BGH Urteil v. - V ZR 20/06

Leitsatz

[1] Ist in einem vor dem Inkrafttreten des § 9a ErbbauVO () geschlossenen Erbbaurechtsvertrag die Höhe des Erbbauzinses in der Weise an den Grundstückswert gekoppelt, dass in bestimmten Zeitabständen die Änderung des Erbbauzinses verlangt werden kann, wenn sich der Grundstückswert um einen bestimmten Prozentsatz geändert hat, kann die ergänzende Vertragsauslegung ergeben, dass eine Erhöhung des Erbbauzinses auch dann möglich ist, wenn seit der letzten Erhöhung der Grundstückswert nicht oder nicht in dem vereinbarten Maß gestiegen ist, die vorhergehende Erhöhung jedoch wegen der Kappungsgrenze in § 9a Abs. 1 ErbbauVO nicht die nach der Vereinbarung mögliche Höhe erreicht hat.

Gesetze: BGB § 157 D; ErbbauVO § 9a Abs. 1

Instanzenzug: AG Langen 2 C 1039/04 (IV) vom LG Stade 4 S 28/05 vom

Tatbestand

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom bestellte die Klägerin den Beklagten ein bis Ende des Jahres 2066 befristetes Erbbaurecht. Das belastete Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut. In § 5 des Vertrags heißt es u.a.:

"Der Erbbauzins beträgt jährlich 6 % des jeweiligen Grundstückswertes, der für heute mit 12,00 DM je qm angesetzt wird. Das sind jetzt jährlich 484,56 DM. Die Zahlung erfolgt monatlich im Voraus ab mit je 40,38 DM.

Soweit sich der Grundstückswert ändert, kann jede Seite Änderung des Erbbauzinses fordern und zwar ab dem nächstigen Monatsersten von dem Tage an, an dem diese Änderung begehrt wird.

...

Änderungen unter 5 % können nicht verlangt werden, im Übrigen sind sie auch nur in Zeitabständen von 5 Jahren ab jeweils möglich."

Die Beklagten akzeptierten letztmalig eine von der Klägerin - unter Zugrundelegung eines Anstiegs der wirtschaftlichen Verhältnisse von 281,91 % seit dem Vertragsschluss - verlangte Erhöhung des Erbbauzinses auf monatlich 61,96 € ab dem . Damals betrug der Wert des Grundstücks der Klägerin im unerschlossenen Zustand 80 DM pro qm; er hat sich seitdem nicht verändert.

Nunmehr verlangt die Klägerin die Erhöhung des Erbbauzinses auf 88,79 € monatlich seit dem . In diesem Zeitpunkt war der für die Berechnung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebende Index gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses um 330,20 % gestiegen. Ihre auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 295,13 € für die Monate Mai 2004 bis März 2005 gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolgreich gewesen.

Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, wollen die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hält die Erbbauzinserhöhungsklausel für nach § 3 WährG genehmigungspflichtig, weil die Erhöhung an die Steigerung des Grundstückswerts gekoppelt sei. Da eine Genehmigung fehle, sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine genehmigungsfreie Klausel zu bestimmen, welche die beiderseitigen Bedürfnisse und Interessen der Parteien wahre. Dieses Ziel könne durch die Vereinbarung eines genehmigungsfreien Leistungsvorbehalts erreicht werden. Eine solche Klausel gelte als von Anfang an vereinbart.

Weiter meint das Berufungsgericht, dass die Klägerin einen Anspruch auf die verlangte Erhöhung des Erbbauzinses habe, obwohl der Grundstückswert seit dem letzten Erhöhungsverlangen gleich geblieben sei. Denn die zum eingetretene Erhöhung habe nicht entsprechend der Steigerung des Grundstückswerts vorgenommen werden können, sondern sei nach § 9a ErbbauVO auf die seit dem Abschluss des Erbbaurechtsbestellungsvertrags eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse beschränkt gewesen. Die Anwendung dieser erst nach Vertragsschluss in Kraft getretenen Vorschrift dürfe nicht dazu führen, dass eine nach der Anpassungsklausel mögliche Erhöhung des Erbbauzinses ausgeschlossen sei, weil die Entwicklung der Grundstückspreise und die der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse unterschiedlich verlaufen seien. Wenn zunächst die Grundstückspreise wesentlich stärker gestiegen seien als der Index für die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, dann aber stagnierten oder nur unwesentlich stiegen, während der Index für die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse weiter ansteige, könne der Grundstückseigentümer nicht an dem nach § 9a ErbbauVO gekappten Erbbauzins mit der Begründung festgehalten werden, dass sich zwischenzeitlich zwar die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, nicht aber die Grundstückswerte verändert hätten. Insoweit enthalte die Erhöhungsklausel eine Regelungslücke, welche im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen sei. Das führe unter Zugrundelegung des hypothetischen Parteiwillens dazu, dass Erhöhungen der Grundstückspreise, die zunächst wegen der Schranke des § 9a ErbbauVO nicht vollständig auf die Erhöhung des Erbbauzinses durchschlagen könnten, auch später zu berücksichtigen seien, wenn seit der letzten Erbbauzinserhöhung die Grundstückspreise nicht mehr gestiegen seien, die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse sich jedoch den Grundstückspreisen angenähert hätten. Da seit der Erhöhung des Erbbauzinses ab dem der Index für die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse gestiegen sei, damals der gestiegene Grundstückswert nicht vollständig habe berücksichtigt werden dürfen und der für eine neue Erhöhung vereinbarte Zeitraum von fünf Jahren abgelaufen sei, dürfe jetzt der ursprünglich vereinbarte Erbbauzins um 330,20 % - entsprechend der Steigerung des Indexes für die allgemeinen Lebenshaltungskosten - auf 88,82 € monatlich erhöht werden.

Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

II.

1. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, die vereinbarte Erbbauzinserhöhungsklausel bedürfe der Genehmigung nach § 3 WährG. Denn die Vorschrift wurde durch Art. 9 § 1 des Euro-Einführungsgesetzes vom (BGBl. I S. 1242) aufgehoben; seit dem gelten für die Genehmigung von Preisklauseln die Vorschriften in § 2 des Preisangaben- und Preisklauselgesetzes. Zudem sind seit dem Zinserhöhungsklauseln jeder Art in Erbbaurechtsbestellungsverträgen mit einer Laufzeit von mindestens 30 Jahren nach § 1 Nr. 4 der Preisklauselverordnung vom (BGBl. I S. 3043) genehmigungsfrei; das gilt auch, wenn - wie hier - die Klausel in einem früher geschlossenen Vertrag vereinbart wurde (Schmidt-Räntsch, NJW 1998, 3166, 3169). War bis zum Inkrafttreten der Preisklauselverordnung am eine bis dahin erforderliche Genehmigung nach § 3 WährG nicht versagt worden, wurde eine bis dahin schwebend unwirksame Klausel ab diesem Zeitpunkt endgültig wirksam. Somit liegt hier eine wirksame Erhöhungsklausel vor, ohne dass geklärt werden muss, ob die Klausel überhaupt genehmigungsbedürftig war.

2. Zu Recht meint das Berufungsgericht, die von den Parteien getroffene Vereinbarung über die Erhöhung des Erbbauzinses müsse im Hinblick auf die nach Vertragsschluss in Kraft getretene Regelung zur Begrenzung der Erbbauzinserhöhung in § 9a ErbbauVO ergänzend ausgelegt werden. Die Auslegung selbst ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

a) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke - eine planwidrige Unvollständigkeit - aufweist (siehe nur , WM 2002, 1229, 1230 m.w.N.). Sie liegt u.a. dann vor, wenn sich die bei Vertragsschluss bestehenden rechtlichen Verhältnisse nachträglich geändert haben (vgl. , NJW-RR 1999, 923, 924). Das ist hier mit dem Inkrafttreten von § 9a ErbbauVO am geschehen.

b) Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten (siehe nur , NJW-RR 2005, 687, 690 m.w.N.). Von diesem Grundsatz geht das Berufungsgericht aus. Seine darauf beruhende Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; denn diese verstößt nicht gegen anerkannte Auslegungs- und Ergänzungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze und lässt auch nicht wesentliche Umstände unbeachtet (vgl. , WM 2002, 1229, 1230 m.w.N.). Entgegen der Rüge der Revision fehlt es nicht an den für das Auslegungsergebnis notwendigen Tatsachenfeststellungen. Das Berufungsgericht hat den Wert des Grundstücks der Klägerin am (letzte Erhöhung des Erbbauzinses) und am (Beginn der jetzt verlangten Erhöhung), die Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse zu diesen beiden Zeitpunkten seit dem Vertragsschluss und weiter festgestellt, dass die letzte Erbbauzinserhöhung die Kappungsgrenze nach § 9a Abs. 1 ErbbauVO und deshalb nicht die vertraglich vorgesehene Höhe erreicht hat.

