Leitsatz
[1] 1. Der Erwerb von Insiderpapieren in der Absicht, sie anschließend einem anderen zum Erwerb zu empfehlen, um sie dann bei steigendem Kurs - infolge der Empfehlung - wieder zu verkaufen (sog. Scalping), ist kein Insidergeschäft, sondern eine Kurs- und Marktpreismanipulation im Sinne von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG.
2. Eine solchermaßen motivierte Empfehlung ist auch dann eine verbotene Kurs- und Marktpreismanipulation, wenn die Empfehlung nach fachmännischem Urteil sachlich gerechtfertigt wäre.
3. Zwischen den Vorschriften des § 88 Nr. 2 BörsG aF und den § 39 Abs. 1 Nr. 2, § 38 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG besteht Unrechtskontinuität.
Gesetze: WpHG § 13 Abs.1 Nr. 3; WpHG § 14 Abs. 1 Nr. 1; WpHG § 20 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; WpHG § 38 Abs. 1 Nr. 4; WpHG § 39 Abs. 1 Nr. 2; BörsG a.F. § 88 Nr. 2; GG Art. 103 Abs. 2; StGB § 1
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten O. wegen verbotener Insidergeschäfte in neun Fällen, davon in sechs Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erbringen von Finanzdienstleistungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von insgesamt 77.065,28 € in sein Vermögen angeordnet. Der Angeklagte K. wurde wegen verbotener Insidergeschäfte in sechs Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erbringen von Finanzdienstleistungen sowie Urkundenfälschung ebenfalls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Auch bei ihm hat das Landgericht die Strafvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es die Forderung dieses Angeklagten gegen die ConSors-Direkt-Bank N. aus seinem dortigen Konto in Höhe von 285.529,63 € eingezogen und den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 2.147,43 € angeordnet.
Der Angeklagte O. macht ein Verfahrenshindernis geltend und wendet sich mit seiner näher ausgeführten Sachbeschwerde gegen die Verurteilung. Der Angeklagte K. erstrebt mit der Sachbeschwerde den Wegfall der Verurteilung wegen verbotener Insidergeschäfte, der Einziehungsanordnung sowie des Verfalls. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.
I.
Der Angeklagte O. war Redakteur der von dem Zeugen F. herausgegebenen Fachzeitschrift "Der Aktionär" und des Börsenbriefes "Neuer Markt Inside". Zudem trat O. in einschlägigen Fernsehsendungen auf und gab dort Anlagetips. Im Hinblick auf seine "überzeugende Performance" galt er deshalb 1999 und 2000 sowohl bei interessierten Privatanlegern als auch bei institutionellen Großanlegern als "der Anlagespezialist" und "Meinungsmacher" auf dem Gebiet des "Neuen Marktes". Neben der Tätigkeit als Redakteur beriet O. über die von F. gegründete "Gesellschaft für Börsenkommunikation mbh" (GFBK) mehrere Aktienfonds, unter anderem den "DAC-Kontrast-Universal-Fonds" (Anlagevolumen in der Spitze: 472 Millionen €; nachfolgend: DAC) und den "H & A Lux DAC Neuer-Markt-Fonds" (Anlagevolumen in der Spitze: 50 Millionen €; nachfolgend: H & A). Insoweit bestanden Beratungsverträge zwischen den Fonds und der GFBK einerseits und der GFBK und O. andererseits, wonach O. die Beratung der Fonds zufiel. Beide Fonds investierten vorwiegend in Unternehmen des "Neuen Marktes". Wie O. wußte, setzten die zuständigen Abteilungen der Fonds seine Anlageempfehlungen in der Regel ohne Rückfragen und zeitnah an der Börse um. Anlageempfehlungen gegenüber diesen Fonds, die sich auch auf die jeweils zu erwerbenden Stückzahlen bezogen, werden den Angeklagten als "Empfehlungen" im Sinne des sogenannten "Scalping" zur Last gelegt.
