BGH Beschluss v. - 4 StR 5/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StPO § 354 Abs. 1; StGB § 182 Abs. 1 Nr. 1; StGB § 182 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt.; StGB § 69; StGB § 69 a; StGB § 69 Abs. 2

Instanzenzug: LG Rostock vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in zwei Fällen sowie wegen sexuellen Mißbrauchs eines Jugendlichen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Ferner hat es ihm seine Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt, daß ihm vor Ablauf von zwölf Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

Das Rechtsmittel hat hinsichtlich des Maßregelausspruchs Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Soweit der Angeklagte im Fall II. 3 wegen sexuellen Mißbrauchs eines Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StGB verurteilt worden ist, hält der Schuldspruch rechtlicher Überprüfung stand. Nach den Feststellungen hatte sich der Angeklagte dem 14jährigen Martin Sch. gegenüber wahrheitswidrig als Produzent pornografischer Filme ausgegeben und ihm angeboten, für eine Gage von 10.000 Euro als Darsteller in einem solchen Film mitzuwirken. Unter dem Vorwand, die Geeignetheit als Darsteller feststellen zu müssen, führte der Angeklagte an dem Jugendlichen den Oralverkehr durch und sagte ihm im Anschluß daran die Teilnahme am "Casting" zu. Martin Sch. ließ die sexuelle Handlung im Hinblick auf die ihm vom Angeklagten in Aussicht gestellte Gage über sich ergehen.

Die Jugendkammer ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Angeklagte die sexuellen Handlungen an dem Jugendlichen "gegen Entgelt" vorgenommen hat. Entgelt im Sinne des § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung (§ 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB). Tatbestandsmäßig sind Vermögensvorteile jedweder Art. Für die Verwirklichung des Tatbestandes ist es ausreichend, daß sich Täter und Opfer vor oder spätestens während des sexuellen Kontakts darüber einig sind, daß der Vermögensvorteil die Gegenleistung für das Sexualverhalten des Jugendlichen sein soll. Hierbei ist es unerheblich, ob die Vereinbarung rechtlich wirksam ist oder ob die Gegenleistung tatsächlich erbracht wird. Vielmehr genügt es, wenn der Jugendliche zur Duldung oder Vornahme der sexuellen Handlung durch die Entgeltvereinbarung wenigstens mitmotiviert wird, da er schon hierdurch die Erfahrung der Käuflichkeit sexueller Handlungen macht, die seine ungestörte sexuelle Entwicklung nachhaltig negativ beeinflussen kann (vgl. BTDrucks. 12/4584 S. 8; BGH NStZ 1995, 540; NJW 2000, 3726 f.; Horn/Wolters in SK-StGB § 182 Rdn. 5 und § 180 Rdn. 29; Laufhütte in LK 11. Aufl. § 180 Rdn. 14; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 11 Rdn. 31; Kusch/Mössle NJW 1994, 1504 ff.). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, daß das Landgericht bereits das Angebot des Angeklagten, dem Jugendlichen eine gut dotierte Rolle in einem Pornofilm verschaffen zu wollen, als vermögenswerte Gegenleistung für das Dulden der sexuellen Handlungen angesehen hat. Dem steht nicht entgegen, daß dieses Angebot nur zur Täuschung des Jugendlichen diente. Maßgeblich ist vielmehr, daß Martin Sch. , wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, allein im Hinblick auf die in Aussicht gestellte Gage zur Duldung der sexuellen Handlung bereit war.

2. Der auf §§ 69, 69 a StGB gestützte Maßregelausspruch hat hingegen keinen Bestand. Nach Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte, der die sexuellen Handlungen in den Fällen II. 1 und 2 an dem 13jährigen Henrik B. und im Fall II. 3 an dem 14jährigen Martin Sch. jeweils in seinem Fahrzeug, das er zuvor in ein Waldstück gesteuert hatte, vornahm, sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, "da er seinen Pkw zur Straftatbegehung einsetzte". Diese Erwägung vermag die Maßregelanordnung nicht zu tragen.

Anders als bei der Begehung einer der in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten rechtswidrigen Taten begründet allein der Umstand, daß der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung von Straftaten benutzt hat, nicht bereits eine Regelvermutung für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen; die Rechtsprechung verlangt deshalb in diesen Fällen regelmäßig eine nähere Begründung der Entscheidung aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung (st. Rspr.; vgl. BGH StV 1994, 314; BGH NZV 2003, 46 und 199). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht und zwar ungeachtet der (streitigen) Frage, ob - wie der erkennende Senat meint - zwischen den einzelnen Taten und der Verkehrssicherheit ein (verkehrsspezifischer) Zusammenhang zu fordern ist (vgl. hierzu BGH StV 2004, 128; BGH NStZ 2004, 144 und ). Eine derartige Gesamtwürdigung hat das Landgericht nicht vorgenommen. Da auch eine Gesamtbetrachtung der getroffenen Feststellungen, wonach die Benutzung des Kraftfahrzeugs für die Tatbegehung hier lediglich eine untergeordnete Rolle spielte, keine Gründe für die Annahme der charakterlichen Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen erkennen läßt und auszuschließen ist, daß aufgrund neuer Hauptverhandlung eine charakterliche Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen festgestellt werden kann, hebt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Maßregelanordnung auf und läßt sie entfallen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
EAAAC-08594

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