Leitsatz
[1] Der Anstellungsvertrag eines DO-Angestellten, der für die Dauer des Anstellungsvertrages aus der Unterstellung unter die Dienstordnung beurlaubt ist, kann nicht wirksam durch "Abbestellung" beendet werden, auch wenn diese Möglichkeit vertraglich vorgesehen ist; mit einer solchen Vereinbarung wird der gesetzliche (Änderungs-)Kündigungsschutz umgangen.
Gesetze: BGB § 134; BGB § 140; BGB § 611 ; BGB § 626; KSchG § 14; SGB IV § 35a; AktG § 84 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug: ArbG Berlin 86 Ca 31401/03 vom LAG Berlin 8 Sa 1469/04 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Abberufung des Klägers als Unternehmensbereichsleiter.
Der 1962 geborene Kläger war seit dem Jahr 1978 zunächst bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) M, dann bei der AOK S und seit 1987 bei der AOK R als Dienstordnungsangestellter beschäftigt. Im Rahmen dieser Tätigkeit war der Kläger seit März 2002 im Wege einer Abordnung bei der Beklagten tätig. Die Parteien schlossen am einen Anstellungsvertrag nach den Bestimmungen der Dienstordnung der Beklagten. Danach wurde der Kläger als "Leitender Verwaltungsdirektor" unter Einweisung in eine Planstelle der Vergütungsgruppe A 16 ab dem als Angestellter auf Lebenszeit bei der Beklagten angestellt. Am selben Tag schlossen die Parteien einen Unternehmensbereichsleiter-Vertrag (im folgenden UBL-Vertrag), wonach der Kläger befristet für die Dauer von 5 Jahren zum Leiter des Unternehmensbereichs Vertragsmanagement bestellt wurde; gleichzeitig wurde er für die Dauer der Übertragung der Funktion als Unternehmensbereichsleiter aus der Unterstellung unter die Dienstordnung bei Fortgeltung der Versorgungszusagen beurlaubt. Der UBL-Vertrag sieht unter anderem folgende Regelungen vor:
"§ 1 Übertragung der Funktion als Unternehmensbereichsleiter auf Zeit
...
(2) Die Bestellung auf Zeit beginnt am und endet mit Ablauf . Sie kann um jeweils 5 Jahre verlängert werden. Sie endet jedoch spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der Angestellte das 65. Lebensjahr vollendet.
...
(4) Durch Beschluß des Vorstandes kann der Angestellte vor Ablauf der Vertragszeit von seiner Funktion nach Abs. 1 abbestellt werden, wenn das gegenseitige Vertrauen nicht mehr besteht, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen wird."
Die Bestellung auf Zeit sollte bei Nichtverlängerung durch Ablauf der Vertragszeit oder durch die Abbestellung durch Beschluss des Vorstands enden. In diesem Fall sollte die Beurlaubung des Klägers aus dem Dienstordnungsverhältnis enden und er unter Zuweisung einer angemessenen Tätigkeit als Dienstordnungsangestellter nach der Vergütungsgruppe A 16 weiterbeschäftigt werden.
Für die Dauer des UBL-Vertrags sollte der Kläger ein Jahresfestgehalt von zunächst 71.000,00 Euro brutto zuzüglich einer variablen Vergütung erhalten. Für den und für den war eine Erhöhung des Festgehalts um jeweils 1.600,00 Euro brutto vorgesehen. Der Kläger war vorrangig für die Vertragsgestaltung im Bereich der ambulanten Versorgung sowie für den Abschluss von Vereinbarungen mit der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigung verantwortlich. Er war unmittelbar dem Vorstand der Beklagten unterstellt und übte die Personalverantwortung für 164 Mitarbeiter aus, wobei er selbst nicht zur Einstellung und Kündigung von Arbeitnehmern berechtigt war.
