Keine Rückwirkung der Anschaffungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG auf Entnahmen vor dem
Gesetze: EStG § 22 Nr. 2; EStG § 23
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind die ehemaligen Gesellschafter einer mit der Veräußerung des einzigen vermieteten Grundstücks aufgelösten GbR. Das Grundstück war am dem gewerblichen Betriebsvermögen der GbR als ehemaliger Besitzgesellschaft einer GmbH unter Aufdeckung der stillen Reserven entnommen und in das Privatvermögen der seitdem Vermietungseinkünfte erzielenden GbR überführt worden. Die GbR veräußerte das Grundstück im Streitjahr (2003).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) unterwarf den Veräußerungsgewinn von 24 666 € der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und änderte den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der GbR entsprechend.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt: Weil das Grundstück unstreitig zum entnommen worden sei, gelte die Entnahme nicht als Anschaffung. Die Veräußerung sei nicht steuerbar, da § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht anwendbar sei.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA: Der Anwendungszeitraum des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG richte sich danach, ab wann § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG anzuwenden sei und damit nach § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Verfahren 2 BvL 2/04.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
1. Zutreffend hat das FG entschieden, dass die GbR mangels Anschaffung keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt hat.
Nach diesen Vorschriften sind Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungsgeschäften steuerbar, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Nicht nur die Veräußerung, auch die (entgeltliche) Anschaffung ist Tatbestandsmerkmal der Steuernorm. Fehlt es daran oder an einer Anschaffungsfiktion, wird eine Veräußerung nicht nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG erfasst (, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B. III. 1. b).
Im Streitfall hat die GbR ihr Grundstück nicht deshalb angeschafft, weil sie es im Jahr 1998 aus ihrem Betriebsvermögen entnahm (vgl. , BFHE 82, 637, BStBl III 1965, 477). Auch die Anschaffungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom (BGBl I 1999, 402) greift —wie das FG zutreffend ausführt— nicht ein: Zwar gilt nach § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG die Überführung eines Wirtschaftsgutes in das Privatvermögen durch Entnahme als Anschaffung. Indes ist diese Vorschrift auf Entnahmen vor dem nicht anzuwenden. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom heutigen Tage in der Sache IX R 5/06.
2. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO kommt entgegen dem Hilfsantrag des FA nicht in Betracht. Die Entscheidung des Streitfalls ist nicht davon abhängig, in welcher Weise das BVerfG in dem vom Senat mit Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, vorgelegten Verfahren (Az.: 2 BvL 2/04) entscheidet. Denn es geht hier gerade nicht um eine rückwirkende Anwendungsregelung. Vielmehr hat der Senat die Vorschriften über die zeitliche Geltung der Anschaffungsfiktion aufgrund der rechtlichen Struktur der Steuernorm des § 23 Abs. 1 EStG ausgelegt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 228 Nr. 2
EStB 2007 S. 47 Nr. 2
KÖSDI 2007 S. 15422 Nr. 2
NAAAC-32262