Leitsatz
1. Bei Grundbesitzabgaben, die als Forderungen gegen die einzelnen Wohnungseigentümer gerichtet sind, aber gesamtschuldnerisch anfallen, ist der Verwalter nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG kraft Gesetzes empfangsbevollmächtigt.
2. Die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft ( - NJW 2005 S. 2061 ff.) hindert die Geltung einer im kommunalen Abgabenrecht statuierten gesamtschuldnerischen Haftung der Wohnungseigentümer für Grundbesitzabgaben nicht.
Gesetze: VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 2; VwGO § 137 Abs. 1; VwGO § 137 Abs. 2; WEG § 27 Abs. 2 Nr. 3; AO § 227; BGB § 133
Instanzenzug: VG Köln VG 14 K 4326/01 vom OVG Münster OVG 9 A 1150/03 vom
Gründe
I.
Der Kläger ist Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft, von der Grundbesitzabgaben (Abfall-, Entwässerungs- und Straßenreinigungsgebühren) für die Jahre 1997 bis 1999 erhoben worden sind, deren Höhe streitig war. Der Beklagte hatte die Abrechnungsbescheide und die Bescheide über festgesetzte Säumniszuschläge unter Angabe der Anschrift der Eigentumswohnungsanlage an den Verwalter verschickt. Mit seiner gegen die Bescheide gerichteten Klage machte der Kläger geltend, die Bescheide seien wegen fehlender Bestimmtheit in der Bezeichnung des Gebührenschuldners nichtig; zumindest müssten aber die Säumniszuschläge erlassen werden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Die Berufung des Klägers gegen die Klageabweisung blieb ohne Erfolg. Der Kläger strebt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision an.
II.
Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt nicht die grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, die ihr von der Beschwerde beigemessen wird (1.). Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor (2.).
1. a) Die Beschwerde hält zunächst die Frage für klärungsbedürftig,
"ob die Bescheide so ausgelegt werden können, dass Adressaten auch solche nicht weiter konkret benannten früheren Wohnungseigentümer sein können, die ihr Sondereigentum zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Bescheide bereits verkauft hatten und daher nicht mehr zur Wohnungseigentümergemeinschaft gehörten."
Mit dieser Frage knüpft die Beschwerde daran an, dass die Vorinstanz den Einwand des Klägers, die angefochtenen Bescheide seien nicht hinreichend bestimmt, mit der Begründung verworfen hat, es sei unschädlich, wenn die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft als Adressaten nicht namentlich benannt worden seien, weil sich eine hinreichend bestimmbare Regelung im Wege der Auslegung ermitteln lasse. Hinsichtlich der Abrechnungsbescheide sei davon auszugehen, dass sie sich an die bei ihrer Bekanntmachung aktuellen Wohnungseigentümer richteten. Was die festgesetzten Säumniszuschläge angehe, ergebe sich aus einer tabellarischen Berechnung, dass diejenigen Wohnungseigentümer, die Schuldner der einzeln aufgeführten und nicht rechtzeitig gezahlten Gebührenforderungen (gewesen) seien, in gleicher Weise auch Schuldner der konkret darauf entfallenen Säumniszuschläge sein sollten, so dass insoweit auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Ansprüche abzustellen sei, für die das Satzungsrecht eine gesamtschuldnerische Haftung der Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft angeordnet habe. Der Kläger, der erst seit September 1998 Eigentümer sei, hafte danach nicht für solche Säumniszuschläge, die bezüglich 1997 fällig gewordener Gebührenforderungen erhoben worden seien.
Die Beschwerde zeigt auch mit ihren weiteren Fragen, die in Abwandlung der zitierten Ausgangsfrage vom konkreten Einzelfall abstrahieren, nicht auf, warum sich in einem Revisionsverfahren die Frage nach einer Haftung zwischenzeitlich ausgeschiedener Wohnungseigentümer stellen soll. Der Kläger selbst gehört der Wohnungseigentümergemeinschaft weiterhin an. Die Vorinstanz hat offenbar schon aus diesem Grunde keine Veranlassung gesehen, zu dieser Fragestellung Ausführungen zu machen. Es ist nicht ersichtlich, warum dies zu beanstanden sein sollte.
b) Die Beschwerde wendet sich gegen die Auffassung der Vorinstanz, dass die Abrechnungsbescheide sich an die bei ihrer Bekanntmachung aktuellen Wohnungseigentümer richteten. Da nach den weiteren Ausführungen der Vorinstanz nur diejenigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft gesamtschuldnerisch hafteten, die ihr bereits bei Fälligkeit der Gebührenforderung angehört hätten, stelle sich die Frage,
"ob in einem solchen Fall dennoch die pauschale Adressierung an die Wohnungseigentümergemeinschaft dem Bestimmtheitserfordernis genügt," und "ob die Abrechnungsbescheide so auszulegen sind, dass sie nicht die Feststellung enthalten, dass diejenigen, die zur Zeit ihres Erlasses Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft waren, als Gesamtschuldner für die angefallenen Säumniszuschläge und Mahnkosten haften."
