BSG Urteil v. - B 1 KR 13/03 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: RVO § 200 Abs 2 aF.; SGB IV § 7 Abs 1

Instanzenzug: LSG Niedersachsen-Bremen vom

Gründe

I

Die Beteiligten streiten um die Höhe des der Klägerin zustehenden Mutterschaftsgeldes.

Die Klägerin war ab März 1997 auf Grund einer im November 1996 geschlossenen "Vereinbarung" (im Folgenden: Anstellungsvertrag) bei der I. GmbH (im Folgenden: GmbH) als Geschäftsführerin beschäftigt, am Kapital der Gesellschaft aber nicht beteiligt. Ihre "Vergütung" lag über der Jahresarbeitsentgeltgrenze, weshalb sie der beklagten Ersatzkasse als freiwilliges Mitglied mit Anspruch auf Krankengeld beitrat. Im September 1997 zeigte sie der GmbH an, sie sei schwanger; voraussichtlicher Entbindungstermin sei der . Ende September 1997 kündigte die GmbH den Anstellungsvertrag mit der vertraglich vorgesehenen Frist zum . Die Klägerin erhob hiergegen Kündigungsschutzklage. Die Beklagte gewährte ihr Mutterschaftsgeld vom Beginn der Mutterschutzfrist () bis zu deren Ende () in Höhe von täglich 25 DM gemäß § 200 Abs 2 Reichsversicherungsordnung in der damals geltenden Fassung (RVO aF). Den Antrag auf Mutterschaftsgeld in Höhe der Differenz zu dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt der letzten drei Monate, hilfsweise auf Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes (107,12 DM) lehnte sie ab. Die Klägerin legte Widerspruch ein. Während des Widerspruchsverfahrens schloss sie im Kündigungsschutzprozess im Januar 1999 vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) mit der GmbH einen Vergleich. In diesem heißt es: Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihre vertraglichen Beziehungen fristgerecht und zulässigerweise durch die Kündigung ... zum beendet worden sind. Die Beklagte wies den Widerspruch hierauf zurück. Die Klägerin sei so zu behandeln, als habe sie bei Beginn der Mutterschutzfrist in einem Arbeitsverhältnis gestanden, zumal die Kündigung nichtig und im Hinblick auf die erhobene Kündigungsschutzklage aus mutterschaftsrechtlicher Sicht von einem bestehenden Arbeitsverhältnis auszugehen sei. Dieses habe wirksam nur mit Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde gekündigt werden dürfen, die GmbH habe diese Zustimmung aber nicht eingeholt. An der Unwirksamkeit der Kündigung ändere auch der vor dem LAG geschlossene Vergleich nichts (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ).

Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin vom 17. Februar bis Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes, abzüglich kalendertäglich gezahlter 25 DM zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes, denn sie habe bei Beginn der Mutterschutzfrist als Geschäftsführerin und damit "Organ" einer GmbH nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Die Höhe des ihr zustehenden Mutterschaftsgeldes ergebe sich daher aus der für "andere Mitglieder" geltenden Regelung des § 200 Abs 2 RVO aF (Urteil vom ).

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung von § 200 Abs 2 RVO aF. Die Klägerin sei bei der GmbH iS von § 7 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) abhängig beschäftigt gewesen. Sie sei nicht selbstständig, sondern Arbeitnehmerin der GmbH gewesen und habe nicht zu den "anderen Mitgliedern" iS von § 200 Abs 2 RVO aF gehört. Insoweit komme es nur auf sozialversicherungsrechtliche Gesichtspunkte an, nicht dagegen auf "arbeitsrechtliche Voraussetzungen".

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom sowie das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und tritt im Übrigen den Schlussfolgerungen der Beklagten aus ihrem Vertrag mit der GmbH (abhängige Beschäftigung) entgegen.

