BVerwG Beschluss v. - 4 B 49.05

Leitsatz

Das Bundesverwaltungsgericht wird durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht abzuhelfen, Gericht der Hauptsache im Sinne von § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO. Das gilt auch, wenn das Oberverwaltungsgericht, ohne gegen das Willkürverbot zu verstoßen, vor Ablauf der Beschwerdeeinlegungs- und -begründungsfrist über die Nichtabhilfe entschieden hat.

Bei Infrastrukturvorhaben in einem gemeldeten FFH-Gebiet, über dessen Aufnahme in die Gemeinschaftsliste die EU-Kommission noch nicht entschieden hat, stellt jedenfalls die Anlegung der materiellrechtlichen Maßstäbe des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL in aller Regel einen "angemessenen Schutz" im Sinne des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom - C 117/03 - dar.

Gesetze: VwGO § 80 Abs. 5 Satz 1; VwGO § 80 Abs. 7 Satz 1; VwGO § 133 Abs. 3 Satz 2; VwGO § 133 Abs. 5 Satz 1; LuftVG § 10 Abs. 6 Satz 1; BNatSchG § 34; HENatG § 20 d; FFH-RL Art. 4 Abs. 5; FFH-RL Art. 6 Abs. 2; FFH-RL Art. 6 Abs. 3; FFH-RL Art. 6 Abs. 4; FFH-RL Art. 7; Vogelschutz-RL Art. 4 Abs. 4 Satz 1

Instanzenzug: Hessischer VGH 12 A 8/05 vom

Gründe

I.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat durch Urteil vom die Klage des Klägers, eines anerkannten Vereins für Umwelt- und Naturschutz, gegen den Planfeststellungsbeschluss des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom zur Errichtung einer Werft für das Großraumflugzeug Airbus A 380 am Verkehrsflughafen Frankfurt/Main im Wesentlichen abgewiesen und die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Mit Beschluss vom selben Tage (12 Q 9/05) hat der Verwaltungsgerichtshof den Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den genannten Planfeststellungsbeschluss anzuordnen, abgelehnt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom beim Verwaltungsgerichtshof bereits vor Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Er hat gebeten, dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde noch vor dem vorzulegen, damit das Revisionsgericht die Möglichkeit erhalte, gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Am wolle der Beigeladene mit der im Planfeststellungsbeschluss zugelassenen Rodung des Waldes auf der für den Bau der Halle vorgesehenen Fläche beginnen. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Beschwerde durch Beschluss vom nicht abgeholfen. Das Urteil wurde dem Kläger am zugestellt. Der Senat hat dem Kläger Gelegenheit gegeben, bis zur Frage einer Entscheidung nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO weiter vorzutragen. Die Beigeladene hat auf Anregung des Senats erklärt, mit den Rodungsarbeiten nicht vor dem zu beginnen.

II.

Der Senat macht von seiner Befugnis, den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom - 12 Q 9/05 - von Amts wegen zu ändern, keinen Gebrauch.

