Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGB III § 150
Instanzenzug:
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist noch im Streit, ob der Klägerin für den Zeitraum vom bis Teilarbeitslosengeld (Teil-Alg) samt Zinsen in Höhe von 4 % ab dem zusteht.
Die 1954 geborene Klägerin war seit dem beim Amtsgericht (AG) W. als Justizangestellte beschäftigt. Die Beschäftigung erfolgte in wechselnden Vertretungsfällen (Mutterschaftsurlaub, Erziehungsurlaub). Dabei war die Klägerin jeweils mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,25 Stunden für zwei andere Arbeitnehmerinnen tätig. Eine dieser Vertretungen endete mit Ablauf des . Am übernahm die Klägerin bis neben der noch fortbestehenden Vertretung wieder eine weitere mit einer Arbeitszeit von 19,25 Stunden wöchentlich.
Am hatte sich die Klägerin teilarbeitslos gemeldet und die Gewährung von Teil-Alg beantragt. Die Beklagte lehnte dies ab (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin Teil-Alg ab dem für sechs Monate zu gewähren (Urteil vom ). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit sie Teil-Alg für die Zeit ab betraf, im Übrigen jedoch die Berufung zurückgewiesen und die Beklagte auf entsprechenden Antrag der Klägerin verurteilt, das der Klägerin für die Zeit vom bis nachzuzahlende Teil-Alg ab mit 4 % zu verzinsen (Urteil vom ). In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten darüber hinaus einen Teilvergleich dahin geschlossen, dass sich die Beklagte verpflichtete, über Teil-Alg für die Zeit ab dem nach Maßgabe der rechtskräftigen Entscheidung im vorliegenden Verfahren zu entscheiden. In seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Berufung sei begründet, soweit das SG die Beklagte zur Gewährung von Teil-Alg über den verurteilt habe, weil die Klägerin ab eine zweite Teilzeitbeschäftigung aufgenommen habe. Im Übrigen sei die Berufung jedoch unbegründet, weil die Klägerin für den Zeitraum vom bis alle Voraussetzungen für den Anspruch auf Teil-Alg erfülle. Insbesondere habe sie in der für das Teil-Alg maßgeblichen Rahmenfrist von zwei Jahren mindestens zwölf Monate in zwei versicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigungen gestanden. Der Umstand, dass die Klägerin beide Teilzeitbeschäftigungen bei demselben Arbeitgeber (Land Rheinland-Pfalz) ausgeübt habe, ändere hieran nichts, weil eine Abgrenzung in zeitlicher und sachlicher Hinsicht nach den daraus erzielten Einkünften möglich gewesen sei. Die Klägerin habe zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Arbeitnehmerinnen in ihren jeweiligen Aufgabengebieten vertreten.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 150 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III). Sie ist der Ansicht, die Ausübung zweier Teilzeitbeschäftigungen bei demselben Arbeitgeber reiche nicht aus, um bei Aufgabe einer dieser Beschäftigungen einen Anspruch auf Teil-Alg begründen zu können. Wenn der Gesetzgeber den Fall der Reduzierung der Arbeitszeit ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgegrenzt habe, sich aber zur Frage der Ausübung mehrerer Teilzeitbeschäftigungen bei demselben Arbeitgeber nicht geäußert habe, dann rechtfertige dies den Schluss, dass mehrere Beschäftigungen bei einem Arbeitgeber versicherungsrechtlich eine Einheit darstellten. Bei einem anderen Verständnis des § 150 SGB III würden Manipulationsmöglichkeiten eröffnet. Nach den vom LSG angestellten Kriterien lasse sich nämlich im Rahmen einer üblichen Kostenstellenberechnung jede differenzierbare Beschäftigung in unterschiedliche Arbeitsverhältnisse aufteilen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG und das Urteil des SG - soweit dieses nicht bereits durch das Urteil des LSG aufgehoben worden ist - aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
II
Die Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Das Urteil des LSG und das des SG verstoßen gegen § 150 SGB III (idF, die die Vorschrift durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom - BGBl I 594 - erhalten hat). Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Teil-Alg für den streitigen Zeitraum zu Recht wegen fehlender Teilarbeitslosigkeit abgelehnt.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom nur noch insoweit, als er einen Anspruch der Klägerin auf Teil-Alg für die Zeit vom bis betrifft. Lediglich für diesen Zeitraum hat das LSG die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Teil-Alg durch das SG bestätigt; nur hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Soweit die Klage auf Gewährung von Teil-Alg für den über den hinausgehenden Zeitraum abgewiesen worden ist, ist das Urteil des SG rechtskräftig. Im Streit ist außerdem, ob die Beklagte, wie von der Klägerin erst im Berufungsverfahren im Wege der Anschlussberufung beantragt, einen Anspruch auf Zinsen gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - hat.