Dies sind Fragen, deren grundsätzliche Bedeutung von der Beschwerde nicht dargelegt wird (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO); denn ein Klärungsbedarf i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann nicht schon mit dem pauschalen Hinweis aufgezeigt werden, dass eine "Rechtsprechung zu einem solchen Sachverhalt" fehlt. Selbst wenn man annehmen wollte, dass der tatrichterlich ermittelte Erklärungswert der angefochtenen Bescheide für das Revisionsgericht nicht als Tatsachenfeststellung nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend feststeht (dazu BVerwG 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <280>; anders möglicherweise z.B. BVerwG 6 C 55.79 - BVerwGE 60, 223 <228 f.>), wird von der Beschwerde keine Rechtsfrage des revisiblen Rechts formuliert, die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hätte (vgl. BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> Nr. 26 S. 14).
c) Als klärungsbedürftig bezeichnet die Beschwerde weiterhin die Frage,
"ob die fehlende namentliche Benennung der Schuldner und die fehlende Aufschlüsselung der im Einzelnen zu zahlenden Beträge durch eigene Ermittlungen und Berechnungen des Wohnungseigentumsverwalters ersetzt werden kann, und die Bescheide nach dessen Empfängerhorizont damit als genügend angesehen werden können."
Ein Klärungsbedarf, der die Zulassung der Revision rechtfertigt, ist auch unter diesem Aspekt nicht erkennbar. Die Anwendung der Auslegungsregel des § 133 BGB, wonach der erklärte Wille maßgebend ist, so wie ihn der Empfänger der Erklärung bei objektiver Würdigung verstehen kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt (so z.B. BVerwG 6 C 55.79 -, a.a.O.). Empfänger der Bescheide war hier nach dem von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt der Verwalter der Eigentumswohnanlage. Für das Revisionsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellt ist ebenso, dass dieser die Bescheide als Vertreter aller damaligen Wohnungseigentümer und nicht als Vertreter der Gemeinschaft in Empfang genommen hat. Die jetzt bemängelte Kurzbezeichnung ist seinerzeit vom Verwalter nicht als unverständlich gerügt worden, weil - so das Urteil erster Instanz (UA S. 10), auf das die Vorinstanz nach § 130 b Satz 2 VwGO Bezug nimmt - "der durch die Bescheide in Anspruch genommene Personenkreis stets unstreitig" war. Wenn die Beschwerde das in tatrichterlicher Würdigung auf dieser Grundlage gewonnene Auslegungsergebnis mit dem Hinweis auf § 27 WEG in Zweifel ziehen will, führt dies nicht weiter. Es entspricht nämlich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass auch bei Grundbesitzabgaben, die als Forderungen gegen die einzelnen Wohnungseigentümer gerichtet sind, aber gesamtschuldnerisch anfallen, der Verwalter nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG kraft Gesetzes empfangsbevollmächtigt ist (vgl. BVerwG 8 C 15.93 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 37 S. 3). Aus dem von der Beschwerde in diesem Zusammenhang angeführten - (NJW 2003, 3476 ff.) ergibt sich insoweit nichts Abweichendes. Mit der Auslegung von Bescheiden, mit denen bei einer Eigentumswohnanlage Grundbesitzabgaben erhoben werden, befasst sich diese Entscheidung nicht.
d) Unter Hinweis auf die Anerkennung einer Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft in dem - (NJW 2005, 2061 ff.) hält die Beschwerde die Frage für klärungsbedürftig,
"ob die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft überhaupt als Gesamtschuldner für die Säumniszuschläge haften können."
Dabei übersieht die Beschwerde, dass die Vorinstanz die gesamtschuldnerische Haftung dem kommunalen Abgabenrecht entnommen hat, das nach § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisibel ist. Die Auslegung dieses Rechts durch die Vorinstanz ist für das Revisionsgericht bindend (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Die Teilrechtssubjektivität der Wohnungseigentümergemeinschaft, die der Bundesgerichtshof letztlich aus der Entstehungsgeschichte sowie dem Regelungszusammenhang der §§ 27, 28 WEG herleitet (a.a.O., S. 2063 ff.), hindert die Geltung einer im kommunalen Abgabenrecht statuierten gesamtschuldnerischen Haftung der Wohnungseigentümer für Grundbesitzabgaben nicht. Soweit der Bundesgerichtshof für die Begründung einer Haftung neben dem Verband entweder die Übernahme einer persönlichen Schuld oder "eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers" (a.a.O., S. 2067) verlangt, steht gerade dies einer Veranlagung der einzelnen Wohnungseigentümer, die im kommunalen Abgabenrecht verankert ist, nicht entgegen. Wenn die Beschwerde der gesamtschuldnerischen Haftung im Übrigen entgegenhalten will, dass die Kosten der Abfallentsorgung verbrauchsabhängig und im Sondereigentum verursacht worden seien, rekurriert sie auf einen Sachverhalt, der von der Vorinstanz so nicht festgestellt worden ist und schon deswegen für das Revisionsgericht nicht entscheidungserheblich sein kann (vgl. BVerwG 9 B 387.96 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 12).
