Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 154 Abs. 2; StPO § 154 Abs. 3; StPO § 349 Abs. 2; StGB § 73; StGB § 73 Abs. 1 Satz 2; StGB § 73a; StGB § 73d
Instanzenzug: LG Mosbach vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe, wegen Hehlerei, Betruges, Verabredung zur Geldfälschung und wegen schweren Menschenhandels in Tateinheit mit Verschaffens falscher amtlicher Ausweise zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt; darüber hinaus hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 36.000 € sowie von 13.500 DM angeordnet. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Sie hat teilweise Erfolg, ist im übrigen indessen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges im Falle II. 3. der Urteilsgründe ("Telefonkarten") kann von Rechts wegen keinen Bestand haben.
a) Den getroffenen Feststellungen zufolge erwarb der Angeklagte über einen Mittelsmann von einem nicht mehr ermittelbaren Dritten zwei auf einen gewissen K. ausgestellte Telefonkarten der Firma E-Plus zum Preis von insgesamt 500 DM. Er nutzte diese, um die von ihm selbst betriebene Servicenummer mit der Vorwahl 0190 bei der Deutschen Telekom anzurufen. Es kam ihm darauf an, den Gebührenanteil zu erhalten, der ihm aufgrund seines Vertrages mit der Deutschen Telekom zustand; er war an den Verbindungsentgelten beteiligt. Die damit von ihm als Nutzer mittels der Telefonkarten in Anspruch genommenen Telefondienstleistungen der Firma E-Plus im Wert von 11.438 DM wollte er hingegen nicht bezahlen. Seine Vertragspartnerin beim Betrieb der 0190-Service-Nummer, die Deutsche Telekom, zahlte mehr als die Hälfte dieses Betrages an ihn aus.
Die Strafkammer hat dieses Vorgehen des Angeklagten ohne weitere Rechtsausführungen als Betrug bewertet (§ 263 Abs. 1 StGB).
b) Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Betruges nicht. Sie lassen nicht erkennen, daß der Angeklagte jemanden getäuscht hätte, dieser einem Irrtum unterlegen wäre und aufgrund dessen eine Vermögensverfügung getroffen hätte. Bei diesen Voraussetzungen des Betrugstatbestandes handelt es sich um personenbezogene Umstände. Das bloße Benutzen fremder Telefonkarten löst indessen regelmäßig nur einen technischen Vorgang aus, indem die gebührenpflichtige Verbindung hergestellt wird. Eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung liegt darin nicht. Diese Besonderheit hat zur Schaffung der Strafvorschrift über den Computerbetrug (§ 263a StGB) geführt.
Ein betrügerisches Verhalten kann danach allenfalls in Betracht kommen im Zusammenhang mit dem Abschluß eines Mobiltelefonvertrages, wobei über die eigene Einschätzung der Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft getäuscht wird, aber auch dadurch, daß dem berechtigten Karteninhaber die Telefonkarte durch Täuschung "abgeschwindelt" wird (vgl. BGHR StGB § 263a Anwendungsbereich 1). Solches kann den Feststellungen hier nicht entnommen werden und liegt auch nicht nahe.
c) Der Senat vermag den Schuldspruch nicht dahin zu ändern, daß der Angeklagte des Computerbetruges in der Alternative des "unbefugten Verwendens von Daten" schuldig sei (§ 263a StGB). Dieser Tatbestand erfaßt die Verwendung gefälschter, manipulierter oder mittels verbotener Eigenmacht erlangter Karten durch einen Nichtberechtigten (BGHSt 47, 160). Nicht tatbestandsmäßig ist hingegen die mißbräuchliche Verwendung durch den berechtigten Karteninhaber; denn die Strafvorschrift ist "betrugsspezifisch" auszulegen, so daß nur täuschungsäquivalente Handlungen unbefugt im Sinne des Tatbestandes sind (vgl. BGHSt 47, 160). Ein Computerbetrug liegt schließlich auch dann nicht vor, wenn der berechtigte Inhaber die Karte einem anderen überläßt und dieser die Karte abredewidrig nutzt (BGHR StGB § 263a Anwendungsbereich 1; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 6).