Der Mitangeklagte K. beschäftigte sich privat - mit mäßigem Erfolg - ebenfalls mit der Börse. Seine Informationen bezog er vor allem aus der Zeitschrift "Der Aktionär". Im August 2000 verfiel er auf die Idee, einen Aktienfonds zu gründen, um mit einer größeren Summe an der Börse zu spekulieren. Er wandte sich deswegen an O. . Beide kamen überein, von K. eingeworbene Gelder für private Aktiengeschäfte zu verwenden und sich dabei den Einfluß O. s auf Anlageentscheidungen der von ihm beratenen Fonds zunutze zu machen. O. wußte, daß große Orders der Fonds zu entsprechenden Kursanstiegen bei den jeweiligen Aktienwerten führten. Um einen sicheren Gewinn zu erzielen, sollte er sich vor den Empfehlungen an die Fonds mit den jeweiligen Aktien eindecken und diese nach dem zu erwartenden Kursanstieg wieder verkaufen. Die hierdurch erzielten Gewinne sollten zwischen den beiden Angeklagten und den Geldgebern wie folgt aufgeteilt werden: O. 30 %; K. 20 %; Geldgeber 50 %. In der Folgezeit warb K. mit der Behauptung, die Geschäfte seien absolut sicher, weil der Angeklagte O. über die Möglichkeit verfüge, die Kurse der gekauften Aktien zu "pushen", mehrere Anleger, die teilweise aus seiner unmittelbaren Verwandtschaft stammten. Sie zahlten insgesamt 243.426,06 € auf das Privatkonto K. s bei der ConSors-Direkt-Bank ein.
Mit diesem Geld erwarb O. entsprechend dem Tatplan innerhalb von elf Tagen ( bis ; Fälle II 1 bis 6 der Urteilsgründe) Aktien im Gesamtvolumen von 469.147,15 €, um diese anschließend den von ihm betreuten Fonds zum Kauf zu empfehlen. Diese folgten den Empfehlungen zeitlich praktisch unmittelbar. Nach den in jedem Fall eingetretenen Kurssteigerungen verkaufte O. die Aktien zeitnah, teilweise noch am selben Tag, wieder und erzielte im genannten Zeitraum hierdurch einen Gewinn in Höhe von insgesamt 61.716,26 €, der dem Konto K. s bei der ConSors-Direkt-Bank gutgeschrieben und teils neben dem dort befindlichen Geld zum Erwerb weiterer Aktien bereitgehalten wurde. Von den erzielten Gewinnen entnahmen O. 23.519,43 € und K. 2.147,43 €.
Auf die gleiche Weise verfuhr O. allein innerhalb der beiden Wochen vom bis auf eigene Rechnung (Fälle II 7 bis 9 der Urteilsgründe) und erzielte dabei mit einem Anlagevolumen von 377.273,95 € einen Gewinn von insgesamt 53.545,85 €.
Die Größenordnungen der Empfehlungen des Angeklagten O. an die beratenen Fonds bewegten sich im Bereich von bis zu 100.000 Aktien (Fälle II 1, 2, 6, 8 und 9), die teilweise auch in diesem Umfang von den Fonds umgesetzt wurden (Fälle II 6 und 9). Im Fall II 6 entsprach dies bei einem Kurs von 18,42 € für den DAC-Fonds einer Anlage in Höhe von 1.842.000 €. O. selbst hatte am Tage vor der Empfehlung zwischen 18.46 Uhr und 19.33 Uhr in mehreren Einzelakten insgesamt 7.029 Aktien desselben Unternehmens zu Kursen von maximal 16,70 € erworben. Am nächsten Tag, sieben Minuten nachdem er die Empfehlung an den DAC-Fonds ausgesprochen hatte, verkaufte er - wie auch in allen anderen Fällen - sämtliche zuvor erworbenen Aktien mit Gewinn (Verkaufskurs im Fall II 6: 18,50 €). Im Fall II 5 erfolgten Kauf (11.42 Uhr), Empfehlung an den Fonds (11.43 Uhr), Aktienorder durch den Fonds (12.07 Uhr) und Verkauf seitens des Angeklagten (12.53 Uhr) am selben Tage innerhalb eines Zeitraums von nur wenig mehr als einer Stunde. Die Gewinnmargen bewegten sich zwischen 3,7 % (Fall II 1) und 29,6 % (Fall II 2) des eingesetzten Kapitals. In den meisten Fällen lag die Gewinnspanne bei ca. 10 %.
II.
