Auskunftsanspruch zur Vorbereitung einer Konkurrentenklage gegen einen kommunalen Betrieb
Leitsatz
1. Einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch hinsichtlich der Besteuerung eines Konkurrenten hat ein Steuerpflichtiger unbeschadet des Steuergeheimnisses dann, wenn er substantiiert und glaubhaft darlegt, durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermutende oder zumindest nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließende unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten konkret feststellbare, durch Tatsachen belegte Wettbewerbsnachteile zu erleiden und gegen die Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz geltend machen zu können.
2. Die Auskunft darf erteilt werden, wenn die Konkurrentenklage nicht offensichtlich unzulässig wäre; die Auskunftserteilung setzt nicht die Feststellung voraus, dass dem Auskunftsantragsteller die von ihm behaupteten Rechte, die er auf der Grundlage der ihm erteilten Auskunft verfolgen möchte, tatsächlich zustehen.
3. Der in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG enthaltene Grundsatz der steuerlichen Neutralität kann von einem Steuerpflichtigen im Wege der Konkurrentenklage geltend gemacht werden, wenn Einrichtungen des öffentlichen Rechts für die Tätigkeiten oder Leistungen, die sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausüben oder erbringen, als Nichtsteuerpflichtige behandelt werden und dies zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt (Anschluss an das ).
4. Es kommt ernstlich in Betracht, § 2 Abs. 3 UStG drittschützende Wirkung beizulegen.
Gesetze: RL 77/388/EWGRL 77/388/EWG Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2GG Art. 12 Abs. 1GG Art. 19 Abs. 4AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. aUStG § 2 Abs. 3
Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 1 K 30456/99 (EFG 2003, 910)
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) von dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) Auskunft darüber verlangen kann, ob die beigeladene Gemeinde mit den Umsätzen eines angeblich mit dem Kläger konkurrierenden Betriebes, eines Krematoriums, zur Umsatzsteuer herangezogen worden ist. Der Kläger beabsichtigt offenbar, ggf. eine Konkurrentenklage zu erheben.
Die Beigeladene betreibt ebenso wie der Kläger, ein eingetragener Verein, ein Krematorium. Der Kläger behauptet, zahlreiche Bestattungsunternehmer aus dem Bereich der Beigeladenen hätten früher bei ihm Einäscherungen in Auftrag gegeben, seien jedoch später zur Beigeladenen zurückgekehrt, weil diese ihn mit ihren Einäscherungsgebühren unterboten habe. Trotz der zu erwartenden, durch die Erneuerung der Einäscherungsanlagen ausgelösten Gebührenerhöhungen der Beigeladenen habe diese die Absicht, den Kläger auch künftig zu unterbieten. Der Kläger macht dafür die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Beigeladenen, für welche das FA zuständig ist, verantwortlich.
Der Kläger hat deshalb sinngemäß vom FA Auskunft darüber erbeten, wann und unter welcher Steuernummer gegenüber der Beigeladenen der letzte Umsatzsteuerbescheid ergangen sei, ob dieser Bescheid bestandskräftig geworden sei und ob er die Umsätze des Krematoriums erfasst habe; er hat dabei die Befürchtung geäußert, die Beigeladene werde insoweit nicht zur Umsatzsteuer herangezogen, weshalb sie ihre Leistungen günstiger anbieten könne.
Das FA hat diesen Antrag abgelehnt. Auf die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 910 veröffentlichten Urteil das FA verpflichtet, über das Auskunftsbegehren des Klägers erneut zu entscheiden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, zu deren Begründung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen worden ist:
Die vom Kläger verlangte Auskunft diene nicht der Durchführung eines Verfahrens in Steuersachen, weil es für einen klagewilligen Konkurrenten nicht erforderlich sei zu wissen, wann und unter welcher Steuernummer der letzte Umsatzsteuerbescheid gegen den Mitbewerber ergangen ist und ob er bestandskräftig geworden ist. Denn für das zunächst durchzuführende Einspruchsverfahren sei die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts keine zwingende Voraussetzung; § 65 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verlange sie erst für die Klage, wobei sie sich dann aus der Einspruchsentscheidung ergebe und das FA dem FG im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung bei einer solchen Klage Auskunft über die steuerlichen Verhältnisse der Beigeladenen erteilen würde, ebenso wie dem Konkurrentenkläger, soweit er diese zur Bezifferung seines Klageantrags benötigt.
