Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGG § 163
Instanzenzug:
Gründe
I
Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft (BG) die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund der bei ihr anzuerkennenden Berufskrankheiten (BKen) Nr 4301 und Nr 4302 - obstruktive Atemwegserkrankungen - nach der Anlage der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie die Entfernung von ärztlichen Stellungnahmen aus deren Akten.
Die im Jahre 1941 geborene Klägerin war vom Jahre 1986 bis Anfang des Jahres 1992 in einer neu eröffneten Kantine eines Mitgliedsunternehmens der Beklagten als Serviererin beschäftigt. Seit Anfang Juni 1992 bezieht sie Erwerbsunfähigkeitsrente. Nachdem im Jahre 1991 mehrere Mitarbeiter der Kantine gesundheitliche Beschwerden, insbesondere Kopfschmerzen und Augenbrennen, geäußert hatten, wurden Messungen durchgeführt und beim Öffnen der Einbauschränke der Kantine Formaldehydwerte von über 2 ppm (parts per million) festgestellt. Nach Austausch der Holzeinbauten lagen die Werte bei erneuten Messungen Anfang des Jahres 1992 unterhalb der Nachweisgrenze von < 0,1 ppm Formaldehyd, in geschlossenen Schränken wurde eine Restkonzentration von ca 0,5 ppm festgestellt.
Nach einem Schreiben der Klägerin und einer Anzeige über eine BK seitens ihres Hausarztes, der die bei der Klägerin bestehende Belastungsdispnoe und deren Gelenkbeschwerden auf eine Formaldehydintoxikation zurückführte, zog die Beklagte weitere ärztliche Unterlagen sowie ein Gutachten von Prof. O. bei. Die Gewährung von Entschädigungsleistungen lehnte sie ab. Eine BK Nr 4301 oder Nr 4302 liege bei der Klägerin nicht vor, da ein relevanter krankhafter Befund der Lunge nicht erhoben worden sei (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ).
In dem anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Köln hat die Klägerin zahlreiche ärztliche Unterlagen - auch über weitere Erkrankungen - vorgelegt. Das SG hat eine Stellungnahme von Prof. O. und ein Gutachten des Toxikologen Prof. W. mit ergänzender Stellungnahme eingeholt, der eine obstruktive Atemwegserkrankung und die Voraussetzungen der BK Nr 4302, möglicherweise auch die der BK Nr 4301 bejahte. Die Beklagte ist diesem Gutachten und der Stellungnahme unter Vorlage von Stellungnahmen von Dr. P. vom und entgegengetreten. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Im Berufungsverfahren hat die Klägerin weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt und das Landessozialgericht (LSG) hat weitere ärztliche Unterlagen sowie ein Gutachten gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bei Prof. B. beigezogen, der das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BKen Nr 4301 und Nr 4302 bei der Klägerin verneinte. Einen Befangenheitsantrag der Klägerin gegen Prof. B. hat das LSG zurückgewiesen (Beschluss vom ). Das LSG hat auch die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom ) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
1. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen, insbesondere eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, weil bei ihr die BKen Nr 4301 und Nr 4302 nicht anzuerkennen seien. Eine obstruktive Atemwegserkrankung sei bei der Klägerin nicht gesichert, wie sich aus dem Gutachten von Prof. B. in Übereinstimmung mit dem von Prof. O. ergebe. Veranlassung zu weiteren Ermittlungen gebe es nicht. Insbesondere sei Prof. B. nicht zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden gewesen, weil die von der Klägerin formulierten Fragen bezüglich der allein entscheidungserheblichen BKen Nr 4301 und Nr 4302 ohne Bedeutung gewesen seien.
2. Hinsichtlich der im Wege der Klageänderung geltend gemachten Entfernung der Stellungnahmen von Dr. P. aus der Verwaltungsakte der Beklagten sei die erst im Berufungsverfahren erhobene Leistungsklage unbegründet. Ein entsprechender Löschungsanspruch ergebe sich nicht aus § 84 Abs 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X), denn die Beklagte habe bei der Übermittlung der Daten der Klägerin an Dr. P. weder gegen §§ 199, 200 Abs 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) noch gegen §§ 69, 76 SGB X verstoßen.
Mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision macht die Klägerin ua geltend: Das LSG habe seine Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG hinsichtlich des Vorliegens einer obstruktiven Atemwegserkrankung verletzt, da das Gutachten von Prof. B. nicht verwertbar sei und das von Prof. O. keine tragfähige Entscheidungsgrundlage darstelle. Zumindest habe das LSG entsprechend ihrem Antrag Prof. B. zur Erläuterung seines Gutachtens im Hinblick auf die von ihr vorgelegte Stellungnahme von Dr. M. vom zu dessen Gutachten laden müssen. Die Klage auf Entfernung der gutachtlichen Stellungnahmen von Dr. P. aus den Akten der Beklagten sei begründet. Denn die Stellungnahmen seien unter Verstoß gegen § 200 Abs 2 SGB VII zu Stande gekommen und die Übermittlung ihrer Sozialdaten an Dr. P. sei ein Verstoß gegen § 76 Abs 1 SGB X. Sie habe daher gegen die Beklagte gemäß § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X einen Anspruch auf Löschung, jedenfalls auf Sperrung der Stellungnahmen von Dr. P. .
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom und des Sozialgerichts Köln vom zu ändern und
1.
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom zu verurteilen, ihr wegen einer Berufskrankheit nach Nr 4301 und (oder) Nr 4302 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 vH ab zu gewähren, sowie
2.
die Beklagte zu verurteilen, die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. P. vom und in den Akten zu löschen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG wegen der Gewährung einer Verletztenrente zurückgewiesen. Denn bei der Klägerin sind die BKen Nr 4301 und Nr 4302 der Anlage 1 der BKV nicht anzuerkennen (1.). Hinsichtlich der von ihr beantragten Verurteilung der Beklagten zur Löschung der beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. P. ist die Klage als unzulässig abzuweisen (2.).
1. Die ursprünglichen Rechtsgrundlagen für die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund der BKen Nr 4301 und Nr 4302 zu Beginn des Feststellungsverfahrens der Beklagten im Jahr 1992 waren noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm der Siebten Berufskrankheitenverordnung (7. BKVO) vom (BGBl I 721) idF der Änderungsverordnung vom (BGBl I 400). Durch die zwischenzeitliche Ablösung des Dritten Buchs der RVO durch das SGB VII sowie der 7. BKVO durch die BKV vom (BGBl I 2623) idF der BKV-Änderungsverordnung vom (BGBl I 3541) haben sich die hier erheblichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente und die Anerkennung der umstrittenen BKen Nr 4301 und Nr 4302 nicht geändert. Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente ist ua das Vorliegen eines Versicherungsfalles, also eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit (früher § 581 Abs 1 RVO, heute § 56 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 SGB VII). Ein solcher Versicherungsfall ist bei der Klägerin jedoch nicht festzustellen.
Die BK Nr 4301 lautet seit dem Jahre 1988 bis heute: "Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Die BK Nr 4302 lautet in dieser Zeit: "Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Die Anerkennung beider BKen scheitert vorliegend schon daran, dass die Klägerin nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht an einer obstruktiven Atemwegserkrankung iS dieser BKen leidet.
Die Krankheit "obstruktive Atemwegserkrankung" ist ein Sammelbegriff für verschiedene akute und chronische Krankheiten des bronchopulmonalen Systems, die mit obstruktiven Ventilationsstörungen einhergehen. Fehlt es an der Obstruktion, liegen die Voraussetzungen nicht vor, weil der Verordnungsgeber mit diesen BKen nur Erkrankungen mit einem bestimmten Schweregrad erfassen wollte, wie sich aus ihrer ursprünglichen Bezeichnung "Bronchialasthma" (vgl die Nr 41 der Sechsten BKVO vom , BGBl I 505) und der weiteren Voraussetzung des Unterlassungszwangs ergibt. Die unspezifische bronchiale Hyperirritabilität bzw Hyperreagibilität, die eine Variante der normalen Eigenschaft der Bronchialschleimhaut sind und eine Übersteigerung der Auslösbarkeit des Bronchialsystems darstellen, können die Lunge ebenfalls beeinträchtigen. Sie sind kein selbstständiges Krankheitsbild und fallen unter die Diagnose obstruktive Atemwegserkrankung (vgl BR-Drucks 115/61, Begründung S 7 zu Nr 41; BR-Drucks 563/76, Begründung S 4 zur 7. BKVO; Merkblätter für die ärztliche Untersuchung zu Nr 4301 und 4302, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom , BABl 1979 Heft 7-8, S 74 ff; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl 2003, S 1115 f; Reichenhaller Merkblatt, hrsg v Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, 2005, S 6).
Dass die Klägerin an einer derartigen obstruktiven Atemwegserkrankung leidet, hat das LSG unter Hinweis auf die Gutachten von Prof. B. und Prof. O. verneint. Es hat ausgeführt, dass sich aus den gegenteiligen Aussagen der die Klägerin behandelnden Ärzte Dr. S. und Dr. M. nichts anderes ergäbe, weil diese nicht durch entsprechende pathologische Lungenbefunde belegt seien, während vor allem das Gutachten von Prof. B. auf einer eingehenden klinischen und lungenfunktionsanalytischen Untersuchung der Klägerin beruhe. Auf die umstrittenen Stellungnahmen von Dr. P. haben das LSG und das von ihm seiner Entscheidung zugrunde gelegte Gutachten von Prof. B. ihre Verneinung einer obstruktiven Atemwegserkrankung iS der BKen Nr 4301 und Nr 4302 bei der Klägerin nicht gestützt.