Ab Juli 2003 führte der Kläger in enger Abstimmung mit dem Vorstand der Beklagten Verhandlungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung über die Herausnahme bestimmter ärztlicher Leistungen aus dem Budget und den Abschluss von Sondervergütungsvereinbarungen, wobei er den Verhandlungen die zu diesem Zeitpunkt aktuelle Finanzplanung zugrunde legte. Mitte Oktober 2003 beschloss der Bundesvorstand der AOK eine Reduzierung der Zuweisungen an die AOK B im Umfang von ca. 50 Millionen Euro. Ab dem führte die Beklage in Anwesenheit des Klägers Gespräche über eine Absenkung der Haushaltsplandaten. Am 15. und fanden bei der Beklagten Unternehmensbereichsleiterrunden statt, bei denen der Unternehmensbereichsleiter "Finanzen und Forderungen" eine Absenkung der für den Bereich des Klägers relevanten Haushaltsplandaten um ca. 1,74 Millionen Euro ankündigte. Die geänderten Plandaten wurden dem Kläger am per E-mail zur Verfügung gestellt. Am fand in Anwesenheit des Vorstands die zweite Verhandlungsrunde mit der Kassenärztlichen Vereinigung statt, in der einzelne Vertragsziele festgelegt wurden. Die abschließende Verhandlungsrunde war für den geplant. Zur Vorbereitung dieser Runde fand am ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Vorstand der Beklagten statt. Der Kläger legte dem Vorstand Berechnungsunterlagen über den Stand der zweiten Verhandlungsrunde und sich daraus ergebende Verhandlungsvarianten vor, wobei den Gesprächen und diesen Berechnungen nicht die aktuelle, sondern die Haushaltsplanung mit dem Stand bis zugrunde lag.
Am beschloss der Vorstand der Beklagten, den Kläger mit sofortiger Wirkung als Unternehmensbereichsleiter abzuberufen, und teilte ihm die rückwirkende Abbestellung zum mit Schreiben vom mit. In der Folgezeit wurde dem Kläger eine Tätigkeit als Dienstordnungsangestellter der Vergütungsgruppe A 16 zugewiesen.
Mit der am beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Abberufung geltend gemacht und die Weiterbeschäftigung als Unternehmensbereichsleiter gefordert. Er hat die Auffassung vertreten, die vertraglich vorbehaltene Abberufungsmöglichkeit sei wegen einer Umgehung des gesetzlichen Änderungskündigungsschutzes unwirksam. Die Entscheidung sei im Übrigen auch ermessensfehlerhaft, da keine sachlichen Gründe für die Abberufung vorlägen. In der Vergangenheit habe es keine Kritik an seinen Leistungen gegeben. Ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass die geänderten Haushaltsdaten bereits verbindlich gewesen seien. Zudem genüge sein Verhandlungskonzept auch den reduzierten Haushaltsplandaten.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
1. festzustellen, dass die mit Schreiben vom erfolgte Abbestellung des Klägers von der Funktion als Unternehmensbereichsleiter "Vertragsmanagement" unwirksam ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits über die Abberufung längstens bis zum als Leiter des Unternehmensbereichs "Vertragsmanagement" weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Abberufung sei wirksam. Die Abberufungsklausel sei rechtlich zulässig, zudem sei § 35a Abs. 7 SGB IV entsprechend anzuwenden. Der Kläger genieße als leitender Angestellter ohnehin nur eingeschränkten Kündigungsschutz; außerdem sei er durch den Fortbestand des Dienstordnungsverhältnisses gesichert. Die Abberufung sei sachlich gerechtfertigt gewesen, weil der Kläger die Verhandlungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung nach der Einführung neuer Haushaltsdaten auf Basis von Finanz- und Planungsdaten konzipiert und geführt habe, die nicht auf den aktuellen und für die AOK B tatsächlich relevanten Haushaltsdaten basierten. Zudem habe er Probleme bei der Führung und Motivation seiner Mitarbeiter. Dies zeige der im Vergleich zum Durchschnitt der AOK B erhöhte Krankenstand seines Unternehmensbereichs. Der Kläger habe den in der Funktion an ihn gestellten Anforderungen nicht genügt. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Vorstand sei dauerhaft zerstört. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Unternehmensbereichsleiter sei zudem auf Grund einer geplanten Umstrukturierung bereits aus tatsächlichen Gründen unmöglich.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Gründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung zusammengefasst wie folgt begründet:
Die Klage sei begründet. Das Anstellungsverhältnis des Klägers als Unternehmensbereichsleiter sei nicht durch die mit Schreiben vom erklärte Abberufung aufgelöst worden. Der Kläger sei bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vorläufig als Unternehmensbereichsleiter weiterzubeschäftigen.
