BVerwG Urteil v. - 3 C 38.04

Leitsatz

1. Der Gebührenanspruch für die Zulassung oder die Nachzulassung eines Arzneimittels verjährt nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG vier Jahre nach Stellung des Zulassungsantrags ohne Rücksicht auf die Fälligkeit. Die Vollständigkeit des Antrages ist insofern ohne Belang.

2. § 105 b AMG hat Gebührenansprüche, die bei seinem In-Kraft-Treten bereits verjährt und damit erloschen waren, nicht wieder aufleben lassen.

Gesetze: AMG § 33; AMG § 105 b; VwKostG § 11; VwKostG § 14; VwKostG § 17; VwKostG § 20

Instanzenzug: VG Berlin VG 14 A 285/99 vom OVG Berlin OVG 5 B 1.02 vom

Gründe

I.

Die Klägerin ist Arzneimittelherstellerin. Am beantragte sie beim Institut für Arzneimittel des Bundesgesundheitsamtes für ihr Produkt "Vivimed plus C Brausetabletten" - seit November 1997 "Vivimed ASS Brausetabletten gegen Kopfschmerzen" - die Verlängerung der fiktiven arzneimittelrechtlichen Zulassung (Nachzulassung) nach § 105 AMG. Sie machte dabei Angaben über die Bestandteile des Arzneimittels, die Darreichungsform, die Anwendungsgebiete und die Wirkungen. Sie ergänzte diese Angaben später um die Angaben und Unterlagen nach § 105 Abs. 4 Satz 2 AMG (so genannter Langantrag). Mit Schreiben vom gab das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) der Klägerin Gelegenheit, bestimmte im Einzelnen benannte Mängel binnen drei Jahren zu beheben. Dem kam die Klägerin mit Schreiben vom nach. Mit Bescheid vom erteilte ihr das BfArM die Verlängerung der Zulassung.

Mit dem hier angegriffenen Bescheid vom gab das BfArM der Klägerin auf, für die Entscheidung über die Verlängerung eine Gebühr in Höhe von 22 100 DM zu entrichten. Die Gebühr beruhe auf § 5 Abs. 1 Nr. 4 a Buchst. aa der Kostenordnung für die Zulassung von Arzneimitteln in der Fassung vom .

Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Gebühr sei bereits 1994 verjährt. Die nachträgliche Änderung des Beginns der Verjährungsfrist durch die 8. AMG-Novelle verletze rechtsstaatliche Prinzipien. Sollte die Gebührenforderung nicht verjährt sein, so wäre sie nach der im Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Kostenverordnung zu verrechnen. Außerdem sei die Gebühr zu ermäßigen, weil der Umsatz im Jahr vor Erteilung des Bescheides gering gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom setzte das BfArM die Gebühr für die Zulassung auf 5 525 DM herab und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Die Gebühr sei nicht verjährt. Die Verjährung trete nach der speziellen Regelung des § 105 b AMG erst ein, wenn nach der Bekanntgabe der abschließenden Entscheidung vier Jahre abgelaufen seien. Das sei hier nicht der Fall.

Auf die Klage hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Gebührenbescheide mit Urteil vom aufgehoben. Dazu hat es ausgeführt, die Beklagte sei zur Gebührenerhebung nicht berechtigt, weil der Anspruch auf Zahlung der Gebühr gemäß § 20 Abs. 1 Sätze 1 und 3 VwKostG verjährt und erloschen sei.

Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom zurückgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, maßgebliche Rechtsgrundlage für die Erhebung der Gebühren im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren sei § 33 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG -). § 33 Abs. 3 AMG erkläre das Verwaltungskostengesetz (VwKostG) ohne Einschränkung für anwendbar. § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG enthalte für den Anspruch auf Zahlung von Kosten nebeneinander zwei Verjährungsfristen von drei und von vier Jahren. Für die erste Frist enthalte die Bestimmung keine Angabe über den Zeitpunkt des Beginns des Fristlaufs. Die zweite durch das Wort "spätestens" als absolute Verjährungsfrist gekennzeichnete Frist knüpfe hingegen ausdrücklich an die Entstehung an. Wenn Satz 2 des § 20 Abs. 1 VwKostG bestimme, die Verjährung beginne mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch fällig geworden ist, könne sich dies systematisch nur auf die 1. Alternative des Satzes 1 beziehen. Der Gebührenanspruch entstehe nach § 11 Abs. 1 VwKostG bei einer antragsabhängigen Amtshandlung mit dem Eingang des Antrags bei der zuständigen Behörde. Fälligkeit trete hingegen nach § 17 VwKostG mit der Bekanntgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner ein.

Hier komme die absolute Verjährungsregelung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 VwKostG zum Tragen. Die Nachzulassung der Arzneimittel sei antragsbedürftig. Den erforderlichen Antrag habe die Klägerin im Dezember 1989 gestellt. Die Vollständigkeit des eingereichten Antrages sei für die Entstehung der Kostenschuld nach § 11 Abs. 1 VwKostG nicht von Bedeutung. Deshalb habe weder die Ergänzung der eingereichten Unterlagen nach § 105 Abs. 4 Satz 2 AMG noch die spätere Mängelbeseitigung das Entstehen des Gebührenanspruchs verhindert. Etwaigen Schwierigkeiten, die Höhe der anfallenden Kosten bereits bei Antragstellung genau zu ermitteln, könne die Behörde durch die Einforderung eines Kostenvorschusses nach § 16 VwKostG begegnen. Dadurch werde die Verjährung nach § 20 Abs. 3 VwKostG unterbrochen. Hiernach sei die vierjährige Verjährungsfrist bereits mit dem abgelaufen und die Gebührenansprüche der Beklagten nach § 20 Abs. 1 Satz 3 VwKostG erloschen. Bei Erlass der Kostenbescheide Ende 1997 bzw. Anfang 1998 hätten daher keine Gebührenansprüche mehr bestanden.

§ 105 b AMG habe an der eingetretenen Verjährung nichts geändert. Die Vorschrift sei am in Kraft getreten. Weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte gäben Anlass zu der Annahme, dass sich das Gesetz Rückwirkung beimesse. Die Bestimmung könne daher nur Gebührenansprüche erfassen, die zu diesem Zeitpunkt bestanden hätten oder später entstanden seien. Ansprüche, die zuvor erloschen seien, unterfielen der neuen Regelung nicht. Würden sie gleichwohl mit Bescheid geltend gemacht, sei der Bescheid rechtswidrig, auch wenn das Kostenfestsetzungsverfahren bei In-Kraft-Treten des § 105 b AMG noch nicht abgeschlossen gewesen sei.

Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter. Sie ist der Auffassung, die Gebührenansprüche seien bei Erlass der angefochtenen Bescheide nicht verjährt gewesen. Auch die absolute Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 VwKostG beginne erst mit der Fälligkeit der Kostenforderung zu laufen. Das ergebe sich aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 2 VwKostG, der generell vom Beginn der Verjährung spreche. Zu Unrecht meine das Berufungsgericht, § 20 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 VwKostG enthalte mit dem Verweis auf die Entstehung des Anspruchs auf Zahlung von Kosten einen eigenständigen Anknüpfungspunkt, der mit § 11 Abs. 1 VwKostG korrespondiere. Die Gebührenschuld in der letztgenannten Bestimmung sei etwas anderes als der Anspruch auf Zahlung von Kosten. § 11 Abs. 1 VwKostG begründe nur eine Kostenpflicht dem Grunde nach und noch keine konkrete Kostenpflichtigkeit. Diese entstehe erst durch die Festsetzung nach § 14 VwKostG.

