Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGB VII § 2; SGB VII § 3; SGB VII § 6; SGB VII § 8 Abs 2 Nr 1; SGB VII § 10
Instanzenzug:
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein vom Kläger erlittener Verkehrsunfall als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.
Der Kläger war bei der Firma N. in N. als Kraftfahrer beschäftigt. Am Montag, den , sollte er mit einem Tanksattelzug Handelsware von K. nach Mouscron in Belgien transportieren. Bereits bei der Auftragsentgegennahme am vorhergehenden Sonnabend hatte er nach seinen Angaben erfahren, dass er nach Ablieferung der Ware nach Holland weiterfahren und dort neue Ware laden sollte; er ging davon aus, dass er diese anschließend nach Italien bringen sollte, was eine Gesamtdauer der Tour von einer Woche bedeutet hätte.
Am Sonntagabend, den , übernahm der Kläger weisungsgemäß den Tanksattelzug, fuhr damit vom Firmensitz nach K. und übernachtete darin vor dem Unternehmen, bei dem er die Ware abholen sollte. Am Montagmorgen bemerkte er, dass er seine ärztlich verordneten Medikamente gegen Bluthochdruck zu Hause vergessen hatte. Nachdem er in K. die Ladung aufgenommen hatte und zur Durchführung einer Reparatur noch einmal zum Betriebsgelände seines Arbeitgebers nach N. zurückgefahren war, nahm er anschließend von dort aus mit dem Tanksattelzug nicht den direkten Weg zu seinem Ziel in Belgien über die Bundesautobahn A 7 nach Süden, sondern fuhr zunächst über die Bundesstraße B 430 nach Westen in Richtung seiner Wohnung in W. , um dort die vergessenen Tabletten zu holen. Dabei kam es ohne Fremdeinwirkung zu einem Verkehrsunfall, bei dem er sich schwere Verletzungen zuzog.
Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte eine Entschädigung ab, weil der Unfall sich nicht bei einer versicherten Tätigkeit ereignet habe (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Das Sozialgericht Itzehoe (SG) hat die Beklagte zur Entschädigungsleistung verurteilt (Urteil vom ). Bei seinem Verkehrsunfall habe der Kläger unter Unfallversicherungsschutz gestanden, weil die Beschaffung der Medikamente betrieblichen Zwecken gedient habe. Ohne die blutdrucksenkenden Arzneimittel hätte er die Fahrt, deren Dauer sich erst am Tag der Arbeitsaufnahme abgezeichnet habe, nicht durchführen können; denn im Falle einer mehrtägigen Unterbrechung der Medikamenteneinnahme hätte die Gefahr einer schweren Entgleisung des Blutdrucks mit nachfolgender Fahruntüchtigkeit bestanden. Ein innerer Zusammenhang des zum Unfall führenden Weges mit der Arbeitstätigkeit könne bei dieser Sachlage nicht verneint werden.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das Holen der zu Hause vergessenen Tabletten stelle sich als Maßnahme zur Erhaltung der Gesundheit dar, die grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen sei. Zwar könne bei unvorhergesehen notwendig werdenden Maßnahmen dieser Art ausnahmsweise das betriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Versicherten gleichwertig neben dessen eigenwirtschaftliches Interesse an seiner Gesunderhaltung treten, jedoch seien solche Umstände hier nicht gegeben. Da der Kläger schon seit längerem an Bluthochdruck leide und entgegen der Annahme des SG bereits vor Arbeitsbeginn von der möglichen Dauer des Transports gewusst habe, sei der Medikamentenbedarf nicht unerwartet aufgetreten und bleibe deshalb dem eigenwirtschaftlichen Bereich zugeordnet. Dass er die Arzneimittel für die ordnungsgemäße Durchführung des Transports zwingend benötigt habe, begründe ebenfalls nicht den erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen dem zum Unfall führenden Abweg und der versicherten betrieblichen Tätigkeit. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), nach der das Holen eines vergessenen, aber zur Verrichtung der versicherten Tätigkeit notwendigen Gegenstandes unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe (Hinweis auf ua BSG SozR 2200 § 550 Nr 25), sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil der Kläger die Medikamente - anders als der Versicherte in der genannten Entscheidung - nicht ausschließlich zur Verrichtung seiner Arbeit benötigt, sondern vorrangig ein eigenes Interesse an seiner Gesunderhaltung verfolgt habe. Daran ändere sich auch nichts, wenn der Abweg von seinem Arbeitgeber toleriert worden sein sollte, was somit offen bleiben könne.