c) Die nach allem rechtsfehlerfreie ergänzende Vertragsauslegung ergibt, dass eine Erhöhung des Erbbauzinses auch dann möglich ist, wenn seit der letzten Erhöhung zwar der Wert des Erbbaugrundstücks nicht oder weniger als 5 % gestiegen ist, aber die letzte Erhöhung nach § 9a Abs. 1 ErbbauVO auf die seit dem Vertragsschluss eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse begrenzt und deshalb die nach der vertraglichen Vereinbarung an sich mögliche Erhöhung des Erbbauzinses auf 6 % des Grundstückswerts nicht zulässig war, sofern der tatsächliche Grundstückswert bei Beginn der jetzt verlangten Erhöhung den anhand des letztmalig erhöhten Erbbauzinses zu errechnenden fiktiven Grundstückswert um wenigstens 5 % übersteigt. Das bestätigen die folgenden Überlegungen.

aa) Der Erbbauzins soll hier jährlich 6 % des jeweiligen Grundstückswerts betragen. Bereits aus der Verwendung des Worts "jeweiligen" ergibt sich, dass die Parteien während der gesamten Vertragslaufzeit die Höhe des Erbbauzinses an den Verkehrswert des Erbbaugrundstücks koppeln wollten. Zur Klarstellung dieses Willens wurde weiter vereinbart, dass jede Seite die Änderung des Erbbauzinses verlangen kann, soweit sich der Grundstückswert um wenigstens 5 % verändert. Steigt oder fällt der Grundstückswert um wenigstens diesen Prozentsatz, soll auch der Erbbauzins steigen oder fallen. Dieses Ziel wird ohne die Regelung in § 9a Abs. 1 ErbbauVO ohne weiteres erreicht, solange sich der Grundstückswert innerhalb des vereinbarten Zeitraums von fünf Jahren seit der letzten Erhöhung um wenigstens 5 % verändert. In dem hier gegebenen Fall des Anstiegs des Grundstückswerts kommt die Klägerin alle fünf Jahre in den Genuss einer der Wertsteigerung entsprechenden Erhöhung des Erbbauzinses.

bb) Dieser Vorteil wird ihr durch die Regelung in § 9a Abs. 1 ErbbauVO genommen, wenn - wie hier - der Anstieg der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinter dem des Grundstückswerts zurückbleibt. Das muss sie hinnehmen. Sie kann jedoch nach dem Sinn und Zweck der vertraglichen Vereinbarung über die Höhe des Erbbauzinses bei einem ausbleibenden Anstieg des Grundstückswerts nicht an dem Betrag festgehalten werden, den die Beklagten seit der letzten Erhöhung schulden. Vielmehr ist zu berechnen, welchem Grundstückswert der derzeitige Erbbauzins entspricht; sodann ist zu prüfen, ob der Grundstückswert bei Beginn der jetzt geltend gemachten Erhöhung den fiktiven Wert im Zeitpunkt der letzten Erbbauzinserhöhung um wenigstens 5 % übersteigt. Ist das der Fall, kann die Klägerin die vertraglich vereinbarte Erhöhung des Erbbauzinses verlangen.

cc) So liegt es hier. Der Erbbauzins beträgt derzeit jährlich 743,52 € (61,96 € pro Monat). Das entspricht bei einer Zinshöhe von 6 % einem Grundstückswert von 12.392 €. Tatsächlich hatte das Grundstück der Klägerin bei Beginn der jetzt verlangten Erhöhung einen Verkehrswert von 27.527,95 €. Dieser übersteigt den fiktiven Verkehrswert somit um weit mehr als 5 %.

3. Ebenfalls zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass nach § 9a Abs. 1 ErbbauVO auch jetzt die Erhöhung des Erbauzinses nicht über die seit dem Vertragsschluss eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgehen darf; ebenso ist seine - auf den unbestrittenen Vortrag der Klägerin gestützte - Berechnung dieser Änderung anhand der Entwicklung der Lebenshaltungskosten und der Einkommensverhältnisse nicht zu beanstanden. Beides steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. nur BGHZ 77, 188, 190; Urt. v. , V ZR 396/01, WM 2003, 648, 651).

4. Da der vertraglich vereinbarte Zeitabstand von fünf Jahren seit der letzten Erhöhung verstrichen ist, schulden die Beklagten somit seit dem einen Erbbauzins von 88,82 € pro Monat statt der bisher gezahlten 61,96 €; sie müssen für den mit der Klage geltend gemachten Zeitraum bis zum einen Betrag von 295,46 € zahlen. Die Vorinstanzen haben der Klägerin - antragsgemäß - 295,13 € zugesprochen. Deshalb ist die Revision der Beklagten erfolglos.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 509 Nr. 8
WM 2007 S. 37 Nr. 1
AAAAC-32035

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja