BAG Urteil v. - 10 AZR 496/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 133; BGB § 145; BGB § 147 Abs. 2; BGB § 157; BGB § 305c Abs. 2; TVG § 4 Abs. 2; GewO § 105 Satz 1; Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom idF des Tarifvertrages zur Änderung der Zuwendungstarifverträge (Ost) vom (TV Zuwendung Ang-O) § 1; Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom idF des Tarifvertrages zur Änderung der Zuwendungstarifverträge (Ost) vom (TV Zuwendung Ang-O) § 2

Instanzenzug: ArbG Leipzig 3 Ca 3432/04 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für das Jahr 2003 eine Zuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom idF des Tarifvertrages zur Änderung der Zuwendungstarifverträge (Ost) vom (TV Zuwendung Ang-O) zusteht.

Der Kläger ist seit dem auf Grund mehrerer nach § 57a Abs. 1 Satz 1, § 57b Abs. 1 Satz 2 und Satz 4 HRG befristeter Arbeitsverträge beim Beklagten als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Leipzig tätig. Ein vom Rektor der Universität Leipzig am und von dem nicht tarifgebundenen Kläger am unterzeichneter Dienstvertrag der Parteien sah eine Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum vor. Am schlossen die Parteien einen weiteren schriftlichen Dienstvertrag für die Zeit vom bis zum und vereinbarten, dass dieser Dienstvertrag an die Stelle des Vertrages vom 30. Juli/ tritt. Ein dritter Dienstvertrag für die Zeit vom bis zum wurde vom Rektor der Universität Leipzig am und vom Kläger am unterzeichnet.

§ 6 dieser Dienstverträge regelt jeweils:

"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich, soweit nichts anderes in diesem Vertrag vereinbart, für die Dauer der Mitgliedschaft des Freistaates Sachsen in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der TdL jeweils geltenden Fassung. Bei einem Austritt des Freistaates Sachsen aus der TdL gelten diese Tarifverträge statisch weiter. Außerdem finden die von dem Freistaat Sachsen abgeschlossenen sonstigen einschlägigen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung."

Der Beklagte gehört der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) an. Diese

kündigte mit einem Schreiben vom ua. den TV Zuwendung Ang-O fristgerecht zum . In § 1 dieses Tarifvertrages heißt es:

"§ 1

Anspruchsvoraussetzungen

(1) Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er

1. am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und nicht den ganzen Monat Dezember ohne Vergütung zur Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit beurlaubt ist und

2. seit dem 1. Oktober ununterbrochen als Angestellter, Arbeiter, Beamter, Richter, Soldat auf Zeit, Berufssoldat, Arzt im Praktikum, Auszubildender, Praktikant, Schüler/Schülerin in der Krankenpflege, Kinderkrankenpflege oder Krankenpflegehilfe oder Hebammenschülerin/Schüler in der Entbindungspflege im öffentlichen Dienst gestanden hat

oder

im laufenden Kalenderjahr insgesamt sechs Monate bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis gestanden hat oder steht und

3. nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.

..."

Am schlossen die Parteien einen Dienstvertrag für die Zeit vom bis zum ab. In § 3 dieses Vertrages heißt es ua., dass der gekündigte TV Zuwendung Ang-O keine Anwendung finde. Mit Änderungsvertrag vom vereinbarten die Parteien rückwirkend zum , dass § 3 des Dienstvertrages vom durch folgende Regelung ersetzt wird:

"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich, soweit nichts anderes in diesem Vertrag vereinbart ist, für die Dauer der Mitgliedschaft des Freistaates Sachsen in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der TdL jeweils geltenden Fassung. Bei einem Austritt des Freistaates Sachsen aus der TdL gelten diese Tarifverträge statisch weiter. Außerdem finden die von dem Freistaat Sachsen abgeschlossenen sonstigen einschlägigen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung."

Der Kläger hat ohne Erfolg vom Beklagten für das Jahr 2003 die Zahlung einer Zuwendung nach dem TV Zuwendung Ang-O in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.764,42 Euro verlangt.

Der Kläger hat gemeint, das Arbeitsverhältnis sei vor der Kündigung des TV Zuwendung Ang-O durch die Tarifgemeinschaft deutscher Länder begründet worden. Bei der Vereinbarung, das Arbeitsverhältnis über den hinaus bis zum fortzusetzen, handele es sich um die Verlängerung und nicht um die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses. In § 6 der Dienstverträge für das Jahr 2003 sei der TV Zuwendung Ang-O jeweils wirksam in Bezug genommen worden. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 TV Zuwendung Ang-O seien erfüllt.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.764,42 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem zu zahlen.

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, in dem vom Kläger am unterzeichneten Dienstvertrag für die Zeit vom bis zum sei die Anwendung des zum gekündigten TV Zuwendung Ang-O nicht vereinbart worden. Mit diesem Vertrag sei ein neues Arbeitsverhältnis im Nachwirkungszeitraum begründet und nicht das vorhergehende verlängert worden. Durch die Gleichstellungsabrede in § 6 des Vertrages seien nur die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am gültigen Tarifbestimmungen einbezogen worden. Schließlich seien die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung der Zuwendung nicht erfüllt.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass dem Kläger die beanspruchte Zuwendung zusteht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zusammengefasst angenommen, die Bezugnahme in § 6 des Dienstvertrages für die Zeit vom bis zum umfasse den zum gekündigten TV Zuwendung Ang-O. Zwar sei dieser Dienstvertrag erst am mit der Unterzeichnung durch den Kläger und damit im Nachwirkungszeitraum zustande gekommen. Jedoch sei durch diesen Vertrag kein neues Arbeitsverhältnis der Parteien begründet worden. Vielmehr hätten die Parteien eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über den hinaus bis zum vereinbart. Es sei nur die Vertragslaufzeit geändert worden. Mangels einer Änderung anderer Arbeitsbedingungen sei von einer Begründung des Arbeitsverhältnisses vor Beginn des Nachwirkungszeitraums auszugehen.

II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern. Sie halten jedoch im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.

1. Der Anspruch des Klägers auf die Zuwendung für das Jahr 2003 folgt aus § 1 Abs. 1 TV Zuwendung Ang-O. Entgegen der Auffassung des Beklagten erfüllt der Kläger die vergangenheitsbezogenen Anspruchsvoraussetzungen dieser Tarifbestimmung. Er stand am nicht nur seit dem ununterbrochen als Angestellter des Beklagten im öffentlichen Dienst (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 1. Alt. TV Zuwendung Ang-O), sondern hat auch im Kalenderjahr 2003 insgesamt sechs Monate beim Beklagten und damit demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis gestanden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. TV Zuwendung Ang-O). Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es für die Erfüllung der vergangenheitsbezogenen Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 TV Zuwendung Ang-O ohne Bedeutung, ob der Angestellte in dem Kalenderjahr, für das die Zulage zu zahlen ist, in einem oder befristungsrechtlich in mehreren Arbeitsverhältnissen beschäftigt war. Dies wird nicht nur aus der Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt. TV Zuwendung Ang-O deutlich, wonach es genügt, dass der Angestellte seit dem 1. Oktober ununterbrochen als Angestellter, Arbeiter, Beamter, Richter, Soldat auf Zeit, Berufssoldat, Arzt im Praktikum, Auszubildender, Praktikant, Schüler/Schülerin in der Krankenpflege, Kinderkrankenpflege oder Krankenpflegehilfe oder Hebammenschülerin/Schüler in der Entbindungspflege im öffentlichen Dienst gestanden hat. Eine Regelung, die Angestellte, die im gesamten Kalenderjahr nicht in einem, sondern in mehreren Arbeitsverhältnissen von demselben Arbeitgeber beschäftigt wurden, von der Zuwendung ausschlösse, verstieße auch gegen das Verbot der Diskriminierung befristet beschäftigter Arbeitnehmer in § 4 Abs. 2 TzBfG. Auch die zukunftsbezogene Anspruchsvoraussetzung ist erfüllt. Der Kläger ist nicht in der Zeit bis einschließlich März 2004 aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausgeschieden (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 TV Zuwendung Ang-O).

2. Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die Parteien mit dem Dienstvertrag für die Zeit vom bis zum ihre Vertragsbeziehungen nicht auf eine neue Grundlage gestellt, sondern unter Beibehaltung der übrigen Arbeitsbedingungen nur die Vertragslaufzeit geändert und damit das vor Beginn des Nachwirkungszeitraums begründete Arbeitsverhältnis verlängert haben. Die Verlängerung eines Vertrages ist nur während seiner Laufzeit möglich, andernfalls liegt der Neuabschluss eines befristeten Vertrages vor (st. Rspr., vgl. - EzA TzBfG § 14 Nr. 26, zu I 1 a der Gründe; - 7 AZR 31/05 - EzA TzBfG § 14 Nr. 23, zu 2 a der Gründe; - 7 AZR 286/04 - EzA TzBfG § 14 Nr. 19, zu II 2 a der Gründe; vgl. zu § 1 Abs. 1 BeschFG 1996: - 7 AZR 648/01 -, zu I 1 der Gründe; - 7 AZR 51/99 - BAGE 95, 255, 259). An einer Änderung der Vertragslaufzeit vor Ablauf der Laufzeit fehlt es. Der Kläger hat den Dienstvertrag für die Zeit vom bis zum erst am und damit nach der Beendigung des vorhergehenden Vertrages unterzeichnet mit der Folge, dass die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Parteien erneut vereinbart werden mussten ( - aaO). Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach der Vertrag erst mit dessen Unterzeichnung durch den Kläger am zustande gekommen ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

3. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Bezugnahme in § 6 des vom Kläger am unterzeichneten Dienstvertrages auf tarifliche Vorschriften die Bestimmungen des TV Zuwendung Ang-O erfasst hat.

a) Bei der Bezugnahmeklausel in § 6 des vom Kläger am unterzeichneten Dienstvertrages handelt es sich nicht um individuelle, sondern um sog. typische Willenserklärungen ( - EzA TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; - 4 AZR 129/00 - BAGE 98, 293, 299). Der Beklagte hat die Formulierungen in dieser Vertragsbestimmung in einer Vielzahl von Fällen für Angestellte verwendet. Die Auslegung sog. typischer Willenserklärungen durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachprüfbar (st. Rspr., vgl. - DB 2006, 1499, zu B I 1 a der Gründe; - 6 AZR 698/01 -, zu 1 der Gründe; - 5 AZR 637/98 -BAGE 93, 212, 215; - 4 AZR 14/99 - BAGE 93, 328, 338, jeweils mwN). Dieser uneingeschränkten Überprüfung hält die Auslegung der Bezugnahmeklausel durch das Landesarbeitsgericht stand.

b) Gemäß § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war ( - DB 2006, 1499, zu B I 1 b der Gründe; - 6 AZR 434/00 - AP BBiG § 10 Nr. 10 = EzA BBiG § 10 Nr. 6, zu I 3 der Gründe; - 10 AZR 323/01 - EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 110, zu II 1 b der Gründe). Danach hat der Beklagte dem Kläger am ein Arbeitsverhältnis für die Zeit vom bis zum angeboten, das sich ua. nach den Vorschriften des TV Zuwendung Ang-O bestimmen sollte. Die Parteien sind sich einig, dass der Kläger das Vertragsangebot des Beklagten vom am noch innerhalb der Annahmefrist des § 147 Abs. 2 BGB angenommen hat.

aa) Nach § 6 Satz 1 des Arbeitsvertrages der Parteien vom bestimmt sich das Arbeitsverhältnis, soweit in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart ist, für die Dauer der Mitgliedschaft des Beklagten in der TdL nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der TdL jeweils geltenden Fassung. Darüber, dass diese Bezugnahmeklausel den TV Zuwendung Ang-O erfasst hätte, wenn dieser nicht oder erst während der Vertragslaufzeit gekündigt worden wäre, besteht kein Streit.

