BSG Urteil v. - B 6 KA 55/03 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art 3; GG Art 12; GG Art 19 Abs 4; SGB V § 87 Abs 2; SGB V § 87 Abs 2a; SGB V § 87 Abs 2b

Instanzenzug:

Gründe

I

Die Beteiligten streiten um die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen im Zusammenhang mit Laboruntersuchungen.

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er betreute in den streitigen Quartalen III/1999, IV/1999 und I/2000 jeweils etwa 240 Borreliose-Patienten. Die KÄV Nordbaden, die zum in der Beklagten aufgegangen ist, erkannte ihm die Zusatzbudgets Psychosomatik und Sonografie zu; eine Erweiterung des Praxisbudgets wegen der Borreliose-Patienten lehnte sie jedoch ab. Der Kläger schöpfte in den streitigen Quartalen sein Praxisbudget nicht aus; geringe Überschreitungen bei den Zusatzbudgets wurden mit den Unterschreitungen des Praxisbudgets verrechnet.

Der Bewertungsausschuss hatte mit Wirkung zum das Kapitel O (Laborleistungen) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) grundlegend umgestaltet. Dabei wurde zwischen analytischen und ärztlichen Leistungen unterschieden. Für die Analyseleistungen wurden bundesweit einheitliche Kostensätze festgelegt. Die Vergütung der ärztlichen Leistungen setzte sich bei den hier betroffenen Nicht-Auftragsleistungen aus zwei Komponenten zusammen, nämlich einer Laborgrundgebühr (Nr 3450 EBM-Ä), die - unabhängig von der Inanspruchnahme von Laborleistungen - je kurativ-ambulantem Behandlungsfall der Arztpraxis anfiel und deren Höhe nach Arztgruppen differierte. Hinzu trat eine ebenfalls arztgruppenbezogene und je Behandlungsfall abrechenbare Vergütungspauschale für die wirtschaftliche Erbringung und/oder Veranlassung von Laborleistungen (sog Wirtschaftlichkeitsbonus; Nr 3452 EBM-Ä). Diese belief sich bei Allgemeinärzten/praktischen Ärzten/hausärztlichen Internisten auf 40 Punkte je Behandlungsfall. Die sich bei einer Arztpraxis aus der Abrechnung der Nr 3452 EBM-Ä ergebende Punktmenge wurde nur insoweit vergütungsrelevant, als die Praxis bei den von ihr erbrachten, bezogenen oder veranlassten Laborleistungen eine für sie maßgebliche begrenzte Gesamtpunktzahl einhielt. Deren Höhe ergab sich aus dem Produkt einer arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl und der Zahl der kurativ-ambulanten Behandlungsfälle der Arztpraxis. Die Punktzahlanforderung bei den Laborleistungen, die die begrenzte Gesamtpunktzahl der Arztpraxis überstieg, wurde von dem Punktzahlvolumen abgezogen, das der Praxis nach der Nr 3452 EBM-Ä zustand (Absätze 1 bis 4 der Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä).

Für das Quartal III/1999 setzte die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Honorar des Klägers auf 122.432,80 DM (Bescheid vom ) und für das Quartal IV/1999 auf 126.647,34 DM (Bescheid vom ) fest. Dabei wurden die Laborgrundgebühr nach Nr 3450 EBM-Ä (21.300 Punkte bzw 21.120 Punkte) sowie die Kosten für eigenerbrachte Laboruntersuchungen nach Kapitel O I/II (5.549,10 DM bzw 4.235,65 DM) und O III EBM-Ä (1.569,50 DM bzw 895,50 DM) in voller Höhe vergütet; Punkte auf Grund des Wirtschaftlichkeitsbonus nach Nr 3452 EBM-Ä kamen nicht zur Vergütung, da die Praxis des Klägers die für sie maßgebliche Gesamtpunktzahl überschritten hatte. Die Beklagte wies die gegen die Honorarbescheide gerichteten Widersprüche zurück.

Das Honorar des Klägers für das Quartal I/2000 setzte die Rechtsvorgängerin der Beklagten auf 135.335,63 DM fest (Bescheid vom ). Hierbei wurden die Laborgrundgebühr nach Nr 3450 EBM-Ä mit 22.395 Punkten sowie die Kosten für eigenerbrachte Laboruntersuchungen nach Kapitel O I/II und O III EBM-Ä in Höhe von 4.877,25 DM bzw 1.162,00 DM und ein Zuschlag von 278,88 DM vergütet. Ein Wirtschaftlichkeitsbonus nach Nr 3452 EBM-Ä wurde erneut nicht ausgezahlt. Auch gegen diesen Honorarbescheid legte der Kläger Widerspruch ein.

Gegen die Bescheide für die Quartale III/1999 und IV/1999 hat der Kläger Klage erhoben. In das Verfahren haben die Beteiligten auch den Honorarbescheid für das Quartal I/2000 einbezogen, ohne dass über den dagegen vom Kläger eingelegten Widerspruch entschieden worden wäre. Das Sozialgericht (SG) hat die auf eine Vergütung des Punktzahlvolumens aus Nr 3452 EBM-Ä gerichtete Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Neuregelung des Kapitels O des EBM-Ä zum sei ein Laborbudget geschaffen worden, dessen Höhe durch die Nr 3450 und 3452 EBM-Ä und die Fallzahl bestimmt werde. Auf Grund der Ausgestaltung des Laborbudgets sei es möglich, dass bei überdurchschnittlicher Erbringung bzw Veranlassung von Laboruntersuchungen nur noch die Laborgrundgebühr nach Nr 3450 EBM-Ä vergütet werde, der Wirtschaftlichkeitsbonus hingegen entfalle. Diese Regelung stehe mit höherrangigem Recht in Einklang. Es sei nicht zu beanstanden, dass bei der Bemessung des Laborbudgets nicht auf praxisindividuelle Umstände abgestellt werde, wie sie bei Honorarkürzungen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Bedeutung seien. Laborleistungen bei Borreliose-Erkrankungen unterschieden sich nicht so deutlich von anderen vertragsärztlichen Leistungen, dass für sie ein Anreiz zur Mengensteigerung erhalten bleiben müsse. Ferner habe Borreliose nicht in der Liste der aus dem Laborbudget herausgenommenen Indikationen berücksichtigt werden müssen. Ein Versorgungsschwerpunkt sei beim Kläger nicht zu erkennen. Maßgebend dafür sei nicht die Zahl der behandelten Borreliose-Patienten, sondern die finanziellen Auswirkungen der Regelung. Die Nichtvergütung der Nr 3452 EBM-Ä habe für den Kläger lediglich zur Folge, dass ihm pro Quartal etwa 4.000 DM, mithin etwa 3 % seines Praxisumsatzes, entgingen (Urteil vom ).