Die Abberufungsklausel in § 1 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Buchst. b UBL-Vertrag sei gemäß § 134 BGB wegen Umgehung des gesetzlichen Änderungskündigungsschutzes rechtsunwirksam. Einzelvertragliche Regelungen, nach denen wesentliche Elemente eines Arbeitsvertrags einseitigen Änderungen unterlägen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung gestört würde, führten zu einer objektiven Umgehung des gesetzlichen Änderungskündigungsschutzes. Durch die Abberufung des Klägers habe die Beklagte auch unter Berücksichtigung des Dienstordnungs-Vertrags unzulässig in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen, da sich der Eingriff nicht allein auf die Höhe der Bezüge beschränke, sondern zugleich auf den Inhalt der Arbeitspflicht des Klägers und seine Stellung im Betrieb einwirke. Ein solcher Eingriff sei nur dann zulässig, wenn die Rechtsstellung des Klägers nach dem UBL-Vertrag weder dem Kündigungsschutzgesetz noch dem Teilzeit- und Befristungsgesetz unterliege. Dies sei jedoch nicht der Fall, wobei es nicht darauf ankomme, ob der Kläger als leitender Angestellter nach § 14 KSchG anzusehen sei. Es fehle bei der vorliegenden Vertragsgestaltung bereits an einer angemessenen Beendigungsfrist und einer Abfindungsregelung. Soweit die Abberufung eine auflösende Bedingung des UBL-Vertrags sei, sei sie gemäß § 21, § 14 Abs. 1 TzBfG wegen des Fehlens eines sachlichen Grundes rechtsunwirksam. Zwar hätten die Parteien für den Fall der Beendigung des UBL-Vertrags die Weiterbeschäftigung des Klägers im Rahmen eines Dienstordnungs-Vertrags in angemessener Funktion geregelt. Die Beendigung des UBL-Vertrags in dem Fall, in dem "das gegenseitige Vertrauen nicht mehr besteht", unterstelle aber die Abberufung durch den Vorstand allenfalls einer Billigkeitskontrolle und werde damit dem gesetzlichen Inhaltsschutz eines Arbeitsverhältnisses nicht gerecht. Daher könne als nicht entscheidungserheblich dahinstehen, ob die Abberufung billigem Ermessen iSd. § 315 BGB entsprochen habe. Eine Umdeutung der Abberufungserklärung in eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags gemäß § 626 BGB scheide aus. Die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe gegen die Arbeitsweise des Klägers stellten weder einzeln gesehen noch in ihrer Gesamtschau einen wichtigen Grund dar, der es der Beklagten unzumutbar mache, das Vertragsverhältnis bis zu dessen Ablauf fortzusetzen.
Der Kläger habe daher Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung als Unternehmensbereichsleiter Vertragsmanagement bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Selbst wenn die Beklagte eine Organisationsveränderung vornehme, sei in § 5 UBL-Vertrag eine spezielle Vorgehensweise geregelt, die den Ausschluss des Weiterbeschäftigungsanspruchs weder erfordere noch rechtfertige.
11. Dem folgt der Senat im Ergebnis.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, dass sein Anstellungsverhältnis als Unternehmensbereichsleiter Vertragsmanagement nicht durch die Abbestellung der Beklagten vom aufgelöst worden ist. Der Kläger hat seinen Feststellungsantrag zwar auf die Feststellung der Unwirksamkeit der mit Schreiben vom erfolgten Abbestellung von der Funktion als Unternehmensbereichsleiter "Vertragsmanagement" gerichtet, das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag aber zutreffend dahingehend ausgelegt, dass der Kläger die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt.
