Empfängerverlangen und Scheckzahlungen im Baugewerbe; Rüge einer Divergenz; Verstoß gegen Akteninhalt
Gesetze: AO § 160; FGO § 115 Abs. 2, FGO § 96
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist teils unzulässig, weil die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen Weise dargelegt haben; teils ist die Beschwerde unbegründet, weil die behaupteten Verfahrenmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht vorliegen.
1. Mit der Rüge, das Finanzgericht (FG) sei von dem Urteil des IX. Senats des (BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407) abgewichen, weil es bei der Würdigung der Aussage eines Zeugen nicht die überlange Verfahrensdauer berücksichtigt habe, haben die Kläger die behauptete Divergenz nicht schlüssig dargelegt.
a) Eine die einheitliche Rechtsprechung gefährdende Abweichung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO liegt vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der BFH, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 53, m.w.N.).
b) Nach der Darlegung der Kläger hat der IX. Senat des BFH ausgeführt, bei einer vom Steuerpflichtigen nicht zu vertretenden überlangen Verfahrensdauer sei die damit verbundene Gefahr der erschwerten Sachaufklärung im Rahmen der Beweiswürdigung hinreichend zugunsten des Steuerpflichtigen zu werten. Dagegen habe das FG seiner Beweiswürdigung den gegenteiligen Standpunkt zugrunde gelegt.
Zwar haben die Kläger damit je einen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung des BFH andererseits herausgearbeitet und einander gegenübergestellt, um so eine Abweichung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zu verdeutlichen. Indes liegt eine „tragende” Abweichung zwischen den beiden Urteilen nicht vor, weil die den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte —entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht— sich in wesentlichen entscheidungserheblichen Merkmalen grundlegend unterscheiden:
Ausschlaggebend für das Urteil des IX. Senats war nicht die Zeitdauer zwischen dem Entstehen der streitigen Steuer und der Entscheidung des FG, worauf die Kläger abstellen, sondern das Verhalten des FG. Trotz Entscheidungsreife hatte es den Fall nahezu fünf Jahre nicht bearbeitet, obwohl ihm bekannt war, dass eine maßgebliche Zeugin, die während der Untätigkeit des FG verstarb, bei Klageerhebung bereits 81 Jahre alt war. Ein solcher Fall kann nicht mit dem Streitfall verglichen werden, in dem das Urteil drei Jahre und vier Monate nach Eingang der Klagebegründung gesprochen sowie die Zeugenvernehmung durchgeführt wurde und der Zeuge zu der Frage der Anbahnung der Geschäfte mit der S-GmbH aussagte, er gehe davon aus, dass er auch zu jenem Zeitpunkt nicht gewusst habe, wie der Kläger mit Herrn S in Kontakt gekommen sei. Angesichts dieser Umstände kann —anders als in dem vom IX. Senat entschiedenen Fall— kein Versäumnis des FG festgestellt werden, das die Sachaufklärung hätte erschweren können.
2. Ohne Erfolg rügen die Kläger einen Verstoß des FG gegen den klaren Inhalt der Akten.
a) Eine solche Rüge muss besonders detailliert begründet werden, weil sie sowohl das materielle Recht als auch die Handhabung von Verfahrensrecht betreffen kann (s. BFH-Beschlüsse vom V B 164/93, BFH/NV 1995, 883, und vom X B 56/01, BFH/NV 2002, 947; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 80, m.w.N.). Nur wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der schriftlich festgehaltenem Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder wenn eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt geblieben ist, ist § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt. Kein Verfahrensfehler ist dagegen die fehlerhafte Würdigung des Beteiligtenvorbringens oder einer anderen in den Akten enthaltenen Tatsache (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 108), es sei denn, das FG hätte falsche Beweisregeln angewendet.
b) Im Streitfall greift die Rüge nicht durch. Zum einen hat das FG die Ausführungen des Landgerichts (LG)…unbestritten zur Kenntnis genommen und sie lediglich anders gewürdigt als die Kläger. Zum anderen kann die vom FG vorgenommene Würdigung nicht als fehlerhaft betrachtet werden. Die Folgerung des FG, das LG…habe festgestellt, die S-GmbH sei selbst weder aktiv tätig gewesen noch habe es sich bei der auf den Rechnungen angegebenen Anschrift um eine aktive Geschäftsadresse gehandelt, wird durch das Vorbringen der Kläger nicht widerlegt, das FG habe die Ausführungen des LG…nicht berücksichtigt, dass die Hinterleute der angemeldeten Firmen „in der Folgezeit” dazu übergegangen seien, nicht nur eigene Steuern zu verkürzen. Die Kläger lassen dabei den Zusammenhang dieser Ausführungen außer Acht. Das LG…hat die einander folgenden Entwicklungsstadien der sich über Jahrzehnte erstreckenden Kriminalität in der Subunternehmerszene im Baubereich bis zu der Form des bloßen „Serviceunternehmens” aufgezeigt. Als ein solches wurde nach den Feststellungen des LG…auch die S-GmbH im Oktober 1994 gegründet. Das FG hat daher die Ausführungen des Urteils des LG…nachvollziehbar und vertretbar gewürdigt; ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten ist daher zu verneinen.