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom VII R 24/03 (BFHE 206, 521, BStBl II 2004, 1034) eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) eingeholt. Der EuGH hat auf dieses Ersuchen für Recht erkannt, ein Einzelner, der mit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts im Wettbewerb steht und der geltend macht, diese Einrichtung werde für die Tätigkeiten, die sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausübt, nicht oder zu niedrig zur Mehrwertsteuer herangezogen, könne sich im Rahmen eines Rechtsstreits gegen die nationale Steuerverwaltung wie des Ausgangsrechtsstreits auf Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage (RL 77/388/EWG), berufen (Urteil vom Rs. C-430/04, Amtsblatt der Europäischen Union —ABlEU— 2006 Nr. C 178, 2, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2006, 830).
II.
Die zulässige Revision des FA ist nicht begründet (§ 126 Abs. 2 FGO). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht nicht (§ 118 Abs. 1 FGO).
1. Grundlage des vom Kläger, der die Abweisung seiner auf Erteilung einer Auskunft gerichteten —als allgemeine Leistungsklage zu beurteilenden (vgl. Bundesverwaltungsgericht —BVerwG—, zuletzt Urteil vom 8 C 13.02, nicht veröffentlicht)— Klage durch das FG hingenommen hat, im Revisionsverfahren nur noch geltend gemachten Anspruches auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Auskunftsbegehren ist, wie das FG richtig erkannt hat, nicht die Abgabenordnung (AO 1977), die einen diesbezüglichen Anspruch nicht regelt, sondern das Rechtsstaatsprinzip i.V.m. dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie dem Prozessgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG. Dieses verpflichtet das FA, einem Steuerpflichtigen —vorbehaltlich des Steuergeheimnisses— eine Auskunft zu erteilen, wenn diese für ihn unerlässlich ist, will er seine steuerlichen Rechte unter zumutbaren Bedingungen effektiv wahrnehmen (vgl. I C 52.75, BVerwGE 61, 15). Dazu gehört die Auskunftserteilung gegenüber einem Steuerpflichtigen, der substantiiert und glaubhaft darlegt, durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermutende oder zumindest nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließende unzutreffende Besteuerung (bzw. Nichtbesteuerung) eines Konkurrenten konkret feststellbare, ebenfalls durch Tatsachen belegte Wettbewerbsnachteile zu erleiden und gegen die betreffende Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz geltend machen zu können. Unter diesen Voraussetzungen hat der betreffende Steuerpflichtige einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch (vgl. 3 C 46.02, BVerwGE 118, 270). Er kann dann im Allgemeinen nicht darauf verwiesen werden, er solle, obwohl er nicht sicher weiß, ob überhaupt und ggf. wann seine Rechte berührende Steuerverwaltungsakte gegen seinen Konkurrenten überhaupt ergangen sind, gleichsam mehr oder weniger ins Blaue hinein erst einmal Einspruch einlegen und dann abwarten, ob das FA diesen als gegenstandslos verwerfen oder anderweit bescheiden werde. So vorzugehen kann dem Steuerpflichtigen nicht nur wegen des mit der Einlegung und Begründung eines Rechtsbehelfs für ihn verbundenen Aufwandes nicht zugemutet werden; es verspricht vor allem —anders als das FA offenbar annimmt— auch keinen nennenswerten Gewinn für den schonenden Umgang mit den Verwaltungsressourcen sowie im Hinblick auf das Steuergeheimnis des Konkurrenten.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist davon auszugehen, dass das Vorbringen des Klägers insofern den an ein erfolgreiches Auskunftsbegehren zu stellenden Anforderungen genügt. Die Betriebe des Klägers und der Beigeladenen befinden sich zwar in unterschiedlichen, mehr als 30 km voneinander entfernten Gemeinden, so dass eine Abwanderung der Kunden vom Kläger zu der Beigeladenen wegen einer zudem nicht sonderlich großen Ersparnis an Einäscherungskosten nicht ohne weiteres naheliegend erscheint. Die Beurteilung der in diesem Zusammenhang aufzuwerfenden Fragen liegt indes in erster Linie auf tatsächlichem Gebiet und ist deshalb dem Tatrichter vorbehalten. Dem Urteil des FG kann dazu trotz der nur knappen Erörterung der insofern einschlägigen rechtlichen Maßstäbe entnommen werden, dass dieses eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit des Klägers durch eine Nichtbesteuerung der Beigeladenen für gegeben erachtet hat. Revisionsrügen dagegen sind nicht erhoben worden. Die tatsächliche Würdigung des FG ist auch nachvollziehbar und insofern revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, und zwar unbeschadet dessen, dass das FG im Wesentlichen die nicht näher überprüften Behauptungen des Klägers zugrunde gelegt hat (zu den in diesem Zusammenhang zu beachtenden Grenzen tatrichterlicher Würdigung vgl. Urteil des erkennenden Senats vom VII R 76/04, BFHE 210, 70).
2. Benötigt ein Steuerpflichtiger eine Auskunft über die steuerlichen Verhältnisse eines Dritten, um wegen dessen seiner Meinung nach unzutreffender Besteuerung eine Konkurrentenklage vorzubereiten, so steht der Auskunftserteilung das Steuergeheimnis nicht entgegen, wie das FG ebenfalls richtig erkannt hat. Denn die Auskunftserteilung dient in diesem Falle der Durchführung eines Verfahrens in Steuersachen (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO 1977). Die Auskunft darf erteilt werden, wenn die Konkurrentenklage und ein diese vorbereitender Einspruch des Betreffenden nicht offensichtlich unzulässig wären. Die Auskunftserteilung setzt nicht voraus, dass dem Auskunftsantragsteller die von ihm behaupteten Rechte, die er auf der Grundlage der ihm erteilten Auskunft verfolgen möchte, tatsächlich zustehen. Darum soll gerade erst in einem anderen Verfahren, ggf. vor dem insoweit zuständigen Richter, gestritten werden. Vorgenannte Vorschrift verlangt mit anderen Worten nicht etwa, dass feststeht, dass die Auskunft den Auskunftsantragsteller ggf. in die Lage versetzt, ein erfolgreiches Verfahren in Steuersachen anzustrengen; sie verlangt lediglich, dass die Auskunft der Durchführung eines solchen Verfahrens „dient”, also geeignet ist, dort im Rahmen einer rechtlichen Argumentation mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg sinnvoll verwendet zu werden. Das ist allerdings dann nicht der Fall, wenn umgekehrt feststeht, dass die behaupteten Rechte dem Antragsteller unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen können, das angestrebte Konkurrentenschutzverfahren also von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg ist. Das hat die Behörde bzw. das Gericht im Verfahren der Auskunftserteilung zu prüfen. Hingegen ist es Sache der für die Entscheidung des betreffenden steuerlichen Verfahrens, dem die Auskunft „dienen” soll, zuständigen Behörden und Gerichte zu entscheiden, ob das geltend gemachte Recht in einer die Zulässigkeit eines solchen Konkurrentenverfahrens eröffnenden Weise bestehen kann und ob es tatsächlich verletzt ist.
Der erkennende Senat kann seine Entscheidung folglich nicht davon abhängig machen, ob der letzte gegen die Beigeladene ergangene Umsatzsteuerbescheid des FA, über den Auskunft begehrt wird, den Kläger in seinen Rechten verletzt (weil in ihm die Umsätze der Beigeladenen in dem Krematorium zu Unrecht nicht erfasst worden sind). Der Kläger hat Anspruch auf die von ihm begehrte Auskunft vielmehr schon dann, wenn die Erhebung einer erfolgversprechenden Klage gegen diesen Bescheid in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen erscheint, weil klar und eindeutig ist, dass Rechte des Klägers durch die steuerliche Behandlung der Umsätze des Krematoriums der Beigeladenen nicht verletzt sind.
Dabei ist von der Sachlage auszugehen, die bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG bestanden hat und welche dieses folglich seinem Urteil zugrunde zu legen hatte. Der erkennende Senat kann in diesem Revisionsverfahren nicht die nachträglichen Änderungen des Sachverhalts berücksichtigen, die sich daraus ergeben haben könnten, dass sich die umsatzsteuerliche Behandlung von kommunalen Krematorien namentlich in den Ländern, in denen diese —wie in dem Land, in dem die Beteiligten ihre Betriebe unterhalten— aufgrund des einschlägigen Bestattungsrechts mit privaten Einrichtungen in Wettbewerb treten können, möglicherweise inzwischen zugunsten des Rechtsstandpunktes des Klägers gewandelt hat und dass die kommunalen Krematorien jetzt offenbar allgemein als Gewerbebetriebe angesehen und steuerlich entsprechend behandelt werden (vgl. ) und dass folglich mit der Einleitung eines Konkurrentenschutzverfahrens seitens des Klägers möglicherweise nicht mehr zu rechnen ist und die strittige Auskunft einem solchen Verfahren nicht mehr „dienen” könnte. Es muss vielmehr dem FA überlassen bleiben, solche Tatsachen ggf. gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 767 der Zivilprozessordnung in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen, sofern nicht der Kläger aus vorgenannten Tatsachen von sich aus die unter den eben bezeichneten Umständen gebotenen Konsequenzen ziehen sollte, weil größere Wettbewerbsverzerrungen, mag es sie bei Einleitung dieses Streitverfahrens durch den Kläger gegeben haben oder nicht, dem Kläger in Zukunft nicht mehr drohen. In der Vergangenheit infolge Nichtbesteuerung der Beigeladenen möglicherweise eingetretene Wettbewerbsverzerrungen können nämlich im Wege einer steuerlichen Konkurrentenklage im Allgemeinen ohnehin nicht rückgängig gemacht werden; der Kläger strebt dies offenkundig auch nicht an; sein Vorhaben, ggf. den letzten gegen die Beigeladene ergangenen noch angreifbaren Umsatzsteuerbescheid anzufechten, ist vielmehr erkennbar darauf gerichtet, künftige Wettbewerbsnachteile abzuwehren.
3. Die Verletzung von Rechten des Klägers in einer seine Klagebefugnis begründenden Weise durch die Nichtbesteuerung der genannten Umsätze der Beigeladenen erscheint zumindest möglich, so dass die Voraussetzungen für die Auskunftserteilung insoweit gegeben sind. Das ergibt sich aus Folgendem:
a) Nach vorgenanntem Urteil des EuGH soll Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 RL 77/388/EWG den Grundsatz der steuerlichen Neutralität gewährleisten; er verbietet insbesondere, dass gleichartige und deshalb miteinander im Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Umsatzsteuer unterschiedlich behandelt werden. Er betrifft den Fall, dass die Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts, d.h. im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelungen, Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die —im Wettbewerb mit ihnen— auch von Privaten nach einer privatrechtlichen Regelung oder auf der Grundlage einer behördlichen Genehmigung ausgeübt oder erbracht werden können. Er sieht eine Ausnahme von der Regel vor, dass die Einrichtungen des öffentlichen Rechts für die Tätigkeiten oder Leistungen, die sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausüben oder erbringen, als Nichtsteuerpflichtige behandelt werden dürfen, wobei der vorgenannte Grundsatz der steuerlichen Neutralität eine solche Behandlung allerdings nur dann verbietet, wenn sie zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Der EuGH hat die Bedeutung dieser letztgenannten Voraussetzung, dass die Nichtbesteuerung der wirtschaftlichen Betätigung der Beigeladenen durch den Betrieb eines Krematoriums zu solchen Wettbewerbsverzerrungen führen würde, ausdrücklich hervorgehoben und daran erinnert, dass es Sache des nationalen Gerichts sei, die hierfür maßgeblichen wirtschaftlichen Umstände zu beurteilen.
Das FG hat —von seinem Rechtsstandpunkt aus, der allein auf § 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) abstellt— bisher nicht eigens geprüft, ob „größere Wettbewerbsverzerrungen” im Sinne dieses Urteils des EuGH von einer Nichtbesteuerung des Krematoriums der Beigeladenen ausgehen können. Das verlangt mehr als dass für den Kläger irgendwelche wettbewerbsrelevanten, seine Marktteilnahme jedoch nicht wesentlich behindernden oder gar vereitelnden Nachteile von der steuerlichen Behandlung des Krematoriums der Beigeladenen ausgehen, und es versteht sich deshalb nach Lage der Dinge nicht von selbst, dass im Streitfall Wettbewerbsverzerrungen dieser Art bei Erlass des Steuerbescheides, über den der Kläger Auskunft begehrt, eingetreten oder zu besorgen waren (vgl. , BFHE 201, 554, BStBl II 2004, 431). Es ist auch nicht geprüft und festgestellt worden, ob es sich bei dem Betrieb des Krematoriums der Beigeladenen überhaupt um eine Betätigung im Rahmen eigens für Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts geltender rechtlicher Regelungen handelt.
Sofern dies allerdings der Fall ist und ferner die Besorgnis größerer Wettbewerbsverzerrungen zu bejahen bzw. zumindest ernstlich in Betracht zu ziehen sein sollte, wäre von der Zulässigkeit einer etwaigen Konkurrentenklage des Klägers und der Begründetheit seines Anspruches auf (zumindest) ermessenfehlerfreie Entscheidung über sein Auskunftsbegehren auszugehen. Denn die Vorabentscheidung des EuGH, die sich freilich nicht ausdrücklich zu der von dem erkennenden Senat aufgeworfenen Frage der prozessualen Wirkungen vorgenannter Vorschrift der RL 77/388/EWG verhält, ist dahin zu verstehen, dass sie ungeachtet der prozessualen Bestimmungen und Grundsätze des betroffenen Mitgliedstaates die Möglichkeit einer klageweisen Durchsetzung der durch die RL 77/388/EWG einem Konkurrenten gewährleisteten materiellen Rechte für kraft Gemeinschaftsrechts geboten ansieht.
b) Es kann indes letztlich offenbleiben, was unter größeren Wettbewerbsverzerrungen i.S. der RL 77/388/EWG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH im Einzelnen zu verstehen ist, ob solche Wettbewerbsverzerrungen im Streitfall gegeben oder zu erwarten waren und ob der Betrieb der Beigeladenen auf eigens für Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts geltenden rechtlichen Regelungen beruht. Denn das Urteil des FG erwiese sich als richtig und die Revision wäre daher gemäß § 126 Abs. 2 FGO auch dann zurückzuweisen, wenn sich dies nicht sollte feststellen lassen. Denn dann hinge die Entscheidung von der vom FG zu Recht bejahten Frage ab, ob ernstlich in Betracht kommt, dass § 2 Abs. 3 UStG dem Kläger die Möglichkeit einer Konkurrentenklage eröffnet, also —nach Maßgabe des deutschen Prozessrechts— drittschützende Wirkung hat.
Wird ein Steuerpflichtiger rechtswidrig nicht oder zu niedrig besteuert, werden dadurch in der Regel Rechte eines an dem betreffenden Steuerschuldverhältnis nicht beteiligten Dritten nicht verletzt. Anders ist es nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH nur, wenn die Nichtbesteuerung oder zu niedrige Besteuerung gegen eine Norm verstößt, die nicht ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit, insbesondere im öffentlichen Interesse an der gesetzmäßigen Steuererhebung und Sicherung des Steueraufkommens erlassen wurde, sondern —zumindest auch— dem Schutz der Interessen einzelner an dem betreffenden Steuerschuldverhältnis nicht beteiligter Dritter zu dienen bestimmt ist (vgl. statt aller , BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63). Es genügt also nicht die Verletzung von Normen, bei denen der Dritte nur infolge einer Reflexwirkung der Normanwendung begünstigt wird.
§ 2 Abs. 3 UStG erklärt die Tätigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art zu einer gewerblichen (so dass die juristische Person insoweit nach § 2 Abs. 1 UStG Unternehmer ist und folglich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG mit ihren Umsätzen der Umsatzsteuer unterliegt). Obgleich diesem Wortlaut des § 2 Abs. 3 UStG nicht zu entnehmen ist, dass die Vorschrift nach Maßgabe der eben erläuterten Rechtsgrundsätze eine wettbewerbsrechtliche Tendenz verfolgt und die wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeit Dritter schützen will, wird von namhaften Stimmen im Schrifttum eine solche Drittschutzwirkung der Vorschrift bejaht (Seer, Verständigungen im Steuerverfahren, 1996, S. 264; Tipke in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Tz. 64; Haarmann/Schmieszek/Pfützenreuter, Rechtsschutz in Steuer- und Abgabensachen, F. 62205 Rn. 48). Angesichts dessen, aber auch angesichts der in Rechnung zu stellenden Möglichkeit einer am dargelegten gemeinschaftsrechtlichen Schutz des Konkurrenten von sog. Hoheitsbetrieben orientierten Auslegung der Vorschrift kommt ernstlich in Betracht, dass auch § 2 Abs. 3 UStG dem Kläger ein subjektives öffentliches, mithin ggf. klagefähiges Recht auf richtige Anwendung dieser Vorschrift gegenüber der Beigeladenen gibt. Dabei kann hier dahinstehen, dass das zugunsten der Zulassung einer Drittschutzklage insofern angeführte Argument, die Vorschrift bedürfe einer verfassungskonformen Auslegung (so Stadie in Rau/Dürrwärter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Anm. 893) bzw. die verfassungsrechtlich gewährleistete Wettbewerbsfreiheit und -gleichheit erfordere dies (so offenbar Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 22 Rz. 126), eine nähere Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen schuldig bleibt, unter denen die Grundrechte über das einfache Recht hinausgehend klagefähige Rechte Drittbetroffener begründen. Denn die Grundrechte beinhalten keinen allgemeinen, allumfassenden Anspruch darauf, dass die öffentliche Verwaltung durch richtige Anwendung der Gesetze die (z.B. Wettbewerbs-)Interessen des Grundrechtsträgers wahrt (vgl. u.a. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 14. Aufl., § 42 Rz. 144 f.).
Voraussetzung der Zulässigkeit einer auf § 2 Abs. 3 UStG gestützten Konkurrentenklage wäre allerdings ebenfalls, dass der Kläger zu der Beigeladenen tatsächlich in einem Wettbewerbsverhältnis steht und der Beigeladenen durch die (angebliche) Nichtbesteuerung ihrer Umsätze gegenüber dem Kläger fühlbare Wettbewerbsvorteile verschafft werden, die erwarten lassen, dass sie sich auf die vom Kläger erzielbaren Umsätze konkret auswirken werden. Das FG hat das, wie erwähnt, in seinem Urteil sinngemäß bejaht. Ob seine diesbezügliche Würdigung angesichts der seinem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen und des Vorbringens der Beteiligten revisionsrechtlich als bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) hingenommen werden könnte, wenn der erkennende Senat über Zulässigkeit und Begründetheit einer Konkurrentenklage zu entscheiden hätte, mag dahinstehen. Denn der Senat hat in diesem Revisionsverfahren nur die ernstliche Möglichkeit einer Herleitung der Klagebefugnis aus § 2 Abs. 3 UStG zu beurteilen, für welche die vom FG vorgenommene tatsächliche Würdigung und das ihm zugrunde liegende Vorbringen des Klägers als ausreichend zu erachten sind.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 243
AO-StB 2007 S. 37 Nr. 2
BB 2007 S. 34 Nr. 1
BFH/NV 2007 S. 305 Nr. 2
BStBl II 2007 S. 243 Nr. 6
DB 2007 S. 35 Nr. 1
DStR 2006 S. 2310 Nr. 51
DStRE 2007 S. 133 Nr. 2
DStZ 2007 S. 53 Nr. 3
HFR 2007 S. 200 Nr. 3
INF 2007 S. 41 Nr. 2
IStR 2007 S. 37 Nr. 1
KÖSDI 2007 S. 15379 Nr. 1
NJW 2007 S. 3312 Nr. 45
StB 2007 S. 6 Nr. 1
StBW 2006 S. 6 Nr. 26
StuB-Bilanzreport Nr. 6/2007 S. 241
UR 2007 S. 59 Nr. 2
WPg 2007 S. 124 Nr. 3
WAAAC-31864