Im vorliegenden Fall ist nicht festgestellt, auf welche Weise der Inhaber der Telefonkarten, K. , den Besitz an diesen verloren hat. Eine freiwillige Überlassung an den Mittelsmann scheint nicht von vornherein ausgeschlossen. Sie ist indes nicht ausdrücklich festgestellt. Nach den Umständen kommt allerdings auch in Betracht, daß schon der Mittelsmann die Karten rechtswidrig erlangt hatte. Dies bedürfte im Blick auf eine etwaige Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt des Computerbetruges näherer Feststellungen.
Darüber hinaus wären die hier in Betracht zu ziehenden Vertragsbeziehungen zwischen dem Karteninhaber und der Firma E-Plus, zwischen E-Plus und der Deutschen Telekom sowie zwischen dieser und dem Angeklagten (Betrieb der 0190-Nummer) näher aufzuklären, um die Frage der Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils des Angeklagten verläßlich beurteilen zu können. Demjenigen, der sich eine 0190-Nummer bei der Telekom einrichten läßt, kann es - soweit nichts anderes vereinbart ist - erlaubt sein, die eigene Nummer anzuwählen, mag dies bei plangemäßer Abwicklung auch wirtschaftlich sinnlos erscheinen. Die Fragen eines rechtswidrigen Vermögensvorteils und des Vermögensschadens hängen maßgeblich von der Risikoverteilung im Innenverhältnis der an dem Vorgang Beteiligten ab.
d) Der neue Tatrichter wird zu bedenken haben, daß im Falle fehlender Befugnis des Angeklagten zur Nutzung der Karte auch Hehlerei vorliegen kann (§ 259 StGB). Eine Leistungserschleichung wird indessen kaum in Betracht kommen (§ 265a StGB). Das Tatbestandsmerkmal des Erschleichens erfordert bei der Inanspruchnahme von Leistungen des Telekommunikationsnetzes eine Umgehung von Sicherungseinrichtungen im Sinne einer Einflußnahme auf den technischen Ablauf. Die unbefugte Inanspruchnahme einer Leistung zu Lasten eines Dritten reicht dazu nicht (vgl. dazu Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 265a Rdn. 10; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 265a Rdn. 6).
e) Mit dem Schuldspruch wegen Betruges entfällt auch die entsprechende Einzelstrafe. Dies hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe zur Folge.
Der neue Tatrichter wird prüfen müssen, ob er ergänzende Feststellungen treffen kann. Möglicherweise wird er eine Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO in Betracht ziehen.
2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat sonst einen den Angeklagten beschwerenden sachlich-rechtlichen Mangel nicht ergeben.
a) Die Verurteilung wegen schweren Menschenhandels im Falle II. 2. der Urteilsgründe ist rechtsfehlerfrei. Schon bei der Anwerbung der Frauen im Ausland wurde die wahre Absicht, sie der Prostitution zuzuführen, geschickt verborgen. Die Frauen wurden in Schulden verstrickt. Sie beherrschten die deutsche Sprache nicht und hatten nach ihrer Einreise zunächst kein Geld für eine etwaige Heimreise. Der Angeklagte bewahrte später ihre Pässe auf. Nach den - vom Landgericht ersichtlich als glaubhaft erachteten - Angaben der Zeugin G. mußten die Frauen bei einem nicht gebilligten Verlassen der Umgebung des Clubs 500 DM "Strafe" zahlen (UA S. 16, 17).
