BVerwG Urteil v. - 8 C 12.03

Leitsatz

Ein Unternehmen mit jüdischer Minderheitsbeteiligung, das nach den Kriterien der 3. DVO zum Reichsbürgergesetz vom als jüdisches Unternehmen galt, war bereits 1937 als kollektiv verfolgt anzusehen.

"Geschädigter Gesellschafter" im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG sind bei einem Mutter-Tochter-Verhältnis, bei dem die Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft einem schädigenden Ereignis unterlag, die Gesellschafter oder Anteilseigner der Muttergesellschaft.

Die Fiktion der Rechtsnachfolge der Conference on Jewish Material Claims against Germany (JCC) für Ansprüche von jüdischen Berechtigten tritt ein, wenn diese Ansprüche von den Berechtigten oder ihren Rechtsnachfolgern nicht durchgesetzt werden. Die formale Anmeldung durch den Berechtigten schließt bei späterer Rücknahme der Anmeldung oder Verzicht auf Rechtsmittel bei ablehnendem Bescheid die Geltendmachung durch die JCC nicht aus.

Gesetze: VermG § 1 Abs. 6; VermG § 2 Abs. 1 Satz 3; VermG § 3 Abs. 1 Satz 4; VermG § 3 Abs. 1 Satz 5; InVorG § 16 Abs. 1; REAO Art. 3

Instanzenzug: VG Gera VG 5 K 1136/97 GE vom

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Klägerin (der Conference on Jewish Material Claims against Germany, Inc.), von der Beigeladenen die Auskehr eines Anteils von 58,7 % am Erlös aus der investiven Veräußerung der im Grundbuch von I. eingetragenen Grundstücke, heute Bl. 41479, Flur 14, Flurstücke Nrn. 162/22, 163/22, 169/24, 173/25, 105/23, 104/23 und 102/22 in E. I. beanspruchen zu können.

Die Grundstücke standen ursprünglich im Eigentum der Firma M+L H. Schuhfabrik, an der mehrere Mitglieder der Familie H., die jüdischen Glaubens waren, beteiligt waren. Nach 1930 geriet die Firma wegen der Weltwirtschaftskrise in wirtschaftliche Schwierigkeiten und wurde im darauf eingeleiteten Vergleichsverfahren in Grundstücksaktiengesellschaft M. (im Folgenden: Grundstücks-AG) umbenannt und mit dem Unternehmensgegenstand Vermögensverwaltung fortgeführt, während die Schuhfabrikation am Standort E. zusammen mit den hier streitgegenständlichen Grundstücken auf eine neu gegründete Tochtergesellschaft "H. Schuhfabrik AG" übertragen wurde. Die Grundstücks-AG hielt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zunächst alle Aktienanteile an der H. Schuhfabrik AG. Zur Befriedigung ihrer Gläubiger gab sie sonstige Grundstücke und Beteiligungen sowie einen Aktienanteil von 185 500 RM an der H. Schuhfabrik AG in pari in Zahlung und verpfändete von dem Rest ihres Aktienanteils in Höhe von 264 100 RM einen Anteil von 200 000 RM. Zumindest ein Aufsichtsratsmitglied der Grundstücks-AG war jüdischen Glaubens. Das Aktienkapital in Höhe von 80 000 RM (nach zwei Kapitalherabsetzungen) verteilte sich nach einer Aufstellung vom zu 57 420 RM auf "arische" und 22 580 RM auf "nichtarische" Besitzer.

1937 wurden die Aktienanteile der Grundstücks-AG an der H. Schuhfabrik AG in Höhe von 264 100 RM zum Kurs von ca. 79 % auf das Gläubigerkonsortium der Grundstücks-AG gegen Ablösung der noch in Höhe von ca. 210 000 RM bestehenden Forderungen übertragen. Aus von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass ein Jahr später von einem Kurs der Aktien von 100 bis 130 % ausgegangen wurde. Die Grundstücks-AG wurde 1939 im Handelsregister gelöscht.