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung der Art 3, 12 und 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) sowie des § 87 Abs 2, Abs 2a und Abs 2b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die zum im Laborkapitel des EBM-Ä eingeführte Abschmelzungsregelung sei rechtswidrig. Im Unterschied zu den bisherigen Abstaffelungs- und Budgetbestimmungen werde mit ihr keine Obergrenze festgeschrieben, bis zu der ein Vertragsarzt seine Leistungen ungekürzt vergütet erhalte. Vielmehr führe die Abschmelzungsregelung dazu, dass sämtliche Punkte nach Nr 3452 EBM-Ä wieder entzogen werden könnten. Mit der Einführung dieser Vorschrift habe der Bewertungsausschuss seine Regelungskompetenz überschritten. Zwar dürfe dieser nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch Bewertungsformen einführen, die nicht ausdrücklich in § 87 SGB V genannt seien. Doch müssten diese wenigstens im weitesten Sinne unter den Begriff der Leistungsbewertung subsumiert werden können. Die Abschmelzungsregelung sei aber als reine Honorarreduzierungsmaßnahme frei von jeglichen Bewertungselementen. Darüber hinaus sei fraglich, ob mit ihr eine Leistungsmengensteuerung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots erreicht werden könne. Die Abschmelzungsregelung verstoße weiterhin gegen das Differenzierungsgebot, weil sie unabhängig von der tatsächlichen Wirtschaftlichkeit des Erbringungs- bzw Anforderungsverhaltens eine zusätzliche Honorierung gewähre oder versage. Bevorzugt werde der Vertragsarzt, der kaum noch Laborleistungen veranlasse und damit den Leistungsinhalt der Nr 3452 EBM-Ä im Wortsinn überhaupt nicht erfülle. Darüber hinaus greife die Abschmelzungsregelung in Ermangelung eines hinreichenden Ausnahmetatbestandes in unverhältnismäßiger und undifferenzierter Art und Weise in seine - des Klägers - Berufsausübungsfreiheit ein. Die nicht widerlegbare Vermutung der Unwirtschaftlichkeit führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber Wirtschaftlichkeitsprüfungen, bei denen eine Überschreitung von Fachgruppendurchschnitten mit Praxisbesonderheiten gerechtfertigt werden könne. Eine gesetzliche Vermutung benötige, wenn sie nicht von vornherein in jedem Fall als richtig angesehen werden könne, zu ihrer Rechtmäßigkeit eine angemessene Ausnahmeregelung. Vorliegend bestehe kein Erfahrungssatz, dass ein sogar fachgruppenunterdurchschnittliches Leistungs- bzw Anforderungsverhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unwirtschaftlich sei. Daher sei für die Verfassungskonformität der Abschmelzungsregelung ein Ausnahmetatbestand erforderlich. Dabei liege ein Ausnahmetatbestand, der auf ein besonderes Patientenklientel als Praxisbesonderheit abziele, nahe.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom und des Sozialgerichts Karlsruhe vom aufzuheben, die Honorarbescheide der Beklagten vom betreffend das Quartal III/1999 und vom betreffend das Quartal IV/1999 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom sowie den Honorarbescheid der Beklagten vom betreffend das Quartal I/2000 aufzuheben, soweit darin Kürzungen des sogenannten Wirtschaftlichkeitsbonus (Punktzahlvolumens aus Nr 3452 EBM-Ä) ausgewiesen sind, und die Beklagte zu verurteilen, die von ihm - dem Kläger - erbrachten Leistungen nach Nr 3452 EBM-Ä in den Quartalen III/1999 (56.800 Punkte), IV/1999 (56.320 Punkte) und I/2000 (59.720 Punkte) ungekürzt auszuzahlen.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtenen Urteile für zutreffend. Die Beklagte trägt darüber hinaus vor, es könne sich bei der Praxis des Klägers um eine Spezialpraxis für Borreliose-Erkrankungen handeln. Doch mache dieser Ausnahmecharakter nicht schon eine Ausnahmeregelung im EBM-Ä erforderlich, denn im EBM-Ä lasse sich nicht jeder besondere Ausnahmefall regeln.

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG seine Berufung gegen die klageabweisende erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen.

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass der Honorarbescheid für das Quartal I/2000 im Wege gewillkürter Klageerweiterung nach § 99 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden ist. Die Klage ist auch insoweit zulässig. Zwar hat die Beklagte über den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch nicht entschieden, sodass das gemäß § 78 Abs 1 SGG vorgeschriebene Vorverfahren nicht abgeschlossen worden ist. Jedoch kann hierauf verzichtet werden, wenn die Beteiligten in die Einbeziehung weiterer Honorarbescheide in ein bereits anhängiges gerichtliches Verfahren einwilligen, sofern die Rechtsbehelfsfristen eingehalten sind (vgl BSGE 78, 98, 103 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 38 f). Das ist hier der Fall.