Selbst wenn man dies anders sehe, könne jedenfalls der Kurzantrag nicht den Kostenanspruch nach § 11 Abs. 1 VwKostG zum Entstehen gebracht haben. Der Kurzantrag habe noch keine Entscheidung über das Zulassungsbegehren ermöglicht, weil er keine ausreichenden Unterlagen enthalten habe. § 11 Abs. 1 VwKostG setze aber einen bearbeitungsfähigen Antrag voraus. Die abweichende Auffassung des Berufungsgerichts verkenne die Besonderheiten des Nachzulassungsverfahrens. Angesichts der riesigen Zahl zu bearbeitender Anträge führe diese Auffassung dazu, dass die Behörde ihre Leistungen ohne Entgelt erbringen müsste. Es sei unmöglich gewesen, innerhalb von vier Jahren den Berg von Anträgen zu bewältigen, der selbst 1998 noch 40 000 Verfahren ausgemacht habe.

Schließlich habe der Gesetzgeber durch die Einführung des § 105 b AMG im Rahmen des 8. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes deutlich gemacht, dass er den dort festgelegten Beginn der Verjährungsfrist mit Bekanntgabe der endgültigen Entscheidung über den Zulassungsantrag auch rückwirkend habe in Gang setzen wollen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, bereits verjährte Forderungen würden von dieser Änderung nicht erfasst, lasse den gesetzgeberischen Akt ins Leere laufen. Die Rückwirkung sei verfassungsrechtlich zulässig, weil es sich um die Bereinigung einer unklaren Rechtslage gehandelt habe.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu den Kosten für die Arzneimittelzulassung ist § 33 Abs. 1 AMG. Danach erhebt die zuständige Bundesoberbehörde für die Entscheidungen über die Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz Kosten (Gebühren und Auslagen). Die nähere Bestimmung der gebührenpflichtigen Tatbestände und die anzuwendenden festen Sätze oder Rahmensätze werden nach § 33 Abs. 2 Satz 1 AMG durch Rechtsverordnung vom Bundesministerium im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft festgelegt. Dies ist durch die Kostenverordnung für die Zulassung von Arzneimitteln durch das Bundesgesundheitsamt vom (BGBl I S. 1196), die Nachfolgeverordnung vom (BGBl I S. 1634) sowie die dazu ergangene Änderungsverordnung vom (BGBl I S. 4054) geschehen. Im Übrigen bestimmt § 33 Abs. 3 AMG, dass das Verwaltungskostengesetz Anwendung findet. Dieses regelt in § 20 VwKostG die Verjährung, auf die die Vorinstanzen die Aufhebung der angefochtenen Gebührenbescheide gestützt haben.

2. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, die Bescheide seien rechtswidrig, weil die Gebührenansprüche bei ihrer Festsetzung bereits verjährt waren.

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG verjährt der Anspruch auf Zahlung von Kosten - zu diesen gehören nach § 1 Abs. 1 VwKostG Gebühren und Auslagen - nach drei Jahren, spätestens mit dem Ablauf des vierten Jahres nach der Entstehung. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass hier der 2. Halbsatz zur Anwendung kommt, der mit der Formulierung "spätestens" die absolute Grenze für die Verjährung setzt. Diese Auffassung vertritt auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof in dem Verfahren BVerwG 3 C 56.04. In der Literatur wird sie von Schlabach, Verwaltungskostenrecht, § 20 VwKostG Rn. 8 geteilt. Für die Entstehung des Anspruchs stellt das Berufungsgericht auf § 11 Abs. 1 VwKostG ab. Demgegenüber meint die Beklagte, aus § 20 Abs. 1 Satz 2 VwKostG ergebe sich, dass der Verjährungsbeginn in jedem Fall - also auch in der 2. Alternative des § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG - die Fälligkeit der Forderung voraussetze. Dem ist nicht zu folgen.