1. Das vom Angeklagten O. geltend gemachte Verfahrenshindernis liegt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts nicht vor. Die Anklageschrift ist hinreichend bestimmt und erfüllt ihre Informationsfunktion.
2. Soweit sich der Angeklagte K. nicht gegen die Verurteilung wegen Urkundenfälschung wendet, ist die Beschränkung seines Rechtsmittels wirksam. Sie ist dagegen unwirksam, soweit die Revision die mit den verbotenen Insidergeschäften in Tateinheit stehenden Verstöße gegen das Kreditwesengesetz vom Angriff ausklammert (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 8).
III.
Die Verurteilungen der Angeklagten wegen verbotener Insidergeschäfte und unerlaubtem Eigenhandel nach dem Kreditwesengesetz halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Die von den Angeklagten nach ihrem Tatplan praktizierte Vorgehensweise, Wertpapiere in der Absicht zu erwerben, diese anschließend zum Kauf zu empfehlen, um sie dann bei steigendem Kurs - infolge der Empfehlung - mit Gewinn wieder zu verkaufen, bezeichnet man als "Scalping" (siehe Anhang Abschnitt B zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmißbrauch) 2001/C 240 E/32 - ABl. EG v. C 240 E S.265). Der Begriff stammt aus dem angelsächsichen Raum (vgl. S.E.C. v. Capital Gains Bureau, 375 U.S. 180 (1963); S.E.C. v. Tokyo Joe, 99 F. Supp. 2d 889; beiden Entscheidungen US-amerikanischer Gerichte lagen typische "Scalping"-Fallgestaltungen zugrunde). Hierzulande war die strafrechtliche Beurteilung des "Scalping" bislang streitig, insbesondere lag dazu keine höchstrichterliche Entscheidung vor.
a) Nach bisher wohl herrschender Meinung, der sich das Landgericht angeschlossen hat, wurde angenommen, "Scalping" erfülle den Tatbestand eines verbotenen Insidergeschäfts nach den §§ 13 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG (vgl. Schneider/Burgard ZIP 1999, 381; Cahn ZHR 162 (1998), 1, 20 f.; Assmann/Cramer in Assmann/Schneider, WpHG 2. Aufl. § 14 Rdn. 34 unter Aufgabe der noch in der Vorauflage vertretenen Ansicht; LG Frankfurt NJW 2000, 301; ausdrücklich offengelassen vom OLG Frankfurt NJW 2001, 982; vgl. auch Hopt in FS Heinsius S. 289, 294 f.).
b) Die Vertreter der Gegenansicht verneinten eine Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt des verbotenen Insiderhandels (vgl. Volk BB 1999, 66; ders. ZIP 1999, 787; Petersen wistra 1999, 328; Weber NZG 2000, 113; ders. NJW 2000, 562 zugl. Bespr. v. LG Frankfurt NJW 2000, 311; Lenenbach ZIP 2003, 243; Soesters, Die Insiderhandelsverbote des Wertpapierhandelsgesetzes S. 176 ff., auch allgemein zum Streitstand). Sie sahen darin eine Marktmanipulation, die den Tatbestand des Kursbetrugs gemäß § 88 BörsG aF erfüllen konnte (Assmann/Cramer aaO Rdn. 34 a.E.; Ledermann in: Schäfer, Wertpapierhandelsgesetz/Börsengesetz/Verkaufsprospektgesetz § 88 BörsG Rdn. 12; Schwark, BörsG 2. Aufl. § 88 Rdn. 8; Weber aaO; Schneider/Burgard aaO; Lenenbach aaO).
c) Nach Ansicht des Senats ist "Scalping" als "sonstige Täuschung" den marktmanipulativen Handlungen im Sinne von § 88 Nr. 2 BörsG aF bzw. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zuzuordnen; es ist kein Insidergeschäft im Sinne der §§ 13, 14 WpHG.
aa) Die Auffassung, "Scalping" sei ein Insidergeschäft, trifft nicht zu. Die Annahme, beim "Scalping" sei das Wissen des Täters, daß er die selbst erworbenen Aktien anschließend empfehle, eine Insidertatsache, trägt dem europarechtlichen Hintergrund der Insidervorschriften des WpHG nicht hinreichend Rechnung.