3. Die weitere Rüge der Kläger, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, weil es davon ausgegangen sei, dass der Kläger die Rechnungen der S-GmbH vollständig und ausnahmslos bar bezahlt habe, greift ebenfalls nicht durch.
Der Kläger konnte mit dem Vorbringen, er habe mindestens dreimal mit Scheck bezahlt, nicht substantiiert darlegen, dass die Vorentscheidung unter Zugrundelegung der dort vertretenen materiell-rechtlichen Auffassung möglicherweise anders getroffen worden wäre, wenn dem FG der behauptete Verfahrensfehler nicht unterlaufen wäre.
Zum einen haben die Kläger im Klageverfahren diese Art der Bezahlung nicht dargelegt. Weil schon der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) in der Einspruchsentscheidung die ausnahmslose Barzahlung betont hat, hätten die Kläger ihre Einwendungen dagegen im Klageverfahren vorbringen müssen und sich nicht damit begnügen dürfen, Entsprechendes im Einspruchsverfahren geltend gemacht zu haben, wenn das FG dieses Vorbringen hätte berücksichtigen sollen. Zum anderen ändert die Bezahlung von Rechnungsbeträgen von rd. 20 000 DM per Scheck bei einem Bruttoumsatz des Klägers mit der S-GmbH in Höhe von 405 152 DM an der Feststellung des FG nichts, dass auch im Baugewerbe die Barzahlung kein unverfänglicher Normalfall ist. Schließlich lässt auch eine Zahlung mit Scheck die Frage offen, wer der tatsächliche Empfänger des Geldbetrages ist. Des Weiteren hat das FG das Fehlen der Gutgläubigkeit des Klägers auch auf die Umstände der Geschäftsanbahnung und der Abwicklung der Arbeiten auf der Baustelle gestützt.
4. Die Rüge der Kläger, insoweit stelle das angefochtene Urteil eine Überraschungsentscheidung dar und verletze damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG— und § 96 Abs. 2 FGO), rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht.
a) Eine Überraschungsentscheidung ist nur dann gegeben, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste. Allerdings ist ein Hinweis auf nahe liegende rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte zumindest dann nicht erforderlich, wenn die Beteiligten fachkundig vertreten sind (vgl. , BFH/NV 1999, 329).
b) So liegen die Verhältnisse hier. Vom Zeitpunkt der Betriebsprüfung an war streitig, ob das FA nach § 160 der Abgabenordnung (AO 1977) berechtigt war, die Angabe der Zahlungsempfänger zu verlangen. Die Auffassung des Klägers, er habe jedenfalls nicht erkennen können und müssen, dass die Zahlungsempfänger nicht diejenigen seien, die die Leistungen erbracht haben, wirft zwingend die Frage auf, ob sich dem Kläger hinsichtlich seiner Geschäftspartner Zweifel aufdrängen mussten. Deshalb musste den Klägern klar sein, dass den näheren Umständen der Geschäftsbeziehung zur S-GmbH für die Entscheidung des Streitfalls ausschlaggebende Bedeutung zukommen kann, und zwar sowohl hinsichtlich der Anbahnung wie der Abwicklung der Beziehung in der Durchführung wie der Bezahlung. Dass dies den Klägern selbst bewusst war, zeigt der in der Klageschrift gestellte Antrag, Zeugen zu den Umständen der Geschäftsanbahnung und der Durchführung der Arbeiten zu vernehmen. Bestätigt wurde die Bedeutung der Umstände der Geschäftsanbahnung durch einen entsprechenden Beweisbeschluss des FG und die Vernehmung des von den Klägern benannten Zeugen in der mündlichen Verhandlung. Das FG war daher nicht verpflichtet, die Kläger auf den Einfluss dieser Umstände auf seine Überzeugungsbildung hinzuweisen und sie zu weiterem Sachvortrag aufzufordern. Insofern konnten die Kläger auch nicht davon überrascht werden, dass sich das FG auf diese Umstände in dem angefochtenen Urteil bezieht.
Fundstelle(n):
GAAAC-09308