Der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG spricht eindeutig für die Auffassung des Berufungsgerichts. In dieser Bestimmung sind zwei Verjährungsfristen von drei und von vier Jahren genannt, wobei die zweite Frist spätestens mit dem Ablauf des vierten Jahres nach der Entstehung enden soll. In dieser Alternative ist also ein eigenständiger Anknüpfungspunkt für den Lauf der Verjährungsfrist genannt. Durch den Begriff "spätestens" ist klargestellt, dass es sich insoweit um eine absolute Fristbestimmung handelt. Die Entstehung des Anspruchs, auf die § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG Bezug nimmt, ist in § 11 VwKostG geregelt. Danach entsteht die Gebührenschuld, soweit ein Antrag notwendig ist, mit dessen Eingang bei der zuständigen Behörde, im Übrigen mit der Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung. Die Auffassung der Beklagten, § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG beziehe sich nicht auf § 11 Abs. 1 VwKostG, ist nicht nachvollziehbar. Der Anspruch auf Zahlung von Kosten ist das notwendige Korrelat der in § 11 Abs. 1 VwKostG angesprochenen Gebührenschuld. Es bleibt also dabei, dass die 2. Alternative des § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG einen eigenständigen klaren Bezugsrahmen hat.

Dieser Bezugsrahmen würde völlig verändert, wenn auch die vierjährige Verjährungsfrist nach § 20 Abs. 1 Satz 2 VwKostG von der vorgängigen Fälligkeit der Forderung abhängig gemacht würde. Aus der nach der Formulierung erkennbaren Absicht, eine absolute Frist zu setzen, würde auch insoweit eine bewegliche Frist. Damit würde die Regelung überflüssig und gegenstandslos, denn die unzweifelhaft an die Fälligkeit anknüpfende dreijährige Verjährungsfrist des 1. Halbsatzes wäre notwendigerweise stets bereits abgelaufen, wenn die vierjährige Verjährungsfrist zu Ende ginge. Eine derart sinnlose Regelung kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

Entscheidend fällt für die Auslegung des Berufungsgerichts der Sinn und Zweck der Regelung ins Gewicht. Verjährungsvorschriften haben die Aufgabe, dem Rechtsfrieden zu dienen und Rechtssicherheit herzustellen. Nach einer bestimmten Zeit soll der Anspruchsverpflichtete die Sicherheit haben, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Mit dieser Zielrichtung ist die Auslegung der Beklagten nicht zu vereinbaren. Da die Fälligkeit der Kostenforderung danach vom Erlass eines Kostenbescheides abhängt, wäre es in das Belieben der Behörde gestellt, wann sie ihren Kostenanspruch geltend macht und damit fällig stellt. Erst dann würde überhaupt eine Verjährungsfrist zu laufen beginnen.

Aus diesem Grunde geht auch die dem zivilrechtlichen Denken verhaftete Argumentation der Beklagten fehl, eine Forderung könne nicht vor Eintritt ihrer Fälligkeit verjähren. Im öffentlichen Recht ist dies durchaus keine ungewöhnliche Gestaltung. So kennt die Abgabenordnung in den §§ 169 bis 171 AO eine Festsetzungsfrist, bei deren Verstreichen die öffentlich-rechtliche Forderung erlischt. Von dieser Festsetzungsverjährung ist die Zahlungsverjährung zu unterscheiden, deren Gegenstand der entstandene und festgesetzte Anspruch ist (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 169 Vorbemerkung 20).

Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungskostengesetzes gibt keinen Anlass zu einer von Wortlaut und Sinn und Zweck abweichenden Auslegung. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah vor, dass der Anspruch auf Zahlung von Kosten durch Verjährung nach drei Jahren erlischt, wobei die Frist mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnen sollte, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl. BTDrucks VI/330 S. 6). Die Entwurfbegründung verwies auf entsprechende Regelungen in der Reichsabgabenordnung (BTDrucks VI/330 S. 17). Auf Anregung des Bundesrates erhielt die Vorschrift die Gesetz gewordene Fassung. Zur Begründung hieß es, die vorgeschlagene Fassung unterscheide systematisch klar zwischen dem Eintritt der Verjährung und dem Erlöschen des Anspruchs; darüber hinaus werde im Gegensatz zur Regierungsvorlage primär auf die Fälligkeit des Kostenanspruchs abgestellt. Eindeutige Klarheit über das Verhältnis der beiden unterschiedlichen Verjährungsfristen lässt sich hieraus allenfalls insoweit gewinnen, als der Gesetzgeber ersichtlich beiden Regelungen eine eigenständige Bedeutung beigemessen hat. Wenn von einem primären Abstellen auf die Fälligkeit die Rede ist, muss die zweite Frist zumindest sekundär auch Bedeutung haben. Dies wäre aber bei der von der Beklagten für richtig gehaltenen Auslegung nicht der Fall.

Für ihre abweichende Auffassung beruft sich die Beklagte schließlich auf § 20 Abs. 3 und 6 VwKostG. Sie meint, da die dort getroffenen Bestimmungen über die Unterbrechung der Verjährung und das Hinausschieben des Erlöschens im Falle der Anfechtung einer Kostenentscheidung jeweils eine Kostenfestsetzung und damit die Fälligkeit des Kostenanspruchs voraussetzen, ergebe sich ein unauflösbarer Wertungswiderspruch, wenn in § 20 Abs. 1 VwKostG die Möglichkeit einer Verjährung ohne vorgängige Kostenfestsetzung angenommen werde. Das überzeugt nicht. Es ist schon nicht richtig, dass die in § 20 Abs. 3 VwKostG geregelten Unterbrechungstatbestände sämtlich den vorherigen Erlass eines Kostenbescheides voraussetzten. So wird die Verjährung beispielsweise unterbrochen durch Ermittlungen des Kostengläubigers über Wohnsitz oder Aufenthalt des Zahlungspflichtigen. Die Notwendigkeit zu solchen Maßnahmen kann sich auch vor Erlass des Kostenbescheides ergeben, wenn der Adressat nicht ohne weiteres auffindbar ist. In diesem Fall führt die notwendige Ermittlung bereits zur Unterbrechung der Festsetzungsfrist. Im Übrigen ist aber entscheidend, dass der Eintritt der Festsetzungsverjährung wegen Nicht-Tätigwerdens des Kostengläubigers unabhängig davon sinnvoll sein kann, ob die gesetzlich geregelten Unterbrechungstatbestände sich auch auf den Lauf der Festsetzungsfrist oder nur auf den Lauf der durch den Kostenbescheid in Gang gesetzten Zahlungsfrist beziehen.

3. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Gebührenschuld nach § 11 Abs. 1 VwKostG vorliegend durch die Einreichung der so genannten Kurzanträge entstanden sei. Diese Anträge seien vollwertige Anträge im Rechtssinne, die die Verpflichtung der Behörde zur Prüfung und Entscheidung auslösten. Die in der Praxis als "Langantrag" bezeichnete Nachreichung der in § 105 Abs. 4 Satz 2 AMG bezeichneten Unterlagen sei im Gesetz nicht als Antrag ausgestaltet. Demgegenüber meint die Beklagte, ein Antrag im Sinne des § 11 Abs. 1 VwKostG liege nur vor, wenn alle für die Entscheidung notwendigen Unterlagen vorlägen. Das sei bei dem so genannten Kurzantrag im Sinne des § 105 Abs. 4 Satz 1 AMG nicht der Fall. Diese Auffassung wird von Kloesel/Cyran (Arzneimittelrecht, AMG § 33 Bemerkung 14) geteilt. Schlabach (VwKostG, § 20 Rn. 8) vertritt allgemein die Auffassung, der Eingangszeitpunkt nach § 11 Abs. 1 VwKostG verschiebe sich dann, wenn der Antrag nicht vollständig sei, auf den Tag, an dem alle für die Entscheidung notwendigen - vom Antragsteller beizubringenden - Unterlagen bei der Behörde eingetroffen seien.