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidung zutreffend verurteilt, der Klägerin Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes (abzüglich gezahlter 25 DM täglich) zu gewähren. Die Klägerin hat Anspruch auf Mutterschaftsgeld dem Grunde nach (dazu 1.). Die Höhe ihres Anspruchs ergibt sich aus Satz 6 des § 200 Abs 2 idF des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom (BGBl I 2477 - nachfolgend: aF), redaktionell geändert durch das Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom (BGBl I 1859), was zu einem Anspruch auf Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes führt (dazu 2.). Diese Vorschrift ist zwar subsidiär gegenüber Satz 1 des § 200 Abs 2 RVO aF, der im streitigen Zeitraum eine Leistungspflicht der Krankenkassen in Höhe von höchstens 25 DM (jetzt 13 Euro) Mutterschaftsgeld pro Tag vorsah und den Anspruch der Klägerin auf 25 DM täglich begrenzt hätte (dazu unter 3.). Die Voraussetzung des vorrangigen Satz 1 des § 200 Abs 2 RVO aF (dazu 4.), der auf ein arbeitsrechtliches Arbeitsverhältnis abstellt (dazu 4.a), sind vorliegend jedoch nicht erfüllt (dazu 4.b).

1. Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass der Klägerin für den streitigen Zeitraum (17. Februar bis ) Mutterschaftsgeld dem Grunde nach zusteht.

a) Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld dem Grunde nach ergibt sich vorliegend aus § 200 Abs 1 RVO aF. Zwar enthält auch das Mutterschutzgesetz (MuSchG) in der Fassung vom (BGBl I 22, 293), das den Gesundheitsschutz und Arbeitsplatzschutz sowie die Entgeltsicherung schwangerer Frauen anstrebt, in seinem § 13 eine Regelung des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld (zu den Zwecken und zur Entwicklung des MuSchG vgl Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom - 1 BvR 302/96, BVerfGE 109, 64, 65 f). Diese hier jedoch nicht unmittelbar einschlägige Vorschrift differenziert nämlich zwischen Frauen, die Mitglied einer Krankenkasse sind (vgl § 13 Abs 1 MuSchG), und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist (§ 13 Abs 2 MuSchG). Während § 13 Abs 2 MuSchG konstitutive Bedeutung zukommt, hat § 13 Abs 1 MuSchG für die Mitglieder der Krankenkassen nur deklaratorische Bedeutung (vgl BSGE 45, 114, 115 = SozR 7830 § 13 Nr 3 S 8; Kasseler Komm-Höfler, § 200 RVO RdNr 4, Stand Mai 2003). Der Anspruch der letztgenannten Frauen wie der Klägerin ergibt sich aus den in § 13 Abs 1 MuSchG in Bezug genommenen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften ua der RVO.

b) Nach § 200 Abs 1 RVO aF erhalten weibliche Mitglieder von Krankenkassen, die bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld haben oder denen wegen der Schutzfristen nach § 3 Abs 2 und § 6 Abs 1 MuSchG kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, Mutterschaftsgeld, wenn sie vom Beginn des zehnten bis zum Ende des vierten Monats vor der Entbindung mindestens zwölf Wochen Mitglieder waren oder in einem Arbeitsverhältnis standen. Die Anspruchsdauer ergibt sich aus § 200 Abs 3 Satz 1 RVO aF. Danach wird Mutterschaftsgeld, soweit es sich nicht um Mehrlings- oder Frühgeburten handelt, für die letzten sechs Wochen vor der (vom Arzt festgestellten mutmaßlichen) Entbindung, den Entbindungstag und für die ersten acht Wochen nach der (tatsächlichen) Entbindung gezahlt.