Die mit dem 2. Finanzmarktförderungsgesetz eingeführten Regelungen dienten der Umsetzung der EG-Insiderrichtlinie vom (ABl. EG L 334 S. 30; vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks. 12/6679 S.34). Die Vorschriften über verbotene Insidergeschäfte sind daher "richtlinienkonform" auszulegen (vgl. Hopt in: Bankrechtshandbuch, § 197 Rdn. 3; Weber NJW 2000, 562, 563). Schon der Wortlaut der EG-Richtlinie spricht dagegen, selbst geschaffene "Tatsachen", wie sie hier vorliegen, als Insidertatsachen einzustufen. Die Richtline verwendet in der entsprechenden Passage nicht das Wort "Tatsache", sondern den Begriff der Insiderinformation, der in Art. 1 der Richtline als "präzise Information" definiert ist. Danach reicht eine selbst geschaffene innere Tatsache - hier: Kauf und anschließende Empfehlung von Aktien zum Zwecke der Kursmanipualtion - nicht aus, weil eine "Information" regelmäßig einen Drittbezug aufweist (vgl. Weber NJW 2000, 562, 563). Eine Verwendung des Begriffs der Information in dem Sinne, daß eine Person sich über einen von ihr selbst gefaßten Gedanken "informiert", ist dem Sprachgebrauch fremd. Die Gesetzesmaterialien bieten keinen Anhalt dafür, daß der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtline mit der Verwendung des Begriffs der Tatsache anstelle des Begriffs der Information bewußt von der Richtline abweichen wollte und von einem anderen Verständnis ausging.
Ein solcher Drittbezug liegt allerdings beim sogenannten "Frontrunning" (Eigengeschäfte in Kenntnis von Kundenaufträgen - vgl. Erwägungsgrund Nr. 19 der EG-Richtline 2003/6/EG vom - ABl. EG Nr. L 096 vom S. 16 ff.), das in der Zielrichtung dem "Scalping" ähnelt, regelmäßig vor. Im Unterschied zum "Scalping" erlangt der Täter dort aber typischerweise tatsächlich Kenntnis von einer "präzisen Information", nämlich einer Kauf- oder Verkaufsorder, die er, bevor diese ausgeführt wird, zu eigenen An- oder Verkäufen des betreffenden Wertpapiers ausnutzt. Demgegenüber wird beim "Scalping" die kursbeeinflussende Order durch die eigene Empfehlung des Täters erst ausgelöst.
bb) Der europäische und der deutsche Gesetzgeber stufen deshalb "Scalping" nicht als Insidergeschäft, sondern als marktmanipulative Handlung ein.
Im Vorschlag für eine neue EG-Richtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (ABl. C 240 E vom S. 265 ff.) wurde ausdrücklich zwischen Insider-Geschäften einerseits (Art. 1 Nr. 1) und Marktmanipulation andererseits (Art. 1 Nr. 2; Art. 5) unterschieden. Dieser Richtlinienentwurf ordnete das "Scalping" den marktmanipulativen Handlungen zu (Anhang Abschnitt B des Entwurfs). Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Richtlinienentwurf durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz vom (BGBl. I S. 2010) in das Wertpapierhandelsgesetz eingearbeitet (siehe dazu Moosmayer wistra 2002, 161). Dabei hat er die §§ 13, 14 WpHG unverändert gelassen und § 20a WpHG (Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation) neu eingefügt. Diese Änderung ist im Vorgriff auf die neue EG-Insiderrichtlinie am in Kraft getreten. § 20a WpHG löste den bis dahin geltenden § 88 BörsG ab, wobei - trotz des teilweise abweichenden Wortlautes - der Kern des Anwendungsbereiches erhalten bleiben sollte (BTDrucks. 14/8017 S. 89). Am ist die Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmißbrauch; ABl. EG Nr. L vom S. 16) in Kraft getreten. Sie ist zwar nicht vollständig identisch mit dem ursprünglichen Entwurf, ändert aber an der rechtlichen Einordnung des "Scalping" als marktmanipulative Handlung nichts (vgl. Art. 2 der Richtlinie 2003/6/EG).