Zu Unrecht hat das LSG entschieden, dass der Klägerin für den Zeitraum vom bis ein Anspruch auf Teil-Alg zusteht. Deshalb besteht auch kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen. Nach § 150 Abs 1 SGB III hat Anspruch auf Teil-Alg ein Arbeitnehmer, der teilarbeitslos ist, sich teilarbeitslos gemeldet hat und die Anwartschaftszeit für Teil-Alg erfüllt hat. Teilarbeitslos ist, wer eine versicherungspflichtige Beschäftigung verloren hat, die er neben einer weiteren versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübt hat, und eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht (§ 150 Abs 1 Nr 1 SGB III iVm § 150 Abs 2 Nr 1 SGB III). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat die Klägerin mit Ablauf des keine versicherungspflichtige Beschäftigung verloren, die sie "neben einer weiteren" versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübt hat. Vielmehr wurde mit Ablauf der bis einschließlich befristeten arbeitsrechtlichen Vereinbarung lediglich die Arbeitszeit reduziert. Dies vermag einen Anspruch auf Teil-Alg nicht zu begründen.
Dass die bloße Verminderung der Arbeitszeit nicht anspruchsbegründend für einen Anspruch auf Teil-Alg ist, ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 150 Abs 2 Nr 1 SGB III, sondern auch aus der Gesetzesbegründung. Denn der Gesetzgeber hat den Fall der Verminderung der Arbeitszeit in einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen (vgl BT-Drucks 13/4941, S 181 zu § 151 Abs 2 Nr 1). Dass die Klägerin außerdem die Anwartschaftszeit für Teil-Alg nicht erfüllt hat (§ 150 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 Nr 2 SGB III), ist damit nicht entscheidungserheblich.
Der Annahme einer Verminderung der Arbeitszeit steht nicht entgegen, dass die Klägerin von Beginn an nur einzelne Teilzeitarbeitsverträge unterschrieben hatte; auf die formale Ausgestaltung kommt es insoweit nicht entscheidend an. Andererseits kann eine bloße Verminderung der Arbeitszeit nicht allein deshalb bejaht werden, weil die Klägerin nur bei einem Arbeitgeber beschäftigt war. Hierzu hat der Senat bereits entschieden, es könne - entgegen der Begründung im angefochtenen Bescheid und der Revisionsbegründung - nicht von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass bei einem Arbeitgeber immer nur ein Beschäftigungsverhältnis bestehen kann (BSGE 88, 180, 186 = SozR 3-4300 § 150 Nr 1). Zwar ist der Wortlaut von § 150 Abs 2 Nr 1 SGB III unergiebig; jedoch kann zum einen der Gesetzesbegründung entnommen werden, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit mehrerer Beschäftigungsverhältnisse bei nur einem Arbeitgeber gedanklich vorausgesetzt hat. Zum anderen entspricht die Möglichkeit, dass der Verlust einer von mehreren Teilzeitbeschäftigungen bei einem Arbeitgeber anspruchsbegründend sein kann, auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn das Teil-Alg sollte eine Lücke im System der Arbeitslosenversicherung schließen, die darin bestand, dass bis zum Inkrafttreten des SGB III (am ) der Verlust einer von zwei versicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigungen überhaupt nicht geschützt war. Ein solcher, nunmehr im Grundsatz anerkannter Schutzbedarf besteht aber unabhängig davon, bei wem die unterschiedlichen Teilzeitbeschäftigungen begründet worden sind (Bieback, SGb 2002, 454). Ob es sich bei Tätigkeiten, die für denselben Arbeitgeber ausgeübt worden sind, um mehrere Beschäftigungsverhältnisse iS des § 150 Abs 2 Nr 1 SGB III gehandelt hat oder ob lediglich ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis zu Grunde lag, ist deshalb im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände konkret zu ermitteln.
Im Rahmen der hierbei vorzunehmenden Abgrenzung kommt der formalen arbeitsvertraglichen Ausgestaltung lediglich eine Indizfunktion zu (angedeutet in BSGE 88, 180, 187 = SozR 3-4300 § 150 Nr 1). Weder schließt also das Vorhandensein nur eines schriftlichen Arbeitsvertrags mit demselben Arbeitgeber aus, dass zwei Beschäftigungsverhältnisse vorliegen, noch vermag die formale arbeitsvertragliche Aufspaltung eines letztlich einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses zwei Teilzeitbeschäftigungen iS des § 150 SGB III zu begründen. Entscheidend ist vielmehr, ob in der Sache (dazu später) mindestens zwei Teilzeitvereinbarungen vorliegen (§§ 117, 133 Bürgerliches Gesetzbuch).