2. Die Klage ist auch begründet. Das Anstellungsverhältnis des Klägers als Unternehmensbereichsleiter wurde nicht durch die mit Schreiben vom erklärte Abbestellung aufgelöst.
a) Das Landesarbeitsgericht hat die Abberufungsklausel gemäß § 1 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Buchst. b UBL-Vertrag als unzulässigen Widerrufsvorbehalt eingeordnet und deren Unzulässigkeit auch für den Fall angenommen, dass es sich um die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung handelt.
aa) Eine auflösende Bedingung ist nicht gegeben. Das Arbeitsverhältnis endet im Fall des Vertrauensverlustes nicht mit Eintritt einer Bedingung, sondern erst durch die Ausübung eines Gestaltungsrechts - der Abbestellung auf Grund des Vorstandsbeschlusses. Dass dieses Gestaltungsrecht nur bei Vorliegen besonderer vertraglich vereinbarter Gründe ausgeübt werden darf, führt nicht zur Annahme der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung. Auch zB mit der Vereinbarung eines Kündigungsrechts - bei Vorliegen bestimmter Gründe - steht der Vertrag nicht unter einer auflösenden Bedingung.
bb) Soweit das Bundesarbeitsgericht mit einseitigen Widerrufsvorbehalten befasst war (vgl. - 5 AZR 364/04 - AP BGB § 308 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, mwN), handelte es sich um den vertraglich ausdrücklich vorbehaltenen Widerruf einzelner Vertragsbedingungen, von dem der Arbeitgeber durch die Ausübung des Widerrufs einseitig Gebrauch macht; der Vorbehalt ist auf die einseitige Änderung bestimmter Vertragsbedingungen gerichtet, ohne dass durch die Ausübung dieses Gestaltungsrechts - anders als bei der Änderungskündigung - der Bestand des Arbeitsverhältnisses insgesamt in Frage gestellt wird (KR-Rost 7. Aufl. § 2 KSchG Rn. 47; ErfK/Müller-Glöge 6. Aufl. § 620 BGB Rn. 46). Das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung die Wirksamkeit eines Widerrufsvorbehalts insbesondere an einer Umgehung des § 2 KSchG geprüft und die Wirksamkeit eines Widerrufsvorbehalts abgelehnt, wenn in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen wurde ( - 10 AZR 282/01 - AP BGB § 315 Nr. 81 = EzA BGB § 315 Nr. 51; für Widerrufsvorbehalte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Prüfung iRd. §§ 307, 308 Nr. 4 BGB: - 5 AZR 364/04 - aaO).
cc) Was § 1 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Buchst. b UBL-Vertrag vorsehen, ist ein einseitiges Gestaltungsrecht des Arbeitgebers, das er für den Fall ausüben können soll, dass ein bestimmter vertraglich vereinbarter Grund vorliegt, nämlich der Verlust des Vertrauens zu dem Arbeitnehmer, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen wird. Die Abbestellung vom beschränkte sich anders als bei einem Widerrufsvorbehalt nicht auf die partielle Änderung bestimmter Vertragsbedingungen, sondern sollte das Anstellungsverhältnis des Klägers als Unternehmensbereichsleiter Vertragsmanagement mit Wirkung ex nunc insgesamt beenden. Damit rückt sie in die Nähe einer außerordentlichen Kündigung, ohne dass ein wichtiger Grund iSd. § 626 BGB vorliegen muss.
b) Die rechtliche Einordnung der Vertragsklausel braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden.
aa) Unabhängig von ihrer rechtlichen Einordnung ist die Abberufungsklausel gemäß § 134 BGB wegen des Verstoßes gegen die zwingenden Vorschriften des Kündigungsschutzrechts nichtig. Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Eine Beendigungsklausel ist dann unwirksam, wenn sie zu einer Umgehung zwingender kündigungsrechtlicher Schutzvorschriften führt.