Im Hinblick auf die Vielzahl denkbarer, auch künftiger Marktmanipulationstechniken ist in § 20a Abs. 2 WpHG dem Verordnungsgeber anheimgegeben, mögliche Täuschungshandlungen nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG für die Rechtsanwendungspraxis näher - aber nicht abschließend - zu umschreiben (BTDrucks. 14/8017 S. 90). Auch insoweit hat sich der Gesetzgeber an dem EG-Richtlinienentwurf orientiert (Art. 5 Abs. 2). Das ergibt sich auch aus dem inzwischen vorliegenden Entwurf der "Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation (KuMaKV)" (BRDrucks. 639/03) - nach Urteilsverkündung in Kraft getreten am (BGBl I, 2300) -. Nach diesem Entwurf gilt als sonstige Täuschungshandlung im Sinne von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG "die Verbreitung von Gerüchten oder Empfehlungen bei Bestehen eines möglichen Interessenkonflikts, ohne daß dieser zugleich in adäquater Weise offenbart wird" (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 KuMaKV - Entwurf). Davon soll auch das "Scalping" erfaßt werden. Eine sonstige Markttäuschung liegt danach vor, wenn der Täter Anlageempfehlungen mit dem Ziel abgibt, Marktteilnehmer zu entsprechenden Geschäften zu veranlassen, die zu einer Preisbeeinflussung führen, wenn er selbst entsprechende Positionen eingegangen ist und wirtschaftlichen Nutzen aus der erwarteten Preisbeeinflussung ziehen möchte (vgl. Begründung zum Entwurf der Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation, BRDrucks. 639/03 S. 13). In Anlehnung an die EG-Richtline vom (siehe die dort zu Art. 2 a) bis c) genannten Beispiele) stellt der Verordnungsentwurf beim "Scalping" wesentlich auf die bestehende Interessenkollision zwischen dem Empfehlenden, der selbst Dispositionen in den entsprechenden Wertpapieren getroffen hat, und dem Adressaten der Empfehlung als potentiellem Anleger ab. Das entspricht dem das US-amerikanische Insiderrecht prägenden Grundsatz des "disclose or abstain" (vgl. Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996 S. 253). Der Empfehlende hat entweder die bestehende Interessenkollision offenzulegen (disclose) oder sich Eigengeschäften hinsichtlich des betreffenden Wertpapiers zu enthalten (abstain).
d) In der Abgabe von Empfehlungen mit dem Ziel ihrer kursbeeinflussenden Wirkung durch den Angeklagten O. gegenüber den von ihm beratenen Fonds lag eine (konkludente) sonstige Täuschung im Sinne von § 88 Nr. 2 BörsG bzw. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG. Die Kaufempfehlungen beinhalteten die stillschweigende Erklärung, daß sie nicht mit dem sachfremden Ziel der Kursbeeinflussung zu eigennützigen Zwecken bemakelt waren (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 21 - Verschweigen einer Preisabsprache). Darauf, ob die Empfehlungen nach fachlichem Urteil aufgrund der Marktsituation sachlich gerechtfertigt waren, kommt es bei dieser Sachlage - Täuschung durch aktives Tun - nicht an, weil die Fonds über den eigentlichen Beweggrund für die Empfehlung in die Irre geführt wurden. Auch nach der EG-Richtline 2003/6/EG soll sich eine Person, die Geschäfte abschließt oder Kauf- oder Verkaufsaufträge ausführt, die den Tatbestand einer Marktmanipulation erfüllen, nicht mit Erfolg darauf berufen können, sie habe legitime Gründe gehabt, diese Geschäfte abzuschließen, wenn sich hinter den Geschäften tatsächlich ein anderer rechtswidriger Grund verbirgt (s. Erwägungsgrund Nr. 20).
Das war hier der Fall. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen dienten die von dem Angeklagten O. ausgesprochenen Empfehlungen nicht dem Zweck, den von ihm beratenen Fonds zu einer günstigen Anlageentscheidung zu verhelfen. Seine Einlassung, er sei vom Potential der Wertpapiere überzeugt gewesen, habe sie deshalb empfohlen und auch zu Eigengeschäften genutzt, hat die Strafkammer zu Recht als unerheblich angesehen, da es ihm darauf nicht ankam.