Die H. Schuhfabrik AG wurde 1940 von einem anderen Unternehmen übernommen, 1948 durch die sowjetische Militäradministration enteignet und als VEB Paul Sch. weiter betrieben, bevor sie 1990 in die L. GmbH Schuhfabrik i.L. umgewandelt wurde.

Die zur Verfügungsberechtigung der L. GmbH i.L. gehörenden streitgegenständlichen Grundstücke, die von der Grundstücks-AG auf die H. Schuhfabrik AG übertragen worden waren, wurden von der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mbH für 3,8 Mio. DM investiv veräußert. Die Verpflichtung zur Befriedigung etwaiger vermögensrechtlicher Ansprüche hinsichtlich des Veräußerungserlöses übertrug die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mbH mit deren Einverständnis auf die Beigeladene.

In den Jahren 1990 bis 1992 meldeten vier Antragsteller als Rechtsnachfolger verschiedener Mitglieder der Familie H. vermögensrechtliche Ansprüche an den Unternehmen M+L H. Schuhfabrik, Grundstücksaktiengesellschaft M. und H. Schuhfabrik AG an. Mit Schreiben vom machte außerdem Frau Elsa K. als Alleinerbin nach Olga H. entsprechende vermögensrechtliche Ansprüche geltend. Die Klägerin meldete mit Schreiben vom vermögensrechtliche Ansprüche hinsichtlich des Betriebsvermögens in E. Firma H., und im Verlauf des Jahres 1992 weitere Ansprüche hinsichtlich einzelner Grundstücke unter Angabe des ehemaligen Eigentümers Firma M+L H. Schuhfabrik an.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom lehnte das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die Anträge ab. Dabei ließ es dahinstehen, dass mit Ausnahme der Antragstellerin K. die anderen Antragsteller den Nachweis ihrer Berechtigung als Rechtsnachfolger für sämtliche Zweige der Familie H. nicht erbracht hätten. Denn das Unternehmen M+L H. Schuhfabrik AG bzw. die Grundstücks-AG M. seien nicht Gegenstand einer schädigenden Maßnahme gemäß § 1 VermG gewesen. Die Liquidation des Unternehmens und die damit verbundenen Verkäufe des Grundbesitzes der Firma seien nicht verfolgungsbedingt gewesen, sondern hätten auf der bereits vor dem eingetretenen und mit dem Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens am auch nach außen hin dokumentierten Insolvenz des Unternehmens beruht. Gegen den Bescheid haben nur die Klägerin und Frau Elsa K. Klage erhoben. Frau K. hat ihre Klage zwischenzeitlich zurückgenommen.

Die Klägerin sieht in der Übertragung des Aktienanteils der Grundstücks-AG an der H. Schuhfabrik AG zum Kurs von ca. 79 % im Jahr 1937 eine Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG. Aus § 3 Abs. 1 Sätze 4 und 5 VermG folge, dass in Höhe des ehemaligen Aktienanteils an der H. Schuhfabrik AG ein Anspruch auf Auskehr des Veräußerungserlöses bzw. des Verkehrswerts aus der investiven Veräußerung der Grundstücke nach § 16 Abs. 1 InVorG bestehe.