Die Honorarbescheide für die Quartale III/1999, IV/1999 und I/2000 sind, soweit sie mit der Klage angefochten sind, rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung des sog Wirtschaftlichkeitsbonus nach Nr 3452 EBM-Ä.

Die Bestimmungen der Nr 3452 EBM-Ä und der Absätze 1 bis 5 der Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä sind Bestandteil einer umfassenden Neuregelung, die der Bewertungsausschuss hinsichtlich des Laborkapitels des EBM-Ä zum vorgenommen hat (Beschluss vom , DÄ 1999, S C-48 ff, mit späterer Änderung, DÄ 1999, S C-663 ff). Dabei sind für die analytischen Leistungen, dh die Laboruntersuchungen im technischen Sinne, bundesweit einheitliche Kostensätze festgelegt worden (vgl die Anhänge zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä). Für die ärztlichen Leistungen, dh die Indikation, Veranlassung, Befundung und Interpretation, sind - neben den hier nicht relevanten Grundpauschalen für Auftragsleistungen (Nr 3454 und 3456 EBM-Ä) - eine Laborgrundgebühr (Nr 3450 EBM-Ä) und eine Gebühr für die wirtschaftliche Erbringung und/oder Veranlassung von Laborleistungen (Nr 3452 EBM-Ä) eingeführt worden. Sowohl die Laborgrundgebühr nach Nr 3450 EBM-Ä als auch der Wirtschaftlichkeitsbonus nach Nr 3452 EBM-Ä sind arztgruppenbezogen und fallzahlabhängig. Für den Wirtschaftlichkeitsbonus gilt folgende Abschmelzungsregelung: Getrennt für die Abschnitte O I/II und O III EBM-Ä wird eine begrenzte Gesamtpunktzahl für die Kosten der eigenerbrachten, bezogenen oder sonst veranlassten Analyseleistungen gebildet, deren Höhe sich jeweils aus dem Produkt der praxisindividuellen Fallzahl und einer im EBM-Ä festgelegten arztgruppenspezifischen Punktzahl ergibt (jeweils Absatz 1 der Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä). Der so gebildeten Gesamtpunktzahl wird das Punktzahlvolumen gegenübergestellt, das sich aus der Umrechnung der Kosten der von der jeweiligen Praxis erbrachten, bezogenen oder sonst veranlassten Analyseleistungen ergibt (jeweils Absatz 2 und 3 aaO). Überschreitet dieses Punktzahlvolumen die begrenzte Gesamtpunktzahl, so sind die überschreitenden Punkte von dem Punktzahlvolumen aus Nr 3452 EBM-Ä abzuziehen (jeweils Absatz 4 aaO). Unberücksichtigt bleiben bei der Abschmelzung jedoch bestimmte, im Einzelnen aufgelistete Krankheitsfälle (jeweils Absatz 5 aaO).

Die Laborgrundgebühr nach Nr 3450 EBM-Ä, der Wirtschaftlichkeitsbonus nach Nr 3452 EBM-Ä und die Abschmelzungsregelung in den Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä stehen in einem unmittelbaren Kontext. Sie stellen drei Elemente eines einheitlichen Gebührenkomplexes dar. Die Nrn 3450 und 3452 EBM-Ä haben dieselbe im Zusammenhang mit Laboruntersuchungen anfallende spezifisch ärztliche Leistung zum Gegenstand, nämlich die Stellung der Indikation zu und die Veranlassung von Laboruntersuchungen sowie gegebenenfalls die Befundung und Interpretation der Laborergebnisse. Dabei knüpft die Nr 3452 EBM-Ä speziell an die Wirtschaftlichkeit der Entscheidung, Laboranalysen zu erbringen oder zu veranlassen, an. Wirtschaftlichkeitsbonus und Abschmelzungsregelung stellen sich als untrennbare Teile einer einheitlichen Regelung dar. Denn erst aus der Abschmelzungsregelung in den Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä ergibt sich, wann die Erbringung oder Veranlassung von Laboranalysen wirtschaftlich ist. Ohne die Abschmelzungsregelung könnte der Wirtschaftlichkeitsbonus, der nach dem Wortlaut der Nr 3452 EBM-Ä nur von der Arztgruppe und der Fallzahl der jeweiligen Praxis abhängt, seinen Zweck nicht erfüllen (vgl - juris). Kernstück der Abschmelzungsregelung wiederum sind die für die Bestimmung der begrenzten Gesamtpunktzahl maßgeblichen Punktzahlen je Behandlungsfall; diese wurden auf der Basis der Abrechnungsergebnisse des Quartals I/1998 für jede Arztgruppe und getrennt nach dem Versichertenstatus aus den Kosten der selbsterbrachten, bezogenen und veranlassten Analyseleistungen des Allgemein- und Speziallabors errechnet, wobei für das Speziallabor ein Abzug von 15 % vorgenommen wurde (vgl Ballast, ErsK 1999, 805, 807). Auf dieser Grundlage wurde das für die ärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit Laboruntersuchungen abrechenbare Punktzahlvolumen festgelegt. Seit dem ist in den Absätzen 1 bis 5 der Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä kein Laborbudget im Sinne eines Kontingents abrechnungsfähiger Laborleistungen mehr normiert. Die begrenzte Gesamtpunktzahl ist weder für die Berechnungsfähigkeit der (eigenerbrachten oder bezogenen) Laboranalysen noch für die der Laborgrundgebühr nach Nr 3450 EBM-Ä von Bedeutung. Beide sind auch dann in vollem Umfang zu vergüten, wenn die begrenzte Gesamtpunktzahl nach den Absätzen 1 bis 4 der Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä überschritten ist. Deren Überschreiten führt nur zu einem Abschmelzen eines Teils der Vergütung von Laborleistungen, nämlich des Wirtschaftlichkeitsbonus. Aber auch dieser wird dadurch nicht im eigentlichen Sinne budgetiert, nämlich einer Mengenbegrenzung unterworfen. Vielmehr wird mit der Abschmelzungsregelung ein Anreiz zu Begrenzungen in einem anderen Bereich, bei den Kosten der erbrachten und veranlassten Laboranalysen, gesetzt.