Nach den Feststellungen ging O. entsprechend dem gemeinsamen Tatplan systematisch vor, indem er "jeweils beim privaten Erwerb der Aktien die Absicht hatte, diese zeitnah den Fonds zu empfehlen, um hierdurch gegebenenfalls eintretende Kurssteigerungen auszunutzen" (UA S. 48). Dies geschah "in dem sicheren Wissen, daß die Fonds seinen Kaufempfehlungen folgen und somit mit Sicherheit Kurssteigerungen eintreten würden" (UA S. 16). Auf diese Weise sollten die Aktien "gepusht", das heißt in die Höhe getrieben werden, um durch den zeitnah anschließenden Verkauf einen sicheren Gewinn zu realisieren (UA S. 13). Die aufgrund der Umsetzung auch hinsichtlich der von ihm vorgegebenen Größenordnung der Anlageepfehlungen und des Anlagevolumens der Fonds erwarteten Kurssteigerungen traten in allen Fällen ein (UA S. 16). Die Strafkammer durfte aus den zeitnah nach den Empfehlungen erfolgten Verkäufen die naheliegende Schlußfolgerung ziehen, daß die Empfehlungen nur deshalb erfolgten, um durch die Fondsorders entstandene Kurssteigerungen auszunutzen, zumal O. die Aktienpakete anschließend jeweils vollständig wieder abstieß. Der Tatplan der Angeklagten beinhaltete gerade, daß O. die erworbenen Aktien durch seinen Einfluß auf die Anlageentscheidungen der Fonds "pushen" sollte. Bei dieser Form der aktiven Täuschung und des zeitnahen Verkaufs durch den Angeklagten spielte ein etwa tatsächlich vorhandenes "Potential" der Aktien für die Empfehlungen keine Rolle.
e) Der Senat kann insoweit nicht in der Sache entscheiden und den Schuldspruch selbst umstellen. Zwar liegt Tatidentität vor, jedoch waren Verstöße gegen den zur Tatzeit geltenden § 88 BörsG nicht Gegenstand der Anklage. Auch in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht ist weder ein Hinweis auf diese Vorschrift noch auf § 20a WpHG in Verbindung mit §§ 38, 39 WpHG erfolgt (§ 265 StPO). Der Senat sieht davon ab, Feststellungen bestehen zu lassen. Die Strafkammer hat diese zwar - insbesondere für Zweck und Motivation der Anlageberatung - rechtsfehlerfrei, aber unter dem Gesichtspunkt verbotener Insidergeschäfte nach §§ 13, 14 WpHG getroffen.
f) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
aa) Der neue Tatrichter wird gemäß § 2 Abs. 3 StGB in konkreter Betrachtungsweise (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 201; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 3 Rdn. 10 ff. m.w.Nachw.) prüfen müssen, ob die neue Gesetzeslage milder ist. Die hier relevante Tatbestandsalternative des § 88 Nr. 2 BörsG aF hat nach dem Willen des Gesetzgebers in Umsetzung europarechtlicher Vorgaben ihre Entsprechung in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG gefunden (vgl. BTDrucks. 14/8017 S. 64, 83, 89). Die Strafbarkeit von Verstößen gegen diese Vorschrift hängt nach § 38 Abs.1 Nr. 4 WpHG davon ab, daß - im Sinne eines tatbestandlichen Erfolges - durch die Tathandlung eine Einwirkung auf den Marktpreis eingetreten ist. Auf dieses zusätzliche Erfordernis kam es bei § 88 Nr. 2 BörsG aF nicht an. Dort reichte es aus, daß die Handlung "zur Einwirkung" begangen wurde, was gegenüber dem neuen Recht eine Vorverlagerung der Strafbarkeit bedeutete (Gefährdungsdelikt). Die Strafvorschrift des § 38 Abs.1 Nr. 4 WpHG ist damit in ihrem Anwendungsbereich einerseits enger und damit milder als § 88 Nr. 2 BörsG aF, andererseits sieht sie eine höhere Strafdrohung (fünf Jahre gegenüber drei Jahren Freiheitsstrafe) vor. Insofern wird der neue Tatrichter gegebenenfalls die Sperrwirkung des milderen Rechts zu beachten haben.
