SenFin Berlin - III A - S 2175 - 1/06

Rückstellungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen

Rückstellung dem Grunde nach

Wegen der gesetzlichen Verpflichtung zur Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen ist für die in diesem Zusammenhang zukünftig anfallenden Aufwendungen eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden (vgl. BStBl 2003 II S. 131).

Bei der Bildung dieser Rückstellung ist zu berücksichtigen, welche Unterlagen tatsächlich aufbewahrungspflichtig sind und wie lange die Aufbewahrungspflicht für einzelne Unterlagen noch besteht (vgl. H 6.11 – Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen – EStH 2005).

Nicht für alle Unterlagen besteht eine gesetzliche Aufbewahrungspflicht von 10 Jahren. So sind einige Unterlagen nur über einen kürzeren Zeitraum oder auch gar nicht gesetzlich aufzubewahren. Zehn Jahre lang aufzubewahren sind insbesondere Jahresabschlüsse mit allen dazugehörenden Unterlagen, Buchungsbelege (§ 257 Abs. 1 Nr. 1 und 4 i.V.m. Abs. 4 HGB, § 147 Abs. 1 Nr. 1 und 4 i.V.m. Abs. 3 AO) sowie Ein- und Ausgangsrechnungen (§ 14b UstG). Handels- und Geschäftsbriefe sowie sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, sind sechs Jahre lang aufzubewahren (§ 257 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i.V:m. Abs. 4 HGB, § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i.V.m. Abs. 3 AO). Werden Unterlagen freiwillig länger aufbewahrt, fehlt es an der rechtlichen Verpflichtung. Eine Rückstellung kommt insoweit nicht in Betracht. Die Höhe des rückstellungsfähigen Aufwandes kann daher nur im Einzelfall festgestellt werden. Dabei kommt es vor allem darauf an, wie sich die aufbewahrten Unterlagen zusammensetzen. Sind Feststellungen zur Zusammensetzung der aufbewahrten Unterlagen im Einzelfall nicht oder nur unter erheblichem Aufwand möglich, bestehen keine Bedenken, für Unterlagen, zu deren Archivierung der Unternehmer nicht verpflichtet ist, einen Abschlag von 20 v.H. von den Gesamtkosten vorzunehmen.

Rückstellung der Höhe nach

a) Berücksichtigungsfähige Kosten

Die Rückstellung ist mit dem Betrag zu passivieren, der nach den Preisverhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtages für die Erfüllung der Verpflichtung voraussichtlich notwendig ist. Die Erfüllung der Aufbewahrungspflicht stellt eine Sachleistungsverpflichtung dar, die steuerrechtlich mit den Einzelkosten sowie der angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe b EStG).

Bei der Berechnung sind folgende Kosten einzubeziehen:

  • einmaliger Aufwand für die Einlagerung der am Bilanzstichtag noch nicht archivierten Unterlagen für das abgelaufene Wirtschaftsjahr, ggf. für die Mikroverfilmung bzw. Digitalisierung der Unterlagen, für das Brennen von CD und für die Datensicherung (Sach- und Personalkosten),

  • Raumkosten (anteilige Miete bzw. Gebäude-AfA, Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Instandhaltung, Heizung, Strom). Der anteilige Aufwand kann aus Vereinfachungsgründen entsprechend dem Verhältnis der Nutzfläche des Archivs zur Gesamtfläche ermittelt werden (vgl. H 4.7 – Nebenräume – EStH 2005).

  • Einrichtungsgegenstände (AfA für Regale und Schränke), es sei denn, diese sind bereits abgeschrieben. (Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Archivierung weiterhin mit den vorhandenen Regalsystemen erfolgt.)

  • anteilige Personalkosten z.B. für Hausmeister, Reinigung, Lesbarmachung der Datenbestände.

Nicht rückstellungsfähig sind

  • anteilige Finanzierungskosten für die Archivräume (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe b EStG – Beschränkung auf Einzel- und notwendige Gemeinkosten),

  • die Kosten für die zukünftige Anschaffung von zusätzlichen Regalen und Ordnern (§ 5 Abs. 4b Satz 1 EstG),

  • die Kosten für die Entsorgung der Unterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist,

  • die Kosten für die Einlagerung künftig entstehender Unterlagen.

b) Berechnung der Rückstellung

Die Rückstellung kann nach zwei Methoden berechnet werden:

1. Möglichkeit

Die jährlichen Kosten werden für die Unterlagen eines jeden aufzubewahrenden Jahres gesondert ermittelt. Dieser Betrag ist dann jeweils mit der Anzahl der Jahre bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist zu multiplizieren.

2. Möglichkeit

Die jährlich anfallenden rückstellungsfähigen Kosten für einen Archivraum, in dem die Unterlagen aller Jahre aufbewahrt werden, können mit dem Faktor 5,5 multipliziert werden (Vervielfältiger für die durchschnittliche Restaufbewahrungsdauer bei einer Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren). Dieser Faktor berücksichtigt zwar nicht, dass sich unter Umständen in dem Archiv auch Unterlagen befinden, die über einen kürzeren Zeitraum als 10 Jahre gesetzlich aufzubewahren sind. Jedoch kann dies aus Vereinfachungsgründen und im Hinblick auf den sonst nicht unerheblichen Ermittlungsaufwand i.d.R. vernachlässigt werden, es sei denn, dies führt zu einem offenbar unangemessenen Ergebnis.

Die Aufwendungen für die Einlagerung, Mikroverfilmung, Digitalisierung und Datensicherung fallen nur einmal an; sie sind deshalb nicht zu vervielfältigen.

c) Abzinsung der Rückstellung

Eine Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen ist nicht abzuzinsen. Für die Abzinsung ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e Satz 2 EStG der Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung maßgebend. Da die Aufbewahrungspflicht aber mit dem Entstehen der Unterlagen beginnt, ergibt sich hier kein Abzinsungszeitraum.

Bilanzberichtigung

Die nachträgliche Bildung einer Aufbewahrungsrückstellung (Bilanzberichtigung) ist nicht möglich, wenn die Bilanz vor dem (Datum des BFH-Urteils) aufgestellt wurde. Für Bilanzen, die in der Zeit zwischen dem und dem (Tag der amtlichen Veröffentlichung des Urteils im BStBl) aufgestellt wurden, kann eine Bilanzberichtigung erfolgen. Für am und später aufgestellte Bilanzen besteht eine Verpflichtung zum Ausweis einer entsprechenden Rückstellung. (zur Begründung Hinweis auf , DB 2006, 1529–1531).

SenFin Berlin v. - III A - S 2175 - 1/06

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DStR 2007 S. 156 Nr. 4
DStZ 2006 S. 855 Nr. 24
JAAAC-26304