Unter diesen Umständen ist weder die Annahme listiger Anwerbung und der Bestimmung zur Prostitution noch die von Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt der Prostituierten in einem fremden Land verbunden ist, von Rechts wegen zu beanstanden (vgl. zum "Bestimmen" auch - BA S. 8)
b) Die Anordnung des Wertersatzverfalls begegnet auch hinsichtlich der "Erlöse aus Prostitution" in Höhe von 36.000 € keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Landgericht hat ersichtlich den Wertersatz wegen der Einnahmen "des letzten Kalenderjahres aus der Prostitution der in Rußland bzw. einem baltischen Staat als Tänzerin angeworbenen Frauen" bei dem Angeklagten für verfallen erklärt, "auch wenn insoweit das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden war" (UA S. 24). Soweit in den Urteilsgründen als Rechtsgrundlage § 73 StGB angeführt wird, handelt es sich erkennbar um ein Fassungsversehen. In der Urteilsformel ist der "Ersatzverfall" angeordnet und in der Liste der angewendeten Vorschriften § 73a StGB aufgeführt.
aa) Soweit die Erlöse aus der Prostitution der Zeugin G. in Rede stehen, war die Strafkammer an der Verfallanordnung nicht deshalb gehindert, weil die Zeugin Verletzte der zu ihrem Nachteil begangenen Tat ist und grundsätzlich schon allein die Existenz tatbedingter Schadensersatzansprüche dem Verfall entgegenstehen kann (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl. BGHR StGB § 73 Tatbeute 1; BGH NStZ 1996, 332; 2003, 533; ; Beschl. vom - 5 StR 21/04). Anders kann es dann liegen, wenn die Geschädigte keinen Anspruch geltend macht und darauf verzichtet, dem Angeklagten also keine doppelte Inanspruchnahme droht und der Geschädigten auch keine Ersatzmöglichkeit entzogen wird ( - BA S. 6). Ähnlich verhält es sich hier, wie dem Zusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend zu entnehmen ist. So hat die Zeugin - deren Angaben die Kammer ersichtlich zugrunde legt - bekundet, der Angeklagte habe "korrekt" abgerechnet und sich "ordentlich" verhalten (UA S. 14, 16). Der Angeklagte, dessen Einlassung die Kammer insoweit nicht widerlegt, hat von einer 50 zu 50 Teilung der Einnahmen aus der Nutzung des Separées berichtet (UA S. 13 f.). Die Zeugin erhielt als Tänzerin monatlich 1.800 DM, hatte 7,50 DM täglich für die Unterkunft zu entrichten und mußte allerdings "Auslagen" und "Vermittlungsprovision" an "V. " abführen (UA S. 15). Da die zwischen der Zeugin und dem Angeklagten getroffenen Absprachen nicht von vornherein als sittenwidrig und nichtig zu werten sind (vgl. § 1 ProstG) und sich aus dem Urteil keinerlei Anhalt dafür ergibt, daß die Zeugin einen Anspruch gegen den Angeklagten geltend zu machen gedenkt, ist eine doppelte Inanspruchnahme des Angeklagten nicht zu besorgen.
bb) Für die Anordnung des Wertersatzverfalls hinsichtlich der Prostitutionserlöse der weiteren Frauen liegen die Voraussetzungen nach den §§ 73, 73a StGB indessen nicht vor. Insoweit ist das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Damit ist es wegen dieser Taten vorläufig beendet und die Verhängung von darauf bezogenen Rechtsfolgen im subjektiven Verfahren ohne Wiederaufnahme nach § 154 Abs. 3 StPO nicht möglich (BGH NStZ 2003, 422; vgl. auch BGHSt 28, 369). Indessen ergeben die Urteilsgründe ohne weiteres, daß insoweit die Voraussetzungen des erweiterten Verfalls vorliegen (§ 73d StGB in Verbindung mit § 181c Satz 2 StGB). Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt hat die Verfallanordnung im Ergebnis auch insoweit Bestand. Der grundsätzliche Vorrang des Verfalls nach den §§ 73, 73a StGB steht nicht entgegen (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73d Rdn. 4).
Ein solcher kommt hier - wie ausgeführt - wegen der Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO nicht in Betracht (vgl. aber BGH NStZ 2003, 422). § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB gilt für den erweiterten Verfall nicht (BGH NJW 2001, 2239; ).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAC-10509
1Nachschlagewerk: nein