Auch in diesem Punkt ist dem Berufungsgericht zu folgen. Die Auffassung der Beklagten, nur ein vollständiger Antrag sei ein Antrag im Sinne des § 11 Abs. 1 VwKostG, trifft nicht zu. Das folgt zunächst aus dem Wortlaut der Vorschrift. Sie spricht lediglich vom Eingang des Antrags, soweit ein solcher notwendig ist. Irgendwelche Qualifizierungen nimmt sie nicht vor. Wichtiger ist die Überlegung, dass die Gebühr für die Bearbeitung des Antrags zu entrichten ist unabhängig davon, ob sie zu einer positiven oder negativen Endentscheidung führt. Gerade im Arzneimittelrecht hängt die positive Entscheidung sehr häufig von der Vollständigkeit der vorgelegten Antragsunterlagen ab. Die Auffassung, nur ein vollständiger Antrag sei ein Antrag im Sinne des § 11 Abs. 1 VwKostG und lasse mithin die Gebührenschuld entstehen, hätte daher zur Folge, dass bei einer Ablehnung des Antrages wegen Unvollständigkeit keine Gebühr erhoben werden könnte. Das würde dem Grundsatz des Gesetzes, bei positiver wie bei negativer Entscheidung die Gebühr zu erheben, entgegenstehen.

Überdies steht der Zweck der Verjährungsfrist, Rechtsicherheit zu gewährleisten, der Einschränkung des § 11 Abs. 1 VwKostG auf die Vorlage vollständiger bearbeitungsfähiger Anträge entgegen. Der Antrag, auf den § 11 Abs. 1 VwKostG abstellt, ist ein Vorgang, der allein in der Hand des Antragstellers liegt. Ob ein Antrag vollständig ist, unterliegt hingegen der Prüfung und Bewertung durch die zuständige Behörde. Käme es auf die Vollständigkeit des Antrages an, so könnte die Behörde durch die Nachforderung von Unterlagen die Entstehung der Gebührenforderung und mithin auch den Ablauf der Verjährungsfrist grundlegend beeinflussen. Unter Umständen hinge der Eintritt der Verjährung von der streitig zu klärenden Frage ab, ob die Nachforderung berechtigt, der ursprüngliche Antrag also tatsächlich unvollständig war oder nicht.

Die vorstehenden Erwägungen zur Frage, ob § 11 Abs. 1 VwKostG für die Entstehung der Gebührenschuld die Einreichung eines vollständigen Antrages voraussetzt, gelten auch für den hier in Rede stehenden Kurzantrag. Dieser hatte bei Einreichung der vorliegend zu beurteilenden Anträge auf Nachzulassung noch keine gesetzliche Grundlage, entsprach aber der Praxis des Bundesgesundheitsamtes. Das 4. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom (BGBl I S. 717) hat Art. 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom (BGBl I S. 2445), der die später in § 105 AMG übernommene Regelung enthielt, dahin geändert, dass dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung abweichend von § 31 Abs. 2 AMG die Unterlagen nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AMG beizufügen seien. Den Zeitpunkt der Einreichung der übrigen erforderlichen Unterlagen bestimme hingegen die zuständige Bundesoberbehörde im Einzelnen. Diese Regelung diente lediglich dazu, die Flut der Nachzulassungsanträge für die Behörde in der Bearbeitung beherrschbar zu machen. Sie änderte aber nichts an dem in § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 VwKostG niedergelegten Grundsatz, dass die Verjährungsfrist für Gebührenforderungen bei antragsabhängigen Amtshandlungen vom Antragseingang und nicht vom Bearbeitungsgang der Behörde abhängt. Es kann offen bleiben, ob der Gesetzgeber die sich aus der Antragsflut ergebenden Probleme einer zeitnahen Bearbeitung verkannt oder die mit der generellen Übernahme des Verwaltungskostengesetzes in § 33 Abs. 3 AMG "eingekaufte" Regelung des § 11 Abs. 1 VwKostG schlicht übersehen hat. Jedenfalls rechtfertigen beide Gründe es nicht, eine eindeutige gesetzliche Regelung außer Anwendung zu lassen.