Läßt sich eine Einwirkung auf den Kurs nicht feststellen - was nach den bisherigen Feststellungen eher fernliegt -, handelt es sich nach neuem Recht nunmehr im Grundtatbestand nur noch um eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (zur Verjährungsfrist: § 39 Abs. 4 WpHG i.V.m. § 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG - drei Jahre). Diese Vorschrift entspricht in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen § 88 Nr. 2 BörsG aF; § 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG ist damit eine Erfolgsqualifikation des § 39 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (vgl. zu alledem im einzelnen BTDrucks. 14/8017 S. 89 und S. 98 f.; Moosmayer aaO S.163).
Die im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB erforderliche Unrechtskontinuität ist gewahrt. Die Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges im Sinne von § 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG war auch nach altem Recht strafbar, weil der Tatbestand des Gefährdungsdeliktes (§ 88 Nr. 2 BörsG aF) erst recht dann erfüllt ist, wenn das geschützte Rechtsgut nicht nur gefährdet, sondern verletzt worden ist. Es liegt keine zeitliche Strafbarkeitslücke vor, auch wenn die geplante Rechtsverordnung zu § 20a WpHG, die Varianten "sonstiger Täuschungshandlungen" im Sinne von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG näher umschreiben soll, noch nicht erlassen worden ist. Diese Rechtsverordnung wirkt nicht strafbarkeitsbegründend. Die Strafbarkeit als solche ergibt sich bereits unmittelbar aus § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG. Der Gesetzgeber hat dem Verordnungsgeber gem. § 20a Abs. 2 WpHG lediglich freigestellt ("kann"), nähere, nicht abschließende Typisierungen von sonstigen Täuschungshandlungen zu umschreiben (vgl. BTDrucks. 14/8017 S. 90). Die geplante Verordnung soll dem Normadressaten eine Orientierungshilfe an die Hand geben, die gleichzeitig flexibel genug ist, um auf Veränderungen des Marktes und auf neue Mißbrauchstechniken angemessen zu reagieren (vgl. die Begründung zum Entwurf der KuMaKV: BRDrucks. 639/03 S. 10; BTDrucks. 14/8017 S. 90).
Der Tatbestand des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG ist auch hinreichend bestimmt. Zunächst stellt die Vorschrift durch das Merkmal der "sonstigen" Täuschungshandlungen einen Bezug zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG her, der einzelne Täuschungshandlungen näher konkretisiert und damit Hinweise für die Auslegung des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG bietet. Zudem ist der Begriff der Täuschungshandlung ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 263 Abs. 1 StGB, das aus den dort im Tatbestand beschriebenen Tatmodalitäten (Vorspiegelung, Entstellung, Unterdrückung von Tatsachen) abgeleitet wird. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG geht von keinem anderen Verständnis des Begriffs der Täuschung aus (vgl. § 3 Abs. 1 1. Halbsatz des Entwurfs der KuMaKV), den der Gesetzgeber auch an anderer Stelle verwendet (vgl. §§ 109a, 152a, 267, 270, 276, 283 StGB). Die Rechtsprechung hat klare Kriterien dafür entwickelt, wann eine Täuschung vorliegt. Hiernach ist Täuschung jedes Verhalten, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt (vgl. nur BGHSt 47, 1, 3; BGH wistra 2001, 386).
bb) Für die Beurteilung der Frage, ob durch die marktmanipulative Handlung tatsächlich eine Einwirkung auf den Kurs eingetreten ist, dürfen angesichts der Vielzahl der - neben Tathandlung - regelmäßig an der Preisbildung mitwirkenden Faktoren keine überspannten Anforderungen gestellt werden, weil der Tatbestand des § 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG ansonsten weitgehend leerliefe. Vergleiche von bisherigem Kursverlauf und Umsatz, die Kurs- und Umsatzentwicklung des betreffenden Papiers am konkreten Tag sowie die Ordergröße können eine Kurseinwirkung hinreichend belegen. Eine Befragung der Marktteilnehmer ist dazu nicht veranlaßt.