1. Die prozessualen Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO liegen vor. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Der Senat ist durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom , der Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision nicht abzuhelfen, Gericht der Hauptsache geworden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - BVerwG 5 B 76.61 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 32, vom - BVerwG 1 B 134.93 - InfAuslR 1994, 395 und vom - BVerwG 4 VR 13.02 - nicht veröffentlicht). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über die Nichtabhilfe war zwar verfrüht. Denn das Ausgangsgericht hat über alle geltend gemachten Revisionszulassungsgründe in eigener Verantwortung und - für den Fall der Revisionszulassung - mit bindender Wirkung für das Revisionsgericht (§ 132 Abs. 3 VwGO) zu entscheiden (vgl. BVerwG 9 B 552.97 - NVwZ 1997, 1209 <1210>). Eine solche Entscheidung war am nicht möglich, denn die Frist für die Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision war mangels Zustellung des vollständigen Urteils noch nicht einmal in Lauf gesetzt (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) und der Kläger hatte sich ausdrücklich vorbehalten, seine Beschwerdebegründung zu ergänzen. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts als Gericht der Hauptsache wird jedoch auch durch einen verfrühten Nichtabhilfebeschluss begründet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom , a.a.O. und vom - BVerwG 1 CB 14.82 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 125, jeweils zu einer Nichtabhilfeentscheidung auf eine formfehlerhafte Beschwerde). Das gilt jedenfalls, wenn das Ausgangsgericht nicht willkürlich vor Ablauf der Beschwerdeeinlegungs- und -begründungsfrist über die Nichtabhilfe entschieden hat, denn dann wäre der Anspruch der Beteiligten aus Art. 101 Abs. 1 GG auf den gesetzlichen Richter verletzt (vgl. - EuGRZ 2005, 1233; BVerfGE 29, 45 <49>; BVerwG 4 B 191.83 - BVerwGE 69, 30 <36>). Der Nichtabhilfebeschluss des Verwaltungsgerichtshofs ist nicht willkürlich. Der Kläger hatte den aus seiner Sicht wesentlichen Grund für die Zulassung der Revision - die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs über den gemeinschaftsrechtlich gebotenen Schutz für ein gemeldetes, aber noch nicht in die Gemeinschaftsliste aufgenommenes FFH-Gebiet - geltend gemacht; insoweit konnte der Verwaltungsgerichtshof über die Abhilfe bzw. Nichtabhilfe entscheiden. Hinzu kommt, dass der Kläger ausdrücklich beantragt hatte, unverzüglich über die Abhilfe zu entscheiden und gegebenenfalls die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen. Weitere Zulassungsgründe sind - ungeachtet der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts als Gericht der Hauptsache - gemäß § 133 Abs. 3 Satz 2 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof einzureichen, damit dieser gemäß § 133 Abs. 5 Satz 1 VwGO auch insoweit über die Abhilfe befinden kann (vgl. a.a.O.).

2. Das Gericht der Hauptsache hat gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO unabhängig von etwaigen Anträgen oder Anregungen der Beteiligten auf der Grundlage seiner Rechtserkenntnis über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu entscheiden; es gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie für eine Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - BVerwG 4 ER 302.92 u.a. - juris Rn. 18 und vom - BVerwG 4 VR 1.94 - BVerwGE 96, 239 <240>). Die Entscheidung nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO ist keine Rechtsmittelentscheidung gegen die in der Vorinstanz im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes getroffene Entscheidung (vgl. BVerwG 7 C 88.87 - BVerwGE 80, 16 <17>).

Hier überwiegt das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses das vom Kläger vertretene Interesse, die Schaffung vollendeter Tatsachen durch Rodung des Waldes vor einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache zu verhindern. Denn das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichtshofs wird voraussichtlich Bestand haben. Die bisherige Begründung der Beschwerde würde die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Es drängt sich auch nicht auf, dass die Revision aus anderen, bisher nicht vorgebrachten Gründen zuzulassen und der Klage im Ergebnis stattzugeben sein könnte. Unter diesen Umständen hat es bei dem in § 10 Abs. 6 Satz 1 LuftVG angeordneten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage, der auf gesetzgeberischer Ebene zur beschleunigten Umsetzung luftrechtlicher Planungsentscheidungen beitragen soll (vgl. BVerwG 4 VR 1005.04 - NVwZ 2005, 689), zu bleiben.

Der Kläger macht in erster Linie geltend, dass das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensfehler beruhe (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof habe das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über den Vorlagebeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom - 8 A 02.40040 u.a. (juris) - aussetzen müssen. Die in diesem Beschluss dem Europäischen Gerichtshof als dem insoweit zuständigen gesetzlichen Richter vorgelegte Frage sei auch hier entscheidungserheblich, nämlich die Frage, welches Schutzregime Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen vom (ABl EG Nr. L 206 S. 7 - FFH-RL) in Verbindung mit der sechsten Begründungserwägung dieser Richtlinie unter Berücksichtigung des Frustrationsverbotes gemäß Art. 10 Abs. 2 EGV im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom - C-117/03 - (NVwZ 2005, 311) für solche Gebiete verlange, die als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung bestimmt werden können, bevor sie in die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft nach dem Verfahren des Art. 21 der Richtlinie festgelegte Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden sind. Darüber hinaus müsse die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen werden, denn die genannte Frage bedürfe der Klärung in einem Revisionsverfahren.