Die Klägerin erfüllt jedenfalls die erste Tatbestandsalternative des § 200 Abs 1 RVO aF. Sie war sowohl im streitigen Zeitraum als auch vom Beginn des zehnten bis zum Ende des vierten Monats vor der Entbindung mindestens zwölf Wochen Mitglied der Beklagten mit Anspruch auf Krankengeld. Insoweit kann, soweit es um den Anspruch auf Mutterschaftsgeld dem Grunde nach geht, dahingestellt bleiben, ob die Klägerin auch die zweite Tatbestandsalternative des § 200 Abs 1 RVO aF (keine Zahlung von Arbeitsentgelt wegen Beschäftigungsverbot) erfüllte. Letzteres würde voraussetzen, dass das MuSchG trotz der organschaftlichen Stellung der Klägerin innerhalb der GmbH auf sie anwendbar war (dazu unter 3. und 4.).

2. Die Klägerin hat Anspruch auf Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass sich die Höhe des Anspruchs der Klägerin aus Satz 6, nicht dagegen aus Satz 1 des § 200 Abs 2 RVO aF ergibt.

a) § 200 Abs 2 RVO aF hatte im streitigen Zeitraum auszugsweise folgenden Wortlaut: "Für Mitglieder, die bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes in einem Arbeitsverhältnis stehen oder in Heimarbeit beschäftigt sind oder deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist, wird als Mutterschaftsgeld das um die gesetzlichen Abzüge verminderte durchschnittliche kalendertägliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes gezahlt <Satz 1>. Es beträgt höchstens 25 Deutsche Mark für den Kalendertag <Satz 2>. ... Übersteigt das Arbeitsentgelt 25 Deutsche Mark kalendertäglich, wird der übersteigende Betrag vom Arbeitgeber oder vom Bund nach den Vorschriften des Mutterschutzgesetzes gezahlt <Satz 5>. Für andere Mitglieder wird das Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes gezahlt <Satz 6>." - Mit Wirkung vom ist Satz 6 des § 200 Abs 2 RVO aF zum jetzigen Satz 7 aaO geworden (vgl Art 2 Nr 1 Buchst b des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Mutterschutzrechts vom , BGBl I 1812).

b) Die Klägerin erfüllt unstreitig die Voraussetzungen des § 200 Abs 2 Satz 6 RVO aF. Sie war in dem Zeitraum, für den nach § 200 Abs 3 RVO aF Mutterschaftsgeld gezahlt wird, krankengeldberechtigtes Mitglied der Beklagten. Ein Anspruch gegen die Beklagte auf Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes wäre hier nur ausgeschlossen, wenn die Klägerin Anspruch nach der systematisch vorrangigen Vorschrift des § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF hätte (dazu 3.), die den Anspruch damals auf 25 DM täglich begrenzte. Dies ist entgegen der Ansicht der Beklagten jedoch nicht der Fall.

3. Der Mutterschaftsgeldanspruch der Klägerin in Höhe des Krankengeldes wird durch § 200 Abs 2 Satz 2 RVO aF nicht auf 25 DM täglich begrenzt. Die Voraussetzungen dieser gegenüber § 200 Abs 2 Satz 6 RVO aF vorrangigen Norm sind bei der Klägerin trotz der von ihr zuletzt ausgeübten Tätigkeit einer GmbH-Geschäftsführerin nicht erfüllt.

§ 200 Abs 2 RVO aF differenziert für die Gewährung von Mutterschaftsgeld zwischen drei Personengruppen. Die erste Gruppe bilden weibliche Krankenkassenmitglieder, die bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis stehen oder - was hier ausscheidet - in Heimarbeit beschäftigt sind (vgl § 200 Abs 2 Satz 1 1. Alternative RVO aF). Die zweite Gruppe bilden Mitglieder, deren Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist (Abs 2 Satz 1 2. Alternative aaO). Die dritte Gruppe bilden schließlich die in Satz 6 (aF) genannten "anderen Mitglieder".

