BSG Urteil v. - B 4 RA 42/04 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB VI § 307b

Instanzenzug:

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, eine bindend gewordene Rentenhöchstwertfeststellung zurückzunehmen und den Wert des Rechts des Klägers auf eine Altersrente ab unter Anwendung des § 307b Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) neu festzustellen und dem Kläger entsprechend höhere monatliche Geldbeträge zu zahlen.

Der am geborene Kläger war in der DDR ab 1959 als hauptamtlicher Mitarbeiter und Lehrer an einer Parteischule der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED) beschäftigt. Auf Grund dieser Beschäftigungen war er in der Sozialpflichtversicherung versichert. Ab August 1968 war er Mitglied in der "Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter der SED" (später: SED/PDS), also des Zusatzversorgungssystems iS der Nr 27 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG; nachfolgend: Zusatzversorgungssystem Nr 27). Am erklärte er seinen Austritt aus dem Zusatzversorgungssystem und erhielt seine Beiträge erstattet.

Ab erkannte der Träger der Rentenversicherung/Überleitungsanstalt Sozialversicherung dem Kläger das Recht auf eine Altersrente aus der Sozial(pflicht)versicherung zu. Der monatliche Wert der Rente wurde mit 770,00 DM festgesetzt. In Ersetzung dieses Rentenrechts erkannte die Beklagte dem Kläger ab das Recht auf eine Altersrente nach dem SGB VI zu (Bescheid vom ). Dessen monatlichen Wert stellte sie mit 883,88 DM fest. Hierbei ermittelte sie die Entgeltpunkte (EP) nach § 307a SGB VI, wobei sie die Verdienste aus den letzten 20 Jahren vor dem nicht in voller Höhe, sondern unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialpflichtversicherung nur mit monatlich 606,00 DM berücksichtigte. Die sich daraus ergebenden jährlichen 0,7347 EP erhöhte sie auf 0,7500 EP. Zugleich erkannte sie dem Kläger das Recht auf einen monatlichen Auffüllbetrag von 31,04 DM zu.

Verschiedene Anträge des Klägers nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren (SGB X) auf Rücknahme der bindend gewordenen Rentenhöchstwertfeststellung und deren Neufeststellung unter Berücksichtigung der erzielten Verdienste in voller Höhe hatten keinen Erfolg. Mit Schreiben vom , bei der Beklagten eingegangen am , beantragte der Kläger erneut eine Überprüfung nach § 44 SGB X. Er machte geltend, dass bei der Ermittlung der EP höhere Verdienste einzustellen seien, weil er bereits vor dem eine Tätigkeit ausgeübt habe, die eine Mitgliedschaft in einer "Zusatzversicherung" beinhaltet habe. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass er zu keiner Zeit einer "Zusatzversicherung" angehört habe; die "freiwillige Zusatzrentenversicherung" habe er sich auszahlen lassen (Bescheid vom ). Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit der Begründung zurück, dass die Voraussetzungen für eine Neuberechnung nach § 307a Abs 8 bis 11 SGB VI nicht gegeben seien; der Kläger könne auch keine Neuberechnung nach § 307b SGB VI verlangen, weil er am keinen Anspruch auf eine überführte Rente des Beitrittsgebiets gehabt habe (Widerspruchsbescheid vom ).

Mit seinen Klagen hat der Kläger begehrt, seine Rente gemäß § 307b SGB VI "neu zu berechnen" und hierbei auch eine Vergleichsberechnung vorzunehmen sowie ihm die danach höhere Rente zu zahlen. Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom ).

Während des Berufungsverfahrens hat die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) als Versorgungsträger der Beklagten ua mitgeteilt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Neuberechnung nach § 307b SGB VI habe; seine erzielten Arbeitsentgelte habe sie in einem besonderen Bescheid festgestellt. In dem Feststellungsbescheid vom stellte die PDS auf Grund der Zugehörigkeit des Klägers bis Mai 1990 zum Zusatzversorgungssystem Nr 27 die Zeiten vom bis als gleichgestellte Pflichtbeitragszeiten und die dabei erzielten Arbeitsentgelte fest.

Mit Bescheid vom entschied die Beklagte unter Hinweis auf die Mitteilung der PDS vom erneut, dass ein Anspruch auf Neufeststellung gemäß § 307b SGB VI nicht bestehe, weil der Kläger aus dem Zusatzversorgungssystem ausgetreten sei und ihm die in der Zeit vom bis gezahlten Beiträge erstattet worden seien. Nachdem der Kläger im Mai 2002 erneut eine Neufeststellung der Rente unter Berücksichtigung einer Vergleichsrente beantragt hatte, lehnte die Beklagte auch diesen Antrag ab (Bescheid vom ).

