Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör; rückwirkende Anwendung einer verschärfenden Rechtsprechung (hier: Einbringung einer freiberuflichen Praxis durch ihren bisherigen Alleininhaber in eine Sozietät)
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2; EStG § 18 Abs. 3, EStG § 16
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger ist Arzt. Er vereinbarte mit Vertrag vom mit seinem bisherigen Praxisassistenten den sofortigen Beginn einer gleichberechtigten ärztlichen Gemeinschaftspraxis, an der beide Gesellschafter hälftig beteiligt sein sollten. Im Einspruchs- und Klageverfahren begehrte der Kläger vergeblich die ermäßigte Besteuerung des der Höhe nach unstreitigen Veräußerungsgewinns von 73 718 DM für das Streitjahr (1998).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Kläger hätten über die bloße Behauptung hinaus nichts dafür vorgetragen, dass ein Teilbetrieb i.S. des § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) veräußert worden sei. Auch der Gesellschaftsvertrag gebe dafür nichts her; er lasse vielmehr zuverlässig darauf schließen, dass bis zum Veräußerungszeitpunkt ein einheitlicher Betrieb „Arztpraxis” bestanden habe.
Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde stützen die Kläger auf einen Verfahrensmangel und das Erfordernis einer Fortbildung des Rechts. Den Verfahrensmangel sehen sie darin, dass das FG sie nicht darauf hingewiesen habe, dass sie etwas für die Übertragung eines Teilbetriebes als Voraussetzung für den begünstigten Steuersatz hätten vortragen müssen. Sie hätten daher keinen Anlass für die Annahme gehabt, dass sie ihre Darlegungen hätten erweitern und ggf. entsprechende Beweisanträge (Zeugenvernehmung des in die Praxis aufgenommenen Assistenten) stellen müssen. Bei einer solchen Vernehmung wäre das FG zu einer anderen Beurteilung gekommen.
Außerdem diene es der Rechtsfortbildung, die Frage zu klären, ob eine Rückwirkung der Entscheidung des Großen Senats des (BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123) zulässig sei oder nicht. Nach der bis dahin maßgeblichen Rechtsprechung habe der XI. Senat des BFH die Auffassung vertreten, dass die Einbringung einer freiberuflichen Praxis in eine Personengesellschaft gegen eine Ausgleichszahlung des neu aufgenommenen Gesellschafters eine Veräußerung sei, die dem ermäßigten Steuersatz des § 34 EStG unterliege (vgl. , BFHE 185, 486, BStBl II 1998, 475). Darauf hätten sich die Kläger verlassen.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Es fehlt an einer ausreichenden Darlegung eines Grundes für die Zulassung der Revision.
1. Zwar kann eine Verletzung des Rechts auf Gehör vorliegen, wenn das Gericht die Beteiligten nicht auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt hinweist, den es seiner Entscheidung zugrunde legen will (, BVerfGE 96, 189, Neue Juristische Wochenschrift —NJW—- 1997, 2305). Dies kann der Fall sein, wenn ein bisher nicht erörterter Gesichtspunkt zur Grundlage der Entscheidung gemacht wird, der dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens und unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretener Rechtsauffassungen nicht hat rechnen müssen (Senatsbeschluss vom IV B 114/03, juris). Die schlüssige Rüge eines solchen Verfahrensmangels erfordert jedoch die substantiierte Darlegung, wozu der Kläger sich nicht hat äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch zusätzlich vorgetragen hätte und dass bei Berücksichtigung dieses Vorbringens eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz. 14, m.w.N.).
Die Kläger haben einen Verfahrensmangel nicht hinreichend dargelegt. Denn sie haben auch in der Beschwerdebegründung keine Tatsachen angegeben, die für eine Übertragung eines Teilbetriebes auf den in die neu gegründete Gemeinschaftspraxis aufgenommenen Partner sprechen könnten. Die schlichte Behauptung, dieser hätte die Übertragung eines Teilbetriebs bestätigt, genügt nicht; darauf hat bereits das FG im angefochtenen Urteil hingewiesen. Im Übrigen kann vorliegend auch nicht von einer überraschenden Wendung des Verfahrens gesprochen werden, nachdem bereits in den Senatsurteilen vom IV R 98/79 (BFHE 133, 186, BStBl II 1981, 568) und vom IV R 88/80 (BFHE 141, 27, BStBl II 1984, 518) die Einbringung einer freiberuflichen Praxis durch ihren bisherigen Alleininhaber in eine Sozietät gegen eine Ausgleichszahlung des neu aufgenommenen Mitgesellschafters nicht als steuerbegünstigte Veräußerung angesehen worden war.
2. Auch die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist nicht ausreichend dargelegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die von den Klägern zur Rechtsfortbildung für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage, ob eine Rückwirkung des Beschlusses des Großen Senats des BFH in BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123 zulässig sei, ist weder klärungsbedürftig, noch im Streitfall klärungsfähig.
Denn zum einen ist in der Rechtsprechung geklärt, dass eine verschärfende Rechtsprechung rückwirkend angewendet werden kann (vgl. , BFHE 154, 446, BStBl II 1989, 76; Beschluss des Großen Senats des , BFHE 141, 405, 416 ff., BStBl II 1984, 751). Zum anderen fehlt es vorliegend an einer rückwirkenden Verschärfung, wie sich daraus ergibt, dass der Große Senat des BFH in BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123 (unter C.V. des Beschlusses) der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats gefolgt ist. Dass im Vorlagebeschluss in BFHE 185, 486, BStBl II 1998, 475 eine für die Kläger günstige Rechtsauffassung angestrebt wurde, ändert daran nichts.
Fundstelle(n):
KÖSDI 2006 S. 15305 Nr. 11
KÖSDI 2006 S. 15305 Nr. 11
FAAAC-17991