Die Klägerin hat beantragt, unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Thüringer Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom die Beklagte zu verpflichten festzustellen, 1. dass ihr für die 1937 vorgenommene Übertragung von Aktien der H. Schuhfabrik AG, E., im Nennwert von 264 100 RM dem Grunde nach eine Entschädigung nach Maßgabe des NS-Verfolgten-Entschädigungsgesetzes zustehe, und 2. dass sie hinsichtlich der streitgegenständlichen Grundstücke zu einem Bruchteil von 58,7 % rückübertragungsberechtigt ist und ihr im Hinblick auf die investive Veräußerung dieser Flurstücke ein Anspruch auf die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 58,7 % aller auf diese Flurstücke entfallenen Geldleistungen aus dem investiven Kaufvertrag, mindestens jedoch der Verkehrswert nach § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG zustehe.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom ergangenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Aktienanteil der Grundstücks-AG an der H. Schuhfabrik AG Gegenstand einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG gewesen sei. Dieser Aktienanteil könne heute nicht mehr zurückübertragen werden, da das bis zum Jahr 1990 fortgeführte, in die L. Schuhfabrik GmbH umgewandelte Unternehmen liquidiert worden sei. Da kein Unternehmen mehr bestehe, an dem Aktienanteile eingeräumt werden könnten, bestehe insoweit ein Anspruch auf Entschädigung nach § 1 NS-VEntschG und auf entsprechende Beteiligung an dem Erlös bzw. Verkehrswert der investiv veräußerten Grundstücke desjenigen fortgeführten Unternehmens, an dem der geschädigte Aktienanteil bestanden habe. Die Klägerin habe ihre Ansprüche fristgerecht angemeldet und gelte, da die Erfüllung eines Quorums nicht erforderlich sei, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG als Rechtsnachfolgerin sowohl der Grundstücksaktiengesellschaft als auch derjenigen ehemaligen jüdischen Anteilsinhaber, die keine bzw. nicht fristgerecht Ansprüche angemeldet hätten. Die Grundstücks-AG habe im Jahr 1937 ihren Aktienanteil an der H. Schuhfabrik AG verfolgungsbedingt zu einem unangemessenen Wert an das Gläubigerkonsortium abgeben müssen, so dass eine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG vorgelegen habe. Die Vermutung, dass die Übertragung des Aktienanteils zu nur 79 % des Wertes verfolgungsbedingt erfolgt sei, sei nicht widerlegt. Bei der Grundstücks-AG habe es sich nach damaligen NS-Vorstellungen um eine jüdische Gesellschaft gehandelt, weil es dafür ausreichend gewesen sei, wenn ein oder mehrere Mitglieder des Aufsichtsrates Juden oder Juden nach Kapital oder Stimmrecht entscheidend gewesen seien. Da mindestens 28 % des Aktienkapitals der Grundstücks-AG nichtarische Besitzer gehabt habe, zudem einer der beiden Liquidatoren und ein Aufsichtsratsmitglied jüdischen Glaubens gewesen sei, sei die Grundstücks-AG als jüdische Gesellschaft angesehen worden. Der Klägerin stehe als Rechtsnachfolgerin der Grundstücks-AG und als Rechtsnachfolgerin der übrigen jüdischen Anteilsinhaber ein Entschädigungsanspruch dem Grunde nach hinsichtlich des Aktienanteils der Grundstücks-AG an der H. Schuhfabrik AG zu. Nach § 3 Abs. 1 Sätze 4 und 5 VermG, § 16 Abs. 1 InVorG habe sie darüber hinaus in Höhe des geschädigten Aktienanteils dem Grunde nach einen Anspruch darauf, statt des nicht mehr einräumbaren Bruchteilseigentums an den Grundstücken eine Beteiligung an dem Veräußerungserlös aus der investiven Veräußerung der im Grundbuch von I. eingetragenen Grundstücke zu erhalten.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beigeladene die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Gera insoweit aufzuheben, als die Beklagte verpflichtet wird festzustellen, dass der Klägerin aus der investiven Veräußerung der im Grundbuch von I., heute Bl. 41479, eingetragenen Grundstücke Flur 14, Flurstücke Nrn. 162/22, 163/22, 169/24, 173/25, 105/23, 104/23 und 102/22 ein Anspruch auf Auskehr des Veräußerungserlöses bzw. des Verkehrswertes in Höhe eines Bruchteils von 58,7 % dem Grunde nach gegen die Beigeladene zusteht und insoweit die Klage abzuweisen.

Die Beklagte schließt sich den Ausführungen der Beigeladenen ohne eigene Antragstellung an.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Revision ist teilweise mit der Folge der Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt insoweit Bundesrecht und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

Allerdings liegt kein Verstoß gegen § 1 Abs. 6 VermG darin, dass das Verwaltungsgericht angenommen hat, die Grundstücks-AG sei zum Zeitpunkt der Veräußerung des Aktienanteils an der H. Schuhfabrik AG im Jahr 1937 als jüdisches Unternehmen und als kollektiv verfolgt anzusehen, so dass die Vermutungsregelung des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG für die Veräußerung des Aktienpaketes gelte. Zwar gab es im Jahr 1937 noch keine Legaldefinition, was - nach damaliger Terminologie - als "jüdisches Unternehmen" anzusehen war. Diese erfolgte erst durch die 3. Durchführungsverordnung zum Reichsbürgergesetz vom . Zumindest für Unternehmen mit jüdischer Mehrheitsbeteiligung wurde aber in der Rechtsprechung der Rückerstattungsgerichte, die bei der Auslegung des § 1 Abs. 6 VermG heranzuziehen ist ( BVerwG 8 C 14.98 - BVerwGE 108, 157 <163> = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 167 S. 519 <524> und vom - BVerwG 7 C 12.00 - BVerwGE 114, 68 <70> = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 Nr. 10), die Kollektivverfolgung für die gesamte Dauer der "maßgebenden Zeit", d.h. vom an bejaht (ORG Berlin, RzW 1956, 207 <208>; BOR Herford, RzW 1951, 216). Dem ist das Bundesverwaltungsgericht gefolgt ( BVerwG 7 C 21.01 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 51; zur "Verdrängung der Juden aus der Wirtschaft im Dritten Reich" vgl. etwa die gleichnamige Schrift von Helmut Genschel, Göttingen, 1966).

Es kann offen bleiben, ob auch bei Unternehmen mit jüdischer Minderheitsbeteiligung eine Kollektivverfolgung bereits ab 1933 angenommen werden kann, jedenfalls für den hier maßgeblichen Zeitpunkt 1937 ist sie aber zu vermuten. Zwar war die 3. Durchführungsverordnung zum Reichsbürgergesetz (3. DVO) noch nicht in Kraft; es ist deshalb auch nicht auf deren § 2 abzustellen, der für die Kriterien, wann ein Gewerbebetrieb als jüdisch anzusehen ist, auf die Verhältnisse am abstellte. Entscheidend ist aber, dass die 3. DVO bereits seit dem vorlag und nur wegen des für die hier streitige Frage unwesentlichen Entwurfs des Gewerbezeichens nicht unterzeichnet wurde (vgl. die Nachw. bei ORG Berlin, RzW 1956, 207 <209>). War somit die 3. DVO schon im Februar 1937 beschlossen, so bestand zumindest seit diesem Zeitpunkt die Absicht der nationalsozialistischen Regierung, Unternehmen, die nach den Kriterien der späteren 3. DVO zum Reichsbürgergesetz als jüdisch anzusehen waren, vom kulturellen und wirtschaftlichen Leben Deutschlands auszuschließen. Das reicht für die Vermutung der Kollektivverfolgung gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 REAO aus. Gestützt auf diese Vermutung hat das Verwaltungsgericht die Grundstücks-AG als jüdisches Unternehmen und den Verkauf ihres Aktienpakets an der H. Schuhfabrik AG unter Kurswert als schädigendes Ereignis angesehen.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt aber Bundesrecht mit der Feststellung, dass der Klägerin aus der investiven Veräußerung der Grundstücke der H. Schuhfabrik AG gemäß § 3 Abs. 1 Sätze 4 und 5 VermG i.V.m. § 16 Abs. 1 InVorG ein Anspruch auf Auskehr des Veräußerungserlöses in Höhe eines Bruchteils von mehr als 16,436 % zustehe.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG ist in den Fällen des § 1 Abs. 6 VermG bei der Schädigung eines Unternehmens eine Singularrestitution durch Einräumung von Bruchteilseigentum hinsichtlich solcher Vermögensgegenstände möglich, die nicht mehr zum Vermögen des Unternehmens gehören. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf diese Vorschrift abgestellt, denn weder die Grundstücks-AG noch die H. Schuhfabrik AG sind als Unternehmen in ihrem Bestand geschädigt worden. Das schädigende Ereignis lag nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts in dem Verkauf des Aktienanteils der Grundstücks-AG an der H. Schuhfabrik AG zu einem unangemessen niedrigen Kurs. Es liegt deshalb kein Fall der Unternehmensrestitution im Sinne des § 6 VermG vor. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass die Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG nicht voraussetzt, dass das Unternehmen zurückgegeben wird, sondern dass der Anspruch auch besteht, wenn die Schädigung die Beteiligung an einem Unternehmen betraf (vgl. BVerwG 7 C 53.96 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 18).

