BGH Urteil v. - IX ZR 173/02

Leitsatz

[1] Zur Berechtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters, die Genehmigung von Lastschriften zu verweigern (im Anschluss an BGHZ 161, 49)

Gesetze: InsO § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2; InsO § 60

Instanzenzug: LG Essen 4 O 267/01 vom OLG Hamm 30 U 16/02 vom

Tatbestand

Die Klägerin vermietete der Bauunternehmung B. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin) Geräte. Es bestand eine laufende Geschäftsbeziehung. Die Schuldnerin ermächtigte die Klägerin, deren fällige Forderungen von ihrem Konto einzuziehen. Die Einzugsermächtigung galt auch für Forderungen der H. GmbH. Die Klägerin zog im Januar und Februar 2001 fällige Mietzinsen sowie im Februar 2001 eine Werklohnforderung der H. GmbH für die Demontage und den Abtransport eines Krans ein.

Der Beklagte wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Essen vom zum vorläufigen Insolvenzverwalter der Schuldnerin bestellt. Unmittelbar nach seiner Bestellung widerrief er die Einziehungen der Forderungen und die Belastungen des Kontos der Schuldnerin durch die Klägerin. Die eingezogenen Beträge wurden daraufhin auf das Konto der Schuldnerin zurück überwiesen.

Die H. GmbH trat ihren angeblich gegen den Beklagten bestehenden Schadensersatzanspruch an die Klägerin ab. Diese verlangt von ihm die rückbelasteten Beträge sowie die Gebühren für die Rücklastschriften. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt er seinen Klagabweisungsantrag weiter.

Gründe

Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Beklagte hafte der Klägerin aus § 60 InsO auf Schadensersatz. Er habe gegen seine ihr gegenüber bestehenden Pflichten verstoßen, weil er die Lastschriften nicht hätte widerrufen dürfen; denn die Schuldnerin sei dazu ebenfalls nicht berechtigt gewesen.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht Stand.

1. Der starke oder der mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattete (mitbestimmende) vorläufige Insolvenzverwalter verletzt weder eine insolvenzspezifische noch eine sonstige gegenüber dem Gläubiger bestehende Pflicht, wenn er die auf einer Einziehungsermächtigung beruhende Lastschrift widerruft. Vielmehr ist er, was der Senat nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat, grundsätzlich berechtigt, eine Belastung, die der Schuldner noch nicht genehmigt hat, zu widerrufen (vgl. BGHZ 161, 49, 52; , ZInsO 2004, 40; v. - IX ZR 28/04, EWiR 2005, 227 m. Anm. Gantenberg).

2. Die Rechtsprechung des Senats hat Zustimmung erfahren (FK-InsO/Schmerbach, 4. Aufl. § 21 Rn. 42c, § 22 Rn. 16; HmbKomm-InsO/Schröder, § 22 Rn. 157; Andres/Leithaus, InsO §§ 60, 61 Anm. 3; Dahl NZI 2005, 102; Flitsch BB 2005, 17; Feuerborn ZIP 2005, 604, 605), ist aber auch Kritik begegnet (Bork ZIP 2004, 2446 f; Hadding WM 2005, 1549, 1552 f; Jungmann NZI 2005, 84, 86 f; Meder NJW 2005, 637). Mit den - nicht neuen - Argumenten dieser kritischen Stellungnahmen hat sich der Senat im Wesentlichen bereits in den Entscheidungen vom (aaO) auseinandergesetzt. Das gilt auch für die Erwägungen, die von der Klägerin in der mündlichen Revisionsverhandlung vorgetragen worden sind. Diese Gesichtspunkte geben ihm daher keinen Anlass, seine bisherige Rechtsauffassung zu ändern.

3. Die Parteien haben in den Tatsacheninstanzen vorausgesetzt, dass der Beklagte zum mitbestimmenden vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden war. Die Wirksamkeit von Verfügungen der Schuldnerin hing dann von seiner Zustimmung ab (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 zweiter Fall InsO). Das entspricht - wie in der mündlichen Revisionsverhandlung erörtert - dem Sachvortrag zum selben Insolvenzeröffnungsverfahren in der Sache IX ZR 82/03 (aaO). Der Beklagte hat mithin in zulässiger Weise der Belastung des Schuldnerkontos durch den Forderungseinzug der Klägerin widersprochen und damit eine wirksame Genehmigung der Lastschriften durch die Schuldnerin verhindert. Wie in der Parallelsache IX ZR 82/03 (aaO) ist über den Einfluss von § 7 Abs. 3 AGB-Banken n.F. - wonach die Belastungsbuchungen sechs Wochen nach dem Zugang entsprechender Mitteilungen als genehmigt gelten - nicht zu entscheiden.

Im Ergebnis läge der Fall nicht anders, wenn der Beklagte nur nicht mitbestimmender (schwacher) vorläufiger Insolvenzverwalter gewesen wäre. Sein Widerspruch gegen die Lastschriften aufgrund des klägerischen Forderungseinzugs hätte dann zwar keine unmittelbaren Rechtswirkungen entfaltet. Unabhängig davon ist jedenfalls eine Genehmigung der Lastschriften durch die Schuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterblieben und auch durch den Beklagten als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin entsprechend seiner vorherigen Haltung nicht erfolgt. Hätte die Schuldnerin gegen den Widerspruch des Beklagten als schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter die Lastschriften gleichwohl genehmigt, wäre ihre wirksame Verfügung nach § 130 Abs. 1 Nr. 2, § 140 InsO anfechtbar gewesen (vgl. Gero Fischer, Festschrift für Gerhardt S. 223, 234). Die Klägerin hätte auch dann durch das Vorgehen des Beklagten keinen Schaden im Rechtssinne erlitten.

Fundstelle(n):
BB 2007 S. 287 Nr. 6
DB 2007 S. 281 Nr. 5
DStZ 2006 S. 859 Nr. 24
NJW-RR 2007 S. 118 Nr. 2
SJ 2007 S. 40 Nr. 6
WM 2006 S. 2092 Nr. 44
ZIP 2006 S. 2046 Nr. 44
MAAAC-18712

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja