BFH Urteil v. - VI R 70/04

Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG bei positiven oder negativen Nebeneinkünften von mehr als 800 DM (410 EUR)

Gesetze: EStG § 46 Abs. 2 Nr. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten. Der Kläger erzielte im Streitjahr 2000 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen wurde. Des Weiteren erzielten die Kläger negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Die Kläger gaben ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr am beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) ab. Das FA lehnte die Durchführung der Veranlagung ab. Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 788 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil sowie den Bescheid vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und das FA zu verpflichten, sie für den Veranlagungszeitraum 2000 zur Einkommensteuer zu veranlagen, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über die gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vorgelegte Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 46 Abs. 2 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entschieden hat.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage ist stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die Kläger zur Einkommensteuer für 2000 zu veranlagen.

Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, wird eine Veranlagung nur unter den in § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 8 EStG genannten Voraussetzungen durchgeführt. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine Veranlagung von Amts wegen gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1, 1. Alternative EStG vor. Nach dieser Vorschrift wird die Veranlagung durchgeführt, wenn die Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 und § 24a EStG, mehr als 800 DM beträgt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG dahin auszulegen, dass eine Amtsveranlagung nach dieser Vorschrift nicht nur dann durchzuführen ist, wenn die positive Summe der Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, den Betrag von 800 DM übersteigt, sondern auch, wenn die negative Summe der betreffenden Nebeneinkünfte diesen Betrag übersteigt (vgl. , zur Veröffentlichung bestimmt).

Nach diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für eine Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG im Streitfall erfüllt. Ausweislich der Einkommensteuererklärung erzielten die Kläger negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von jedenfalls mehr als 800 DM.

Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO kam nicht in Betracht. Denn die Entscheidung des Rechtsstreits hängt nicht von der Entscheidung des BVerfG in den Normenkontrollverfahren 2 BvL 55, 56/06 zur Verfassungsmäßigkeit der Ausschlussfrist in § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG ab.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
KÖSDI 2006 S. 15308 Nr. 11
KÖSDI 2006 S. 15308 Nr. 11
PAAAC-19492