrelang nicht mehr mit Bus und Bahn gefahren sei, das finanziell nicht könne und sich in X nicht auskenne; sie wisse mit dem besten Willen nicht hinzukommen. Das FG erläuterte daraufhin der Beschwerdeführerin schriftlich die Rechtslage hinsichtlich ihrer Pflichten als Zeugin und stellte ihr in Aussicht, ihr persönliches Erscheinen könnte entbehrlich werden, wenn sie bestimmte Fragen zum Beweisthema schriftlich beantworte. Die Fragen beantwortete die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom . Da die Klägerin des Ausgangsverfahrens die persönliche Einvernahme der Beschwerdeführerin wünschte, wies das FG diese darauf hin, dass sie zum Termin kommen müsse; die Klägerin habe das Recht, sie persönlich zu befragen.

Zu dem Termin am erschien die Beschwerdeführerin nicht. In der mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin mit Einverständnis des beklagten Finanzamts die Klage zurück. Mit Beschluss vom gleichen Tage legte das FG der Beschwerdeführerin die durch ihr Ausbleiben verursachten Kosten auf. Zugleich wurde gegen sie ein Ordnungsgeld von 300 €, ersatzweise sechs Tage Ordnungshaft, festgesetzt. Zur Begründung führte das FG aus, die Voraussetzungen für die nach § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 380 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) zwingend zu verhängenden Sanktionen lägen vor. Die ordnungsgemäß geladene und gleichwohl nicht erschienene Zeugin habe ihr Ausbleiben nicht genügend entschuldigt. Auch wenn sie sich möglicherweise in bescheidenen finanziellen Verhältnissen befinde, sei angesichts ihres rücksichtslosen Verhaltens eine fühlbare Sanktion erforderlich.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Festsetzung des Ordnungsgeldes sei nicht gerechtfertigt und unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin völlig unangemessen. Sie habe die Fragen des FG für ihre bescheidenen intellektuellen Verhältnisse sehr ausführlich beantwortet, womit die Angelegenheit für sie sozusagen erledigt gewesen sei. Aus persönlichen und finanziellen Gründen sei sie nicht in der Lage, ohne weiteres nach X zu fahren. Neben dem riesigen Kostenproblem berge eine solche Fahrt für sie unüberwindbare Hindernisse, weil sie ihr Leben lang noch nie nach X gefahren sei und mit dem Verkehrssystem dieser Stadt völlig überfordert wäre. Ohne Begleitung wäre eine Anreise nicht möglich.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Beschwerde ist teilweise begründet. Sie führt zur Herabsetzung des gegen die Beschwerdeführerin festgesetzten Ordnungsgeldes und der ersatzweise auferlegten Ordnungshaft.

1. Die öffentlich-rechtliche Pflicht des ordnungsgemäß geladenen Zeugen, zum Termin der Beweisaufnahme zu erscheinen, hat im Falle seines Ausbleibens zur Folge, dass dem Zeugen die dadurch verursachten Kosten auferlegt werden und gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt wird. Diese Maßnahmen sind gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Sie entfallen nur, wenn der Zeuge das Ausbleiben —zumindest nachträglich— genügend entschuldigt (§ 82 FGO i.V.m. § 381 Abs. 1 und 2 ZPO).

2. Im Streitfall war das FG befugt, wegen des Ausbleibens der Beschwerdeführerin Ordnungsmaßnahmen gegen sie zu verhängen. Das FG hatte sie als Zeugin ordnungsgemäß geladen (§ 82 FGO i.V.m. § 377 Abs. 2 ZPO). Dass der Ladung nicht ein förmlicher Beweisbeschluss, sondern lediglich eine Verfügung des Einzelrichters zugrunde lag, ist unschädlich. Nach § 82 FGO i.V.m. § 358 ZPO ist ein Beweisbeschluss nur dann erforderlich, wenn die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren (einen besonderen Termin) erfordert (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 82 Rz. 3). Dies war hier nicht der Fall, da die Zeugenvernehmung im Rahmen der mündlichen Verhandlung stattfinden sollte.

3. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Gründe für ihr Fernbleiben rechtfertigen nicht die vollständige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Die Versäumung eines Beweistermins durch einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen ist nach ständiger Rechtsprechung nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe genügend entschuldigt. Als solche werden nur äußere Umstände und Ereignisse anerkannt, die den Zeugen ohne sein Zutun von der Wahrnehmung des Termins abgehalten haben, wie z.B. eine Betriebsstörung von Verkehrsmitteln, eine eigene Erkrankung, eine schwere Erkrankung eines nächsten Angehörigen (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom I B 41/77, BFHE 123, 120, BStBl II 1977, 842; vom III B 162/01, BFH/NV 2002, 1335). Derartige Gründe hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht.

4. Indessen ist das vom FG festgesetzte Ordnungsgeld von 300 € zu hoch. Maßgebend für die nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmende Höhe des Ordnungsgeldes, das 5 € bis 1000 € betragen darf (Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch), sind insbesondere die Bedeutung der Rechtssache sowie die Bedeutung der Zeugenaussage für die Entscheidung, ferner die Schwere der Pflichtverletzung und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen (vgl. , BFHE 153, 310, BStBl II 1988, 838, m.w.N.). Von diesen Kriterien hat das FG —neben den tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen Ordnungsgeld verhängt werden kann— lediglich die Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin angeführt. Dies trägt die Auferlegung von 300 € Ordnungsgeld nicht. Das FG hat nicht in Betracht gezogen, dass die Beschwerdeführerin die Fragen des Gerichts zum Beweisthema schriftlich beantwortet hat, was erkennen lässt, dass sie sich ihrer Pflicht als Zeugin bei der Aufklärung des Sachverhalts nicht grundsätzlich verweigern wollte. Insbesondere aber hätte das FG berücksichtigen müssen, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens in der mündlichen Verhandlung vom die Klage mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen hat. Damit ist durch das Ausbleiben der Beschwerdeführerin weder für das FG noch für die übrigen Verfahrensbeteiligten ein zusätzlicher Zeitaufwand, etwa für einen neuen Termin zur Beweisaufnahme, entstanden. Andererseits ist das Verschulden der Beschwerdeführerin nicht so gering einzuschätzen, dass von einer Ordnungsmaßnahme insgesamt abzusehen ist (vgl. dazu , BFH/NV 1994, 640). Der Senat hält deshalb ein Ordnungsgeld von 50 €, ersatzweise einen Tag Ordnungshaft, für angemessen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Soweit die Kosten nicht von der Beschwerdeführerin zu tragen sind, fallen sie der Staatskasse zur Last (vgl. , BFHE 145, 314, BStBl II 1986, 270).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 468 Nr. 3
KÖSDI 2007 S. 15418 Nr. 2
KÖSDI 2007 S. 15418 Nr. 2
LAAAC-34383