Soweit die Klägerin sich gegen die Verwertung des Gutachtens von Prof. B. mit dem Argument wehrt, ihr schon im Berufungsverfahren gestellter Befangenheitsantrag gegen diesen sei begründet gewesen und vom LSG zu Unrecht abgewiesen worden, kann sie damit im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Denn der mit dem das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen wurde, ist unanfechtbar (§ 177 SGG) und darf vom Bundessozialgericht (BSG) nicht im Rahmen des Revisionsverfahrens nachgeprüft werden (§ 202 SGG iVm § 557 Abs 2 der Zivilprozessordnung <ZPO>; stRspr BSG SozR Nr 1 zu § 42 ZPO; BSGE 84, 281 = SozR 3-2200 § 605 Nr 1). Aus § 574 ZPO in der Fassung des ZPO-Reformgesetzes vom (BGBl I 1887), der in bestimmten Fällen dem Berufungsgericht ermöglicht, eine Rechtsbeschwerde zuzulassen, folgt entgegen der Auffassung der Klägerin (unter Hinweis auf Greger in Zöller, ZPO, 25. Aufl 2005, § 406 RdNr 14a) nichts anderes. Ob § 574 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren überhaupt anwendbar ist (verneinend für das verwaltungsgerichtliche Verfahren: Albers, in Baumbach ua, ZPO, 64. Aufl 2006, Übers § 574 RdNr 5), kann dahingestellt bleiben. Denn der Beschluss des LSG über die Ablehnung der Befangenheit von Prof. B. ist von der Klägerin nicht angefochten worden und damit für das Revisionsgericht nach § 557 Abs 2 ZPO bindend.
Das LSG musste Prof. B. entgegen dem Antrag der Klägerin nicht zur Erläuterung seines Gutachtens laden. Eine solche Ladung war weder aus materiellrechtlicher noch aus verfahrens- oder verfassungsrechtlicher Sicht geboten. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, sind die von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehenen weiteren Gesundheitsstörungen zB auf neurologischem Fachgebiet im Hinblick auf die in diesem Verfahren allein umstrittene Anerkennung vom Atemwegserkrankungen nicht entscheidungserheblich. Auch aufgrund der Stellungnahme von Dr. M. vom war keine Ladung des Sachverständigen erforderlich, weil Dr. M. sich in der Stellungnahme nicht mit dem Gutachten von Prof. B. auseinander setzte und keine fassbaren Ergebnisse einer abweichenden Lungenfunktionsprüfung mitteilte. Er führte vielmehr nur aus, dass bei seiner Untersuchung "wie häufig in der Vergangenheit" ein intensiver, trockener Reizhusten bestanden habe, eine Hyperreagibilität der Atemwege aber nicht nachgewiesen werden konnte.
Auch wenn das Recht auf ergänzende Befragung eines Sachverständigen (§ 202 SGG iVm § 411 Abs 3, 4 ZPO) als Ausdruck des rechtlichen Gehörs der Beteiligten (Art 103 des Grundgesetzes <GG>, § 62 SGG) anzusehen ist (BVerfG Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats vom - 1 BvR 909/94 -, NJW 1998, 2273; Beschluss des Senats vom - B 2 U 5/05 B), folgt daraus nichts anderes. Denn die Klägerin hat keine konkreten Fragen an den Sachverständigen Prof. B. formuliert und auch sonst gegenüber dem LSG nicht aufgezeigt, inwiefern sie bei seinem Gutachten Erläuterungsbedarf hinsichtlich entscheidungserheblicher Punkte sieht. Dass die Klägerin genügend Zeit hatte, sich mit dem Gutachten von Prof. B. zu beschäftigen, folgt aus dem Verfahrensablauf; auch ist das LSG auf ihren entsprechenden Vortrag in seinem Urteil eingegangen.
Soweit die Klägerin Einwände gegen das Gutachten von Prof. O. erhebt, sind diese nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Denn dieses Gutachten diente dem LSG nur als ergänzende Stütze des aufgrund des Gutachtens von Prof. B. gefundenen Ergebnisses. Im Übrigen würde aus einer möglichen Verfälschung der Ergebnisse der Untersuchungen von Prof. O. aufgrund der vorherigen Medikamenteneinnahme der Klägerin nur folgen, dass aus den Ergebnissen dieses Gutachtens nichts abgeleitet werden kann, nicht aber dass bei der Klägerin eine obstruktive Atemwegserkrankung vorliegt.
