Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde trotz Prozessunfähigkeit einer GbR; kumulative Begründung des FG-Urteils; Kostentragung durch vollmachtlosen Prozessvertreter
Gesetze: FGO § 58; FGO § 62; FGO § 115
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR), die neben dem Klägervertreter aus weiteren sechs Gesellschaftern besteht; sie wurde 1993 gegründet, um gemeinsam ein Mietshaus zu erwerben, zu sanieren und zu vermieten. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erkannte den Vorsteuerabzug für das Streitjahr 1993 im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung wegen sog. „Scheinrechnungen” nicht an und setzte die Umsatzsteuer 1993 mit Änderungsbescheid vom auf 0 DM fest. Der Einspruch hiergegen blieb erfolglos.
Im Klageverfahren wies das Finanzgericht (FG) den Klägervertreter mit Schreiben des Berichterstatters vom darauf hin, dass die Klage unzulässig sein könnte, weil sie nicht von allen Gesellschaftern erhoben wurde; die Vollmacht des Klägervertreters war nur von zwei der sieben Gesellschafter unterschrieben. Dieses FG-Schreiben blieb inhaltlich unbeantwortet, der Klägervertreter beantragte vielmehr mit Schreiben vom lediglich „eine Entscheidung durch den Senat”. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am erschien die Klägerin weder selbst, noch war sie vertreten. Das FG wies die Klage mangels Prozessfähigkeit der Klägerin als „unzulässig und unbegründet” ab, erlegte die Kosten dem vollmachtslosen Klägervertreter auf und ließ die Revision nicht zu.
Hiergegen wendet sich die Klägerin, vertreten durch den bisherigen Klägervertreter, mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht grundsätzliche Bedeutung, Verfahrensmängel und Verletzung rechtlichen Gehörs geltend; zur Frage der Prozessfähigkeit der GbR bzw. der Vollmacht teilt der Klägervertreter auf eine entsprechende Stellungnahme des FA mit Schreiben vom u.a. folgendes mit: „Wenn innerhalb einer Gesellschaft sich 2 Fraktionen bilden und ein Teil der Mitgesellschafter eine Prozessführung gegen das Finanzamt ablehnt, weil die Entscheidung des Finanzamtes ihnen günstig erscheint, die anderen jedoch benachteiligt, dann käme es niemals zu einem wirksamen Verfahren.”
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Trotz der vom FG angenommenen Prozessunfähigkeit der Klägerin (§ 58 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO— i.V.m. §§ 709 Abs. 1, 714 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—) muss die Beschwerde insoweit als zulässig betrachtet werden, damit die damit in Zusammenhang stehenden Argumente der Nichtzulassungsbeschwerde geprüft werden können (zur insoweit vergleichbaren Situation der Zulässigkeit einer Revision bei fraglicher Prozessfähigkeit einer GbR s. , BFH/NV 1990, 386, mit Nachweisen).
2. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Hat das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, muss der Beschwerdeführer einen Zulassungsgrund bezüglich jeder dieser Begründungen darlegen (, BFH/NV 2004, 215; Beschluss vom V B 85/04, BFH/NV 2005, 712). Anders formuliert bedeutet dies, dass die Revision nicht zuzulassen ist, wenn auch nur eine tragende Begründung besteht, gegen die die Nichtzulassungsbeschwerde nicht durchgreift.
Im Streitfall hat das FG die Klage in erster Linie als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin nicht prozessfähig sei (§ 62 FGO i.V.m. § 58 Abs. 2 FGO); die Klage sei von dem Bevollmächtigten der Klägerin ohne eine wirksame Vollmacht erhoben worden. Hiergegen hat die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde keine durchgreifenden Gründe vorgetragen. Insoweit sind weder Fragen von grundsätzlicher Bedeutung berührt, noch ist das Vorliegen von Verfahrensmängeln oder die Verletzung rechtlichen Gehörs ersichtlich.
a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung, wenn es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handelt, deren Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom I B 27/05, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625; vom II B 27/90, BFHE 163, 495, BStBl II 1991, 465; vom IX B 81/99, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760; vom I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254, 430). Abgesehen davon, dass die Klägerin in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde davon ausgeht, das FG habe ihre Rechtsfähigkeit in Frage gestellt, ist durch die Rechtsprechung des BFH zur Prozessfähigkeit i.S. des § 58 Abs. 2 FGO geklärt, dass die Gesellschafter einer GbR mangels anderer Vereinbarungen nur gemeinschaftlich klagebefugt sind, und zwar auch dann, wenn einer der Gesellschafter für eine im Namen der Gesellschaft erhobenen Klage die Erteilung einer Vollmacht schikanös verweigert (, BFH/NV 1996, 155). Von diesen Grundsätzen ist das FG ausgegangen. Ob es diese Grundsätze mit Blick auf eine mögliche, auch konkludent erteilte Vollmacht der fünf Gesellschafter, die die Vollmacht nicht unterschrieben haben, zutreffend angewendet hat, ist für die Zulassung der Revision unerheblich; Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331; vom IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476; vom IX B 19/04, juris).
Mit der Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung durch das FG kann auch die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO nur dann erreicht werden, wenn es sich bei den behaupteten Mängeln um offensichtliche Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung handelt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom III B 125/02, BFH/NV 2003, 1445; vom III B 98/03, juris). Derart schwerwiegende Fehler hat die Klägerin nicht geltend gemacht; sie sind nach Aktenlage auch nicht ersichtlich.
b) In Bezug auf die mangelnde Prozessfähigkeit der Klägerin liegen weder Verfahrensmängel noch die Verletzung rechtlichen Gehörs vor. Das FG hat den Klägervertreter vielmehr mit Schreiben vom ausdrücklich auf diese erkennbaren Mängel und ihre Folgen hingewiesen, ohne dass der Klägervertreter hierauf eingegangen wäre.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO; der vollmachtlose Prozessvertreter hat dabei auch das Beschwerdeverfahren zu verantworten (vgl. , BFH/NV 2000, 592).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 92 Nr. 1
KÖSDI 2007 S. 15427 Nr. 2
YAAAC-28415