§ 3 Abs. 1 Satz 4 VermG gibt dem Berechtigten über den so genannten doppelten Durchgriff einen Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum an den streitgegenständlichen Grundstücken, die von der Grundstücks-AG auf die H. Schuhfabrik AG bei deren Gründung übertragen worden und auch im Eigentum ihrer Rechtsnachfolger verblieben waren. Nach der investiven Veräußerung der Grundstücke ist an die Stelle des Anspruchs auf Einräumung von Bruchteilseigentum ein Anspruch auf anteilige Auskehr des Erlöses gemäß § 16 Abs. 1 InVorG getreten.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG ist Berechtigter im Sinne des Satzes 4 der geschädigte Gesellschafter und nicht das Unternehmen. Zwar ist die Grundstücks-AG, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist, Gesellschafterin der H. Schuhfabrik AG. Die Schädigung erfolgte aber nicht in der Person der H. Schuhfabrik AG, sondern in der Person der Grundstücks-AG, die ihren Aktienanteil an der H. Schuhfabrik AG unter Wert abgeben musste. "Geschädigte Gesellschafter" im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG sind deshalb die Anteilseigner als Gesellschafter der Grundstücks-AG, nicht die Grundstücks-AG selber. Zwar mag bei Mutter-Tochter-Sachverhalten wie hier in der Schädigung der Muttergesellschaft zugleich eine mittelbare Schädigung der Tochtergesellschaft liegen, doch kann der Träger der Muttergesellschaft nicht über seine Beteiligung an der Tochter Bruchteilsberechtigter an Unternehmensteilen der Tochtergesellschaft werden. Es bliebe dann nämlich unklar, in welchem Verhältnis der Träger der Muttergesellschaft in Konkurrenz zu seinen Gesellschaftern Eigentum an dem Vermögensgegenstand erlangen könnte. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte ein derartiger Prätendentenstreit mit der Einfügung des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz gerade ausgeschlossen werden (vgl. die Stellungnahme des Rechtsausschusses, BTDrucks 13/7275, S. 44).

Auch Sinn und Zweck der Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG sprechen dafür, dass geschädigte Gesellschafter die Aktionäre der Grundstücks-AG (Muttergesellschaft) oder ihre Rechtsnachfolger sind und nicht die Grundstücks-AG selber. Denn die Ansprüche der Muttergesellschaft würden die ihrer Anteilseigner verdrängen. Existiert die Muttergesellschaft aber nicht mehr oder z.B. nur im Ausland fort, könnten ihre Ansprüche nur durch die nach § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG als Rechtsnachfolgerin geltende Klägerin bzw. das ausländische Unternehmen geltend gemacht werden. Einzelne Anteilseigner oder ihre Rechtsnachfolger würden mit ihren Ansprüchen ausgeschlossen. Wenn ihnen nicht die Stellung als geschädigter Gesellschafter im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG zukommt, könnten sie zudem weder die Rückerstattung an sich fordern, noch an das nicht mehr existente ehemalige Unternehmen, weil es nicht gemäß § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG wieder belebt wurde. Das würde bedeuten, dass die Klägerin durch ihre Anmeldung der Ansprüche der Grundstücks-AG die angemeldeten Ansprüche ehemaliger Aktionäre bzw. ihrer Rechtsnachfolger verdrängen würde. Das widerspricht der allein subsidiären Berechtigung der Klägerin, mit der zwar verhindert werden soll, dass der Fiskus des Staates begünstigt wird, in dessen jüngster Geschichte sich das wieder gutzumachende Unrecht ereignet hat (vgl. BTDrucks 11/7831 S. 4). Es ist aber nicht der Zweck der Nachfolgeregelung zugunsten der Klägerin, dass die angemeldeten Ansprüche jüdischer Berechtigter oder ihrer Rechtsnachfolger untergehen (vgl. dazu auch BVerwG 8 C 11.00 - BVerwGE 115, 152 <157> = Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 61).