Hierzu sei im Hinblick auf die spezielle Frage der Nachzulassung ergänzend darauf hingewiesen, dass selbst das Abstellen auf den so genannten Langantrag keine befriedigende Lösung darstellen würde. In vielen Fällen wäre nämlich - je nach Taktaufruf der Behörde - auch bei Abstellen auf diesen Zeitpunkt die vierjährige Verjährungsfrist bei Erlass des Kostenbescheides bereits verstrichen gewesen, in anderen dagegen nicht. Das Abstellen auf den Eingang des Langantrages würde damit ein zusätzliches Element der Unsicherheit in die Verjährungsfrage hineintragen.

Zusammenfassend ist hiernach festzustellen, dass der Gebührenanspruch der Beklagten vier Jahre nach Einreichung der Nachzulassungsanträge gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG verjährt und damit erloschen war.

4. Die Einfügung des § 105 b AMG durch das 8. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom (BGBl I S. 2649) hat, wie das Berufungsgericht ebenfalls zu Recht entschieden hat, nichts daran geändert, dass die hier streitigen Gebührenforderungen bei Erlass der jeweiligen Gebührenbescheide schon verjährt und damit erloschen waren. Die Vorschrift erfasst die hier streitigen Fälle einer Verjährung vor Erlass des Gesetzes nicht.

§ 105 b AMG bestimmt, dass der Anspruch auf Zahlung von Kosten, die für die Verlängerung der Zulassung eines fertigen Arzneimittels im Sinne des § 105 Abs. 1 AMG zu erheben sind, mit Ablauf des vierten Jahres nach der Bekanntgabe der abschließenden Entscheidung über die Verlängerung der Zulassung an den Antragsteller verjährt. Wäre diese Vorschrift hier anwendbar, so wären die streitigen Gebührenforderungen bei Erlass der jeweiligen Kostenbescheide nicht verjährt gewesen, weil zwischen der abschließenden Entscheidung über den Nachzulassungsantrag und dem Erlass der Kostenbescheide jeweils deutlich weniger als vier Jahre lagen.

Die Anwendbarkeit des § 105 b AMG auf die hier streitigen Ansprüche scheitert daran, dass die Vorschrift sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut auf eine Regelung der Verjährung beschränkt, die Verjährung aber rechtslogisch das Bestehen des Anspruchs voraussetzt, der der Verjährung unterworfen sein soll. Ein nicht (mehr) bestehender Anspruch kann nicht verjähren.

Auch die Gesetzesmaterialien enthalten keinen Hinweis darauf, dass § 105 b AMG über die Verjährungsregelung hinaus die Entstehung neuer Gebührenansprüche zum Gegenstand haben sollte. In der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf heißt es dazu, wegen der insoweit nicht ganz eindeutigen Vorschrift des § 20 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwKostG werde der Beginn der Verjährungsfrist in den Fällen der Nachzulassung klargestellt (BTDrucks 13/9996 S. 18). Von der Belastung der Betroffenen mit neuen Ansprüchen ist nicht die Rede.

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, § 105 b AMG entfalte Rückwirkung und habe dadurch die bereits eingetretene Verjährung der streitigen Ansprüche wieder beseitigt. Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, dass die Annahme einer Rückwirkung eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers in dieser Richtung voraussetzen würde, denn darin läge ein schwerwiegender Eingriff in die Rechtsstellung der Betroffenen, der unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten hohen Anforderungen unterläge. Dafür ist nichts ersichtlich.

Das Gesetz legt sich keine Rückwirkung bei, soweit es um sein In-Kraft-Treten geht. Nach Art. 4 des 8. Änderungsgesetzes ist es einschließlich des § 105 b AMG am Tag nach der Verkündung und damit am in Kraft getreten. Der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens ist nicht in die Vergangenheit verlegt worden.

Der Wortlaut des § 105 b AMG spricht gegen die Absicht des Gesetzgebers, eine rückwirkende Regelung dahin zu treffen, dass bereits erloschene Ansprüche wieder aufleben sollen. Schon die Formulierung, dass der Anspruch auf Zahlung von Kosten für die Verlängerung der Zulassung zu einem bestimmten Zeitpunkt verjährt, legt die Annahme nahe, dass die Regelung noch bestehende Ansprüche betrifft. Für eine Belastung vergangener Vorgänge mit Kosten gibt die Formulierung dagegen nichts her. Auch der Nebensatz, der von Kosten spricht, die zu erheben sind, baut auf einer gegenwärtig bestehenden Rechtspflicht auf.

Auch die Gesetzesbegründung (BTDrucks 13/9996 S. 18) gibt nichts für eine Absicht des Gesetzgebers her, rückwirkend bestimmte Verwaltungsmaßnahmen mit einer Gebührenpflicht zu belegen, die bei ihrer Vornahme nicht bestand. Alle Formulierungen der Gesetzesbegründung sind in die Zukunft gerichtet. Von der Absicht, dass in der Vergangenheit liegende Vorgänge erfasst werden sollten, ist nicht die Rede. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass die angebliche Klarstellung den Verjährungsbeginn an ein Merkmal knüpft, das nach dem bis dahin geltenden Recht auf keinen Fall relevant war. In Wahrheit handelt es sich also um eine Neuregelung, die für den Bereich der Nachzulassung die Verjährung den spezifischen Bedürfnissen des Massengeschäfts anpassen sollte.

Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe sich mit § 105 b AMG für eine rückwirkende Regelung entschieden, spricht darüber hinaus, dass er es bei einem späteren Anlauf eindeutig abgelehnt hat, § 105 b AMG im Sinne einer rückwirkenden Inanspruchnahme der Gebührenschuldner umzugestalten. Im Gesetzgebungsverfahren für das 12. Änderungsgesetz zum AMG hat der Ausschuss für Gesundheit und soziale Sicherheit vorgeschlagen, in § 105 b AMG neue Verjährungsfristen für bereits verjährte Kostenansprüche einzuführen (vgl. BTDrucks 15/2849 S. 40, 63).

Dieser Vorschlag begegnete schon im Bundestag erheblichen Einwänden (vgl. BTDrucks 15/2849 S. 58). Er scheiterte schließlich am Widerstand des Bundesrates (vgl. BTDrucks 15/3164 S. 3). Diese Auseinandersetzung wäre gegenstandslos gewesen, wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, schon mit dem 8. Änderungsgesetz rückwirkend die Problematik der Verjährung der Nachzulassungsgebühren ausgeräumt zu haben.

Da es hiernach schon an einer Entscheidung des Gesetzgebers für eine rückwirkende Wiederbelebung erloschener Gebührenansprüche fehlt, braucht auf die gegen eine solche Regelung bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken nicht im Einzelnen eingegangen zu werden. Außer Frage steht aber jedenfalls, dass der von der Beklagten allein angeführte Rechtfertigungsgrund für eine Rückwirkung nicht trägt. Eine unklare Rechtslage in Bezug auf die Verjährung, die ein solches Eingreifen des Gesetzgebers hätte legitimieren können, war, wie die obigen Ausführungen zum Verwaltungskostengesetz zeigen, nicht gegeben. Die fehlende Erkenntnis der zuständigen Behörde wie des Gesetzgebers, dass die Vorschriften dieses Gesetzes bei einem Massengeschäft wie der Nachzulassung von Arzneimitteln nach § 105 AMG das Verjährungsrisiko drastisch erhöhten, reicht dazu nicht aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 2 824,89 € festgesetzt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
XAAAC-12502