BVerwG Urteil v. - 3 C 30.03

Leitsatz

Bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverhältnisse fällt eine mitverpachtete Milchreferenzmenge auch dann an den Verpächter zurück, wenn er in diesem Zeitpunkt konkrete Vorbereitungen dafür trifft, die Pachtflächen in kürzester Zeit wiederum an einen Milcherzeuger zu verpachten, sofern diese Vorbereitungen alsbald zum Abschluss eines neuen Pachtvertrages führen.

Gesetze: VO (EWG) Nr. 3950/92 Art. 7 Abs. 2

Instanzenzug: VG Oldenburg VG 12 A 1553/98 vom OVG Lüneburg OVG 10 LB 238/01 vom

Gründe

I.

Der Kläger bewirtschaftete einen Milcherzeugungsbetrieb und hatte vom Beigeladenen Flächen hinzugepachtet. Aufgrund seiner Kündigung wurden das Pachtverhältnis zum beendet und die Pachtflächen an den Beigeladenen zurückgegeben. Mit Bescheid vom , korrigiert mit Widerspruchsbescheid vom , bescheinigte die Beklagte dem Beigeladenen, dass von der dem Betrieb des Klägers zustehenden Milchreferenzmenge ein der Pachtfläche entsprechender Teil von 5.751 kg zum auf ihn übergegangen sei. Hiergegen richtet sich die Klage.

Das Verwaltungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Kläger unter anderem geltend gemacht, die umstrittene Teilreferenzmenge habe deshalb nicht auf den Beigeladenen übergehen können, weil dieser selbst keine Milch erzeuge. Der Beigeladene habe die Pachtflächen zwar an einen Milcherzeuger weiterverpachtet, jedoch erst mit Pachtvertrag vom 6./ und damit mehr als vier Monate nach Rückerhalt der Flächen. Der Beigeladene hat entgegnet, er sei Eigentümer großer Ländereien, die er sämtlich unter Einschaltung von Maklern an Landwirte verpachte. So habe er auch für die vom Kläger zurückerhaltenen Flächen einen neuen Pächter gefunden und ihm die Pachtflächen sogleich zum übergeben. Der Abschluss des Pachtvertrages habe sich indes noch hingezogen. Zum einen habe die Beklagte erst am die auf die Pachtfläche entfallende Referenzmenge mitgeteilt, die aus Sicht des Beigeladenen überraschend gering sei. Zum anderen habe der neue Pächter den zum Teil schlechten Zustand der Flächen beanstandet, weshalb im Juli 1995 eine Ortsbegehung erfolgt sei, die zu einer Bestandsaufnahme und zu detaillierten Vereinbarungen in dem dann geschlossenen Pachtvertrag geführt habe. Der Vertrag gelte rückwirkend ab dem .

Mit Urteil vom hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Beklagte habe den Übergang der fraglichen Referenzmenge auf den Beigeladenen mit Recht bescheinigt. Zwar erzeuge der Beigeladene selbst keine Milch. Für den Übergang der Referenzmenge auf den Verpächter bei Beendigung eines Pachtverhältnisses genüge jedoch, wenn der Verpächter die Pachtfläche an einen Milcherzeuger weiterverpachte. Im vorliegenden Fall seien die Pachtflächen zum von dem neuen Pächter übernommen und bewirtschaftet worden. Zwar sei der Pachtvertrag erst am 6./ geschlossen und erst hierbei auch die Übertragung der Referenzmenge vereinbart worden. Das sei aber unschädlich. Zum einen gehe die Referenzmenge nicht mit Abschluss des Pachtvertrages, sondern mit Einräumung des Besitzes an der Pachtfläche auf den neuen Pächter über. Zum anderen könne es vielerlei Umstände geben, weshalb sich die Übertragung der Referenzmenge verzögere. So sei denkbar, dass der bisherige Pächter einen Referenzmengenübergang bestreite und der Verpächter darum erst prozessieren müsse. Es könne dem Verpächter nicht zugemutet werden, dem neuen Pächter eine Referenzmenge zu übertragen, die ihm noch gar nicht zustehe.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision bemängelt der Kläger, das Berufungsgericht habe seinen Vortrag ignoriert, dass die Flächen nicht am , sondern erst am an den neuen Pächter übergeben worden seien. Die Pachtflächen seien daher nicht bei Ende des bisherigen Pachtverhältnisses vom Beigeladenen auf einen Milcherzeuger übergeben worden. Der Beigeladene habe auch keine konkreten Vorbereitungen getroffen, die in kürzester Zeit zu einer derartigen Übergabe geführt hätten. Habe die fragliche Referenzmenge daher nicht an den Beigeladenen übergehen können, so sei sie bei ihm, dem Kläger, verblieben.

Die Beklagte und der Beigeladene verteidigen das Berufungsurteil.