bb) Die Abbestellungsklausel nach dem UBL-Vertrag widerspricht dem Schutzzweck des § 626 BGB. Gemäß § 1 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Buchst. b UBL-Vertrag kann der Angestellte bereits dann durch Beschluss des Vorstands abbestellt werden, wenn das gegenseitige Vertrauen nicht mehr besteht, es sei denn, dass das Vertrauen aus offensichtlich unsachlichen Gründen entzogen wird. Derartige Abberufungsklauseln finden sich auch in § 35a Abs. 7 Satz 2 SGB IV oder § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG, wobei diesen Vorschriften gemein ist, dass sie nicht die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, sondern die Beendigung der Organbestellung von Vorstandsmitgliedern erfassen. Durch die erweiterte Abberufungsmöglichkeit nach § 35a Abs. 7 Satz 2 SGB IV soll nach der Gesetzesbegründung die Aufsichts- und Kontrollfunktion des Verwaltungsrats verstärkt werden. Die in § 35a Abs. 7 Satz 2 SGB IV genannten Entlassungsgründe sind möglichst objektiv zu sehen. Die Vorschrift soll keine Handhabe zur Entlassung unbequemer Vorstandsmitglieder sein (Hauck/Haines SGB IV Stand Dezember 2005 K § 35a Rn. 15). Vorstandsmitglieder sind im Gegensatz zu Arbeitnehmern weisungsunabhängig im Rahmen freier Dienstverhältnisse tätig. Beschäftigungsverhältnisse abhängiger Arbeitnehmer, die grundsätzlich dem arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz unterliegen, sind mit den freien Dienstverhältnissen von Vorstandsmitgliedern nicht zu vergleichen. Dieser Kündigungsschutz kann Arbeitnehmern selbst in verantwortungsvoller Position nicht durch eine Übernahme sachfremder Abberufungsklauseln genommen werden. Gesetzliche Abberufungsklauseln für Vorstandsmitglieder können weder durch eine einzelvertragliche Regelung noch durch analoge Anwendung, etwa hier des § 35a Abs. 7 Satz 2 SGB IV, auf das Anstellungsverhältnis des Klägers übertragen werden.
cc) Der Hinweis der Revision, die Abberufung sei im Hinblick auf § 14 Abs. 2 iVm. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG möglich, trägt nicht.
Der Kläger ist kein leitender Angestellter mit der Berechtigung zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern iSv. § 14 Abs. 2 KSchG. Selbst wenn er dies wäre, gölte im Wesentlichen das Kündigungsschutzgesetz. Zwar fände dann § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG nur mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf. Die Ausgestaltung des Abberufungsrechts durch den Vorstand entspricht aber nicht den verminderten Anforderungen an den Kündigungsschutz eines leitenden Angestellten. Die Klausel sieht weder eine angemessene Beendigungsfrist noch eine Abfindungsregelung vor.
dd) Dies gilt entgegen der Revision, obwohl die Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht zum Ausscheiden des Klägers führt, weil er Dienstordnungsangestellter bleibt und entsprechend zu beschäftigen ist. Das Landesarbeitsgericht hat die Anstellungsvereinbarung des Klägers als Unternehmensbereichsleiter als Abschluss eines zweiten Anstellungsvertrags verstanden.
(1) Die Auslegung des UBL-Vertrags als nichttypischen Vertrag durch das Tatsachengericht unterliegt nur der eingeschränkten Überprüfung, ob die Rechtsvorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt worden sind, ob dabei gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen und der Tatsachenstoff vollständig verwertet wurde ( -BAGE 108, 1, 15; - 7 AZR 611/00 - BAGE 100, 204, 206).
