Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StGB § 63
Instanzenzug: LG Limburg a.d. Lahn vom
Gründe
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags - unter Annahme eines minder schweren Falls - zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen eingelegte Revision ist aus den von der Bundesanwaltschaft in ihrer Zuschrift an den Senat vom zutreffend dargelegten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Auch der Strafausspruch weist im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
2. Die Maßregelanordnung hat hingegen keinen Bestand.
Das Landgericht hat mit dem Sachverständigen angenommen, der Angeklagte weise eine "emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10: F 60.30)" auf, die "Krankheitswert" besitze (UA S. 25). Diese Störung hat danach zu einem Zustand dauerhaft erheblicher Verminderung der Steuerungsfähigkeit geführt. Der Angeklagte, der die zunehmende Selbständigkeit seiner Ehefrau nicht ertragen konnte und sich gedemütigt und entmachtet fühlte (UA S. 26), begann nach den Feststellungen des Landgerichts in diesem störungsbedingten Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit mit Tötungsvorsatz auf seine Frau einzustechen. Sodann geriet er in einen "Blutrausch" und tötete sie mit 37 Messerstichen bei voll erhaltener Unrechtseinsicht, jedoch nunmehr möglicherweise im Zustand vollständig aufgehobener Steuerungsfähigkeit (UA S. 29). Vor der Tat hatte er sich tagelang in einem Zimmer der Familienwohnung aufgehalten; er hatte am Familienleben nicht mehr teilgenommen (UA S. 8), seiner Frau und den Kindern verboten, die Wohnung zu verlassen, und sämtliche Fotografien des Familienalbums bis zur Unkenntlichkeit in Kleinteile zerrissen und zerschnitten (UA S. 9). Unmittelbarer Auslöser der Tat war nach den Urteilsfeststellungen, dass die Ehefrau des Angeklagten diesem vorhielt, er sei "kein richtiger Mann" (UA S. 10), und ihn verhöhnte, als er mit zwei langen Küchenmessern das Schlafzimmer betrat, in dem sie sich aufhielt (UA S. 11). Die Voraussetzungen eines die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigenden Affekts im Sinne einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung sind im Urteil, obgleich dies nahe gelegen hätte, nicht erörtert; unerwähnt bleibt auch, aus welchem Grund der Angeklagte nach Beginn der Tat in einen "Blutrausch" verfallen sein soll und in welchem Zusammenhang dieser Zustand mit der festgestellten Persönlichkeitsstörung stehen könnte.
Es mangelt hier schon an der hinreichenden Feststellung einer die Unterbringung rechtfertigenden psychischen Störung im Sinne eines "Zustands" (§ 63 StGB). Das bloße Vorliegen der Voraussetzungen von Diagnosekriterien eines der gängigen Klassifikations-Systeme reicht hierfür ebenso wenig aus wie für die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (vgl. BGHSt 37, 397, 401; BGH NStZ 1995, 176 f.; 1997, 383; Senatsurteil vom - 2 StR 267/03; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 20 Rdn. 7, § 63 Rdn. 7 f. m.w.N.). Es bleibt auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen daher hier letztlich unklar, welcher dauerhafte "Zustand" im Sinne von § 63 StGB gegeben sein soll (vgl. auch BGHSt 49, 365, 369; BGH StraFo 2004, 390). Die vom Landgericht zitierten Diagnosekriterien des ICD-10 reichen für sich allein zur Feststellung nicht aus; der - überdies missverständliche - Hinweis auf den "Krankheitswert" der Störung lässt deren konkrete Auswirkungen auf das Leben des Angeklagten offen. Festgestellte Eigenschaften des Angeklagten wie Stimmungsschwankungen, geringe Frustrationstoleranz, Tendenz zu Fremdbeschuldigungen und Streitereien und Impulsivität sind als überaus verbreitete Persönlichkeitsakzentuierungen an sich weder geeignet, eine Person in einen Zustand dauerhaft erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu versetzen, noch rechtfertigt ihr Vorliegen die Annahme eines Zustands, der die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gebietet.
Auf dieser unsicheren Grundlage hat auch die vom Landgericht angenommene Gefährlichkeitsprognose keinen Bestand. Die Annahme, es seien "weitere Konfliktsituationen bereits angelegt", und es könne, weil in der Zukunft Konflikte des Angeklagten mit Pflegepersonen oder Sorgerechtsinhabern seiner Kinder oder "der Justiz" zu erwarten seien, zu mit der Anlasstat vergleichbaren Gewalttaten kommen (UA S. 34 f.), findet in den bisherigen Feststellungen keine hinreichende Grundlage. Sie lässt schon eine Erörterung der tatspezifischen Konflikt- und Affektlage vermissen; die Annahme, der Angeklagte könne aufgrund von Konflikten mit dem Jugendamt oder der Justiz in einen ähnlichen Zustand wie denjenigen geraten, der zur vorliegenden Tat führte, erscheint nach den bisherigen Feststellungen jedenfalls nicht naheliegend. Hieran ändert auch nichts, dass der Sachverständige eine "tiefe Strukturstörung" des Angeklagten diagnostiziert und einen langwierigen therapeutischen Prozess mit "zahlreichen Rückfällen" prognostiziert hat. Das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung rechtfertigt für sich allein nicht die - möglicherweise lebenslange - Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. auch BGH NStZ-RR 2003, 232; Tröndle/Fischer aaO § 63 Rdn. 15 m.w.N.).
3. Über die Maßregelanordnung ist daher neu zu entscheiden. Der Senat kann ausschließen, dass rechtsfehlerfreie Feststellungen zur Annahme vollständiger Aufhebung der Schuldfähigkeit bei der Anlasstat geführt hätten und dass sich der fehlerhafte rechtliche Ausgangspunkt der Maßregelanordnung bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
JAAAC-19199
1Nachschlagewerk: nein