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit rechne das BSG zwar grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich des Versicherten zu. Es habe jedoch stets betont, dass es immer auf die Gesamtumstände ankomme, ob Versicherungsschutz bestehe. Im vorliegenden Fall habe die Einnahme der Blutdruckmittel nicht nur mittelbar der Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gedient, sondern er habe damit rechnen müssen, ohne die Medikamente seine Arbeit spätestens nach Ablauf von zwei Tagen nicht mehr fortsetzen zu können. Da er sich die rezeptpflichtigen Mittel nicht unterwegs hätte besorgen können, sei das Beschaffen von daheim das einzig geeignete Mittel zur Verhinderung eines Gesundheitsschadens und zugleich einer nicht auftragsgemäßen Verrichtung seiner Arbeit gewesen. Dass der Medikamentenbedarf vorhersehbar gewesen sei, ändere nichts daran, dass ihm das Vergessen der Tabletten erst kurz vor der Abfahrt bewusst geworden sei und er sie im Interesse der Erhaltung seiner Arbeitskraft habe holen müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat seine Klage zu Recht abgewiesen.
Ungeachtet des Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung, der die Beklagte verpflichtet hatte, "unter Anerkennung des Ereignisses vom als Arbeitsunfall die gesetzlichen Entschädigungsleistungen aus der Unfallversicherung zu erbringen", hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Begehrens keine Leistungs-, sondern eine Feststellungsklage erhoben. Nachdem die Beklagte eine Entschädigung schon dem Grunde nach abgelehnt hatte, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, ging es ihm zunächst nur um die Anerkennung seines Unfalls als Arbeitsunfall, also um die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses, aus dem im weiteren Verlauf gegebenenfalls Leistungsansprüche abgeleitet werden können. Das Begehren, "den Unfall zu entschädigen" oder "die gesetzlichen Leistungen zu erbringen", hat in dieser Situation keine eigenständige Bedeutung, sondern beschreibt nur die rechtlichen Folgerungen, die sich im Falle der beantragten Feststellung ergeben. Eine mit einem solchen Antrag erhobene Leistungsklage wäre unzulässig, weil sie nicht auf konkrete Leistungen, sondern allgemein auf Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten gerichtet ist. Über sie könnte auch nicht durch Grundurteil entschieden werden. Denn die in § 130 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgesehene Möglichkeit zum Erlass eines Grundurteils ist auf Fälle beschränkt, in denen der Kläger eine oder mehrere ihrer Art nach feststehende Geldleistungen begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Nicht die Leistung als solche, sondern nur ihre Höhe kann in diesem Fall vom Gericht offen gelassen und der Berechnung durch den Sozialleistungsträger überlassen werden. Geht es nur um die Frage, ob ein bestimmter Unfall Arbeitsunfall ist sowie um die Feststellung der Entschädigungspflicht dem Grunde nach, steht im Entscheidungszeitpunkt nicht fest, welche der in Frage kommenden Leistungen (Krankenbehandlung, Rehabilitation, Verletztengeld, Verletztenrente ua) im konkreten Fall tatsächlich beansprucht werden können und für welchen Zeitraum sie ggf zu erbringen sind. Auch handelt es sich nur teilweise um Geldleistungen und im Übrigen um Sachleistungen, die einer Zuerkennung durch Grundurteil von vornherein nicht zugänglich sind (wie hier: BSG SozR 1500 § 130 Nr 2; Pawlak in: Hennig, Kommentar zum SGG, Stand 2003, § 130 RdNr 34 ff; anders zum Teil noch BSGE 65, 138, 144 = SozR 2200 § 539 Nr 133 S 399; BSG SozR 3-1500 § 145 Nr 2 S 3).
Das LSG hat die begehrte Feststellung zu Recht abgelehnt und das anders lautende Urteil des SG aufgehoben. Der Verkehrsunfall des Klägers am war kein Arbeitsunfall.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist es danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92 S 258; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 10) ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70 S 197; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84 S 234; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 10). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 S 4 mwN; BSGE 61, 127, 128 = SozR aaO). Innerhalb dieser Wertung stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 2200 § 548 Nr 19). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 4 und Nr 17), so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 2200 § 548 Nr 90 und SozR 3-2200 § 550 Nr 14).
Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil ist der infolge seines Beschäftigungsverhältnisses als Kraftfahrer gegen Arbeitsunfall versicherte Kläger am Steuer des Tanksattelzuges auf der Fahrt in westlicher Richtung vom Firmensitz in N. nach seiner Wohnung in W. auf der B 430 verunglückt, während der direkte Weg zu seinem Ziel in Belgien über die A 7 nach Süden geführt hätte. Zutreffend ist das Berufungsgericht unter Anwendung der obigen Grundsätze davon ausgegangen, dass der zum Unfall führende Weg mit der betrieblichen Tätigkeit nicht in dem erforderlichen inneren Zusammenhang stand.
Allein der Umstand, dass sich der Kläger bei dem Unfall im Führerhaus des Tanklastzuges befand, begründet den inneren Zusammenhang noch nicht. Der Aufenthalt des versicherten Arbeitnehmers auf dem Betriebsgelände oder sogar direkt am Arbeitsplatz reicht für sich genommen zur Annahme des Versicherungsschutzes nicht aus, denn in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht mangels entsprechender gesetzlicher Regelungen außerhalb der See- und Binnenschifffahrt (vgl § 10 SGB VII) kein "Betriebsbann". Versicherungsschutz ist nur dann anzunehmen, wenn die Tätigkeit im Unfallzeitpunkt im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, gleichgültig ob es sich um eine Tätigkeit am Arbeitsplatz, auf dem Betriebsgelände, auf einem sog Betriebsweg oder auf dem Weg von oder zum Ort der Tätigkeit handelt. Es ist in der Regel erforderlich, dass der Versicherte im Unfallzeitpunkt einer versicherten Tätigkeit nachgeht, indem er betriebsdienliche Zwecke verfolgt oder zumindest eine Tätigkeit ausübt, die den Zwecken des Unternehmens zu dienen bestimmt ist (siehe zuletzt BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 38; = SGb 2001, 309). Dies war nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt hier nicht der Fall.
Insbesondere hat der Kläger sich im Unfallzeitpunkt nicht auf dem durch den Transportauftrag vorgegebenen Betriebsweg nach seinem Ziel in Belgien befunden. Da er nicht die direkte Fahrstrecke benutzt hat, könnte etwas anderes nur gelten, wenn für den Umweg betriebliche Gründe maßgebend gewesen wären. Das war jedoch nicht der Fall. Objektive, namentlich verkehrsbedingte Gründe für das Abweichen (siehe dazu = USK 99115 mwN) sind nicht ersichtlich. Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen hat der Kläger entsprechend seinen eigenen Angaben diesen Weg allein zum Holen der zu Hause vergessenen blutdrucksenkenden Medikamente gewählt.
Das Besorgen von Medikamenten zählt zu den Maßnahmen der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 16 mwN). Diese sind wie zahlreiche sonstige Verrichtungen des täglichen Lebens, die gleichzeitig sowohl den eigenwirtschaftlichen Interessen des Versicherten als auch den betrieblichen Interessen des Arbeitgebers dienen können (Beispiele aus der Rechtsprechung: Nahrungsaufnahme; Nahrungsbeschaffung; Ankleiden; Grippeschutzimpfung; Ummelden, Betanken oder Reparatur des für den Arbeitsweg benutzten Kraftfahrzeugs; Schneeräumen in der Garagenausfahrt; vgl die Nachweise in BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 16 sowie Senatsurteil vom - B 2 U 26/03 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich des Versicherten und nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen und stehen daher - solange dies das Gesetz nicht wegen besonderer Erfordernisse des sozialen Schutzes ausdrücklich anordnet - nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 16 mwN), auch wenn sie mittelbar der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis dienen. Das gilt sowohl für den Unfallversicherungsschutz auf Betriebswegen als auch auf Wegen nach oder von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII). Dass die Vorbereitungshandlung in den räumlichen und zeitlichen Bereich der versicherten Tätigkeit verlegt wird, ändert nichts an ihrer Zuordnung zum persönlichen Lebensbereich und kann daher grundsätzlich nicht zur Einbeziehung in den Unfallversicherungsschutz führen.