Auf die weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK Nr 4301 oder Nr 4302 und die gegen die betreffenden Feststellungen des LSG erhobenen Rügen der Klägerin kommt es nicht an, weil die Anerkennung einer dieser BKen ausscheidet, wenn keine obstruktive Atemwegserkrankung festzustellen ist.
2. Hinsichtlich der von der Klägerin beantragten Verurteilung der Beklagten zur Löschung der beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. P. vom und aus deren Akte ist die Klage als unzulässig abzuweisen.
Die Zulässigkeit der Klage ist als Prozessvoraussetzung auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Bei einer zulässigen Revision ist, ehe über die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen des streitigen Anspruchs entschieden wird, zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, von denen die Rechtswirksamkeit des Verfahrens als Ganzes abhängt. Insbesondere sind solche Mängel zu berücksichtigen, die sich aus dem Fehlen unverzichtbarer Prozessvoraussetzungen ergeben, gleichgültig ob der Mangel nur das Revisionsverfahren oder schon das Klage- und Berufungsverfahren betrifft, da andernfalls das Revisionsverfahren einer entscheidenden Grundlage entbehrt (stRspr: BSGE 2, 225 ff; BSG SozR 1500 § 150 Nr 18; -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Als Rechtsgrundlage kommt für den geltend gemachten Anspruch, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat und wovon die Beteiligten auch ausgegangen sind, § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X in Betracht, nach dessen klarem Wortlaut Sozialdaten zu löschen sind, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Das LSG hat diesen erst im Laufe des Berufungsverfahren erhobenen Anspruch als Klageänderung und zulässige Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG angesehen.
Nach § 54 Abs 5 SGG kann mit der Klage eine Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Innerhalb des Klagesystems des SGG, das im Verhältnis zwischen Bürger und öffentlich-rechtlichem Leistungsträger vom Verwaltungsakt als typischem Regelungsinstrument nach dem SGB X und der darauf aufbauenden Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ausgeht (§ 54 Abs 1, 2 SGG), ist die isolierte oder echte Leistungsklage des Bürgers gegen den öffentlich-rechtlichen Leistungsträger die Ausnahme (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl 2005, IV RdNr 1 f, 62, 65 f; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 54 RdNr 1 ff, 41). Sie kommt in Betracht, wenn kein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht oder ein konkretes Verhalten, zB eine Auskunft oder eine Beratung des Leistungsträgers, begehrt wird. Sie scheidet schon vom Wortlaut her aus, wenn ein Verwaltungsakt zu ergehen hat, weil eine Regelung mit Außenwirkung zu treffen ist (vgl die Legaldefinition des Verwaltungsaktes in § 31 Satz 1 SGB X; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl 2005, § 31 RdNr 24, 52 ff; Kummer, Das sozialgerichtliche Verfahren, 2. Aufl 2003, IV RdNr 27).
Die Voraussetzungen für eine echte Leistungsklage sind vorliegend nicht erfüllt. Die von der Klägerin beantragte Löschung von Sozialdaten nach § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X erfordert zunächst eine Entscheidung und damit Regelung der Beklagten, ob die Voraussetzungen für diese Löschung erfüllt sind. Dabei muss die Beklagte prüfen, ob der begehrten Löschung bestimmte Aufbewahrungsfristen oder schutzwürdige Interessen entgegenstehen und ob ggf nur eine Sperrung zu erfolgen hat (vgl § 84 Abs 3 SGB X). Des Weiteren sind von einer Löschung oder Sperrung ggf die Stellen zu verständigen, denen diese Daten weitergegeben worden sind (§ 84 Abs 5 SGB X). Diese Entscheidung und Regelung der Beklagten kann mit Außenwirkung nur durch einen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X erfolgen und die hiergegen ggf zu erhebende Klage ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs 1, 2 SGG, deren Voraussetzungen vorliegend ebenfalls mangels Verwaltungsakt nicht gegeben sind.
Inwieweit neben § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X andere Rechtsgrundlagen für einen Löschungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Betracht kommen (zB § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches analog, ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch; vgl ), kann dahingestellt bleiben, weil diese die öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten mit dem Überunterordnungsverhältnis sowie dem Bedürfnis nach einer Regelung dem Grunde nach durch Verwaltungsakt nicht zu verändern vermögen. Inwieweit für diese Rechtsinstrumente vorliegend überhaupt noch Raum neben § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X ist, kann daher ebenfalls dahingestellt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
GAAAC-15182