BVerwG Beschluss v. - 3 B 90.05

Leitsatz

Das in § 7a Abs. 3c Satz 3 VermG und § 12 Abs. 1 Satz 4 EntschG geregelte und mit einer Ausschlussfrist verbundene eigenständige Antragserfordernis für das Entschädigungsbegehren eines nachrangig Geschädigten ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und 2; EntschG § 1 Abs. 2; EntschG § 12 Abs. 1; VermG § 1 Abs. 6; VermG § 2 Abs. 1; VermG § 3 Abs. 2; VermG § 7a Abs. 3b Satz 2; VermG § 7a Abs. 3c,; VermG § 33 Abs. 1 Satz 1; Sachgebiet: Entschädigungsrecht; BVerwGE: nein; Fachpresse: ja

Instanzenzug: VG Berlin VG 31 A 46.04 vom

Gründe

Der Kläger beansprucht nach den Vorschriften des Entschädigungsgesetzes - EntschG - die Festsetzung einer Entschädigung für ein im Jahre 1983 in Volkseigentum überführtes Grundstück. Dessen Rückgabe war ihm verweigert worden, weil die Rechtsvorgängerin der von ihm vertretenen Erben zwar von einer Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. b des Vermögensgesetzes - VermG - betroffen gewesen sei, sie aber nach § 3 Abs. 2 VermG wegen eines vorrangigen Anspruchs nach § 1 Abs. 6 VermG von einer Rückübertragung ausgeschlossen sei. Das Entschädigungsbegehren blieb im Verwaltungsverfahren erfolglos. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen/Landesausgleichsamt stellte sich auf den Standpunkt, dass der Kläger die für einen derartigen Antrag bestehende Antragsfrist des § 7a Abs. 3c Satz 3 VermG versäumt habe.

Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage ebenfalls abgewiesen. Es hat die Rechtsauffassung der Behörde bestätigt und die Anwendung des § 7a Abs. 3c Satz 3 VermG im Falle des Klägers für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist nicht die nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachte grundsätzlich Bedeutung auf.

1. Der Kläger hält im Anschluss an die verfassungsrechtlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts sinngemäß für klärungsbedürftig, ob es mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, in den Fällen des § 7a Abs. 3c VermG bzw. § 12 Abs. 1 Satz 3 bis 5 EntschG abweichend von den übrigen Entschädigungsfällen einen gesonderten Entschädigungsantrag mit der damit verbundenen Ausschlussfrist zu fordern.

Diese Frage verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ihre Beantwortung erfordert keine Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil ihre Bejahung auf der Hand liegt.

Zutreffender Ausgangspunkt der gerügten Ungleichbehandlung ist der Umstand, dass der vermögensrechtliche Restitutionsantrag grundsätzlich auch für das Entschädigungsverfahren gilt. Über Grund und Höhe des Entschädigungsanspruchs eines Antragstellers, dessen Berechtigung im Restitutionsverfahren nach § 2 Abs. 1 VermG festgestellt worden ist, der aber keine Rückübertragung des Vermögenswerts verlangen kann, weil diese gesetzlich ausgeschlossen ist oder er Entschädigung gewählt hat, entscheidet die Behörde nach § 33 Abs. 1 Satz 1 VermG von Amts wegen. Ein gesonderter Antrag ist nicht erforderlich. Es handelt sich sozusagen um zwei Teile eines einheitlichen Verfahrens, was vor der Schaffung des Entschädigungsgesetzes seinen Ausdruck darin fand, dass in diesen Fällen der Entschädigungsanspruch seinem Grunde nach in § 9 VermG geregelt war.

Anders verhält es sich demgegenüber bei Antragstellern eines vermögensrechtlichen Verfahrens, die zwar von einer Schädigungsmaßnahme nach § 1 VermG betroffen sind, die aber nach § 3 Abs. 2 VermG wegen eines vorrangigen Anspruchs nicht als Berechtigte gelten. Für diesen Personenkreis, der in § 9 VermG nicht berücksichtigt worden war, wurde in § 1 Abs. 2 EntschG erstmalig ein Entschädigungsanspruch im Falle ihrer Redlichkeit begründet. Gleichzeitig wurde in § 12 Abs. 1 EntschG ein eigenständiges Antragsverfahren geregelt. Der Antrag kann nur bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Eintritt der Bestandskraft oder Rechtskraft der Entscheidung nach dem Vermögensgesetz gestellt werden (Ausschlussfrist), wobei die Frist frühestens mit Ablauf des sechsten Monats nach In-Kraft-Treten des Entschädigungsgesetzes endet.

Diese eigenständige Antragspflicht übertrug der Gesetzgeber unter Regelung einer entsprechenden Ausschlussfrist später in § 7a Abs. 3c VermG auf die hier in Rede stehenden Fälle, in denen der Berechtigungsausschluss nach § 3 Abs. 2 VermG auf einen vorrangigen Anspruch nach § 1 Abs. 6 VermG zurückzuführen ist (Art. 1 Nr. 7 Buchst. c des Vermögensrechtsanpassungsgesetzes vom - BGBl I S. 895 sowie Art. 1 Nr. 4 Buchst. g des Vermögensrechtsbereinigungsgesetzes vom - BGBl I S. 3180).

Dieses eigenständige Antragserfordernis für das Begehren auf Entschädigung nachrangig Geschädigter im Sinne des § 3 Abs. 2 VermG lässt keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erkennen. Die Situation dieses Personenkreises, dem das Vermögensgesetz die Berechtigung abgesprochen hat, unterscheidet sich von der der vermögensrechtlich Berechtigten bereits dadurch, dass deren Berechtigtenfeststellung von vornherein die Entschädigungsberechtigung erfasste, die demzufolge nur noch im Entschädigungsverfahren aufgrund des seinerzeit noch zu verabschiedenden Entschädigungsgesetzes "abzuarbeiten" war. Demgegenüber konnte ein vermögensrechtlicher Antrag eines nachrangig Geschädigten nicht ohne weiteres auf Entschädigung zielen, weil ein solcher Entschädigungsanspruch damals noch gar nicht vorgesehen war, sondern erst im Nachhinein durch das Entschädigungsgesetz geschaffen worden ist. Das hätte den Gesetzgeber zwar nicht gehindert, auch in diesen Fällen das vermögensrechtliche Begehren selbst bei einem bereits bestandskräftig abgeschlossenen Restitutionsverfahren nachträglich zum Anknüpfungspunkt für ein Entschädigungsverfahren zu machen. Gezwungen dazu war er aus Gründen der Gleichbehandlung jedoch nicht, weil schon die zugrunde liegenden Sachverhalte unterschiedlich sind.

Selbst wenn man aber allein den systematischen Gesichtspunkt, dass es sich bei dem Entschädigungsanspruch der nach § 3 Abs. 2 VermG von der Rückübertragung Ausgeschlossenen anders als bei dem Entschädigungsanspruch der vermögensrechtlich Berechtigten um ein neu geschaffenes Recht handelt, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht für ausreichend hielte, Verfahrensabweichungen bei der Durchsetzung der Ansprüche zu rechtfertigen, gibt es daneben auch Unterschiede in den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen und damit materielle Gesichtspunkte, die es jedenfalls erlauben, in den Fällen des § 3 Abs. 2 VermG von einem einheitlichen Antragsverfahren abzusehen. Insoweit weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass die den Kläger betreffende Sonderregelung des § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. Abs. 3b Satz 2 VermG eine Würdigkeitsprüfung verlangt, so dass dem Zweitgeschädigten durch das gesonderte Antragserfordernis eine Überlegungsfrist eingeräumt wird, ob er sein eigenes Verhalten oder das seines Rechtsvorgängers einer solchen Überprüfung unterwerfen will. Ähnliches gilt für die hier nicht unmittelbar einschlägige Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 3 bis 5 (früher Satz 2 bis 4) EntschG, die Vorbild für die in § 7a Abs. 3c VermG getroffene Regelung war; denn bei den Zweitgeschädigten, die anderen Ansprüchen als solchen nach § 1 Abs. 6 VermG weichen müssen, setzt der Entschädigungsanspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 VermG die Redlichkeit voraus, so dass dieser Personenkreis vor der Antragstellung überlegen kann, ob er sein oder seines Rechtsvorgängers Verhalten beim Erwerb des Vermögensgegenstandes überprüfen lassen möchte.

Lassen sich somit für ein gesondertes Antragsverfahren sachlich vertretbare Gesichtspunkte anführen, ist auch die daran anknüpfende Antragsfrist als Bestandteil dieses eigenständigen Verfahrens vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden.

2. Soweit der Kläger sich daneben die vom Verwaltungsgericht erwähnten, aber nicht für durchgreifend gehaltenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine "nachträgliche" Einführung der Ausschlussfrist des § 7a Abs. 3c Satz 3 VermG zu Eigen macht, bleibt seine Beschwerde ebenfalls erfolglos; denn die gerügte Verletzung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG liegt offensichtlich nicht vor.

Es ist bereits mehr als zweifelhaft, dass die beanstandete Frist "nachträglich", d.h. nach Schaffung des in § 7a Abs. 3c VermG geregelten Anspruchs eingeführt worden ist; denn bevor dieser Vorschrift mit Art. 1 Nr. 4 Buchst. g des Vermögensrechtsbereinigungsgesetzes vom (a.a.O.) der die Ausschlussfrist regelnde Satz 3 angefügt worden ist, verwies § 7a Abs. 3c Satz 2 VermG in der seit seiner Einführung geltenden Fassung des Vermögensrechtsanpassungsgesetzes vom (a.a.O.) auf eine entsprechende Anwendung des Abs. 3b Satz 2 bis 6. Die damit auch in Bezug genommene Vorschrift des § 7a Abs. 3b Satz 4 VermG regelte aber bereits dieselbe Frist, verwies allerdings für den Fristbeginn auf den Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung nach Abs. 2 (gemeint ist § 7a Abs. 2 VermG). Da es sich bei dieser Entscheidung aber um die Rückübertragung und nicht um die Ablehnung der Rückübertragung gegenüber dem Entschädigungsberechtigten handelt, waren Zweifel aufgekommen, ob die Verweisung in § 7a Abs. 3c Satz 2 VermG auch die Ausschlussfrist des § 7a Abs. 3b Satz 4 VermG erfasste (vgl. BTDrucks 13/10246, S. 13). Das lag jedoch ausgehend von der Gesetzgebungsgeschichte, dem Zweck der Verweisung sowie der Parallelität der in § 12 Abs. 1 EntschG und § 7a Abs. 3c VermG getroffenen Regelungen mehr als nahe. Selbst wenn man insoweit aber anderer Auffassung ist, war es zumindest zweifelhaft, ob die Ausschlussfrist galt oder nicht. In solchen Fällen kann sich aber kein schutzwürdiges Vertrauen des Bürgers in die bestehende Rechtslage herausbilden. Der Kläger konnte daher auch nicht darauf vertrauen, dass ihm der möglicherweise unbefristet eingeräumte Anspruch erhalten blieb. Vielmehr erforderte das Rechtsstaatsprinzip selbst eine klarstellende Regelung (vgl. BVerfGE 30, 367 <388>; stRspr).

Unabhängig von diesen Erwägungen stellt sich die Ausschlussfrist für den Kläger aber auch deswegen als eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, weil der die Rückübertragung versagende Bescheid unter Zugrundelegung der den Senat bindenden Feststellungen der Vorinstanz erst am bestandskräftig geworden ist und damit zu einem Zeitpunkt, als § 7a Abs. 3c Satz 3 VermG bereits in Kraft getreten war. Der Kläger hätte sich somit bei der Geltendmachung der Entschädigung von vornherein auf diese Frist einstellen können, zumal er in dem bestandskräftig gewordenen Bescheid ausdrücklich auf die Notwendigkeit eines gesonderten Entschädigungsantrages hingewiesen worden war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Fundstelle(n):
JAAAC-12388