Allerdings hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit auch bei solchen an sich eigenwirtschaftlichen Verrichtungen einen Versicherungsschutz bejaht, wenn die Gesamtumstände dafür sprachen, das unfallbringende Verhalten dem nach den Regeln der gesetzlichen Unfallversicherung geschützten Bereich zuzurechnen. Dabei hat es sich vorwiegend um Sachverhalte gehandelt, bei denen die betreffende Verrichtung während der Dienstzeit bzw bei der Zurücklegung des Betriebsweges oder des Weges zum oder vom Ort der Tätigkeit unerwartet notwendig geworden war, um weiterhin betriebliche Arbeit verrichten bzw den Weg zurücklegen zu können. So hat das BSG etwa Unfallversicherungsschutz angenommen für das Auftanken eines Kraftfahrzeugs bei unvorhergesehenem Benzinmangel (BSG SozR Nr 63 zu § 543 aF; SozR 2200 § 550 Nr 39; SozR 3-2200 § 548 Nr 23) oder beim Beschaffen von Medikamenten, wenn dies dazu diente, trotz einer während der Dienstzeit oder auf einer Geschäftsreise plötzlich aufgetretenen Gesundheitsstörung die betriebliche Tätigkeit fortsetzen zu können (siehe etwa Senatsurteil vom - 2 RU 113/68 = USK 70105; Senatsurteil vom - 2 RU 97/76 = SozR 2200 § 548 Nr 31; andererseits aber Urteil vom - B 2 U 30/00 R = SozR 3-2200 § 548 Nr 43 S 164) bzw bei unmittelbar vor Dienstantritt aufgetretenen Beschwerden dies erst zu ermöglichen (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 16).
Eine solche Sachlage ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar war der Kläger für die Durchführung des mehrtägigen LKW-Transports auf seine Tabletten angewiesen, weil nach Auskunft seines behandelnden Arztes bei Nichteinnahme nach ca zwei Tagen ein starker Blutdruckanstieg mit der Gefahr eines Schlaganfalls gedroht hätte. Der behandlungsbedürftige Bluthochdruck bestand jedoch schon seit dem Jahr 1997, sodass die Notwendigkeit zur Einnahme der dagegen verordneten Medikamente am Unfalltag nicht unerwartet auftrat. Angesichts dessen hätte der Kläger der nach den bindenden Feststellungen des LSG von der möglicherweise zu erwartenden Dauer der Dienstfahrt von mehr als zwei Tagen bereits vor Arbeitsantritt am Sonntagabend erfahren hatte, die Medikamente ohne weiteres vor diesem Zeitpunkt für die Fahrt beschaffen können. Der Umstand, dass er die Mitnahme der Tabletten vergessen hatte, führt zu keiner anderen Bewertung, weil auch dies nicht der betrieblichen, sondern seiner privaten Sphäre zuzurechnen und so nicht geeignet ist, eine stärkere Betriebsbezogenheit zu bewirken, welche die Annahme eines inneren Zusammenhangs des Weges zum Holen der Medikamente mit der versicherten Tätigkeit rechtfertigen könnte.
Das BSG hat freilich in mehreren Entscheidungen auch Unfallversicherungsschutz für den Weg zum Holen zu Hause vergessener Gegenstände angenommen, so zB bei einem Schlüssel für das Spind mit der Arbeitskleidung (SozR Nr 11 zu § 543 RVO aF), bei einer Brille, ohne die der Versicherte seine Arbeit in der Rechnungsabteilung nicht verrichten konnte (SozR 2200 § 550 Nr 25), bei einer Zahnprothese, auf die der Beschäftigte als Verkäufer angewiesen war (Urteil vom - 2 RU 97/75 = USK 77139) oder bei schriftlichen Betriebsunterlagen, ohne die der Versicherte seiner betrieblichen Tätigkeit in der Bauüberwachung nicht hätte nachgehen können (SozR 3-2700 § 8 Nr 3). In allen Fällen wurde das Vorliegen des notwendigen inneren Zusammenhangs damit begründet, dass der Beweggrund für das Holen der vergessenen Gegenstände, ohne welche die versicherte Tätigkeit überhaupt nicht verrichtet werden konnte, eine so wesentliche Verknüpfung mit der Tätigkeit im Unternehmen bildete, dass daneben ein mit der versicherten Tätigkeit nicht zusammenhängendes Ziel als nachrangig zu bewerten und deshalb als rechtlich unwesentlich auszuscheiden war.
