Vorleistungspflicht als Gegenleistung für Grundstückserwerb
Gesetze: GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1; BewG § 12 Abs. 3, BewG § 15
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), erwarb am ein in X gelegenes Grundstück. Die Verkäuferin des Grundstücks war zugleich verpflichtet, das auf dem Grundstück befindliche Gebäude zu sanieren. Bei Zahlung bis zum sollte der Kaufpreis 2 387 756,40 DM betragen; bei späterer Zahlung sollte sich dieser Betrag um 2 % auf 2 435 510 DM erhöhen. Vereinbart war für diesen Fall eine ratenweise Zahlung des Verkaufspreises entsprechend dem Baufortschritt.
Die Klägerin zahlte den Kaufpreis am . Die Bauabnahme erfolgte am ; am selben Tage fand die Besitzübergabe statt.
Durch Bescheid vom setzte das seinerzeit zuständige Finanzamt für den Grunderwerb der Klägerin Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von 2 435 510 DM in Höhe von 85 242 DM fest.
Mit dem Einspruch begehrte die Klägerin, die Steuer nach einer Gegenleistung von 2 387 756,40 DM festzusetzen. Durch die Zahlung des Kaufpreises noch im Jahre 1998 habe der Kaufpreis 2 387 756,40 DM betragen. Eine weitere Gegenleistung habe sie nicht erbracht.
Durch Einspruchsentscheidung vom setzte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer auf 44 087,68 € (entspricht 86 228 DM) herauf und wies im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurück. Seiner Berechnung legte es zunächst den von der Klägerin gezahlten Kaufpreis in Höhe von 2 387 756,40 DM zu Grunde. Den durch die Vorleistung des Kaufpreises bei der Verkäuferin entstandenen Kapitalnutzungsvorteil ermittelte es unter Berücksichtigung des Baufortschritts und eines Zinssatzes von 5,5 % mit 28 703,44 DM. Ferner rechnete es nunmehr auch die gesondert ausgewiesene Mehrwertsteuer (47 205 DM) der Gegenleistung hinzu.
Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte die Grunderwerbsteuer auf 85 223,63 DM herab. Die Zahlung des Verkaufspreises vor Fälligkeit stelle keine sonstige Leistung der Klägerin i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) dar. Für den Fall der Einräumung eines Wahlrechts hinsichtlich des Zeitpunkts der Kaufpreiszahlung könne eine Vorleistung des Erwerbers dann nicht angenommen werden, wenn dieser das Wahlrecht dahin gehend ausübe, den Kaufpreis vor Erbringung der Gegenleistung und unter Abzug eines Nachlasses zu zahlen. Die Klägerin habe für ihre Vorleistung einen Ausgleich in Form des Preisabschlages in Höhe von 2 % erhalten. Eine zusätzliche Leistung liege hier nicht vor. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1631 abgedruckt.
Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt der nunmehr zuständige Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—), das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Das FA rügt fehlerhafte Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Nach dem (BFHE 176, 56, BStBl II 1995, 69) liege ein als sonstige Leistung zu qualifizierender Vorteil vor, wenn sich ein Grundstückskäufer zur Vorleistung des Kaufpreises verpflichte. Die sich aus der Vorleistung ergebende vorzeitige Kapitalnutzungsmöglichkeit beim Veräußerer stelle einen geldwerten Vorteil dar.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die vorzeitige Zahlung des Kaufpreises nicht ohne Gegenleistung des Grundstücksverkäufers erfolgt sei. Denn dieser habe im Rahmen der vorzeitigen Zahlung auf ein Entgelt in Höhe von 2 % des Kaufpreises verzichtet.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Das angefochtene Urteil des FG verletzt § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Das FG hat verkannt, dass die Vorleistung des Kaufpreises eine zur Gegenleistung zu rechnende sonstige Leistung der Klägerin ist.
Gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Steuer nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung gilt bei dem hier gegebenen Kauf insbesondere der Kaufpreis (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Zur Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gehört zudem jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt. Als eine solche Gegenleistung („sonstige Leistung”) hat der erkennende Senat (vgl. Urteil in BFHE 176, 56, BStBl II 1995, 69) den „Verzicht” des Grundstückskäufers auf das ihm durch die §§ 320, 322 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gewährte Recht angesehen, den Kaufpreis erst im Zuge der Erfüllung der Sachleistungsverpflichtung (Übereignung und Übergabe des Grundstücks) erbringen zu müssen, indem er sich einer Vorleistungspflicht unterwirft.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hat sich die Klägerin im Streitfall zur Vorleistung des Kaufpreises verpflichtet. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages vom stand der Klägerin hinsichtlich der Fälligkeit und der davon abhängigen Höhe des Kaufpreises ein Gestaltungsrecht (Wahlrecht) i.S. von § 262 BGB zu. Durch die Zahlung des Kaufpreises am hat die Klägerin ihr Wahlrecht konkludent ausgeübt. Nach § 263 Abs. 2 BGB gilt die gewählte Leistung als die von Anfang an allein geschuldete. Mit der Ausübung der Wahl schuldete deshalb die Klägerin ausschließlich den Kaufpreis in Höhe von 2 387 756,40 DM, der bis zum zu zahlen war. Damit hat die Klägerin zugleich auf die ihr durch das funktionelle Synallagma (§§ 320, 322 BGB) vermittelte Rechtsposition, den Kaufpreis erst im Zuge der Erfüllung der Sachleistungsverpflichtung erbringen zu müssen, verzichtet und der Verkäuferin einen geldwerten Vorteil in Gestalt der vorzeitigen Kapitalnutzungsmöglichkeit zugewendet.
Dass die Vorleistungspflicht der Klägerin ihren wirtschaftlichen Ausgleich in einem Kaufpreisabschlag von 2 % gefunden hat, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Denn dieser Gesichtspunkt ändert nichts an dem Umstand, dass die Klägerin das Grundstück zum Kaufpreis von 2 387 756,40 DM nicht ohne Vorleistungspflicht erhalten konnte. Die Verkäuferin des Grundstücks war nur bereit, den 2 %-Abschlag hinzunehmen, soweit ihr der (ermäßigte) Kaufpreis noch im Jahre 1998 zur Verfügung gestellt wurde. Die Kapitalnutzungsmöglichkeit ist deshalb Teil des Entgeltes, welches die Verkäuferin des Grundstücks für die Veräußerung erlangt hat.
2. Die Sache ist spruchreif. Da die Klägerin durch den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung in ihren Rechten nicht verletzt wird, ist die Klage abzuweisen (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Das FA hat zutreffend den Kapitalnutzungsvorteil als sonstige Leistung i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG angesehen und dessen Wert nach § 15 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) ermittelt. Es hat dabei insbesondere auch die Grundsätze des (BFH/NV 2002, 1612) beachtet und bei der Zinsberechnung den Baufortschritt berücksichtigt. Das FA hat auch zutreffend einen Zinssatz von 5,5 % zugrunde gelegt. Dieser in § 15 Abs. 1 BewG festgelegte Zinssatz ist der gemeine Jahreswert der Nutzung. Ein anderer Wert im Sinne der Vorschrift kann nur ein anderweitig feststehender gemeiner Wert sein, nicht jedoch ein von den Vertragsparteien vereinbarter Zinssatz (, BFH/NV 2001, 1122, 1123). Ohne Bedeutung ist auch der Umstand, dass es sich um eine unterjährige Nutzungsmöglichkeit handelt. Denn anders als § 12 Abs. 3 BewG, der eine Bewertung unverzinslicher Forderungen und Schulden erst bei einer Laufzeit von mehr als einem Jahr vorschreibt, enthält § 15 BewG keine zeitliche Beschränkung (vgl. ).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2127 Nr. 11
JAAAC-09333