Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB-DDR § 62; StGB-DDR § 121 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 2; StGB § 22; StGB § 177; StGB § 56; StGB § 2 Abs. 3; StGB § 56 Abs. 2
Instanzenzug: LG Mühlhausen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung im schweren Fall gemäß § 121 Abs. 2 StGB-DDR zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Eine Strafaussetzung zur Bewährung hat es abgelehnt. Wegen neun weiterer Taten hat es das Verfahren wegen Verjährung eingestellt. Gegen die Verurteilung richtet sich die Revision des Angeklagten, der mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge eine Aufhebung des Urteils in vollem Umfang anstrebt, sowie die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die sich mit der Sachrüge gegen Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung wendet.
Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg, die weitergehende Revision des Angeklagten ist im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Das Landgericht hat den Schuldspruch auf § 121 Abs. 2 StGB-DDR gestützt, die Frage einer Strafaussetzung zur Bewährung aber an § 56 Abs. 2 StGB ausgerichtet. Dies ist rechtsfehlerhaft, denn dadurch wird der Grundsatz der strikten Alternativität verletzt (vgl. BGHSt 37, 320, 322; 41, 247, 277; BGHR StGB § 2 Abs. 3 DDR-StGB 2 und 11; mildere Strafe 2; BGH NJW 1995, 2861 = NStZ 1995, 505; NStZ-RR 1996, 201 = StV 1996, 297; NStZ-RR 2000, 302 f.). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt in Fällen dieser Art einen Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts (vgl. BGHSt 37, 320, 322; 38, 18, 20). Dabei hat der Tatrichter die Strafrahmen der unter Zugrundelegung einer konkreten Betrachtungsweise der besonderen Umstände des Einzelfalles (vgl. BGHSt 20, 22, 25; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 2 Rdn. 10 ff. m.w.N.) in Frage kommenden Strafvorschriften zu vergleichen und den Grundsatz der strikten Alternativität zu beachten.
Einen solchen Gesamtvergleich des Tatzeitrechts der DDR mit dem in der Bundesrepublik geltenden Recht hat die Strafkammer nicht vorgenommen. Daß dieser Rechtsfehler sich auf Schuld- und Strafausspruch ausgewirkt hat, kann der Senat nicht ausschließen. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können jedoch bestehenbleiben.
Für die neue Hauptverhandlung ist auf folgendes hinzuweisen:
Der neu erkennende Tatrichter wird - unter Berücksichtigung des Verbots der reformatio in peius (BGHSt 38, 66 f.) - in Anwendung des § 121 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 4 Satz 3, § 62 StGB-DDR eine (zwei Jahre nicht überschreitende) Strafe zu bilden haben und wird dann prüfen müssen, ob diese aussetzungsfähig ist (Strafrahmen des § 121 Abs. 2 StGB-DDR: zwei bis zehn Jahre: vgl. §§ 1 Abs. 2 und 3, 39, 30-35 StGB-DDR; vgl. auch §§ 62, 25 StGB-DDR; zur Problematik der Aussetzung von Strafen nach DDR-Recht: = NJ 2001, 434 f.). Dieses Ergebnis wird dann mit einer nach §§ 177, 22 StGB (in der für den Angeklagten günstigsten Fassung: § 2 Abs. 3 StGB; vgl. dazu Tröndle/Fischer aaO § 177 Rdn. 45) zu bildenden Strafe, die ebenfalls zwei Jahre nicht überschreiten darf, zu vergleichen sein. Die Strafkammer wird, falls die nach DDR-Recht gebildete Strafe nicht aussetzungsfähig sein sollte, feststellen müssen, ob eine nach § 177 StGB gebildete Strafe nach § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden könnte mit der Folge, daß letztere als mildere Sanktion gemäß Art. 315 Abs. 1 Satz 1 EGStGB, § 2 Abs. 3 StGB verhängt werden müßte.
Der Senat weist im übrigen noch auf folgendes hin:
Das Landgericht hat eine Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 2 StGB unter anderem mit folgender Begründung verweigert:
"Der Angeklagte hat zur Aussage seiner Tochter erklärt, das stimme alles nicht, er sei erschüttert, dass ihm so etwas vorgeworfen werde. Dieses Verhalten läßt besorgen, dass der Angeklagte auch heute noch nicht willens ist, seine Verantwortung gegenüber der Tochter wahrzunehmen. Es läßt weiter besorgen, dass er sich mit seinem abnormen Sexualverhalten bisher nicht kritisch auseinandergesetzt hat."
Diese Ausführungen berücksichtigten rechtsfehlerhaft (vgl. BGH StV 1998, 482; 1999, 602; BGHR StGB § 56 Abs. 2 Umstände, besondere 12) zulässiges Verteidigungsverhalten des ein strafrechtlich erhebliches Verhalten bestreitenden Angeklagten zu dessen Lasten.
Fundstelle(n):
UAAAC-10196
1Nachschlagewerk: nein