Diese Rechtsprechung ist im Schrifttum kritisiert worden. Ihr wird entgegengehalten, dass die Unverzichtbarkeit einer Verrichtung für die versicherte Arbeitstätigkeit allein gerade noch nicht für den "inneren Zusammenhang" mit dem versicherten Tätigkeitsbereich ausreiche. Der Grund für den zusätzlichen, unfallbringenden Weg sei stets in erster Linie in der Vergesslichkeit des Versicherten, also in dessen persönlicher Sphäre zu suchen und weise deshalb unabhängig von Art und Funktion des vergessenen Gegenstandes keinen hinreichenden betrieblichen Bezug auf (vgl etwa Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2 - Unfallversicherungsrecht, 1996, § 30 RdNr 43). Der aktuelle Fall gibt keine Veranlassung, sich mit diesen Einwänden auseinanderzusetzen und zu untersuchen, inwieweit sie sich durch die Neubewertung, die der Senat zuletzt (Urteil vom - B 2 U 26/03 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) in Bezug auf die Rechtsprechung zum Versicherungsschutz bei so genannten Vorbereitungshandlungen vorgenommen hat, nicht ohnehin erledigt haben. Denn der hier gegebene Sachverhalt begründete bereits nach den bisher angewandten Maßstäben keinen Versicherungsschutz, wie das LSG zutreffend dargelegt hat.
In den genannten Fällen benötigten die Versicherten den vergessenen Gegenstand zwingend und unmittelbar für die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, während sie ihn in ihrer persönlichen Sphäre vorübergehend (Brille, Zahnprothese) oder völlig (Spindschlüssel, Betriebsunterlagen) entbehren konnten, ohne Nachteile zu erleiden. Der Kläger dagegen war auf die Medikamente notwendigerweise in erster Linie persönlich angewiesen, da er ohne sie Gefahr lief, zumindest einen schweren Gesundheitsschaden zu erleiden. Dass das LSG angesichts dieses Umstandes davon ausging, dass der Kläger mit dem Holen der vergessenen Medikamente vorrangig gerade kein betriebliches, sondern das persönliche Interesse an seiner Gesunderhaltung verfolgte und so der innere Zusammenhang fehlte, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Annahme eines inneren Zusammenhangs bei einer solchen weniger betrieblich bedingten Motivation als bei den genannten Entscheidungen wäre angesichts des Überwiegens des Eigeninteresses nicht mehr mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung - ua Entschädigung bei Arbeitsunfällen - zu vereinbaren. Das gilt auch für den - vom LSG offen gelassenen - Fall, dass der Arbeitgeber die Fahrt des Klägers zum Holen der vergessenen Medikamente "toleriert" hätte. Auch dann hätte das persönliche Interesse des Klägers an seiner Gesunderhaltung im Vordergrund gestanden und hätte es sich nicht um den angeordneten direkten Weg gehandelt, sodass weiterhin ein innerer Zusammenhang nicht gegeben gewesen wäre.
Auch aus dem Gesichtspunkt des Mitwirkens einer gefährlichen Betriebseinrichtung (hier des Tanksattelzugs) lässt sich im vorliegenden Fall kein Versicherungsschutz herleiten. Ein mit einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit befasster Versicherter ist bei einem durch eine Betriebsgefahr herbeigeführten Unfall nur dann geschützt, wenn diese Gefahr auf ihn im räumlich-zeitlichen Bereich seines Arbeitsplatzes einwirkt, ohne dass diese private Verrichtung wesentlich zur Bedrohung durch die zum Unfall führende Betriebsgefahr beigetragen hatte (vgl BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 22 mwN; Senatsurteil vom - B 2 U 7/99 R = HVBG-Info 2000, 1846). Für eine solche besondere Betriebsgefahr wie etwa das Vorliegen technischer Mängel finden sich hier auf der Grundlage der berufungsgerichtlichen Feststellungen keine Anhaltspunkte; sie sind auch weder dem Unfallbericht der Polizei noch dem Vortrag des Klägers zu entnehmen.
Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
QAAAC-15225