BFH Beschluss v. - I B 46/06

Verletzung des Rechts auf Gehörs durch unterbliebene Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung; Verletzung der Sachaufklärungspflicht

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen, denn die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gerügten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) liegen nicht vor.

1. Das Finanzgericht (FG) hat nicht dadurch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—) verletzt, dass es den Antrag der Klägerin auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung abgelehnt und im Termin die Klage abgewiesen hat.

Die Klägerin hatte gegenüber dem FG keine erheblichen, zur Terminsaufhebung zwingenden Gründe i.S. des § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) dargelegt und glaubhaft gemacht. Ein solcher erheblicher Grund liegt zwar regelmäßig bei einer plötzlichen und nicht vorhersehbaren Erkrankung vor, die den Beteiligten an der Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung hindert. Wird ein Terminsverlegungsantrag jedoch erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet, ist der Beteiligte verpflichtet, die Gründe für die Verhinderung so anzugeben und zu untermauern, dass das Gericht die Frage, ob der Beteiligte verhandlungs- und reiseunfähig ist oder nicht, selbst beurteilen kann. Ein für diesen Zweck vorgelegtes privatärztliches Attest muss deshalb die Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar ergeben (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VII B 7/04, BFH/NV 2005, 64; vom II B 47/04, BFH/NV 2005, 2041).

Allein die Mitteilung des (früheren) Geschäftsführers der Klägerin, F, er könne wegen eines doppelten Wirbelbruches nicht an der Verhandlung teilnehmen, verpflichtete das FG nicht zu einer Terminsverlegung, zumal dieser Vortrag durch das vorgelegte privatärztliche Attest, das zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung ausgestellt worden war, nicht bestätigt wurde. Die in diesem Attest bescheinigte Krankheit und Verhandlungsunfähigkeit bezog sich auf den und ließ Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des F am , dem Termin zur mündlichen Verhandlung, nicht zu. Wie die Klägerin selbst vorträgt, lässt sich das darin genannte Krankheitsbild nicht mit dem von F geltend gemachten, aber nicht näher belegten doppelten Wirbelbruch in Einklang bringen. Hieran vermag auch das nunmehr im Beschwerdeverfahren vorgelegte Attest nichts zu ändern.

2. Das FG hat auch nicht gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung nach § 76 Abs. 1 FGO verstoßen.

Das FG hatte von seinem Rechtsstandpunkt aus keinen Anlass, ein Gutachten zur Geschäftsunfähigkeit des früheren Geschäftsführers der Klägerin einzuholen. Es konnte sich vielmehr auf das vom Oberlandesgericht eingeholte psychiatrische Gutachten vom stützen, das F im Lebensbereich „Prozessführung” nach den Feststellungen des FG seit spätestens Februar 1995 eine Geschäftsunfähigkeit bescheinigt und das dazu geführt hatte, dass F zeitweilig unter Betreuung gestellt worden war.

Die Klägerin selbst bezweifelt nicht die Richtigkeit des Gutachtens, sie macht lediglich geltend, aus dem Gutachten ergebe sich nicht, dass F in vollem Umfang geschäftsunfähig gewesen sei.

Nach dem —insoweit maßgebenden— materiell-rechtlichen Standpunkt des FG (vgl. , BFH/NV 2005, 1496) führte die vom Gutachter bescheinigte krankheitsbedingte Unfähigkeit, einen Prozess auf Dauer zu verfolgen, Anträge, Stellungnahmen und Beweise beizubringen, einen Rechtsanwalt zu informieren und Buchführungsunterlagen zusammenzustellen, bereits dazu, dass F, ohne dass es einer Abberufung durch die Gesellschafterversammlung bedurft hätte, seine Bestellung als Geschäftsführer verlor. Das FG hatte keine Veranlassung, ein Gutachten zu der Frage einzuholen, ob F in vollem Umfang geschäftsunfähig war, da es hierauf nach seiner Rechtsauffassung nicht ankam.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 254 Nr. 2
LAAAC-32241