(2) Die Auslegung des UBL-Vertrags durch das Landesarbeitsgericht genügt diesen Grundsätzen. Die Beschäftigung des Klägers als Unternehmensbereichsleiter erfolgte nicht durch eine vorübergehende Erweiterung seiner Aufgaben im Wege der Vertragsergänzung, sondern durch den Abschluss eines eigenständigen Anstellungsvertrags. Der ursprüngliche Dienstordnungs-Vertrag sollte suspendiert werden, wobei die Vertragsparteien nicht lediglich einzelne Vertragspflichten modifizierten. Der Kläger wurde ausdrücklich nach dem Wortlaut des Anstellungsvertrags von der Unterordnung unter die Dienstordnung beurlaubt (§ 1 Abs. 1 Satz 4 UBL-Vertrag). Diese Auslegung nach dem Wortlaut entspricht auch dem Willen der Parteien bei Vertragsschluss. So geht die Beklagte auch in der Revisionsbegründung noch von der Existenz eines ruhenden Dienstordnungsverhältnisses und eines gesonderten Beschäftigungsverhältnisses als Unternehmensbereichsleiter aus, wobei nach ihrer Ansicht der Dienstordnungs-Vertrag auf den UBL-Vertrag "einstrahlt". Wenn sie nunmehr im Schriftsatz vom - angesichts der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und der Erwiderung des Klägers - die Eigenständigkeit des UBL-Vertrags unter Hinweis auf den am selben Tag erfolgten Vertragsschluss und die Bezugnahme auf die Versorgungs- und Beihilferegelungen des Dienstordnungs-Vertrags negiert, ändert dies nichts daran, dass die Parteien ausdrücklich den Kläger "für die Dauer der Übertragung der Funktion als Unternehmensbereichsleiter aus der begründeten Unterstellung unter die Dienstordnung im dienstlichen Interesse beurlaubt(en)" und ein gesondertes Anstellungsverhältnis als Unternehmensbereichsleiter begründeten. Die Auslegung der Verträge zeigt, dass mit dem UBL-Vertrag eine eigenständige und umfassende Regelung getroffen wurde. So wurde nicht nur die Arbeitsaufgabe verändert, es wurden auch eine selbständige Vergütungsregelung, eine Bestimmung der Arbeitszeit, eine Verpflichtung zur Mehrarbeit sowie weitere Rechte und Pflichten (vgl. § 2 Rechte und Pflichten des UBL-Vertrags) vereinbart. Dies wäre im Fall der Änderung einzelner Teile des ursprünglichen Vertrags nicht notwendig gewesen (vgl. - AP BGB § 611 Ruhen des Arbeitsverhältnisses Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 36). Somit wird durch die Abberufung nicht lediglich die Vergütung des Klägers gemindert - wobei dahingestellt bleiben kann, ob diese Minderung, wie die Beklagte unter Vergleich der Dienstordnungsbezüge des Jahres 2004 mit der UBL-Vergütung des Jahres 2003 vorträgt, ca. 12 % oder, wie der Kläger behauptet, ca. 25 % beträgt -, sondern sein Anstellungsverhältnis als Unternehmensbereichsleiter beendet. Das stellt einen unzulässigen Eingriff in den Kernbereich des dem Kündigungsschutzrecht unterliegenden Arbeitsverhältnisses dar.
Die Beendigung des Anstellungsverhältnisses führt zwar nicht zum Ausscheiden des Klägers bei der Beklagten. § 2 Satz 1 KSchG schützt den Arbeitnehmer aber auch vor sozial ungerechtfertigten Änderungskündigungen. Nach dem Kündigungsschutzgesetz und nach § 626 BGB werden Arbeitsverhältnisse nicht nur in ihrem Bestand, sondern auch in ihrem Inhalt geschützt. Eine Änderungskündigung wäre nur dann sozial gerechtfertigt, wenn der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen personenbedingte, verhaltensbedingte oder dringende betriebliche Gründe iSd. § 1 Abs. 2 KSchG entgegenstehen und die angebotenen geänderten Bedingungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen würden (vgl. - AP BPersVG § 75 Nr. 1, zu IV der Gründe; KR-Rost § 2 KSchG Rn. 98). Das gilt entsprechend für eine außerordentliche Änderungskündigung. Solche Gründe hat die Beklagte nicht dargetan. Selbst wenn man das Dienstordnungs- und das Anstellungsverhältnis als eine Einheit sowie die Abbestellung als Änderungskündigung verstehen wollte, wäre die Zulassung der Abberufung nach § 1 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Buchst. b UBL-Vertrag allein auf Grund eines Vertrauensverlustes, der nicht einmal sachliche Gründe voraussetzt, eine unzulässige Umgehung des § 626 BGB; die Abberufung käme einer außerordentlichen Änderungskündigung gleich, die zu ihrer Wirksamkeit eines wichtigen Grundes iSv. § 626 BGB nicht bedürfte. Soweit die Revision aus der Entscheidung des - 5 AZR 364/04 - AP BGB § 308 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) die Zulässigkeit von Widerrufsklauseln ableitet, die neben der Reduzierung der Vergütung die Änderung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit und letztlich die Beendigung des konkreten Anstellungsverhältnisses ermöglichen, so übersieht sie, dass der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts an dem Grundsatz festhält, dass Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses durch die Vereinbarung eines Widerrufvorbehalts unzulässig sind ( - aaO).