Zwar sah das alliierte Rückerstattungsrecht grundsätzlich nur das Unternehmen und nicht die Gesellschafter als restitutionsberechtigt an (vgl. ORG Berlin, RzW 1956, 207). Das kann aber nicht direkt übertragen werden, weil das alliierte Rückerstattungsrecht keine dem § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG vergleichbare Regelung enthielt.

Da die Klägerin nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch für die ehemaligen jüdischen Anteilsinhaber der Grundstücks-AG Ansprüche nach § 30 a Abs. 1 VermG fristgemäß angemeldet hat, ist sie auch für die geschädigten Gesellschafter als Berechtigte im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG anzusehen. Die Rechtsnachfolge gilt für alle jüdischen Anteilseigner, da nach der bestandskräftigen Ablehnung gegenüber den anderen Antragstellern keine Anträge jüdischer Berechtigter hinsichtlich der streitgegenständlichen Grundstücke mehr anhängig sind. Die Anträge der im angefochtenen Bescheid aufgeführten Antragsteller zu 1 bis 5 beeinträchtigen die Ansprüche der Klägerin nicht. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Antragsteller, die den ablehnenden Bescheid nicht mit einer Klage angefochten haben bzw. die Antragstellerin, die ihre Klage zurückgenommen hat, tatsächlich Rechtsnachfolger von ehemaligen Aktionären waren, was der Bescheid offen gelassen hatte. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG, der nicht auf die formelle Anmeldung von Restitutionsansprüchen abstellt, sondern die Klägerin als Rechtsnachfolgerin einsetzt, "soweit Ansprüche ... nicht geltend gemacht werden", ist dahin zu verstehen, dass die Rechtsnachfolge auch solche Ansprüche von Berechtigten umfasst, die zwar zunächst angemeldet, im Fall einer negativen Bescheidung aber nicht durchgesetzt wurden. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Rechtsnachfolge der Klägerin fingiert, sie "gilt" nur als Rechtsnachfolger. Sie muss sich deshalb auch nicht den Verzicht eventueller Berechtigter auf die weitere Durchsetzung ihrer Ansprüche durch Antragsrücknahme oder Verzicht auf Rechtsmittel gegen ablehnende Bescheide zurechnen lassen. Nur so kann dem Zweck der Rechtsnachfolgeregelung zugunsten der Klägerin, dass - wenn die Restitutionsansprüche nicht jüdischen Berechtigten oder ihren Rechtsnachfolgern zugute kommen - nicht der Fiskus des Staates begünstigt werden soll, in dessen Geschichte sich das wieder gutzumachende Unrecht ereignet hat (vgl. BTDrucks 11/7831 S. 4), umfassend Rechnung getragen werden.

Der Umfang der Ansprüche der Klägerin richtet sich danach, wie hoch der Anteil der jüdischen Aktionäre im Zeitpunkt der Schädigung war, da die Klägerin nur für diese, nicht aber hinsichtlich anderer Geschädigter als Rechtsnachfolger gilt. Dazu hat das Verwaltungsgericht nur die Feststellung getroffen, dass "mindestens 28 %" des Aktienkapitals "nichtarische" Besitzer gehabt habe. Diese vom Verwaltungsgericht festgestellte Mindestbeteiligung der jüdischen Aktionäre ist von der Revision mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden. Insoweit ist die Revision deshalb unbegründet. Im Übrigen ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts aber zu unbestimmt, um die Höhe der Ansprüche der Klägerin am Veräußerungserlös festzustellen. Insoweit ist eine weitere Sachaufklärung erforderlich, bei der allerdings, falls konkrete Zahlen für den Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses nicht festgestellt werden können, auf den Stand von 1936 abzustellen sein wird, wenn Anhaltspunkte für spätere Änderungen der Aktienanteile fehlen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist deshalb teilweise aufzuheben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
ZAAAC-13398