Diese Kombination von Gebührentatbeständen (Nr 3450 und 3452 EBM-Ä) und Abschmelzungsregelung (Absätze 1 bis 4 der Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä) ist durch die gesetzliche Ermächtigung in § 87 SGB V in der bei Erlass der streitigen Regelung geltenden Fassung des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes (2. GKV-NOG) vom (BGBl I 1520) gedeckt.

Danach hat der Bewertungsausschuss im EBM-Ä den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges Verhältnis zueinander festzulegen (§ 87 Abs 2 Satz 1 SGB V). Die Leistungsbeschreibungen und -bewertungen sollen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung Rechnung tragen und in regelmäßigen Zeitabständen überprüft und angepasst werden (§ 87 Abs 2 Satz 2 SGB V). Der dem Bewertungsausschuss in § 87 Abs 2 SGB V übertragene Gestaltungsauftrag erschöpft sich nicht in der Aufstellung eines reinen Leistungs- und Bewertungskataloges unter medizinischen, betriebswirtschaftlichen oder sonstigen Gesichtspunkten. Vielmehr schließt er die Befugnis ein, über die Beschreibung und Bewertung der ärztlichen Verrichtungen das Leistungsverhalten der Ärzte steuernd zu beeinflussen (BSGE 88, 126, 129 = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 147, mwN; s auch BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 3 RdNr 14). Diese Steuerungsbefugnis ermöglicht es dem Bewertungsausschuss, durch ergänzende Bewertungsformen wie Komplexgebühren, Gebührenpauschalen, Abstaffelungsregelungen, Budgetierungen und ähnliche mengen- oder fallzahlenbegrenzende Maßnahmen die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung zu fördern und Verteilungseffekte mit dem Ziel einer angemessenen Vergütung der ärztlichen Leistungen herbeizuführen (Urteil des Senats vom - B 6 KA 44/03 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen; BSGE 88, 126, 129 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 147 f). Auch wenn der Bewertungsausschuss damit nicht auf einen numerus clausus von Regelungstechniken festgelegt ist, so hat die Steuerung des Leistungsverhaltens doch immer über die Beschreibung und Bewertung der vertragsärztlichen Leistungen zu erfolgen (vgl BSGE 78, 98, 105 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 41).

Die Steuerungsfunktion des EBM-Ä ist vom Gesetzgeber seit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom (BGBl I S 2266) durch konkrete Regelungsaufträge verdeutlicht worden: So sind nach § 87 Abs 2a Satz 1 und 2 SGB V idF des GSG die im EBM-Ä aufgeführten ärztlichen Leistungen zu Leistungskomplexen zusammenzufassen; Einzelleistungen sind nur noch zulässig, soweit dies medizinisch notwendig ist. Nach dem ebenfalls durch das GSG eingefügten § 87 Abs 2c SGB V waren die Bewertungen der Laborleistungen bis zum entsprechend den Vorgaben des § 87 Abs 2 Satz 2 SGB V anzupassen und neu zu ordnen; dabei waren Möglichkeiten struktureller Veränderungen einzubeziehen. § 87 Abs 2a Satz 7 und 8 SGB V idF des 2. GKV-NOG sah vor, dass bei der Bewertung der vertragsärztlichen Leistungen Abstaffelungen und Obergrenzen vorgesehen werden konnten. Nach § 87 Abs 2c SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 (GKVGRefG 2000) vom (BGBl I 2626) war die Bewertung der Leistungen mit medizinisch-technischen Großgeräten bis zum unter Beachtung der Vorgaben des § 87 Abs 2 Satz 2 SGB V durch Einführung einer veranlasserbezogenen Vergütungsregelung neu zu bestimmen. Durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom (BGBl I 2190) sind diese Regelungsaufträge, die den allgemeinen Gestaltungsauftrag des Bewertungsausschusses konkretisieren, noch weiter verfeinert worden.

Für die Einführung neuer Gebührentatbestände in den Nrn 3450 und 3452 EBM-Ä verfügte der Bewertungsausschuss über eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage in § 87 Abs 2, Abs 2a SGB V. In diesen Gebührentatbeständen erfolgte zunächst eine Bewertung ärztlicher Leistungen. Erstmals wurden die intellektuellen Leistungen, die der behandelnde Arzt bei der Indikation zu und Veranlassung von Laboranalysen sowie der Befundung und Interpretation von Laborergebnissen erbringt, eigenständig bewertet. Der Arzt erhält nunmehr für die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Laboranalyse in jedem Behandlungsfall auch dann eine Vergütung, wenn er unter Würdigung der sonstigen Untersuchungsergebnisse nach den Regeln der Stufendiagnostik auf eine Laboruntersuchung verzichtet. Daher wird in den Fällen, in denen es zu keiner Laboruntersuchung kommt, nicht etwa eine Nicht-Leistung des Arztes vergütet, sondern eine fachlich-intellektuelle Leistung, die auch dem Verzicht auf eine Laboranalyse regelmäßig vorangehen muss. Dass in den Nrn 3450 und 3452 EBM-Ä alle ärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit Laboruntersuchungen in zwei Gebührentatbeständen zusammengeführt werden, entspricht § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V. Der vom Bewertungsausschuss gewählten Regelungstechnik steht auch nicht § 87 Abs 2a Satz 2 SGB V entgegen. Denn in den Nrn 3450 und 3452 werden nicht ohne medizinische Notwendigkeit Einzelleistungen aufgeführt. Vielmehr wird ein einheitlicher Leistungskomplex aus rein technischen Gründen aufgespalten, um einen Anknüpfungspunkt für die Abschmelzungsregelung der Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä zu erhalten. Das gleiche Ergebnis hätte auch bei der Verschmelzung der beiden Gebührentatbestände erzielt werden können, wenn in den Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä das der Nr 3450 EBM-Ä entsprechende Punktzahlenvolumen als Untergrenze der Abschmelzung festgeschrieben worden wäre.