2. Auch die Verurteilungen wegen unerlaubten Eigenhandels nach dem Kreditwesengesetz haben keinen Bestand.
a) Das Landgericht hat - soweit die An- und Verkäufe der Aktien für die Geldgeber erfolgten - (Fälle 1 bis 6) jeweils Eigenhandel im Sinne von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG angenommen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
aa) Eigenhandel nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG setzt voraus, daß der Erwerb und die Veräußerung des Finanzinstruments für einen anderen erfolgt. Der Handel für einen anderen ist in drei Varianten denkbar: Im Wege offener Stellvertretung (im fremden Namen für fremde Rechnung - Abschlußvermittlung § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG), im Wege verdeckter Stellvertretung (im eigenen Namen für fremde Rechnung - Kommissionsgeschäft § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG) und im Wege des Eigenhandels für einen anderen (im eigenen Namen für eigene Rechnung - § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG). Von den beiden erstgenannten Alternativen unterscheidet sich der Eigenhandel dadurch, daß regelmäßig zwei Kaufverträge vorliegen: Der Finanzdienstleister erwirbt ein Wertpapier im eigenen Namen und verkauft es anschließend an den Kunden weiter. Voraussetzung des Eigenhandels ist daher, daß vor dem Kauf ein konkreter Kundenauftrag zum Erwerb eines bestimmten Wertpapiers - in der Regel zu einem vereinbarten Festpreis - erteilt wurde (vgl. Kokemoor in Beck/Samm KWG Stand: 99. Ergänzungslieferung [September 2003] § 1 Rdnrn. 270-272; Reischauer/Kleinhans KWG Stand: 4. Ergänzungslieferung 2003 [August 2003] § 1 Anm. 193-196; Oelkers WM 2001, 340, 344 f.).
bb) Eine solche Vorgehensweise hat die Strafkammer nicht festgestellt. Danach war es den Geldgebern gleichgültig, welche Wertpapiere die Angeklagten mit den von ihnen zur gewinnbringenden Anlage bereitgestellten Gelder erwarben. In keinem der Fälle kam es zum Abschluß der den Eigenhandel prägenden Kaufverträge über die von den Angeklagten zu erwerbenden Wertpapiere. Vielmehr hatten die Angeklagten insoweit "freie Hand". Die Rolle der Anleger erschöpfte sich demgegenüber in der Bereitstellung des Spekulationskapitals und ihrer Beteiligung an dem erwirtschafteten Gewinn.
b) Es wird aber zu prüfen sein, ob eine erlaubnispflichtige Finanzportfolioverwaltung im Sinne von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG vorliegt. Für diese ist ein Entscheidungsspielraum des Verwalters kennzeichnend, wie ihn der Angeklagte O. besaß, da er die bereitgestellten Gelder im Interesse der Anleger nach seinem freien Ermessen zu gewinnbringenden Spekulationen mit Wertpapieren verwenden sollte. Unschädlich ist dabei, daß ihm bereits die Erstanlageentscheidung oblag. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG erfordert nicht, daß bereits ein Wertpapierpaket vorhanden ist und dieses dem Verwalter überlassen wird (vgl. Reischauer/Kleinhans aaO Anm. 187). Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird auch zu erwägen haben, ob die Angeklagten einen sogenannten "Investmentclub" betrieben, eine Tatvariante, die ebenfalls von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG erfaßt sein kann (vgl. dazu Kokemoor in Beck/Samm aaO § 1 Rdnrn. 269 a-c; Reischauer/Kleinhans aaO § 1 Anm. 189 ff.). Um dies abschließend bewerten zu können, werden ergänzende Feststellungen zu den mit den Geldgebern vereinbarten Modalitäten und der (Wertpapier-) kontenmäßigen Abwicklung durch O. notwendig sein.
c) Sofern hinsichtlich des Vorwurfs von Verstößen gegen das Kreditwesengesetz nicht nach § 154a Abs. 2 StPO verfahren werden kann, wird zu prüfen sein, ob der in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellte Tatvorwurf des unerlaubten Betreibens von Einlagengeschäften nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG wieder aufzunehmen ist. Die von den Anlegern zur Verfügung gestellten und damit "fremden" Gelder waren nach dem Tatplan (mit Gewinnanteil) zurückzuzahlen und somit rechtlich als Darlehen einzustufen. Auch die weiteren Voraussetzungen eines Einlagengeschäfts dürften hier vorgelegen haben (gleichartige, typisierte Verträge mit den Geldgebern, fehlende bankübliche Besicherung; vgl. BGHR KWG § 1 Einlage 1).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2004 S. 11 Nr. 1
DB 2004 S. 64 Nr. 1
IAAAC-11642
1Nachschlagewerk: ja