Dieses Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Der Verwaltungsgerichtshof war nicht verpflichtet, das Verfahren im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom auszusetzen. Soweit sich die genannte Frage in dem erstrebten Revisionsverfahren stellen würde, kann sie auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens und ohne eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs eindeutig im Sinne des angefochtenen Urteils beantwortet werden.

Um auf der sicheren Seite zu stehen, ist die Planfeststellungsbehörde im vorliegenden Fall davon ausgegangen, dass das aufgrund seiner Ausstattung mit nichtprioritären Lebensräumen und Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse nach Anhang I und II der FFH-RL gemeldete Gebiet in die Gemeinschaftsliste aufgenommen wird; sie hat den Plan für die Errichtung der A 380-Werft an dem Schutzstandard des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL (§ 20 d HENatG, § 34 BNatSchG) gemessen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde überprüft und bestätigt, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahmeentscheidung nach Art. 6 Abs. 4 Unterabsatz 1 FFH-RL bzw. § 20 d Abs. 3 HENatG vorliegen. Zu entscheiden wäre in einem Revisionsverfahren mithin nur, ob die hier erfolgte Prüfung am Maßstab des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL dem gemeinschaftsrechtlich gebotenen Schutzstandard für gemeldete, aber noch nicht in die Gemeinschaftsliste aufgenommene Gebiete genügt. Dass diese Frage - wie in dem angefochtenen Urteil geschehen - zu bejahen ist, unterliegt nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom - C-117/03 - keinem vernünftigen, zur Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs verpflichtenden (vgl. 283/81 - Slg. 1982 S. 3415 ff. Rn. 16) Zweifel.

An dieser Erkenntnis ändert auch der Vorlagebeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom nichts. Denn ihm liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde als derjenige, über den im vorliegenden Verfahren zu entscheiden ist. Für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bestand keine Veranlassung, zu der im vorliegenden Verfahren zu beantwortenden Frage eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen. In dem im dortigen Verfahren angefochtenen Planfeststellungsbeschluss wurde - anders als hier - weder eine Prüfung am Maßstab des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL vorgenommen noch wurden sonstige Schutzmaßnahmen für die betroffenen Gebiete untersucht. Die Planfeststellungsbehörde hatte keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass die Erhaltungsziele potenzieller Schutzgebiete im Sinne der FFH-RL nachhaltig und erheblich beeinträchtigt würden (vgl. BayVGH, Beschluss vom - 8 A 02.40040 - BA S. 6). Die von dem Plan betroffenen Gebiete wurden erst nach der Feststellung des Plans der Kommission gemeldet (vgl. a.a.O., BA S. 6). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof konnte - anders als die Planfeststellungsbehörde - nicht ausschließen, dass die Planung zu erheblichen Beeinträchtigungen eines prioritären Lebensraumtyps führen werde (vgl. a.a.O., BA S. 11). Im dortigen Verfahren geht es mithin um die Frage, ob auch ein weniger strenger Schutzstandard als der des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügen kann.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom - a.a.O. - Art. 4 Abs. 5 der FFH-RL dahin ausgelegt, dass die in Art. 6 Absätze 2 bis 4 der Richtlinie vorgesehenen Schutzmaßnahmen nur für die Gebiete getroffen werden müssen, die nach Art. 4 Abs. 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie in die von der Kommission nach dem Verfahren des Art. 21 der Richtlinie festgelegte Liste aufgenommen worden sind. Er hat mithin - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <22 ff.>, vom - BVerwG 4 C 2.99 - BVerwGE 110, 302 <308 f.>, vom - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <156 f.> und vom - BVerwG 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <257 ff.>) - eine unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie vor Aufnahme eines Gebiets in die Gemeinschaftsliste verneint. Er hat weiter entschieden, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf gemeldete Gebiete, insbesondere solche, die prioritäre Lebensraumtypen oder prioritäre Arten beherbergen, nach der Richtlinie verpflichtet sind, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die im Hinblick auf das mit der Richtlinie verfolgte Erhaltungsziel geeignet sind, die erhebliche ökologische Bedeutung, die diesen Gebieten auf nationaler Ebene zukommt, zu wahren. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass ohne einen angemessenen Schutz dieser Gebiete vom Zeitpunkt der Meldung an die Verwirklichung der u.a. in der sechsten Begründungserwägung und in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie genannten Ziele der Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen gefährdet seien (Rn. 27 der Entscheidung). Einen derartigen "angemessenen Schutz" haben der angefochtene Planfeststellungsbeschluss und ihn bestätigend das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs dem in Rede stehenden Meldegebiet zukommen lassen.