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er verteidigt ebenfalls das angefochtene Urteil und bringt ergänzend vor: Das vom Europäischen Gerichtshof aufgestellte Erfordernis, der Verpächter, der nicht selbst Milch erzeuge, müsse die an ihn zurückgefallene Fläche "alsbald" an einen Milcherzeuger weiterverpachten, sei als erfüllt anzusehen, wenn binnen drei Monaten ein neuer Pachtvertrag geschlossen und die Fläche an den neuen Pächter übergeben werde. Die Frist beginne jedoch nicht vor Erteilung der - ggf. mit einem Widerrufsvorbehalt versehenen - Bescheinigung des Referenzmengenübergangs an den Verpächter. Ihr Lauf müsse zudem als gehemmt angesehen werden, wenn die Bescheinigung angefochten werde.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Beigeladene die vom Kläger zurückerhaltene Pachtfläche noch im Mai 1995 an den neuen Pächter übergeben habe. Die hiergegen erhobene Aufklärungsrüge des Klägers greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat seine Pflicht, den Sachverhalt zu erforschen (§ 125 Abs. 1, § 86 Abs. 1 VwGO), nicht verletzt. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausweislich der Niederschrift keinen Beweisantrag gestellt. Dem Berufungsgericht musste sich eine entsprechende Beweiserhebung auch nicht aufdrängen (vgl. BVerwG 7 B 28.88 - NVwZ 1988, 1019 m.w.N.). Namentlich bot das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom , auf das er seine Aufklärungsrüge im Revisionsverfahren stützt, hierzu keinen Anlass. Der Beigeladene hatte zuvor die Anbahnung des neuen Pachtverhältnisses detailliert geschildert und unter Beweis gestellt. Der Kläger hat dies in dem angeführten Schriftsatz lediglich in allgemeinen Wendungen bezweifelt und gefragt, weshalb noch am eine Ortsbegehung durchgeführt worden sei, wenn die Flächen durch den neuen Pächter bereits im Mai 1995 in Besitz genommen worden seien. Darin konnte ein substantiiertes Bestreiten nicht gesehen werden. Der Beigeladene hat auf das klägerische Vorbringen zudem im Einzelnen geantwortet, und der Kläger ist auf seine Einwände nicht mehr zurückgekommen. Es lässt sich daher nicht beanstanden, dass das Berufungsgericht von der Richtigkeit der Angaben des Beigeladenen ausgegangen ist.

2. Das Berufungsurteil steht auch im Übrigen mit Bundes- und europäischem Gemeinschaftsrecht im Einklang.

Zur Entscheidung des Rechtsstreits sind diejenigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und der Milch-Garantiemengen-Verordnung heranzuziehen, die sich für den Zeitpunkt der Rückgabe der Pachtflächen, also für den , Geltung beimessen (stRspr; vgl. BVerwG 3 C 48.02 - m.w.N.). Am galten die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl Nr. L 405/1), zuletzt - rückwirkend - geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1109/96 des Rates vom (ABl Nr. L 148/13), die Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom zur Durchführung dieser Verordnung (ABl Nr. L 57/12) in der Fassung der Änderungsverordnung (EWG) Nr. 470/94 der Kommission vom (ABl Nr. L 59/5) sowie - in Ausfüllung der den Mitgliedstaaten eingeräumten Regelungsspielräume - die Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) vom (BGBl I S. 720) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl I S. 586), zuletzt geändert durch die 32. Änderungsverordnung vom (BGBl I S. 2575).

Nach Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 werden bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverhältnisse, abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen, die verfügbaren Referenzmengen der betreffenden Betriebe nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bestimmungen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten ganz oder teilweise "auf die Erzeuger übertragen, die sie übernehmen". Das setzt voraus, dass entweder der Verpächter, an den der verpachtete Betrieb oder die verpachteten Flächen zurückfallen, oder aber der neue Pächter, an den der Verpächter die Pachtsache alsbald wieder verpachtet, selbst Milcherzeuger ist ( - Thomsen, Slg. I-5775, 5791; BVerwG 3 C 48.02 -). Eine alsbaldige erneute Verpachtung liegt nicht nur vor, wenn der neue Pachtvertrag im Zeitpunkt der Beendigung des alten Pachtverhältnisses bereits geschlossen ist. Vielmehr reicht aus, dass der Verpächter in diesem Zeitpunkt konkrete Vorbereitungen dafür trifft, die Pachtflächen in kürzester Zeit wiederum an einen Milcherzeuger zu verpachten, sofern diese Vorbereitungen alsbald zum Abschluss eines neuen Pachtvertrages führen (vgl. für den vergleichbaren Fall der Aufnahme einer eigenen Milcherzeugung durch den Verpächter: <Rn. 45>). Ob der neue Pachtvertrag als Folge derartiger Vorbereitungen anzusehen ist und "alsbald" zustande kommt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Ob es hierfür äußerste zeitliche Grenzen gibt, braucht aus Anlass des vorliegenden Falles nicht entschieden zu werden.

Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die beschriebenen Voraussetzungen hier erfüllt sind. Der Beigeladene erzeugt zwar selbst keine Milch, hat aber im Zeitpunkt des Rückfalls der Pachtflächen am konkrete Vorbereitungen dafür getroffen, die Pachtflächen in kürzester Zeit wiederum an einen Milcherzeuger zu verpachten. Nach seinem insoweit unwidersprochenen Vortrag hat er schon vor diesem Zeitpunkt einen Makler eingeschaltet, der ihm einen neuen Pächter zugeführt hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat er diesem die Pachtflächen schon am - im Vorgriff auf den mündlich bereits verabredeten Pachtvertrag - zur Bewirtschaftung übergeben. Dass sich der Abschluss des Pachtvertrages bis in den September 1995 hinein verzögert hat, schadet nicht. Der Beigeladene hat hierfür plausible Gründe angeführt.

Keiner Entscheidung bedarf, zu welchem Zeitpunkt die fragliche Milchreferenzmenge auf den neuen Pächter übergegangen ist: schon mit Einräumung des Besitzes an den Pachtflächen oder erst mit Abschluss des Pachtvertrages. In beiden Fällen hat der Kläger die Referenzmenge zum verloren. Ebenso wenig muss erörtert werden, ob die Beklagte den Übergang der Referenzmenge auf den Beigeladenen bescheinigen durfte oder sogleich ihren Übergang auf den neuen Pächter hätte bescheinigen müssen. Diese Frage lässt die Rechtssphäre des Klägers unberührt.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 575,10 € festgesetzt.

Fundstelle(n):
EAAAC-12475