ee) Die Umdeutung der Abbestellung vom nach § 140 BGB in eine außerordentliche Kündigung des UBL-Vertrags gemäß § 626 BGB kommt nicht in Betracht. Ob die Umdeutung einer unwirksamen Abberufung in eine außerordentliche Kündigung möglich ist, kann der Senat offen lassen. Die Voraussetzungen des § 140 BGB sind nicht erfüllt.
Eine kündigungsrelevante Tatsache iSv. § 626 BGB ist nicht gegeben. Die Beklagte hat die Abbestellung des Klägers als Unternehmensbereichsleiter mit der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien begründet und die Auffassung vertreten, dass es in diesem Fall keiner Abmahnung bedurft habe. Dabei verkennt die Revision, dass bei Störungen im Vertrauensbereich eine Abmahnung jedenfalls dann nicht entbehrlich ist, wenn der Arbeitnehmer annehmen durfte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig bzw. der Arbeitgeber werde es zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten ansehen ( - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26 = EzA BGB § 626 nF Nr. 160; - 2 AZR 526/96 - BAGE 86, 95 mwN). In der Entscheidung vom (- 2 AZR 526/95 - aaO) hat der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts klargestellt, dass das Abmahnungserfordernis auch bei Störungen im Vertrauensbereich stets zu prüfen ist und jedenfalls dann vor der Kündigung eine Abmahnung erforderlich ist, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (vgl. KR-Fischermeier § 626 BGB Rn. 262 mwN).
Welche Anforderungen an das Vertrauensverhältnis und die Treuepflicht des Arbeitnehmers zu stellen sind, hängt nicht zuletzt von seiner Arbeitsaufgabe und seiner Stellung in der betrieblichen Hierarchie ab. An das Vertrauensverhältnis zu einem Unternehmensbereichsleiter sind zwar erhöhte Anforderungen zu stellen. Letztlich richten sich die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe aber gegen die Arbeitsweise des Klägers und rechtfertigen weder für sich genommen noch im Rahmen einer Gesamtschau die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses nach § 626 Abs. 1 BGB an sich. Bei allen mehr oder minder substantiiert behaupteten Pflichtverletzungen handelt es sich um Arbeitsmängel, die selbst bei ihrem Vorliegen nicht so schwer wögen, dass sie die außerordentliche Kündigung ohne eine vorherige Abmahnung rechtfertigten. Die Beklagte hat vor der Abbestellung nicht deutlich gemacht, dass es sich bei den von ihr gerügten Pflichtverletzungen um ein Fehlverhalten handelt, das geeignet ist, den Bestand des Unternehmensbereichsleiterverhältnisses zu gefährden. Der Kläger hatte keine Möglichkeit, auf die Kritik der Beklagten zu reagieren. Anhaltspunkte dafür, dass er dem Vorstand der Beklagten bewusst verschwiegen oder diesen darüber getäuscht hätte, dass die von ihm in Anwesenheit des Vorstands mit der Kassenärztlichen Vereinigung geführte zweite Gesprächsrunde und die Vorbereitung der dritten Gesprächsrunde auf unzutreffenden Haushaltsdaten basierten, sind nicht ersichtlich.
c) Mit der abschließenden Entscheidung des Senats über den Feststellungsantrag ist eine Entscheidung über den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung während des Bestandsschutzverfahrens nicht mehr erforderlich.
3. Die Verfahrensrüge der Revisionsklägerin ist unzulässig. Von einer Begründung wird gem. § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 1916 Nr. 35
DAAAC-15478
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein