BFH Beschluss v. - VIII B 322/04

Übergehen von Beweisanträgen; Verletzung der Sachaufklärungspflicht

Gesetze: FGO § 76, FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen in der Begründung der Beschwerde die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden, d.h. in der Beschwerdeschrift muss entweder dargetan werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert, oder dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Diese Voraussetzungen sind in der Beschwerdeschrift nicht ausreichend dargelegt worden. Mit der Rüge, das Finanzgericht (FG) habe durch die unterlassene Vernehmung der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) benannten Zeugen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) verletzt, macht der Kläger zwar einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend. Den Anforderungen der Vorschrift genügt sein Vorbringen aber nicht. Denn da § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung der Prozessbeteiligte —ausdrücklich oder durch Unterlassen der Rüge— verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der ZivilprozessordnungZPO—), hätte außerdem vorgetragen werden müssen, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb die Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom I B 19-21/94, BFH/NV 1995, 441; vom X B 124/94, BFH/NV 1995, 238). Das Übergehen eines Beweisantrages kann nämlich nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Beteiligte den Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht gerügt hat, obwohl dort zu erkennen war, dass das Gericht den Beweis nicht erheben wird (vgl. , BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372). Dass der Kläger das Übergehen eines Beweisantrages gerügt hätte, ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom indes nicht. Der Kläger hätte daher vortragen müssen, in der mündlichen Verhandlung eine Protokollierung der Rüge verlangt, und —im Falle der Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen— eine Protokollberichtigung gemäß § 94 FGO i.V.m. den §§ 160 Abs. 4, 164 ZPO beantragt zu haben (vgl. , BFH/NV 2000, 582). Dazu fehlt jeglicher Vortrag.

Auch das Vorbringen, das FG habe den Kläger nicht vernommen, sei auf den Parteivortrag nicht eingegangen, habe damit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und seine Hinweispflicht verletzt, ist nicht geeignet, einen Revisionszulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO darzulegen. Zum einen hat sich das FG ausweislich der Urteilsgründe ausdrücklich mit der Frage befasst, ob der Kläger nicht nur den objektiven, sondern auch den subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht hat. Zum anderen war der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom durch zwei fachkundige Prozessbevollmächtigte vertreten, mit denen die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert wurde. Abgesehen davon, dass der Kläger Gelegenheit gehabt hätte, seinen Standpunkt und seine Rechtsauffassung selbst darzulegen, muss angesichts dieser Umstände davon ausgegangen werden, dass sich das FG mit dem Vortrag des Klägers befasst hat. Hinsichtlich der Rüge, das FG habe seine Hinweispflicht verletzt, nimmt der Senat im Übrigen auf die ständige Rechtsprechung des BFH Bezug, nach der § 76 Abs. 2 FGO das FG nicht verpflichtet, die Beteiligten zu einer Substantiierung ihres Sachvortrags zu veranlassen, wenn die rechtliche Bedeutung der vorzutragenden Tatsachen für den Ausgang des Klageverfahrens auf der Hand liegt (vgl. u.a. , BFH/NV 2000, 204). Das gilt insbesondere dann, wenn der Kläger steuerlich beraten und im Prozess entsprechend vertreten war (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 204). Der Kläger hätte deshalb darlegen müssen, weshalb das FG auch bei diesem rechtlichen Ausgangspunkt seine Fürsorgepflicht ihm gegenüber verletzt haben soll. Außerdem kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass das Gericht die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und erwogen hat, sofern nicht besondere Umstände des konkreten Falls auf einen diesbezüglichen Verstoß hindeuten (ständige Rechtsprechung, , BFH/NV 1995, 817).

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang außerdem rügt, das Gericht habe den Sachverhalt rechtsfehlerhaft nicht weiter für aufklärungsbedürftig gehalten, kann die Zulassung der Revision darauf ebenfalls nicht gestützt werden. Der Kläger wendet sich mit diesem Vorbringen inhaltlich gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG. Darin liegt jedoch nicht die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers, sondern falscher materieller Rechtsanwendung, die nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 132/98, BFH/NV 1999, 510; vom IV B 96/98, BFH/NV 2000, 70). Eine unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall könnte allenfalls dann zur Zulassung der Revision führen, wenn dieser Fehler von erheblichem Gewicht und zudem geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, weil die Entscheidung des FG objektiv willkürlich ist (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz. 173, 203; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 55 und 68). Dafür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2280 Nr. 12
XAAAC-18007