bb) Bei der Auslegung der Bezugnahmeklausel ist auf den Zeitpunkt der Abgabe des Vertragsangebots abzustellen. Es sind alle tatsächlichen Begleitumstände zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Beklagte bei Abgabe des Vertragsangebots (§ 145 BGB) am gehabt hat und wie dieses vom Kläger zu verstehen war. Der Wortlaut des Vertragsangebots des Beklagten vom zwingt nicht zu der Annahme, dass die von der Bezugnahmeklausel erfassten Tarifverträge nur dann Anwendung finden sollten, wenn sie bei Beginn des Arbeitsverhältnisses am noch nicht abgelaufen waren. Die Bezugnahmeklausel in § 6 Satz 1 des Arbeitsvertrages spricht von "der für den Bereich der TdL jeweils gültigen Fassung" und nicht davon, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur dann Anwendung finden, wenn sie bei Beginn des Arbeitsverhältnisses am noch gelten. Der Wortlaut der Bezugnahmeklausel lässt die Auslegung zu, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem TV Zuwendung Ang-O und den anderen in Bezug genommenen, zum Zeitpunkt der Abgabe des Vertragsangebots am gültigen Tarifverträgen bestimmen sollte, ungeachtet einer späteren Kündigung dieser Tarifverträge; die tariflichen Vorschriften allerdings nicht statisch idF des Tarifvertrages vom zur Änderung der Zuwendungstarifverträge (Ost) Anwendung finden sollten, sondern dynamisch "in der für den Bereich der TdL jeweils gültigen Fassung".

cc) Für dieses Verständnis spricht, dass der Beklagte sein Vertragsangebot am und damit vor der Kündigung des TV Zuwendung Ang-O durch die TdL am abgegeben hat. An diesem Tag bestimmte sich der Anspruch auf eine Zuwendung nach dem TV Zuwendung Ang-O idF vom . Die Kündigung dieses Tarifvertrages durch die TdL erfolgte erst mit einem Schreiben vom . Selbst wenn der Beklagte bei der Abgabe des Vertragsangebots am bereits Kenntnis von der bevorstehenden Kündigung des Tarifvertrages zum gehabt haben sollte, folgte daraus nichts anderes. Da das vom Kläger angenommene Vertragsangebot des Beklagten vom im Gegensatz zur Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien vom keine Regelung enthielt, nach der der TV Zuwendung Ang-O keine Anwendung finden sollte, konnte und durfte der Kläger das Angebot so verstehen, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den zum Zeitpunkt der Abgabe des Vertragsangebots gültigen tariflichen Bestimmungen richten sollte.

c) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach sich die Nachwirkung eines Tarifvertrages nach § 4 Abs. 5 TVG nicht auf Arbeitsverhältnisse erstreckt, die erst im Nachwirkungszeitraum begründet werden, steht dem Auslegungsergebnis nicht entgegen.

aa) Finden kraft Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien oder auf Grund arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Rechtsnormen eines Tarifvertrages auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung, gelten nach Ablauf des Tarifvertrages seine Rechtsnormen gemäß § 4 Abs. 5 TVG weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Die gesetzlich angeordnete Nachwirkung knüpft allein an den Ablauf des Tarifvertrages an und enthält keine Einschränkung auf Arbeitsverhältnisse kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit tarifgebundener Parteien ( -NZA 2006, 923, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; - 4 AZR 211/91 - BAGE 69, 119). Sinn und Zweck dieser Nachwirkungsregelung ist es, bis zu einer solchen Änderung den Rechtszustand zu erhalten und damit dem tariflichen Ordnungsprinzip Rechnung zu tragen ( - BAGE 93, 34, 39). Arbeitsverhältnisse sollen nach Beendigung eines Tarifvertrages nicht inhaltsleer werden oder durch dispositives Gesetzesrecht ergänzt werden müssen.

bb) Das Bundesarbeitsgericht verneint allerdings in ständiger Rechtsprechung eine normative Wirkung von Tarifregelungen nach § 4 Abs. 5 TVG, wenn das Arbeitsverhältnis erst während der Nachwirkungszeit begründet wird (vgl. - 1 AZR 515/57 - BAGE 6, 90; - 4 AZR 218/74 - BAGE 27, 22; - 4 ABR 60/85 - BAGE 50, 258; - 4 AZR 703/00 -BAGE 99, 283; - 1 AZR 390/01 - BAGE 101, 288). Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses im Nachwirkungszeitraum schließt es aber nicht aus, dass die Arbeitsvertragsparteien die abgelaufenen Tarifbestimmungen einzelvertraglich in Bezug nehmen. Dies ist insbesondere bei abgelaufenen Vergütungstarifverträgen (vgl. - BAGE 54, 147, 159) nicht ungewöhnlich, kommt aber auch bei Manteltarifverträgen und sonstigen Tarifverträgen vor. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können den Inhalt des Arbeitsvertrages frei vereinbaren, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen (§ 105 Satz 1 GewO). Machen die Arbeitsvertragsparteien von der Möglichkeit Gebrauch zu vereinbaren, dass die Vorschriften eines abgelaufenen Tarifvertrages Anwendung finden oder treffen sie in Kenntnis des Ablaufs eines Tarifvertrages davon abweichende, individuelle Abmachungen, ist das Arbeitsverhältnis nicht inhaltsleer.

cc) Anders verhielte es sich, wenn entsprechend der Rechtsauffassung des Beklagten Bezugnahmeklauseln so auszulegen wären, dass die Anwendung der in Bezug genommenen Tarifverträge voraussetzt, dass diese noch nicht abgelaufen sind, wenn das Arbeitsverhältnis in Vollzug gesetzt wird. Das Arbeitsverhältnis würde bei Ablauf der in Bezug genommenen Tarifverträge vor diesem Zeitpunkt je nach der Regelungsdichte dieser Tarifverträge mehr oder weniger inhaltsleer und müsste durch dispositives Gesetzesrecht ergänzt werden. Ohne Bedeutung ist, dass im Entscheidungsfall "nur" der TV Zuwendung Ang-O nach der Vereinbarung der Bezugnahmeklausel gekündigt wurde. Wäre für die Frage der Nachwirkung eines abgelaufenen Tarifvertrages entsprechend der Auffassung des Beklagten nicht der Zeitpunkt der Abgabe des vom Kläger angenommenen Vertragsangebots des Beklagten, sondern der Zeitpunkt des Vollzugs des Arbeitsverhältnisses maßgebend, könnte für den Ablauf eines Mantel- oder Vergütungstarifvertrages nichts anderes gelten als für den Ablauf eines Zuwendungstarifvertrages. Durch die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag haben der Beklagte und der Kläger deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sich das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zu einem Austritt des Beklagten aus der TdL und der Beendigung der in Bezug genommenen Tarifverträge gerade nicht nach den gesetzlichen Bestimmungen richten sollte. Diese an Sinn und Zweck der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien orientierte Auslegung steht der Annahme entgegen, das Arbeitsverhältnis bestimme sich nicht nach den Vorschriften des TV Zuwendung Ang-O, weil dieser Tarifvertrag vor dem abgelaufen sei.

4. Da eine am Wortlaut und an Sinn und Zweck der Bezugnahmeklausel orientierte Auslegung zu einem klaren Auslegungsergebnis führt, kann auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht zurückgegriffen werden (vgl. - NZA 2006, 923, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; - 5 AZR 128/05 - AP BGB § 305c Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Bei Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden verbleiben keine Zweifel, dass die Bezugnahmeklausel die Vorschriften des abgelaufenen TV Zuwendung Ang-O erfasst hat.

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Fundstelle(n):
NAAAC-29097

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein