BVerwG Urteil v. - 2 C 12.04

Leitsatz

Die Mitwirkung des Personalrats (Betriebsrats) bei Erhebung der Disziplinarklage gegen einen Beamten bezieht sich nur auf die disziplinarbehördliche Abschlussentscheidung, ob Disziplinarklage erhoben werden soll, nicht auf den im Falle der Klageerhebung vorgesehenen Klageantrag.

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt - neben der Schwere des Dienstvergehens - auch bei einem sog. Zugriffsdelikt die umfassende Würdigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten voraus, um einen endgültigen Vertrauensverlust feststellen zu können.

Gesetze: BPersVG § 77 Abs. 2 Nr. 1; BPersVG § 77 Abs. 2 Nr. 2; BPersVG § 78 Abs. 1 Nr. 3; BPersVG § 78 Abs. 2; PostPersRG § 29 Abs. 5; PostPersRG § 29 Abs. 6; BDG § 13 Abs. 1; BDG § 13 Abs. 2 Satz 1; BDG § 34 Abs. 1; BDG § 52 Abs. 1; BDG § 55; BDG § 65 Abs. 1

Instanzenzug: VG Saarlouis VG 13 K 1/02 .D vom OVG Saarlouis OVG 7 R 1/03 vom

Gründe

I.

Der im Jahre ... geborene Beklagte, der am ... als auszubildende "Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb" in den Dienst der Deutschen Bundespost getreten war, wurde nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung im Jahre ... von der Klägerin unter gleichzeitiger Ernennung zum Postoberschaffner z.A. in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen. Die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit wurde dem im Jahre ... zum Posthauptschaffner beförderten Beklagten am ... verliehen. Bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung im ... war er als Briefzusteller eingesetzt. Mit Beurteilung vom ... wurden ihm gerade noch befriedigende Leistungen bescheinigt.

Wegen des Verdachts, ein Dienstvergehen begangen zu haben, hatte der örtliche Leiter der Niederlassung Produktion BRIEF der Deutschen Post AG am gegen den ledigen Beklagten disziplinarische Vorermittlungen eingeleitet. Aufgrund des Ermittlungsergebnisses wurde ihm zur Last gelegt, von August bis Dezember 2001 folgende Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben:

- nicht termingerechte Zustellung von 75 Postwurfsendungen,

- Unterschlagung von Briefnachentgelten in Höhe von insgesamt 106,90 DM,

- "Schieben" von Nachnahmebeträgen in Höhe von insgesamt 557,80 DM (ohne Nachentgelt).

Das gegen den Beklagten wegen des Vorwurfs der Unterschlagung oder Untreue eingeleitete Strafverfahren wurde nach Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 400 € von der Staatsanwaltschaft am gemäß § 153 a Abs. 1 StPO endgültig eingestellt.

Nachdem die Klägerin aufgrund des Ermittlungsergebnisses beschlossen hatte, gegen den Beklagten Disziplinarklage mit dem Antrag auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erheben, teilte der vom Beklagten angerufene örtliche Betriebsrat der Niederlassung durch Schreiben vom mit, er könne gegen die Erhebung der Disziplinarklage keine Einwendungen vorbringen, die sich auf die in § 77 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BPersVG bezeichneten Gründe stützen ließen. Vorsorglich weise er jedoch darauf hin, dass er im Hinblick auf die Rechtsprechung zu den außergewöhnlichen Milderungsgründen eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis für überzogen erachte. Der Niederlassungsleiter erwiderte mit Schreiben vom , dass er mangels vorgebrachter Einwendungen im Sinne des Gesetzes keinen Anlass sehe, von der Klageerhebung Abstand zu nehmen.

Die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost stimmte der beabsichtigten Klageerhebung zu.

Das Verwaltungsgericht hat auf die Disziplinarklage den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Seine Berufung hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom (IÖD 2004, 131) im Wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen:

Der Stattgabe der Disziplinarklage stehe kein Mangel des personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens entgegen. Der nach § 28 PostPersRG zuständige Betriebsrat habe "bei Erhebung der Disziplinarklage" (§ 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG) keine Einwendungen im Sinne des Gesetzes erhoben. Der vorsorgliche Hinweis des Betriebsrats, er halte eine Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis für überzogen, stelle keine Einwendung im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 BPersVG dar.

Das vom Verwaltungsgericht zutreffend festgestellte Dienstvergehen wiege so schwer, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden müsse (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). Maßgebend für die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme sei der Zugriff auf die Nachentgelte und Nachnahmebeträge. Der Beklagte habe in insgesamt 54 Fällen über mehr als drei Monate dienstlich erlangtes Geld für private Zwecke - bei den Nachentgelten 106,90 DM auf Dauer, bei den Nachnahmen (einschließlich Nachentgelt) 569,80 DM vorübergehend - für private Zwecke verwendet und damit ein schweres Dienstvergehen im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten begangen. Ein so handelnder Beamter verliere das Vertrauen seines Dienstherrn und müsse aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden, sofern nicht die Voraussetzungen eines von der Rechtsprechung anerkannten Milderungsgrundes vorlägen. Dies sei hier nicht der Fall. Der Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf verminderte Schuldfähigkeit zur Tatzeit berufen. Schließlich sei die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme auch nicht unverhältnismäßig. Bei der gebotenen Gesamtschau bestehe kein Anlass zur Milde.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom und des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Verfahren einzustellen,

hilfsweise,

auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

Die Klägerin tritt der Revision entgegen und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verteidigt ebenfalls das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Revision, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO, § 70 Abs. 1, § 66 Satz 1, § 3 BDG ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist begründet. Das angefochtene Berufungsurteil verletzt Bundesrecht. Dies führt zur Aufhebung und Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO, § 70 Abs. 2 BDG).

1. Das Berufungsurteil leidet nicht an Verfahrensfehlern. Das Berufungsgericht brauchte der Klägerin keine Frist zur Beseitigung eines wesentlichen Mangels des behördlichen Disziplinarverfahrens zu setzen (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG). Die Mitwirkung des Betriebsrats gemäß § 29 Abs. 5 Satz 1 PostPersRG, § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG weist keinen rechtserheblichen Mangel auf. Daher kann dahingestellt bleiben, ob ein derartiger Mangel im Verfahren gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 BDG geheilt werden kann.

Der Begriff des Mangels des behördlichen Disziplinarverfahrens im Sinne dieser Vorschriften erfasst auch die Verletzung von Verfahrensregeln außerhalb des Regelungsbereichs des Bundesdisziplinargesetzes. Allein die weite Auslegung dieses Begriffs entspricht dem gesetzlichen Kontrollauftrag des Gerichts, zum Schutz der Rechte des beklagten Beamten den gesamten behördlichen Verfahrensabschnitt vor Erhebung der Disziplinarklage, soweit nicht ohnehin gerügt, von Gerichts wegen (vgl. § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG) auf Mängel und deren Folgen zu überprüfen. Dabei verfolgt § 55 BDG den weiteren Zweck, die notwendige gerichtliche Kontrolle mit dem Interesse an einer zügigen Verfahrensdurchführung in Einklang zu bringen (vgl. BTDrucks 14/4659 S. 49 - zu § 55 BDG). Dass sich der Prüfungsrahmen des Gerichts nicht nur auf Verfahrensfehler aus dem Regelungsbereich der §§ 17 ff. BDG beschränkt, wird bereits an dem Umstand deutlich, dass sich wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens z.B. aus der Verletzung von Vorschriften über den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich des Gesetzes (§§ 1, 2 BDG) und der Nichtbeachtung von Maßnahmeverboten (§§ 14, 15 BDG) ergeben können. Soweit solche Mängel gemäß § 32 BDG zur Einstellung des behördlichen Disziplinarverfahrens führen würden, haben sie regelmäßig zugleich die Unzulässigkeit einer Disziplinarklage zur Folge. Der weiten Auslegung des Begriffs "behördliches Disziplinarverfahren" in § 55 BDG steht auch nicht die Verwendung derselben Formulierung als Überschrift über den Regelungsbereich der §§ 17 ff. BDG entgegen. Trotz identischen Wortlauts kann einem Begriff in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen eines Gesetzes unterschiedliche Bedeutung zukommen. Dies ist hier der Fall. Während die Verwendung des Begriffs "Behördliches Disziplinarverfahren" als Überschrift von Teil 3 des Gesetzes nur der Abgrenzung zum Regelungsbereich des "Gerichtlichen Disziplinarverfahrens" - Überschrift von Teil 4 des Gesetzes - dient, beschreibt der gleichlautende Begriff in § 55 BDG den umfassenden Prüfungsrahmen des Gerichts hinsichtlich des gesamten behördlichen Verfahrensabschnitts vor Klageerhebung zur Feststellung der notwendigen Sachentscheidungsvoraussetzungen der Disziplinarklage.

Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass sich die Mitwirkung des Betriebsrats bei Erhebung der Disziplinarklage nur auf die grundlegende Entscheidung bezieht, Disziplinarklage zu erheben. Der Inhalt der Klageschrift, insbesondere die Antragstellung unterliegt nicht der Mitwirkung. Demzufolge müssen Einwendungen des Betriebsrats inhaltlich das "Ob" der Klageerhebung zum Gegenstand haben. Dabei kann der Betriebsrat gemäß § 78 Abs. 2 Satz 3 BPersVG, § 29 Abs. 5 Satz 2 PostPersRG Einwendungen auf die in § 77 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BPersVG bezeichneten Gründe stützen.

Die personalvertretungsrechtliche Mitwirkung "bei" Erhebung der Disziplinarklage gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BPersVG knüpft schon vom Wortlaut her an die "Erhebung der Disziplinarklage" gemäß § 34 BDG als eine Form der "Abschlussentscheidung" im behördlichen Disziplinarverfahren an (vgl. amtliche Überschrift zu Kapitel 3 in Teil 3 des Bundesdisziplinargesetzes). Soll aufgrund des Ergebnisses der disziplinarbehördlichen Ermittlungen gegen den Beamten auf Zurückstufung, auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden, so ist gegen ihn Disziplinarklage zu erheben (§ 34 Abs. 1 BDG). Mit dem Entschluss des Dienstherrn zur Klageerhebung entsteht der Mitwirkungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG, der sich - nach Erfüllung der personalvertretungsrechtlichen Hinweispflicht gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BPersVG - aber erst auf Antrag des Beamten aktualisiert.

Ein Sachantrag in der Klageschrift einer Disziplinarklage ist lediglich Folge des Entschlusses des Dienstherrn zur Klageerhebung. Zwar wird dem betroffenen Beamten und auch der Beschäftigtenvertretung das mit der Klage verfolgte Ziel verdeutlicht; der Beamte kann sein Verteidigungsverhalten entsprechend einstellen. Für das Gericht ist ein Sachantrag jedoch unverbindlich. Es hat nach Feststellung des dem Beamten gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 BDG in der Disziplinarklage zur Last gelegten Sachverhalts und dessen disziplinarrechtlicher Würdigung von Gerichts wegen auf die erforderliche und zulässige Disziplinarmaßnahme zu erkennen; andernfalls hat es die Disziplinarklage abzuweisen oder das Disziplinarverfahren einzustellen (vgl. insbesondere § 60 Abs. 2 Satz 2, § 59 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 3 Satz 3 BDG). Die Klageschrift muss deshalb auch keinen Antrag enthalten. Das ergibt sich aus § 52 Abs. 1 BDG, der die formalen Anforderungen an eine Disziplinarklage regelt. Die Formulierung eines bestimmten Antrags ist dort, anders als bei § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO, der wegen des abschließenden Sonderregelungscharakters des § 52 Abs. 1 BDG auch über § 3 BDG auf Disziplinarklagen keine Anwendung findet (vgl. Gansen, BDG, Stand 2005, § 3 Rn. 8 und § 52 Rn. 19; Köhler/Ratz, BDG, 3. Auflage, § 52 Rn. 11 am Ende; Lemhöfer, RiA 2002, 55; Weiß, PersV 2004, 448), noch nicht einmal als Soll-Vorschrift vorgesehen.

Die Entstehungsgeschichte des § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG steht einer Beschränkung des Mitwirkungstatbestandes auf das "Ob" der Disziplinarklageerhebung nicht entgegen. Die derzeitige Fassung der Vorschrift beruht auf Artikel 9 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom , BGBl I S. 1510, 1529. Sie ersetzt mit Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am den unter der Geltung der Bundesdisziplinarordnung bestehenden Mitwirkungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG a.F., der auf die "Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens" abgestellt hat. Da das neue Disziplinarverfahrensrecht ein förmliches Disziplinarverfahren nicht mehr kennt und "an die Stelle seiner Einleitung nunmehr unmittelbar die Erhebung der Disziplinarklage tritt, muss die personalvertretungsrechtliche Mitwirkung nunmehr für dieses Verfahrensstadium vorgesehen werden", wie es in der amtlichen Gesetzesbegründung zu § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG n.F. heißt (BTDrucks 14/4659 S. 54 - zu Artikel 10); die Neuregelung "enthält die notwendige Anpassung des Bundespersonalvertretungsgesetzes an das neue Disziplinarverfahren". Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine Beteiligung der Beschäftigtenvertretung bei Erhebung der Disziplinarklage auch hinsichtlich der Stellung eines Klageantrags gewollt hat. Nach altem Recht bezog sich das Mitwirkungsrecht nur auf das "Ob" der Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens. Da das förmliche Disziplinarverfahren ergebnisoffen durchzuführen war und sich daran noch das Verfahren vor den Disziplinargerichten anschließen konnte, bestand "bei Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens" kein Mitwirkungsrecht der Personalvertretung hinsichtlich der Frage, welche Disziplinarmaßnahme der Beamte voraussichtlich verwirkt haben könnte. An dieser Rechtslage sollte sich durch die Anpassung des § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG an die Neuregelungen des Bundesdisziplinargesetzes nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nichts ändern.

Der Niederlassungsleiter hat die Einwendungen des Betriebsrats, der hier als Personalrat handelte, wegen des seiner Ansicht nach fehlenden Bezuges zum "Ob" der Klageerhebung sinngemäß für unbeachtlich erklärt. Daher hat er sich nicht für verpflichtet gehalten, die Einwendungen mit dem Betriebsrat zu erörtern (vgl. § 29 Abs. 5 Satz 2 PostPersRG, § 72 Abs. 1 BPersVG). Diese Vorgehensweise wäre nur dann rechtsfehlerfrei gewesen, wenn die Einwendungen selbst bei der gebotenen großzügigen Betrachtungsweise offensichtlich nicht vom Mitwirkungsrecht gedeckt gewesen wären (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 6 P 4.93 - BVerwGE 94, 178 <179> und vom - BVerwG 6 P 41.93 - BVerwGE 99, 201 <203>). Dies ist zweifelhaft, kann aber dahingestellt bleiben. Denn das Mitwirkungsverfahren war bei Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen, weil der Betriebsrat sein Mitwirkungsrecht endgültig nicht weiter ausgeübt hat. Weder hat der Betriebsrat der Auffassung des Niederlassungsleiters widersprochen und eine Erörterung der Einwendungen verlangt, noch hat er die Angelegenheit gemäß § 29 Abs. 6 PostPersRG binnen drei Tagen dem zuständigen Vorstandsmitglied vorgelegt. Auf diese Möglichkeit war er vom Niederlassungsleiter hingewiesen worden.

2. Nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO, § 69 BDG) hat der Beklagte insbesondere auf Nachentgelte und Nachnahmegelder zugegriffen, indem er in insgesamt 54 Fällen über mehr als drei Monate dienstlich anvertrautes Geld für private Zwecke, bei den Nachentgelten 106,90 DM auf Dauer, bei den Nachnahmen 569,80 DM vorübergehend, verwendet hat. Diese Zugriffe, so die Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Berufungsgericht, seien als ein so schweres Dienstvergehen im Kernbereich der dem Beklagten obliegenden Dienstpflichten zu bewerten, dass nach ständiger Rechtsprechung gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG in der Regel die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht komme, sofern nicht die Voraussetzungen eines von der Rechtsprechung anerkannten Milderungsgrundes vorlägen. Dies sei hier nicht der Fall. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Beklagte das "Schieben" der Nachnahmebeträge freiwillig offenbart habe. Dieser Milderungsgrund könne ihm schon deshalb nicht zugute kommen, weil er nicht auch hinsichtlich der Unterschlagung der Nachentgelte vorliege.

Die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme sind mit § 13 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BDG nicht vereinbar: Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG ist ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Die Vorschrift trifft keine Aussage, unter welchen Voraussetzungen die Tatbestandsmerkmale "schweres Dienstvergehen" und "endgültiger Vertrauensverlust" anzunehmen sind.

Maßstäbe für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG lassen sich allein aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG gewinnen. Wenn § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis von einem prognostisch zu beurteilenden endgültigen Vertrauensverlust durch ein schweres Dienstvergehen abhängig macht, greift er die generell geltenden Bemessungskriterien des § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG - Schwere des Dienstvergehens - und des § 13 Abs. 1 Satz 4 BDG - Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit - auf. Diese Bemessungskriterien sind bei jedem Dienstvergehen, gleichgültig zu welcher Disziplinarmaßnahme es letztlich führt, in Betracht zu ziehen. Als drittes Kriterium für die Bestimmung einer Disziplinarmaßnahme nennt § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG das Persönlichkeitsbild des Beamten, das angemessen, das heißt sowohl entlastend als auch belastend, zu berücksichtigen ist. Auch wenn § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG das Persönlichkeitsbild des Beamten nicht ausdrücklich erwähnt, gibt es keinen Grund, dieses Bemessungskriterium bei Dienstvergehen im Regelungsbereich des § 13 Abs. 2 BDG unberücksichtigt zu lassen. Damit ist allerdings noch nichts darüber gesagt, welches Gewicht einem Umstand, der einem dieser Bemessungskriterien zuzuordnen ist, z.B. einem entlastenden Aspekt des Persönlichkeitsbildes des Beamten, im Einzelfall zukommt.

Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 BDG) und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Danach muss die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. - NJW 2005, 1344 <1346> m.w.N.). Dies konkretisieren die für Dienstvergehen von Soldaten geltenden "Richtlinien für das Bemessen der Disziplinarmaßnahme" in § 38 Abs. 1 WDO in deutlichen Worten: "Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen."

Nicht anders ist die weniger deutliche Konkretisierung der genannten Grundsätze in den Sätzen 2 bis 4 des § 13 Abs. 1 BDG zu verstehen. Diesen Anforderungen wird die fallbezogene Handhabung der Bemessungskriterien des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG und damit die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG dann gerecht, wenn die bereits in der bisherigen Disziplinarrechtsprechung unter Geltung der Bundesdisziplinarordnung als bemessungserheblich eingestuften und auch in § 38 Abs. 1 WDO erwähnten Umstände einschließlich so genannter Erschwerungs- und Milderungsgründe berücksichtigt werden:

Bei der Auslegung des Begriffs "Schwere des Dienstvergehens" ist danach maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (z.B. materieller Schaden).

Wenn es in § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG heißt, das Persönlichkeitsbild des Beamten sei angemessen zu berücksichtigen, so bedeutet dies, dass es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme auch auf die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen ankommt, insbesondere soweit es mit seinem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder davon abweicht (z.B. persönlichkeitsfremdes Verhalten in Notstands- und Konfliktsituationen).

Die prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BDG) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich (§ 54 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG) erwartet wird. Das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter (vgl. dazu Urteil des Disziplinarsenats vom - BVerwG 1 D 33.02 - BVerwGE 120, 33 <53 f.>), daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung, z.B. als Polizei- oder Zollbeamter, und auf dessen konkret ausgeübte Funktion, z.B. als Vorgesetzter. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde. Dies unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Überprüfung. Ein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn besteht nicht.

Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte ein schweres Dienstvergehen im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG begangen. Insoweit ist der Würdigung durch das Berufungsgericht zuzustimmen. Im Vordergrund der Zumessungserwägungen nach der "Schwere des Dienstvergehens" (objektive und subjektive Handlungsmerkmale, unmittelbare Folgen des Dienstvergehens) steht die Feststellung, dass der Beklagte in 54 Fällen über mehr als drei Monate ihm dienstlich anvertraute Nachentgelte und Nachnahmegelder veruntreut hat, wodurch der Post und ihren Kunden ein Schaden von insgesamt etwa 675 DM entstanden ist. Durch den Zugriff auf die dienstlich anvertrauten Gelder hat der Beklagte nicht nur beamtenrechtliche Nebenpflichten verletzt, sondern hat im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten versagt (stRspr des Disziplinarsenats, vgl. z.B. BVerwG 1 D 39.92 - BVerwGE 103, 1 <2> m.w.N.). Mit dem Kernbereich ist derjenige Pflichtenkreis des Beamten angesprochen, der im Mittelpunkt seines konkreten Amtes im funktionellen Sinne (Dienstposten) steht (vgl. Urteil des Disziplinarsenats vom - BVerwG 1 D 136.87 - NJW 1989, 851). Zu den Kernpflichten eines Postbeamten als Briefzusteller gehört z.B., dass dieser ihm dienstlich anvertraute Nachnahmegelder und Nachentgelte ordnungsgemäß verwaltet und abrechnet. Der Dienstherr - und hier auch die Post - sind auf die absolute Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit eines solchen Beamten beim Umgang mit dienstlich anvertrauten Geldern angewiesen. Schon aus Gründen einer sparsamen Verwaltung der Haushaltsmittel ist eine ständige und lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters unmöglich und muss deshalb weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden. Diese Anforderungen sind für jeden Beamten leicht einsichtig.

Das Berufungsurteil verletzt jedoch insoweit Bundesrecht, als es bei seiner Entscheidung gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG einen endgültigen Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit angenommen hat, ohne zuvor eine umfassende Prognoseentscheidung unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu treffen. Einer solchermaßen umfassenden disziplinargerichtlichen Prognose bedarf es zur Vermeidung von Schematisierung auch dann, wenn sich der Beamte, wie vorliegend, bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten, die seinem Gewahrsam unterliegen, vergriffen hat. Ein solches Dienstvergehen ist "regelmäßig" geeignet, das Vertrauensverhältnis zu zerstören (vgl. - NVwZ 2003, 1504 <1504 f.> m.w.N.), sodass in diesen Fällen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Ausgangspunkt der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme ist. Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfällt, wenn gewichtige und im Einzelfall durchgreifende Entlastungsgründe festgestellt werden. Dann hat das Dienstvergehen keinen endgültigen Vertrauensverlust zur Folge. Deshalb darf sich die Würdigung nicht auf die Verneinung "anerkannter Milderungsgründe" beschränken.

In der Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts sind unter Geltung der Bundesdisziplinarordnung speziell zu den so genannten Zugriffsdelikten entsprechende gewichtige "Milderungsgründe" entwickelt und "anerkannt" worden (vgl. dazu näher Köhler/Ratz, a.a.O., B II 10 Rn. 12 ff. und Vogelgesang in: Öffentliches Dienstrecht im Wandel, Festschrift für Walther Fürst, 2002, S. 369 ff., jeweils m.w.N.). Diese "Milderungsgründe", die besondere Konfliktsituationen (Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage, in einer psychischen Ausnahmesituation oder in einer besonderen Versuchungssituation) und Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen (freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung, Zugriff auf geringwertige Gelder oder Güter) umschreiben, sind auch unter Geltung des § 13 BDG geeignet, bei einem Beamten, der dienstlich im Kernbereich versagt hat, noch einen Rest an Vertrauen anzunehmen. Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BDG und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. BTDrucks 14/4659 S. 37: "Abs. 2 Satz 1 regelt die Voraussetzungen der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung") stehen einer Fortgeltung der "anerkannten Milderungsgründe" nicht entgegen. Sie stellen jedoch keinen abschließenden Kanon der bei den hier in Rede stehenden Dienstvergehen berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar (vgl. auch Vogelgesang, a.a.O., S. 380 f.; Köhler/Ratz-Köhler, BDG, A.IV.2 Rn. 77; vgl. zu Ansätzen aus der Rspr des Senats: BVerwG 1 D 27.03 -, vom - BVerwG 1 D 6.02 -, vom - BVerwG 1 D 5.02 -, vom - BVerwG 1 D 62.00 - und vom - BVerwG 1 D 47.00 -). Soweit eine Erweiterung in Betracht gezogen wird, bilden die in der bisherigen Rechtsprechung anerkannten Milderungsgründe einen Vergleichsmaßstab, wie außergewöhnlich eine Ausnahmesituation sein muss, um davon ausgehen zu können, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes pflichtmäßiges Verhalten von dem Beamten auch in Zukunft nicht erwartet werden kann (vgl. auch BVerwG 2 WD 51.02 -, vom - BVerwG 2 WD 3.03 - BVerwGE 119, 76 und vom - BVerwG 2 WD 8.03 - DokBerB 2004, 178).

Bei der prognostischen Frage, ob bei einem Beamten aufgrund eines schweren Dienstvergehens ein endgültiger Vertrauensverlust im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG eingetreten ist, gehören zur Prognosebasis demnach alle für diese Einschätzung bedeutsamen belastenden und entlastenden Bemessungsgesichtspunkte, bei einem so genannten Zugriffsdelikt im Rahmen entlastender Umstände also nicht nur die bislang von der Rechtsprechung "anerkannten Milderungsgründe". Dies gebieten sowohl das gesetzliche Bemessungskriterium "angemessene Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten" als auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Die gesamte Prognosegrundlage muss in der Entscheidung des Gerichts dargelegt werden; ob sie dann den Schluss auf einen noch verbliebenen Rest an Vertrauen in die Person des Beamten zulässt, ist eine Frage der Gesamtabwägung im Einzelfall.

Diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Es hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt, das Vorliegen "anerkannter Milderungsgründe" zu prüfen und im Ergebnis zu verneinen. Erheblich verminderte Schuldfähigkeit ist aus tatsächlicher und rechtlicher Sicht als unmaßgeblich angesehen worden. Mit Blick auf den dienstlichen Werdegang, die Beurteilung der dienstlichen Leistungen des Beklagten und sein sonstiges dienstliches Verhalten hat das Berufungsgericht die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als nicht unverhältnismäßig bezeichnet; bei der "gebotenen Gesamtschau" bestehe kein Anlass zur Milde.

Diese Darlegungen lassen nicht erkennen, dass das Berufungsgericht die erforderliche Prognoseentscheidung zum Umfang der vom Beklagten verursachten Vertrauensbeeinträchtigung getroffen hat. In die Gesamtabwägung waren danach auf der Seite der den Beklagten belastenden Umstände zunächst diejenigen einzustellen, die der dienstlichen Verfehlung das Gewicht eines "schweren Dienstvergehens" gegeben haben. Zu Lasten des Beklagten waren ferner zu berücksichtigen die schuldhafte nicht termingerechte Zustellung der Postwurfsendungen (vorübergehende nicht eigennützige Postunterdrückung, vgl. dazu Urteil des Disziplinarsenats vom - BVerwG 1 D 59.99 - ZBR 2002, 50 <52 f.> m.w.N.), die Tatsache, dass der Beklagte bereits ein halbes Jahr nach seiner Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit schwer versagt hatte und dienstlich zuletzt nicht positiv beurteilt worden war, sowie der Umstand, dass er aus der Beobachtung, dass ein Kollege wegen des gleichen Dienstvergehens disziplinarisch belangt worden war, nicht rechtzeitig den Entschluss zur freiwilligen vollständigen Wiedergutmachung des Schadens oder jedenfalls zur Offenbarung des Fehlverhaltens gefasst hatte. Auf der Seite der den Beklagten entlastenden Umstände hat das Berufungsgericht zunächst zu Recht geprüft, ob sich der Beklagte mit Erfolg auf einen "anerkannten Milderungsgrund" berufen kann; dabei hätte es nach dem auch im Verfahren nach dem Bundesdisziplinargesetz fortgeltenden Grundsatz "in dubio pro reo" (vgl. BTDrucks 14/4659 S. 35 - zu § 3 BDG) ausgereicht, wenn nur hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen "Milderungsgrundes" gegeben wären (vgl. Urteil des Disziplinarsenats vom - BVerwG 1 D 32.91 - BVerwGE 93, 294 <297>). Da es für die Frage des endgültigen Vertrauensverlusts aber nicht nur auf das Vorhandensein eines "anerkannten Milderungsgrundes", sondern auf eine Gesamtabwägung aller auch entlastender Umstände ankommt, durfte das Berufungsgericht nicht aus Rechtsgründen offen lassen, ob der Beklagte das "Schieben" der Nachnahmebeträge freiwillig, d.h. ohne Furcht vor Entdeckung ( BVerwG 1 D 10.02 -) offenbart hatte. Die Nachnahmebeträge einschließlich des Nachentgelts in Höhe von insgesamt 569,80 DM betreffen etwas mehr als 4/5 des Gesamtschadens; der Zugriff auf die 106,90 DM Nachentgelt bewegt sich im Bereich der Bagatellgrenze (vgl. Urteil des Disziplinarsenats vom - BVerwG 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308). Das Berufungsgericht ist hinsichtlich der Nachnahmebeträge davon ausgegangen, dass der Beklagte die "geschobenen" Nachnahmen ohne die Vernehmung durch die Betriebssicherung am , spätestens aber am folgenden Tag von sich aus nachträglich abgerechnet und eingezahlt hätte. Anhaltspunkte dafür, ob insoweit tatsächlich schon etwas ins Werk gesetzt war, hat es allerdings nicht festgestellt. Gegebenenfalls hätte das Berufungsgericht dann auch zu prüfen gehabt, ob nicht die vom Disziplinarsenat entwickelte Rechtsprechung (vgl. BVerwG 1 D 11.02 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 29), wonach bei einem so genannten Zugriffsdelikt, das aus mehreren Zugriffen besteht, sich eine mildere Disziplinarmaßnahme ohne Hinzutreten weiterer gewichtiger Milderungsgründe nicht darauf stützen lässt, dass für einen Teil der Zugriffe der Milderungsgrund der Offenbarung oder der Wiedergutmachung des Schadens vor Tatentdeckung und für den anderen Teil der Milderungsgrund des Zugriffs auf geringwertige Güter herangezogen wird, unter Geltung des § 13 BDG von Bedeutung ist. Zugunsten des Beklagten war ferner zu berücksichtigen, dass er disziplinarisch nicht vorbelastet ist und zumindest wohl einen Teil des Schadens nachträglich sogleich ausgeglichen hat.

Sollte das Berufungsgericht nach Abwägung aller belastenden und entlastenden Umstände zum Ergebnis kommen, dass der Beklagte trotz des schweren Dienstvergehens das Vertrauen seines Dienstherrn oder der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren hat mit der Folge, dass der Ausspruch einer milderen Disziplinarmaßnahme in Betracht kommt, wird zu prüfen sein, ob gemäß § 14 Abs. 1 BDG die Voraussetzungen eines beschränkten Disziplinarmaßnahmeverbots wegen strafrechtlicher Ahndung vorliegen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Fundstelle(n):
PAAAC-12185