Eine Bewertung ärztlicher Leistungen iS des § 87 Abs 2 SGB V erfolgt auch durch die Abschmelzungsregelung in den Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä. Bei dieser handelt es sich um einen untrennbaren Teil des Wirtschaftlichkeitsbonus nach Nr 3452 EBM-Ä, der - wie ausgeführt - wiederum zusammen mit der Laborgrundgebühr nach Nr 3450 EBM-Ä eine Einheit bildet. Diese einheitlichen Regelungen beinhalten eine von § 87 Abs 2 SGB V zugelassene, ergänzende Form der Leistungsbewertung zur Mengen- und Fallzahlsteuerung. Der Bewertungsausschuss ist nicht auf einen numerus clausus von Regelungstechniken zur Mengen- und Fallzahlbegrenzung festgelegt; er ist berechtigt, das ärztliche Leistungsverhalten auch durch solche ergänzenden Bewertungsformen zu steuern, die sich nicht als Abstaffelung iS des § 87 Abs 2a Satz 7 SGB V oder als Obergrenze iS des § 87 Abs 2a Satz 8 SGB V - jeweils idF des 2. GKV-NOG - qualifizieren lassen. Voraussetzung ist allerdings immer, dass eine derartige Steuerung über die Beschreibung und Bewertung ärztlicher Leistungen erfolgt. Entgegen der Auffassung der Revision wird durch die Abschmelzungsregelung in den Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä eine Bewertung ärztlicher Leistungen vorgenommen. Eine Bewertung ärztlicher Leistungen stellt es nämlich auch dar, wenn ihr wirtschaftlicher Wert abhängig von der Einhaltung eines Punktzahlkontingents sinkt. Insoweit besteht zwischen Abschmelzung, Abstaffelung und Obergrenzen kein grundsätzlicher Unterschied. Allerdings erfordert eine Bewertung, dass zwischen den ärztlichen Leistungen und dem für sie festgelegten Punktzahlkontingent ein innerer Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang liegt nicht nur dann vor, wenn das Kontingent aus den Punktzahlen für die jeweilige ärztliche Leistung gebildet wird, wie das bei Abstaffelungen oder Obergrenzen der Fall ist, sondern auch dann, wenn in das Kontingent die (weiteren) Kosten eingehen, die durch den Arzt in diesem Behandlungsfall ausgelöst werden. Dabei spielt es keine Rolle, durch wen diese weiteren Leistungen abgerechnet werden. So wie es dem Bewertungsausschuss nicht verwehrt ist, die Veranlassung von Leistungen, die von Dritten erbracht werden, zum Gegenstand eines Gebührentatbestands zu machen, ist er auch befugt, bei der Bewertung der Leistung des Veranlassers die damit verursachten weiteren Kosten zu berücksichtigen. Dass es sich dabei um eine Leistungsbewertung handelt, wird durch den durch das GKVGRefG 2000 eingeführten § 87 Abs 2c SGB V bestätigt, in dem von einer "Bewertung der Leistungen ... durch Einführung einer veranlasserbezogenen Vergütungsregelung" die Rede war. Die hier streitige Abschmelzungsregelung kann sich allerdings auf diese mit Wirkung vom speziell für medizinisch-technische Großgeräte eingeführte Bestimmung nicht stützen. Dies ändert aber nichts daran, dass veranlasserbezogene Punktzahlkontingente nicht anders als Abstaffelungen und Obergrenzen zu den mengensteuernden Maßnahmen gehören, zu denen der Bewertungsausschuss in § 87 Abs 2, Abs 2a SGB V ermächtigt ist.

Der zum in das Laborkapitel des EBM-Ä eingeführte Gebührenkomplex bestehend aus der Laborgrundgebühr (Nr 3450 EBM-Ä), dem Wirtschaftlichkeitsbonus (Nr 3452 EBM-Ä) und der Abschmelzungsregelung (Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä) ist nicht nur von seiner Art her durch die Ermächtigungsgrundlage in § 87 Abs 2, Abs 2a SGB V gedeckt, sondern entspricht auch in seiner Ausgestaltung den gesetzlichen Vorgaben und ist mit der Verfassung vereinbar.

