BFH Beschluss v. - V B 36/05

Keine Revisionszulassung bei Rüge des materiellen Rechts; Nachkalkulation durch inneren Betriebsvergleich zulässige Schätzungsmethode

Gesetze: FGO § 76; FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren (1998 bis 2000) in der Rechtsform der GmbH eine Speisegaststätte und eine Schankwirtschaft. Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten steuerlichen Betriebsprüfung gelangte die Prüferin zu dem Ergebnis, die Buchführung sei nicht ordnungsmäßig, weil sie unter verschiedenen Mängeln leide. Über das tatsächliche Vorliegen dieser Mängel, deren Umfang und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen, besteht zwischen den Beteiligten Streit. Die Prüferin ermittelte im Rahmen einer Nachkalkulation durch inneren Betriebsvergleich einen durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz und schätzte auf dessen Grundlage Umsätze hinzu. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) folgte den Ergebnissen der Betriebsprüfung in entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheiden. Einspruch und Klage hiergegen blieben ohne Erfolg.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung durch den Bundesfinanzhof (BFH) und das Urteil des Finanzgerichts (FG) sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.

Die Klägerin meint, die Anwendbarkeit eines Rohgewinnaufschlagsatzes als Schätzungsinstrument und die Schätzungsbefugnis der Finanzämter bei formellen Buchführungsmängeln habe gerade wegen der verstärkten Prüfung gastronomischer Betriebe durch die Finanzverwaltung grundsätzliche Bedeutung. Die Klägerin ist darüber hinaus der Auffassung, das Urteil des FG leide an Verfahrensmängeln, weil das FG nicht wie von ihr, der Klägerin, beantragt, ein Sachverständigengutachten zur Höhe des Rohgewinnaufschlagsatzes eingeholt habe. Ein Verfahrensfehler ergebe sich auch daraus, dass das FG die von ihr, der Klägerin, vorgelegten Tagesendsummenbons nicht hinreichend gewürdigt habe.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

1. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (, BFH/NV 2003, 60, mit Nachweisen). Die grundsätzliche Bedeutung muss im Hinblick auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, deren Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, gegeben sein (BFH-Beschlüsse vom IX B 81/89, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760; vom I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254). Die Bedeutung der Sache darf sich dabei nicht in der Entscheidung des konkreten Einzelfalls erschöpfen, sondern muss eine Vielzahl gleichartiger Fälle betreffen (, BFH/NV 2002, 1350).

Es ist geklärt, dass die Nachkalkulation durch inneren Betriebsvergleich eine zulässige Schätzungsmethode ist (, BFH/NV 1995, 573; vom IV R 75/84, BStBl II 1986, 233; vom VIII R 174/77, BStBl II 1982, 430). Die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Entscheidung für den betroffenen Steuerpflichtigen geben der Sache selbst dann keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie für ihn besonders gewichtig sind (, BFH/NV 1999, 1514).

Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe zu Unrecht die Voraussetzungen der Schätzungsbefugnis als gegeben angesehen, rügt sie Verletzung materiellen Rechts durch das FG. Das führt nicht zur Zulassung der Revision. Selbst wenn dem FG bei der Beweiswürdigung sowie bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts Fehler unterlaufen sein sollten, rechtfertigt das nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO (BFH-Beschlüsse vom V B 26/96, BFHE 182, 430, BStBl II 1997, 443; vom V B 184/01, BFH/NV 2003, 1071).

2. Eine Entscheidung des BFH ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO). Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt nur vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH (BFH-Beschlüsse vom XI R 10/00, BFH/NV 2000, 1239; vom XI B 71/99, BFH/NV 2000, 1180). Dabei muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (, BFH/NV 2001, 624). Hieran fehlt es.

3. Die Klägerin rügt auch das Vorliegen von Verfahrensmängeln ohne Erfolg. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße des FG gegen Vorschriften des Verfahrensrechts. Hierzu gehört auch die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Sowohl die Pflicht zur Sachaufklärung als auch das Berücksichtigen von Beweisanträgen gehören zu den verzichtbaren Verfahrensmängeln (BFH-Beschlüsse vom V B 13/93, BFH/NV 1994, 181; vom VI B 236/00, BFH/NV 2001, 935). Wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann, geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge. Die Klägerin hätte deshalb vortragen müssen, dass sie den Verstoß in der Vorinstanz gerügt habe bzw. aus welchen entschuldbaren Gründen sie an einer solchen Rüge vor dem FG gehindert gewesen sei (BFH-Beschlüsse vom VII B 1/00, BFH/NV 2000, 1125; vom II B 169/91, BFH/NV 1993, 258). Das ist nicht geschehen. Im Übrigen hat das FG seine Aufklärungspflicht nicht dadurch verletzt, dass es dem Beweisantritt der Klägerin nicht gefolgt ist. Zu Recht hat es den in der mündlichen Verhandlung durch Vorlage des Schriftsatzes vom gestellten Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens „in Hinblick auf die tatsächliche Höhe des Rohgewinnaufschlages” und zur zutreffenden Berücksichtigung „diverser Umstände innerhalb der praktischen Abläufe der Geschäftsvorfälle innerhalb des Unternehmens der Klägerin” als nicht genügend substantiiert verworfen (vgl. , BFH/NV 1986, 136, und vom VIII R 9/90, BFH/NV 1993, 656; , BFH/NV 2006, 1132).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 69 Nr. 1
EAAAC-25565