Für die erste und die zweite Personengruppe nimmt § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF auf Regelungen des MuSchG Bezug und ergänzt dessen Rechtsfolgenanordnungen zu einem umfassenden Entgeltschutz der (werdenden) Mütter. Für beide Personengruppen wird von der Krankenkasse als Mutterschaftsgeld das um die gesetzlichen Abzüge verminderte durchschnittliche kalendertägliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist gezahlt (im Folgenden: Nettoentgelt), höchstens jedoch täglich 25 DM (jetzt 13 Euro, vgl § 200 Abs 2 Satz 2 RVO aF). Übersteigt das letzte tatsächliche tägliche Nettoentgelt den Betrag von 25 DM (bzw jetzt 13 Euro), gilt Folgendes:

- Bei und während eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses hat die Mutter gegen ihren Arbeitgeber Anspruch auf einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe des Differenzbetrages zwischen dem Betrag von 25 DM und dem letzten Nettoentgelt (vgl § 14 Abs 1 MuSchG); diese Regelung führt somit für die in § 200 Abs 2 Satz 1 1. Alternative RVO aF genannte Personengruppe zu einer durch die Krankenkasse und den Arbeitgeber gemeinsam getragenen Entgeltsicherung in Höhe des zuletzt erzielten Nettoentgelts. Zwar hat das BVerfG § 14 Abs 1 Satz 1 MuSchG als mit Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar angesehen, weil sie in Widerspruch zu Art 3 Abs 2 GG einer Diskriminierung von Frauen im Arbeitsleben Vorschub leiste und deshalb keine verfassungsmäßige Beschränkung der Berufsfreiheit der Arbeitgeber von Frauen darstelle (vgl , BVerfGE 109, 64, 84). Das BVerfG hat jedoch eine Beseitigung des Verfassungsverstoßes erst bis zum verlangt und ausdrücklich erklärt, dass es bis zur Neuregelung beim bisherigen Recht bleibt (aaO S 95). Damit hat der erkennende Senat auch im vorliegenden Fall vom bislang noch geltenden Recht auszugehen.

- Besteht das Arbeitsverhältnis nicht fort, weil eine nach § 9 Abs 1 MuSchG während einer Schwangerschaft im Grundsatz ausgeschlossene Arbeitgeberkündigung ausnahmsweise mit Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde für zulässig erklärt wird, erfolgt die Zahlung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld durch den Bund (vgl § 14 Abs 2 MuSchG). Für die in § 200 Abs 2 Satz 1 2. Alternative RVO aF genannte Personengruppe garantieren § 200 Abs 2 Satz 1 und 3 RVO aF iVm § 14 Abs 1 und 2 MuSchG somit ebenfalls eine durch die Krankenkasse und den Bund gemeinsam getragene Entgeltsicherung in Höhe des zuletzt erzielten Nettoentgelts.

- Für "andere Mitglieder" schließlich wird das Mutterschaftsgeld gemäß § 200 Abs 2 Satz 6 RVO aF in Höhe des Krankengeldes gezahlt und die Entgeltsicherung allein durch die Krankenkasse sichergestellt.

Satz 6 des § 200 Abs 2 RVO aF ist sowohl nach seiner systematischen Stellung am Schluss des § 200 Abs 2 RVO aF als auch nach dem systematischen Zusammenhang zwischen der RVO und dem MuSchG eine subsidiäre Auffangregelung für diejenigen Fälle, in denen die Entgeltsicherung in Höhe des zuletzt erzielten Nettoentgelts nicht durch das Zusammenwirken von Krankenkasse und Arbeitgeber oder Krankenkasse und dem Bund nach Maßgabe des § 200 Abs 2 Satz 1 RVO iVm § 14 Abs 1 und 2 MuSchG gewährleistet ist. Die in Satz 6 aaO genannte Gruppe der "anderen Mitglieder" erhält keine Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld; vielmehr liegt die Entgeltsicherung in diesen Fällen allein bei der Krankenkasse; diese soll Mutterschaftsgeld in diesen Fällen nicht nur in Höhe von 25 DM bzw jetzt 13 Euro, sondern in Höhe des Krankengeldes zahlen. Demgemäß greift die Regelung des § 200 Abs 2 Satz 6 RVO aF immer, aber auch nur dann ein, wenn eine Entgeltsicherung gemäß § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF ausscheidet.