In einem Bescheid vom teilte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) als Versorgungsträger mit, ergänzend zum Feststellungsbescheid vom "" und werde die Feststellung nachgeholt, dass das AAÜG gemäß dessen § 1 Abs 1 auf den Kläger Anwendung finde. Die BfA lehnte unter Bezugnahme auf den Feststellungsbescheid der PDS vom erneut den Antrag des Klägers auf Neufeststellung des Werts seines Rechts auf Altersrente ab (Bescheid vom ).

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom sowie die Bescheide vom "", , und aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom verurteilt, dem Kläger ab Rente unter Anwendung des § 307b SGB VI zu gewähren; im Übrigen ist die Berufung zurückgewiesen worden (Urteil vom ). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Kläger habe trotz seines Austritts aus dem Zusatzversorgungssystem Nr 27 im Mai 1990 am Anspruch auf eine nach dem AAÜG überführte Rente des Beitrittsgebiets gehabt, weil nach § 5 Abs 3 AAÜG ein Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall als nicht eingetreten gelte. Allerdings sei die Beklagte gemäß § 44 Abs 4 SGB X zur Neufeststellung der Rente - ausgehend von der Antragstellung im "April" 1999 - nur rückwirkend für vier Jahre, also ab , verpflichtet.

Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom (B 4 RA 39/03 R) ein Teilanerkenntnis abgegeben und sich verpflichtet, die Rente des Klägers für Bezugszeiten ab auf der Grundlage von 63,7682 persönlichen EP neu festzustellen; bei der Ermittlung der EP hat die Beklagte die im Bescheid der PDS vom festgestellten Arbeitsentgelte zu Grunde gelegt und ist davon ausgegangen, dass dieser Bescheid im März 2001 bestandskräftig geworden sei. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen. Entsprechend dem Teilanerkenntnis hat die Beklagte den Wert des Rechts des Klägers auf Altersrente neu festgestellt, und zwar ab mit 2.694,84 DM. Auf Grund der jährlichen Rentenanpassungen erhöhte sich der Monatsbetrag bis zum auf 1.464,76 €. Den Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom bis setzte die Beklagte mit 26.075,23 € fest (Bescheid vom ).

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung des § 307b SGB VI. Sie trägt vor, das Berufungsurteil stehe nicht im Einklang mit den Urteilen des erkennenden Senats vom (B 4 RA 27/02 R) und (B 4 RA 39/03 R).

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom zurückzuweisen sowie die Klagen gegen die ablehnenden Verwaltungsakte in den Bescheiden vom , und abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

Er hat mitgeteilt, dass er einer umfassenden Erledigungserklärung im Hinblick auf das Teilanerkenntnis der Beklagten nicht zustimme und eine gerichtliche Entscheidung "abwarten" möchte.

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des LSG verletzt Bundesrecht.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren der Beklagten, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückzuweisen; insoweit strebt sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung an. Ferner begehrt sie sinngemäß, die vor dem LSG anhängig gewordenen Klagen abzuweisen. Letztlich ist revisionsgerichtlich zu prüfen, ob das LSG die in den streitbefangenen Bescheiden erfolgte Ablehnung der Beklagten, die Rentenhöchstwertfeststellung im Bescheid vom zurückzunehmen, aufheben und die Beklagte zur Rücknahme dieser Wertfeststellung und zur Neufeststellung unter Anwendung des § 307b SGB VI verpflichten sowie zur Zahlung entsprechender monatlicher Geldbeträge verurteilen durfte.

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind sowohl der Verwaltungsakt im Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom , mit dem die Beklagte eine Rücknahme der bisherigen Rentenhöchstwertfeststellung abgelehnt hat, als auch die während des Berufungsverfahrens ergangenen ablehnenden Verwaltungsakte in den Bescheiden vom , und .

a) Im Bescheid vom hat die Beklagte den am eingegangenen Antrag des Klägers, die bindend gewordene Rentenhöchstwertfeststellung im Bescheid vom zurückzunehmen und einen neuen (höheren) Rentenwert festzustellen, abgelehnt. Hierbei hat sie ihre Entscheidung (mit Blick auf die ergänzende Begründung im Widerspruchsbescheid vom ) darauf gestützt, dass die Voraussetzungen für eine "Neuberechnung" weder nach § 307a SGB VI noch nach § 307b SGB VI gegeben seien. Diesen Verwaltungsakt hat der Kläger nur teilweise mit der Klage angefochten. Er hat im erstinstanzlichen Verfahren nicht eine Neufeststellung des Rentenhöchstwerts auf der Grundlage durch § 307a SGB VI zugewiesener EP, sondern ausschließlich auf derjenigen aus § 307b SGB VI begehrt. Nur über dieses Begehren hat das befunden. Demzufolge war nur dieser prozessuale Anspruch Gegenstand der Berufung.

b) Gegenstände der Klagen sind auch die während des Berufungsverfahrens ergangenen Verwaltungsakte geworden, mit denen die Beklagte erneut eine Rücknahme der bindend gewordenen Rentenhöchstwertfeststellung im Bescheid vom abgelehnt hat. Das Berufungsgericht konnte über sie - ausnahmsweise - auf Klage entscheiden (§§ 153 Abs 1, 96 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Zu Unrecht ist das LSG allerdings davon ausgegangen, dass die ablehnende Entscheidung im Bescheid vom Gegenstand der Klage geworden ist. Diesen Verwaltungsakt hatte die Beklagte bereits im Bescheid vom aufgehoben, sodass er nicht mehr existent war.

2. Das Revisionsbegehren der Beklagten ist begründet.

Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass der Kläger sein Begehren zulässig in Kombination von Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Zahlungsklagen verfolgt hat (§ 54 Abs 1 und 4 SGG). Entgegen der Auffassung des LSG sind die erhobenen Klagen jedoch unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 44 Abs 1 und 2 SGB X auf Rücknahme der Höchstwertfeststellung im Bescheid vom ; diese Entscheidung war bei ihrem Erlass nicht rechtswidrig, denn die Beklagte hat bei der Ermittlung der EP zu Recht § 307a und nicht § 307b SGB VI angewandt.

Der Kläger unterfällt schon nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des § 307b SGB VI, weil er am keinen "Anspruch" (gemeint: subjektives Recht bzw Stammrecht) auf eine nach dem AAÜG überführte Rente des Beitrittsgebiets hatte (§ 307b Abs 1 Satz 1 SGB VI). Ihm stand für Dezember 1991 kein "Anspruch" auf Zahlung von Versorgungsrente aus dem Versorgungssystem Nr 27 gegen den Versorgungsträger zu, der zum nach § 4 AAÜG in das Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebiets hätte überführt werden können.

Materiell-rechtlich bestimmte sich ein solches Recht für Dezember 1991 allein nach dem zu diesem Zeitpunkt durch den Einigungsvertrag geschaffenen primären Bundesrecht und den als sekundäres Bundesrecht fortgeltenden Bestimmungen des Versorgungssystems Nr 27. Danach konnte ein (Stamm-)Recht auf Versorgung nur bestehen, wenn der Betroffene entweder vor dem durch einen Akt des in der DDR zuständigen Versorgungsträgers oder danach von einem bundesrechtlichen Funktionsnachfolger (ausdrücklich) in das Versorgungssystem einbezogen und ihm (ausdrücklich) ein solches Recht zuerkannt worden war. Entgegen der Auffassung des LSG haben die Regelungen des AAÜG keine rechtliche Relevanz für den Erwerb eines Rechts auf Versorgungsrente gegen einen Versorgungsträger (vgl zum Ganzen: , SozR 4-2600 § 307b Nr 3; , B 4 RA 39/03 R, SozR 4-2600 § 307a Nr 2; , B 4 RA 27/02 R, SozR 3-2600 § 307b Nr 10).

Der Kläger ist auf Grund seiner Austrittserklärung im Mai 1990 aus dem Versorgungssystem Nr 27 ausgeschieden. Ihm ist nicht durch Verwaltungsakt das Recht auf eine Versorgungsrente für Dezember 1991 zuerkannt worden. Der zuständige Versorgungsträger hat lediglich Zugehörigkeitszeiten des Klägers zum Versorgungssystem Nr 27 und die dabei erzielten Verdienste festgestellt, ihm aber nicht ein Stammrecht auf Versorgung für Dezember 1991 zuerkannt. Er ist demzufolge nicht zusatzversorgter Bestandsrentner iS des § 307b Abs 1 Satz 1 SGB VI; diese Vorschrift ist auf ihn nicht anwendbar. Die bindend gewordene Rentenhöchstwertfeststellung im Bescheid vom ist rechtmäßig.

3. Das LSG hat der Berufung und den Klagen des Klägers (für Bezugszeiten ab ) zu Unrecht stattgegeben. Die Revision der Beklagten musste Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
KAAAC-13766