Derartige Teilzeitvereinbarungen setzen zunächst abgrenzbare Absprachen der Vertragsparteien über den Umfang (Stundenzahl) der jeweiligen Teilzeittätigkeit voraus. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die vorzunehmende Differenzierung ist dann aber, ob der Arbeitnehmer in mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gestanden hat. Kernbestand eines Beschäftigungsverhältnisses ist eine Beziehung, die die Leistung von Arbeit unter persönlicher Abhängigkeit einer Person von einer anderen zum Inhalt hat (BSGE 73, 90, 93 f = SozR 3-4100 § 101 Nr 4; BSGE 82, 118, 121 = SozR 3-4100 § 101 Nr 8). Jede Beschäftigung setzt - ob im beitragsrechtlichen oder leistungsrechtlichen Sinn - nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) voraus, dass der Arbeitnehmer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, also in einen Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4; BSGE 70, 81, 82 = SozR 3-4100 § 104 Nr 8; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 11; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 20). Allerdings ist bei einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst ggf statt auf den Betrieb auf die Dienststelle abzustellen (vgl dazu: BAG AP Nr 18 zu § 1 Kündigungsschutzgesetz, Bl 43 Rücks; Etzel in Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 6. Aufl 2002, § 1 RdNr 137). Zur Bestimmung des Begriffs der Dienststelle kann - auch im Rahmen der hier vorzunehmenden Bewertung - auf § 6 Bundespersonalvertretungsgesetz zurückgegriffen werden; danach sind Dienststellen die einzelnen Behörden, Verwaltungsstellen und Betriebe (in den Verwaltungen des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie in den Gerichten des Bundes) sowie die Gerichte selbst.
Diese in erster Linie für die Abgrenzung der (abhängigen) Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit maßgeblichen Kriterien eignen sich auch zur Beurteilung der Frage, ob ein Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber nur in einem Beschäftigungsverhältnis oder in mehreren Beschäftigungsverhältnissen gestanden hat. Denn ist ein Arbeitnehmer in unterschiedliche Betriebe/Dienststellen eingegliedert - wobei der Begriff des Betriebs/der Dienststelle weit zu verstehen ist als organisatorische Einheit, in der bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt werden (vgl nur Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl 2002, § 18 RdNr 1 und Estelmann in Hennig, SGB III, § 171 RdNr 25 ff, Stand Oktober 2000, mwN zur Rechtsprechung des BSG) -, liegen im Falle einer abgrenzbaren Teilzeitvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mehrere Beschäftigungsverhältnisse vor, auch wenn der Arbeitgeber identisch ist. Daneben ist allerdings die Annahme von Teilarbeitslosigkeit auch denkbar, wenn der Arbeitnehmer in mehreren Betriebsabteilungen bzw selbstständigen Teilen einer Dienststelle beschäftigt war, also in einem Betriebsteil bzw Dienststellenteil, der personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb/von der Gesamtdienststelle abgegrenzt sowie mit eigenen technischen Betriebsmitteln ausgestattet ist (vgl zu dieser Abgrenzung im Rahmen des Kurzarbeitergeldes Estelmann in Hennig, § 171 RdNr 27 und 40 ff, Stand Oktober 2000). Auch dann ist eine hinreichende Abgrenzbarkeit im Verhältnis zur bloßen Verminderung der Arbeitszeit gewährleistet. Denkbar ist die Annahme einer eigenständigen Betriebsabteilung/eines Teils einer Dienststelle sowohl unter räumlichen als auch qualitativen Gesichtspunkten. Liegen Betriebsstätten/Teile von Dienststellen in größerer Entfernung voneinander getrennt, dürfte regelmäßig - bei entsprechender Teilzeitvereinbarung - die Annahme mehrerer Beschäftigungsverhältnisse gerechtfertigt sein (vgl zu den Voraussetzungen einer Betriebsabteilung Estelmann in Hennig, § 171 RdNr 40 mwN, Stand Oktober 2000). Das Gleiche kann angenommen werden bei unterschiedlichen Arbeitsvorgängen bzw Aufgabenbereichen unter jeweils einer eigenständigen technischen Leitung (vgl Estelmann aaO, § 171 RdNr 41), etwa bei einer Beschäftigung als Reinigungskraft und als Sekretärin.
Unter Berücksichtigung dieser Beurteilungsmaßstäbe hat die Klägerin nur in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Denn sie war ausnahmslos als Justizangestellte beim AG W. tätig. Weder war sie in unterschiedliche Betriebe/Dienststellen eingegliedert, noch hat sie an örtlich voneinander getrennten Betriebsteilen/Dienststellenteilen gearbeitet bzw wesensverschiedene Tätigkeiten mit unterschiedlichen Weisungsabhängigkeiten ausgeführt. Dass von der Klägerin wechselnde Vertretungsfälle wahrgenommen wurden, ist alleine nicht geeignet, das Vorliegen voneinander zu trennender Beschäftigungsverhältnisse zu begründen. Trotz der Vertretung unterschiedlicher Arbeitnehmerinnen zu unterschiedlichen Zeiten stand die Klägerin also in einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnis, dessen wöchentliche Arbeitszeit sich mit Ablauf des von 38,5 Stunden auf 19,25 Stunden reduziert hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG aF; § 197a SGG in der seit geltenden Fassung ist schon deshalb nicht anwendbar, weil die Rechtshängigkeit bereits vor diesem Zeitpunkt eingetreten ist (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff). Im Übrigen zählt die Klägerin zu den in § 183 SGG nF genannten Personen, sodass § 197a SGG ohnedies keine Anwendung finden würde.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
XAAAC-14203