4. Die Voraussetzungen des § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF sind vorliegend nicht erfüllt, so dass dessen Sperrwirkung gegenüber seinem Satz 6 nicht eingreift.

a) § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF setzt voraus, dass die Schwangere bei Beginn der Schutzfrist des § 3 Abs 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne steht oder ein solches Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst wird. Hingegen kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf das Vorliegen bzw die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses iS von § 7 Abs 1 SGB IV an. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF, der auf das Vorliegen bzw die Beendigung eines "Arbeitsverhältnisses" abstellt und den Begriff des "Beschäftigungsverhältnisses" nicht verwendet (zur arbeitsrechtlichen Prägung der Regelung zuletzt Senatsurteil vom - B 1 KR 7/02 R -, BSGE 92, 172, 177 = SozR 4-2200 § 200 Nr 1 RdNr 17). Der systematische Zusammenhang zwischen § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF und den Vorschriften des MuSchG spricht ebenfalls dafür, dass § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF an das Bestehen eines Arbeitverhältnisses bei Beginn der Mutterschutzfrist bzw die ausnahmsweise genehmigte Auflösung eines Arbeitsverhältnisses während der Schwangerschaft anknüpft: Erst die kumulative Rechtsfolgenanordnung des § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF sowie des in § 14 Abs 1 und 2 MuSchG geregelten Zuschusses zum Mutterschaftsgeld führen zu dem vom Gesetzgeber für angemessen erachteten Sicherungsniveau (vgl oben 3.). Ein lückenloses Ineinandergreifen von § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF und § 14 MuSchG setzt allerdings voraus, dass der in beiden Vorschriften verwendete Begriff des Arbeitsverhältnisses gleich bedeutend verstanden wird. Dies wird bestätigt durch die Beratungen zum MuSchG, während derer ausdrücklich klargestellt wurde, dass es im Zusammenhang mit den Vorschriften des MuSchG auf das Bestehen bzw die Beendigung eines "Arbeitsverhältnisses" und nicht auf das Bestehen bzw die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ankommen soll (vgl § 1 des Gesetzentwurfs ursprünglicher Fassung, BT-Drucks 1/1182, und idF des Ausschusses für Sozialpolitik, BT-Drucks 1/2876; Berichterstatterin Dr. Rehling, 180. Sitzung des Deutschen Bundestages vom , Stenographische Berichte, S 7519). Dem sind Rechtsprechung und Literatur gefolgt. Sie sehen die Begriffe des Arbeitsverhältnisses in § 200 RVO aF sowie in § 1 ff MuSchG als identisch an (vgl zB BSGE 45, 114, 116 = SozR 7830 § 13 Nr 3; , USK 83151; Kasseler Komm-Höfler, § 200 RVO RdNr 13, Stand Mai 2003).

b) Das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses und damit eines Mutterschaftsgeldanspruchs nach § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF scheidet vorliegend allerdings - anders als das LSG angenommen hat - nicht schon deshalb aus, weil die Klägerin zuletzt GmbH-Geschäftsführerin und damit Organ einer juristischen Person des Privatrechts war.

Nach § 1 Nr 2 MuSchG gilt das MuSchG für "Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen". Anders als etwa § 5 Abs 2 Nr 1 Betriebsverfassungsgesetz, § 14 Abs 1 Nr 1 Kündigungsschutzgesetz, § 3 Abs 1 Satz 2 Mitbestimmungsgesetz oder § 5 Abs 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz enthält das MuSchG keine (ausdrückliche) Bestimmung, wonach im Anwendungsbereich des MuSchG Organe juristischer Personen, zu denen gemäß § 35 Abs 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung auch GmbH-Geschäftsführer gehören, nicht als Arbeitnehmer gelten oder vom persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind. Die dem Gesundheitsschutz, dem Arbeitsschutz und der Entgeltsicherung dienenden öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzbestimmungen des MuSchG finden allerdings nur Anwendung, soweit ein Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne auch tatsächlich vorliegt.

Ob der Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers auch ein Arbeitsvertrag ist, der Geschäftsführer also Arbeitnehmer sein kann, ist jedenfalls in der älteren Rechtsprechung teilweise unterschiedlich beurteilt worden. Während der Bundesgerichtshof (BGH) die Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern verneinte (vgl zB BGHZ 79, 291, 292 = AP Nr 14 zu § 622 BGB; ähnlich , USK 83151; vgl jedoch nunmehr , NZA 2003, S 439 ff, wo der BGH anerkennt, dass ein GmbH-Geschäftsführer jedenfalls insolvenzrechtlich als Arbeitnehmer angesehen werden könne), vertritt das Bundesarbeitsgericht (BAG) in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass auch ein nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligter GmbH-Geschäftsführer - je nach Lage der Dinge - Arbeitnehmer sein kann (vgl zB - AP Nr 1 zu § 5 ArbGG 1979; BAGE 39, 16, 24 ff = AP Nr 1 zu § 14 KSchG 1969; , Juris-Dokument KARE393890729, RdNr 22 bis 26, im Übrigen nicht veröffentlicht; , AP Nr 10 zu § 35 GmbHG; Henssler, RdA 1992, 289, 292; Kania in: Küttner, Personalbuch, 11. Aufl 2004, Geschäftsführer RdNr 17 mwN; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl 2005, § 167 RdNr 8 Fn 22 ausdrücklich auch für den Bereich des MuSchG). Letzteres entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das im Versicherungs- und Beitragsrecht der Sozialversicherung bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig abhängige Beschäftigung annimmt (vgl , SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 78 mwN). Jedenfalls würde es nach Ansicht des erkennenden Senats im Hinblick auf den von Art 6 Abs 4 GG gewährleisteten Anspruch der (werdenden) Mutter auf den "Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft" erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, wenn schwangeren Frauen ohne Rücksicht auf ihre konkrete "arbeitsrechtliche" Situation der Schutz des MuSchG allein mit dem nicht näher begründeten Hinweis auf ihre organschaftliche Stellung und die Ausübung von Arbeitgeberfunktionen versagt werden dürfte (so - ohne Begründung - zB Lenz, Mutterschutzgesetz, 2004, § 1 RdNr 2; Weber, Mutterschutzgesetz, 22. Aufl 2001, § 1 Anm 7; Heilmann, Mutterschutzgesetz, 2. Aufl 1991, § 1 RdNr 37; Meisel/Sowoka, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, 5. Aufl 1999, § 1 RdNr 20; Gröninger/Thomas, Mutterschutzgesetz, § 1 RdNr 24, Stand April 2004; differenzierend: Schaub/Linck, aaO, § 167 RdNr 8 Fn 22; Kaiser, Handbuch zum Mutterschutzgesetz, 16. Aufl 2002, C I RdNr 22).

Die Frage braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden, da ein Anspruch der Klägerin aus § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF sowohl bei Annahme eines freien Dienstverhältnisses als auch bei Annahme eines Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist.

c) Sollte es sich bei den Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der GmbH um ein freies Dienstverhältnis gehandelt haben, wäre weder das MuSchG auf die Klägerin anwendbar noch würde sie in diesem Fall die Voraussetzungen des § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF erfüllen, denn diese setzen - wie dargelegt unter 4.a) - ein bestehendes oder ein zulässig aufgelöstes Arbeitsverhältnis voraus.

Sollte es sich hingegen um ein Arbeitsverhältnis gehandelt haben, schiede ein Mutterschaftsgeldanspruch nach § 200 Abs 2 Satz 1 RVO aF ebenfalls aus: Für § 200 Abs 2 Satz 1 2. Alternative RVO aF, die an eine zulässige Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe des § 9 Abs 3 MuSchG anknüpft, fehlt es schon an der erforderlichen behördlichen Zustimmung zur Arbeitgeberkündigung.

Ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs 2 Satz 1 1. Alternative RVO aF, der an ein bestehendes Arbeitsverhältnis bei Beginn der Mutterschutzfrist anknüpft, scheidet im Hinblick auf den vor dem LAG geschlossenen gerichtlichen Vergleich ebenfalls aus. Die Klägerin und die GmbH waren sich danach "einig, dass ihre vertraglichen Beziehungen fristgerecht und zulässigerweise durch Kündigung der Klägerin zum beendet worden" sind. Sollte es sich bei den fraglichen Rechtsbeziehungen um ein Arbeitsverhältnis gehandelt haben, hätte auch der erkennende Senat davon auszugehen, dass dieses jedenfalls nur bis zum und damit nicht mehr zu Beginn der Mutterschutzfrist am bestand. § 9 Abs 3 MuSchG stand einer vertraglichen Aufhebung des (möglicherweise vorliegenden) Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht entgegen (vgl Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeserziehungsgeldgesetz, 7. Aufl 2003, § 9 RdNr 93; ErfK/Schlachter, 4. Aufl 2004, 500 § 9 MuSchG RdNr 21; Reinecke in: Küttner, Personalbuch, aaO, Mutterschutz, RdNr 44, 47). In der Rechtsprechung ist insoweit anerkannt, dass jedenfalls in einem Streit über die Beendigung eines Rechtsverhältnisses nach einer Kündigung weiterhin von der grundsätzlichen Dispositionsbefugnis des Arbeitnehmers über das Ende seines Arbeitsverhältnisses auszugehen ist, falls nicht ein Fall des Rechtsmissbrauchs vorliegt (vgl BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 75; , Juris-Dokument KARE343280103, RdNr 26 - im Übrigen nicht veröffentlicht; KR-Wolff, 7. Aufl 2004, SozR RdNr 127 S 2666).

Tatsachen, die einen solchen Rechtsmissbrauch begründen könnten, sind vom LSG nicht festgestellt worden und auch sonst nicht erkennbar. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin eine allgemeinen Rechtsgrundsätzen offenkundig widersprechende, zB treu- oder sittenwidrige Kündigung gerade wegen ihrer Schwangerschaft hingenommen und durch die getroffene Abrede mit der GmbH diese gezielt hat entlasten und die beklagte Krankenkasse hat belasten wollen, bestehen nicht. Vielmehr ging es den Parteien des Vergleichs erkennbar darum, die Ungewissheit darüber zu beseitigen, ob die Klägerin überhaupt dem Schutz des Arbeitsrechts unterfiel: Die Klägerin hatte gegen die Kündigung ihres Rechtsverhältnisses mit der GmbH Kündigungsschutzklage erhoben. Das Arbeitsgericht (ArbG) hat diese Klage zunächst als unzulässig angesehen, das LAG aber auf die Beschwerde den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bindend für zulässig erklärt. In der Hauptsache wies das ArbG die Kündigungsschutzklage ab, weil die Klägerin keine Arbeitnehmerin gewesen sei. Im Berufungsverfahren akzeptierte die Klägerin sodann vergleichsweise die ausgesprochene Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 2.500 DM, nachdem der Vorsitzende Richter die Beteiligten offenbar darauf hingewiesen hatte, dass er die Ansicht des ArbG teile. - Nach Abschluss dieses Vergleiches stand die Klägerin damit jedenfalls ab nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zur GmbH, unabhängig davon, wie ihre vertraglichen Beziehungen zur GmbH rechtlich zu beurteilen waren.

Nach allem hat die Klägerin mangels einer vorrangig einschlägigen Anspruchsgrundlage einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs 2 Satz 6 RVO aF in Höhe des Krankengeldes abzüglich des von der Beklagten bereits in Höhe von 25 DM kalendertäglich gezahlten Mutterschaftsgeldes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

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Fundstelle(n):
SAAAC-15502