Welche Anforderungen an einen angemessenen Schutz im Einzelnen zu stellen sind, braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden. Bei Vorhaben der vorliegenden Art (Infrastrukturvorhaben) stellt jedenfalls die Anlegung der materiellrechtlichen Maßstäbe des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL in aller Regel - und so auch hier - eine Schutzmaßnahme dar, die im Hinblick auf das mit der Richtlinie verfolgte Erhaltungsziel geeignet ist, die erhebliche ökologische Bedeutung des Gebiets zu wahren. Es ist nicht, wie der Kläger in Anschluss an Gellermann (NuR 2005, 433 <435 f.>; ebenso Nebelsieck, NordÖR 2005, 235 <237 f.>) meint, geboten, bis zur Entscheidung der Kommission über die Aufnahme des Gebiets in die Gemeinschaftsliste jedwede Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, ohne die Möglichkeit einer Ausnahmeentscheidung nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL zu vermeiden. Auch nach Aufnahme eines Gebiets in die Gemeinschaftsliste wird das allgemeine Verschlechterungsverbot (vgl. Art. 6 Abs. 2 FFH-RL) für Pläne und Projekte durch einen Ausnahmevorbehalt (Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL) durchbrochen. Ein Grund, ein gemeldetes FFH-Gebiet stärker vor als nach der Aufnahme in die Gemeinschaftsliste zu schützen, ist nicht ersichtlich. Der insoweit allein in Betracht kommende Anreiz- bzw. Sanktionsgedanke, den der EuGH zur Rechtfertigung der Dualität der Schutzregelungen nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl EG Nr. L 103 S. 1 - VSR) für faktische Vogelschutzgebiete einerseits und nach Art. 7 der FFH-RL für zu besonderen Schutzgebieten erklärte Vogelschutzgebiete andererseits herangezogen hat (vgl. - Slg. 2000, I-10799 Rn. 51 ff. - Basses Corbières), kann, jedenfalls wenn der Mitgliedstaat das Gebiet als FFH-Gebiet gemeldet hat, ein absolutes Verschlechterungsverbot nicht rechtfertigen. Wenn der Mitgliedstaat seiner Meldeverpflichtung in Bezug auf ein bestimmtes Gebiet nachgekommen ist, bedarf es eines hierauf gerichteten Anreizes nicht mehr. Wann die Kommission über die Aufnahme des Gebiets in die Liste entscheidet, hängt nicht allein vom Mitgliedstaat und der Vollständigkeit seiner Meldungen im Übrigen, sondern auch vom Meldeverhalten anderer Mitgliedstaaten und vor allem von der Kommission selbst ab. Der Mitgliedstaat zieht, wenn er das Vorhaben an dem Schutzstandard des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL misst, aus der verspäteten Meldung des Gebiets auch keinen Vorteil. Die Entscheidung des Gerichtshofs vom enthält im Übrigen weder eine Bezugnahme auf seine Rechtsprechung zu den Vogelschutzgebieten noch einen sonstigen Hinweis darauf, dass ein absolutes Verschlechterungsverbots gemeinschaftsrechtlich geboten sein könnte.

Die hilfsweise geltend gemachten weiteren Gründe für die Zulassung der Revision liegen entweder nicht vor oder sind nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt. Insoweit bleibt die Begründung dem Beschluss über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vorbehalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Fundstelle(n):
IAAAC-12614