Das Gesetz gibt dem Bewertungsausschuss für die Ausgestaltung des EBM-Ä in § 87 Abs 2 Satz 2 SGB V mit dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungserbringung bestimmte inhaltliche Ziele vor. Darüber hinaus gelten für die Ausgestaltung des EBM-Ä die allgemeinen Grundsätze der §§ 70, 71 sowie des § 72 Abs 2 SGB V. Danach hat der EBM-Ä der Gewährleistung einer bedarfsgerechten und gleichmäßigen, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden, humanen Versorgung der Versicherten (§ 70 Abs 1 Satz 1, Abs 2, § 72 Abs 2 SGB V) sowie einer wirtschaftlichen Erbringung der zu einer derartigen Versorgung zählenden Leistungen (§ 70 Abs 1 Satz 2, § 72 Abs 2 SGB V) zu dienen. Zugleich muss der EBM-Ä aber auch so vereinbart werden, dass die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden (§ 72 Abs 2 SGB V). Darüber hinaus sind seit dem GSG in § 87 Abs 2a ff SGB V eine Reihe konkreter inhaltlicher Vorgaben für die Ausgestaltung des EBM-Ä eingeführt worden. Im Übrigen steht jedoch dem Bewertungsausschuss als Normgeber ein Gestaltungsspielraum zu (dazu zuletzt im Einzelnen: Urteil des Senats vom - B 6 KA 44/03 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen; BVerfG <Kammer>, Beschluss vom - 1 BvR 528/04 ua - juris; BSGE 89, 259, 264 = SozR 3-2500 § 87 Nr 34 S 192). Dieser ist grundsätzlich auch von den Gerichten zu respektieren, die daher Regelungen des EBM-Ä nur in Ausnahmefällen korrigieren dürfen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Bewertungsausschuss seinen Regelungsspielraum überschritten oder seine Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgeübt hat, indem er zB eine ärztliche Minderheitsgruppe bei der Honorierung bewusst benachteiligt hat oder sich sonst erkennbar von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen (vgl Urteil des Senats vom - B 6 KA 44/03 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen; BSGE 88, 126, 133 = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 152). Dagegen ist es nicht Aufgabe der Gerichte, ihre eigenen Vorstellungen von der Sachgerechtigkeit der Bewertung einer Leistung oder eines Leistungskomplexes an die Stelle der Beurteilung durch den Bewertungsausschuss zu setzen.

Der Bewertungsausschuss hat bei der Ausgestaltung des Gebührenkomplexes aus Laborgrundgebühr, Wirtschaftlichkeitsbonus und Abschmelzungsregelung im Laborkapitel des EBM-Ä seinen Regelungsspielraum nicht überschritten. Insbesondere hat er nicht Bedeutung und Tragweite des Wirtschaftlichkeitsgebots verkannt. Die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung ist dem Bewertungsausschuss als Ziel der Ausgestaltung des EBM-Ä bereits allgemein in § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 und § 72 Abs 2 SGB V vorgegeben; § 87 Abs 2 Satz 2 SGB V bezieht sich hierauf und präzisiert die Zielvorgabe. Mit dem Ziel wirtschaftlicher Leistungserbringung hat der Gesetzgeber dem Bewertungsausschuss auch aufgegeben, für die Wirtschaftlichkeit der Veranlassung von Leistungen zu sorgen. Dazu besteht insbesondere deshalb Anlass, weil die Wirtschaftlichkeit der Veranlassung ärztlicher Leistungen mit den traditionellen Instrumenten der Wirtschaftlichkeitsprüfung schwer zu beeinflussen ist. Die Abrechnung der vom Vertragsarzt selbst erbrachten ärztlichen Leistungen wie die Veranlassung nichtärztlicher Leistungen - zB die Verordnung von Arznei- und Heilmitteln - können mit einer gewissen Praktikabilität und Effizienz nach Durchschnittswerten (vgl § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V in der bis zum geltenden Fassung) geprüft werden. Für die Veranlassung solcher Leistungen, die von anderen Vertragsärzten erbracht und als eigene Leistungen abgerechnet werden, hat sich das bislang als kaum durchführbar erwiesen. Da ein Vertragsarzt berechtigt ist, radiologische, pathologische und labormedizinische Leistungen an alle zugelassenen Vertragsärzte zu überweisen, erweist sich die Zusammenfassung derartiger Leistungen, ihre Zuordnung zu einem veranlassenden Arzt und ein daran anschließender Durchschnittsvergleich als besonders schwierig. Eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der diese Leistungen erbringenden Radiologen, Pathologen und Laborärzte wird im Regelfall inhaltlich dadurch begrenzt, dass diese an die ihnen erteilten Überweisungsaufträge gebunden sind und deshalb den Umfang ihrer Leistungen nur in gewissem Maße steuern können. Um diese "Lücke" bei der Durchsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes effektiv und ohne zu großen Verwaltungsaufwand zu schließen, darf der Bewertungsausschuss bei der Leistungsbewertung sowohl ein wirtschaftliches Verhalten des Arztes bei der Veranlassung von (weiteren) Leistungen berücksichtigen als auch die Kosten, die er durch die Veranlassung von (weiteren) Leistungen verursacht, in Punktzahlkontingente einbeziehen. Damit entspricht sowohl der Wirtschaftlichkeitsbonus (Nr 3452 EBM-Ä) als auch die Abschmelzungsregelung (Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä) grundsätzlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot.

Entgegen den Einwänden der Revision ist die Abschmelzungsregelung, die der Bewertungsausschuss in den Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä eingeführt hat, auch geeignet, die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung zu fördern. Sie bewirkt Anreize dahingehend, die Erbringung und Veranlassung von Laboranalysen unter Beachtung von Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten, nämlich, ob sie notwendig, zweckmäßig und ausreichend sind (vgl § 12 Abs 1 SGB V), zu überdenken. Diese Anreizwirkung entfaltet sie bei allen Ärzten, bei denen es nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass sie das am Fachgruppendurchschnitt orientierte Punktzahlkontingent überschreiten. Ohne die Abschmelzungsregelung käme dem Wirtschaftlichkeitsbonus dagegen keine Wirkung in der Weise zu, die Erbringung und Veranlassung von Laboranalysen unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten kritisch zu prüfen.