e) Für klärungsbedürftig erachtet die Beschwerde die Frage,
"ob nicht die Annahme einer gesamtschuldnerischen Haftung der Wohnungseigentümer für die Säumnisgebühren angesichts der Insolvenz des früheren Mehrheitseigentümers Fa. ... eine Unbilligkeit nach § 227 AO darstellt."
Damit kann die Beschwerde schon deswegen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht darlegen, weil die Vorschrift des § 227 AO hier ihre Geltung einer Bezugnahme im einschlägigen kommunalen Abgabenrecht verdankt, so dass sie ebenfalls dem nicht revisiblen Landesrecht zuzuordnen ist (vgl. BVerwG 11 C 9.00 - BVerwGE 114, 1 <4>). Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage wird auch nicht dadurch klärungsbedürftig, dass die Unbilligkeit der Gebührenforderung zusätzlich mit einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Äquivalenzprinzip begründet wird. Zwar handelt es sich dabei um bundesrechtliche Maßstabsnormen. Allein mit dem Hinweis, das Landesrecht sei von der Vorinstanz unter Verstoß gegen Bundesrecht angewandt worden, erlangt die Rechtssache aber noch nicht die angestrebte Revisibilität (vgl. BVerwG 5 B 174.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 306). Die Anforderungen, die für das kommunale Abgabenrecht aus dem Gleichheitsgrundsatz und dem Äquivalenzprinzip erwachsen, sind weitgehend geklärt. Die von der Beschwerde formulierte Fragestellung lässt fortbestehenden Klärungsbedarf, der als fallübergreifend anzusprechen wäre, nicht erkennbar werden.
f) Gleiches gilt für die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
"ob die Geltendmachung der Säumniszuschläge angesichts der offenkundigen und schwerwiegenden Fehlerhaftigkeit der zugrunde liegenden Bescheide über die Festsetzung der Abfallgebühren, der überlangen ... Bearbeitungszeit des Beklagten zur Behebung dieses Fehlers, sowie der unerfüllten Aufforderungen ..., die geschuldeten Beträge aufzuschlüsseln, eine Unbilligkeit im Sinne des § 227 AO bzw. einen Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben darstellt, die zum vollständigen Erlass der Säumniszuschläge führt."
Auch ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der - wie hier Treu und Glauben - zu dem Zweck herangezogen wird, das einschlägige kommunale Abgabenrecht zu ergänzen, ist nämlich ebenfalls dem irrevisiblen Recht zuzurechnen und deswegen ungeeignet, eine Zulassung der Revision zu rechtfertigen (vgl. etwa BVerwG 1 B 51.00 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 69 S. 5).
2. Die Beschwerde kann auch nicht mit ihrer Divergenzrüge durchdringen. Der Beschluss der Vorinstanz weicht entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab, die in der Beschwerdebegründung zitiert wird. Denn dies würde voraussetzen, dass eine unterschiedliche Beantwortung einer die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtsfrage vorliegt. Das ist hier nicht der Fall. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem BVerwG 8 C 2.92 - (Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 68 S. 5 f.) für einen Abfallgebührenbescheid den Verwalter nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG nicht kraft Gesetzes als empfangsbevollmächtigt angesehen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht aber daraus gefolgert, dass es sich nach dieser Vorschrift nur dann um eine "gemeinschaftliche Angelegenheit" der Wohnungseigentümer handele, wenn es um "gesamtschuldnerische Gebühren" gehe, was nach dem seinerzeit in Schleswig-Holstein geltenden Kommunalabgabenrecht nicht der Fall gewesen sei. Wie zuvor (oben 1. c) bereits erwähnt wurde, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass bei gesamtschuldnerisch anfallenden Grundbesitzabgaben der Anwendung des § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG nichts im Wege steht. Die Vorinstanz hat - für das Revisionsgericht bindend - in Anwendung des in Nordrhein-Westfalen geltenden Gebührenrechts eine gesamtschuldnerische Haftung bejaht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV-Beilage 2006 S. 532 Nr. 4
HFR 2006 S. 620 Nr. 6
NJW 2006 S. 791 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 12/2006 S. 925
EAAAC-12115