Die Einhaltung der begrenzten Gesamtpunktzahl (iS des Absatzes 1 der Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä) ist auch vom einzelnen Arzt beeinflussbar. Die zur Verfügung stehende Gesamtpunktmenge für Laborleistungen lässt sich nämlich durch Vervielfältigung der praxisindividuellen Fallzahl mit den im EBM-Ä festgelegten Punktzahlen jederzeit unschwer ermitteln. Wann dieses Punktzahlkontingent überschritten ist und die Abschmelzungsregelung greift, hängt von den Kosten der erbrachten, bezogenen oder veranlassten Laboranalysen ab. Soweit der Arzt nicht ohnehin diese Kosten kennt, kann er auf ein hierfür eingerichtetes Berichtssystem zurückgreifen (dazu Köhler, DÄ 1999 S A-65, 66). Es widerspricht nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot, dass der EBM-Ä die Gewährung des Wirtschaftlichkeitsbonus nicht davon abhängig macht, dass zuvor in jedem einzelnen Behandlungsfall geprüft wird, ob die Entscheidung über die Erbringung oder Veranlassung von Laboranalysen wirtschaftlich war. Eine derartige Regelung wäre unpraktikabel. Es ist vielmehr zulässig, dass im EBM-Ä Durchschnittswerte zur Bestimmung eines allgemeinen Maßstabs der Wirtschaftlichkeit herangezogen werden.

Der Gebührenkomplex aus Laborgrundgebühr, Wirtschaftlichkeitsbonus und Abschmelzungsregelung ist auch nicht deswegen mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG, unvereinbar, weil er keine Ausnahmeregelung für Praxen mit ganz spezieller Ausrichtung enthält. Eine Pflicht zur generellen Berücksichtigung aller Praxisbesonderheiten besteht von Verfassungs wegen nicht (s dazu bereits BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 14 S 61 - zum Praxisbudget für Basislaborleistungen). Vielmehr genügt es grundsätzlich, wenn der Bewertungsausschuss diejenigen Differenzierungen vornimmt, die notwendig sind, um das angestrebte Ziel der Begrenzung der Laboruntersuchungen unter Beachtung der typischen Behandlungsnotwendigkeiten in einzelnen ärztlichen Fachgebieten zu erreichen. Einer darüber hinausgehenden Differenzierung unter Berücksichtigung sämtlicher praxisindividueller Umstände bedarf es nicht, weil andernfalls die mit einer Regelung im EBM-Ä notwendig verbundene Generalisierung und Pauschalierung in Frage gestellt wäre. Eine EBM-Ä-Regelung, die bei der Bemessung eines Punktzahlkontingents innerhalb einer Arztgruppe auf all jene praxisindividuellen Umstände, die bei Honorarkürzungen im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach Auffälligkeit oder auf Grund von Stichproben von Bedeutung sind, abstellen würde, wäre praktisch nicht umsetzbar. Jeder Arzt würde ein auf seine spezielle Praxissituation zugeschnittenes Fallzahlkontingent beanspruchen, von dem dann zwangsläufig weder steuernde Effekte noch eine Begrenzung der Laboruntersuchungen ausgehen könnten (vgl BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 15 S 61; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 20 S 102). Das bedeutet allerdings nicht, dass der Bewertungsausschuss generell nicht verpflichtet wäre, Ausnahmeregelungen vorzusehen. Vielmehr ist es seine Aufgabe, den mit jeder notwendig typisierenden und generalisierenden Regelung im Einzelfall möglicherweise einhergehenden Verwerfungen in angemessener Weise Rechnung zu tragen, um im Einzelfall für den Arzt unverhältnismäßige und somit gegen sein Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG verstoßende Ergebnisse zu vermeiden (vgl BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 121).

Ausnahmebestimmungen bei der Neugestaltung von Leistungsbeschreibungen und der Einführung von mengensteuernden Bewertungsformen sind Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und können ua den unvermeidbaren Unsicherheiten bei weit reichenden Neuregelungen im ärztlichen Vergütungsrecht Rechnung tragen (vgl BSGE 87, 112, 113 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 135 f zu den zum im EBM-Ä eingeführtenTeilbudgets). Daraus ist indessen nicht abzuleiten, dass der Bewertungsausschuss gehalten wäre, bei jeder Änderung des EBM-Ä Ausnahme- und Übergangsregelungen in der Weise zu normieren, dass bestimmte Praxen, auf die sich die Neuregelung nachteilig auswirken könnte, von der Umstellung ausgenommen werden. Ob und welche Ausnahmeregelungen von Verfassungs wegen erforderlich sind, beurteilt sich in erster Linie nach der Wirkungsbreite und Eingriffsintensität einer jeweiligen Regelung. Daher sind bei Budgetierungen nahezu des gesamten ärztlichen Leistungsumfangs Ausnahmeregelungen eher erforderlich als bei Fallzahlkontingenten, die nur eng begrenzte Leistungsbereiche betreffen.

Der Bewertungsausschuss hat im EBM-Ä die notwendigen Differenzierungen selbst vorgenommen. In der zum in Kraft getretenen Fassung der Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä waren die arztgruppenbezogenen Fallpunktzahlen für die Kosten der Leistungen des Abschnitts O I/II bzw O III EBM-Ä für 18 Arztgruppen unterschiedlich zwischen 5 und 165 (O I/II) bzw 10 und 850 Punkten (O III) festgesetzt worden. Dabei war zwischen Allgemeinversicherten und Rentnern unterschieden worden, um dem unterschiedlichen Aufwand an Laboruntersuchungen zwischen Allgemein- und Speziallaborleistungen bei der Behandlung älterer Patienten Rechnung zu tragen. Zudem waren zehn (Abschnitt O I/II EBM-Ä) bzw acht (Abschnitt O III EBM-Ä) Krankheitsbilder bzw Therapieformen, in denen erfahrungsgemäß häufiger Laboruntersuchungen anfallen, von der Berücksichtigung bei der Abschmelzungsregelung ausgenommen (im Allgemeinlabor <O I/II EBM-Ä>: Substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger, orale Antikoagulantientherapie, präoperative Labordiagnostik vor bestimmten ambulanten oder belegärztlichen Eingriffen, Mukoviszidose, chronische Niereninsuffizienz unter bestimmten Voraussetzungen, Erkrankungen unter systematischer Zytostatika-Therapie, Nachsorge nach Organtransplantationen, therapiebedürftige HIV-Infektion, manifester Diabetes mellitus, rheumatoide Arthritis unter immunsuppressiver oder immunmodulierender Langzeit-Basistherapie; im Speziallabor <O III EBM-Ä>: Therapiepflichtige hämalytische Anämie ua, bestimmte Tumorerkrankungen, Fertilitätsstörungen, Mukoviszidose, chronische Niereninsuffizienz unter bestimmten Voraussetzungen, Nachsorge nach bestimmten Transplantationen, therapiebedürftige HIV-Infektion, rheumatoide Arthritis unter immunsuppressiver oder immunmodulierender Langzeit-Basistherapie). Damit hat der Bewertungsausschuss die aus seiner Sicht notwendigen Differenzierungen vorgenommen, um das angestrebte Ziel der Begrenzung der Laboruntersuchungen unter Beachtung der typischen Behandlungsnotwendigkeiten in den einzelnen ärztlichen Fachgebieten zu erreichen.

Der Bewertungsausschuss war nicht verpflichtet, das Krankheitsbild der Borreliose in den Ausnahmekatalog nach Absatz 5 der Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä aufzunehmen. Dabei hat er die ihm generell obliegende Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht (vgl BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 15 S 61 f) nicht missachtet. Mit Beschluss vom (DÄ 2000, S A-556, 560 f) hat er zum den Ausnahmekatalog in Absatz 5 der Präambel zu Abschnitt O I/II EBM-Ä um acht weitere Krankheitsfälle (unter anderem antivirale Therapie der chronischen Hepatitis B oder C, meldepflichtige Erkrankungen, Vorsorgeuntersuchungen gemäß den Mutterschafts-Richtlinien, Anfallsleiden oder Psychosen unter bestimmter Therapie, allergische Erkrankungen bei Kindern) ergänzt und angeordnet, dass dieser erweiterte Ausnahmekatalog auch für das Speziallabor gilt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Behandlung von Borreliose-Patienten vom Umfang der notwendigen Laboranalysen her mit den im Ausnahmekatalog verzeichneten Erkrankungen vergleichbar wäre und der Bewertungsausschuss sich den daraus im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG abzuleitenden Konsequenzen entzogen hätte.

Die hier zu beurteilende Abschmelzungsregelung weist für Ärzte, die die Laborgrundgebühr und den Wirtschaftlichkeitsbonus abrechnen können, keine Wirkungsbreite und Eingriffsintensität auf, die den zum eingeführten Teilbudgets bzw den zum eingeführten Praxis- und Zusatzbudgets vergleichbar ist. Die Regelung betrifft nur einen eng begrenzten Teilbereich des Leistungsspektrums dieser Ärzte und entfaltet selbst bei vollständiger Abschmelzung des Wirtschaftlichkeitsbonus keine unzumutbaren Härten. Nach den bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat die Nichtvergütung der Nr 3452 EBM-Ä für den Kläger lediglich zur Folge, dass er in der streitigen Zeit je Quartal etwa 4.000 DM, mithin etwa 3 % seines Praxisumsatzes, nicht zusätzlich vergütet erhielt. Die nach seinen Angaben dafür ursächliche Behandlung von Borreliose-Patienten hat sich auf die Vergütung des Klägers jedoch zugleich positiv ausgewirkt, weil sich für jeden dieser Patienten sein Praxis- bzw Zusatzbudget erhöht hat. Über das von ihm nicht ausgeschöpfte Praxisbudget wurden möglicherweise erhöhte Leistungen sogar mitvergütet. Das LSG hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass er für seine ärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit Laboruntersuchungen nicht etwa keine Vergütung, sondern vielmehr die Laborgrundgebühr gemäß der Nr 3450 EBM-Ä erhält. Angesichts dessen kann nicht davon die Rede sein, dass der Kläger durch das Fehlen einer an Praxisbesonderheiten anknüpfenden Ausnahmeregelung in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt wird.

Schließlich greift auch nicht der Einwand der Revision durch, eine gesetzliche Vermutung benötige, wenn sie nicht von vornherein in jedem Fall als richtig angesehen werden könne, zu ihrer Rechtmäßigkeit eine angemessene Ausnahmeregelung. Dem genüge die Abschmelzungsregelung in den Präambeln zu den Abschnitten O I/II und O III EBM-Ä nicht, weil sie eine nicht widerlegbare Vermutung der Unwirtschaftlichkeit enthalte, es aber keinen Erfahrungssatz gebe, dass ein Erbringungs- bzw Veranlassungsverhalten, das die im EBM-Ä festgelegten Punktzahlkontingente überschreite - die für das Speziallabor um 15 % unter dem Fachgruppendurchschnitt angesetzt worden sind -, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unwirtschaftlich sei. Ein Rechtssatz, dass jede Vermutung, die einen Normgeber zu einer generellen Regelung veranlasst hat, widerlegbar sein muss, besteht nicht. Vielmehr ist ein Normgeber insbesondere bei Massenerscheinungen befugt, zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren, ohne allein wegen damit verbundener Härten gegen Verfassungsrecht zu verstoßen (s nur BVerfGE 103, 310, 319, mwN).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Fundstelle(n):
CAAAC-14116