Leitsatz
[1] Zur Strafbarkeit einer Musikgruppe nach § 129 Abs. 1 StGB, die auf die Veröffentlichung von Liedern mit Texten strafbaren Inhalts ausgerichtet ist.
Gesetze: StGB § 129 Abs. 1
Instanzenzug:
Gründe
Das Kammergericht in Berlin hat den Angeklagten R. unter Freispruch im übrigen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung als Rädelsführer in Tateinheit mit Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung in je zwei Fällen sowie mit öffentlichem Auffordern zu Straftaten, Billigung von Straftaten, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole und Beschimpfung von Bekenntnissen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Außerdem hat es gegen ihn den Verfall von 5.400 € angeordnet. Gegen die nichtrevidierenden Mitangeklagten M. und W. ist ein entsprechender Schuldspruch ergangen, nur wurden sie nicht als Rädelsführer im Sinne des § 129 Abs. 4 StGB verurteilt.
Nach den Feststellungen war der Angeklagte R. seit 1992 Mitglied und ab 1993 Kopf der Musikband "Landser", die sich aus Angehörigen der rechtsextremen Szene in Berlin zusammengefunden hatte und sog. Punk- bzw. Oi!-Skin-Musik spielte. Nachdem er die Leitung der Band übernommen hatte, verfolgte der Angeklagte R. das Ziel, durch strafbare und damit in der Szene besonders mutig wirkende Texte rechtsradikal-propagandistisch auf die Jugend Deutschlands einzuwirken, um Haß und Emotionen zu schüren und so aus der Band ein Instrument des politischen Kampfes zu machen. Diese Bestrebungen wurden von den übrigen Bandmitgliedern geteilt. Sie verzichteten daher in der Folge auf öffentliche Auftritte und allgemein zugängliche Proben. Diese wurden vielmehr heimlich an wechselnden Orten abgehalten. Zwischen Ende 1992 und Mitte 2001 brachte die Band, deren Zusammensetzung sich mit Ausnahme des Angeklagten R. im Laufe der Zeit änderte und die im Jahre 1997 mit den drei Angeklagten ihre endgültige Besetzung gefunden hatte, im Zusammenwirken mit verschiedenen Personen aus dem In- und Ausland eine Musikkassette und mehrere CDs auf den Markt. Die CDs waren vornehmlich im Ausland eingespielt und hergestellt worden. Sie wurden im Inland auf konspirativen Wegen in der rechtsradikalen Szene vertrieben, fanden dort einen reißenden Absatz und begründeten den Ruf von "Landser" als der Kultband des jugendlichen rechtsextremistischen Spektrums.
Die Verurteilung des Angeklagten R. nach § 129 Abs. 1 und 4 StGB stützt sich auf seine Mitgliedschaft in der Band in der Zeit ab 1997 in ihrer endgültigen Zusammensetzung. Dem Schuldspruch bezüglich der übrigen tateinheitlich abgeurteilten Delikte liegen die Texte mehrerer Lieder rechtsradikalen, rassistischen bzw. ausländerfeindlichen Inhalts zugrunde, die auf den in den Jahren 2000 bzw. 2001 veröffentlichten CDs "Ran an den Feind" und "Best of Landser" enthalten sind.
Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt, auch hinsichtlich der nichtrevidierenden Mitangeklagten, auf die Sachrüge zu einer geringfügigen Korrektur des Schuldspruchs, bleibt im übrigen aber ohne Erfolg.
I. Die Verfahrensrüge ist unbegründet.
Zwar beanstandet der Angeklagte im Ausgangspunkt zu Recht, daß der Generalbundesanwalt Telefonate, die er - der Angeklagte - mit seinem Verteidiger geführt hatte und die aufgrund der im Verfahren gegen einen Dritten ermittlungsrichterlich angeordneten Überwachung des Fernsprechanschlusses des Angeklagten (§ 100 a Satz 1 und 2 StPO) automatisch aufgezeichnet worden waren, ausgewertet und in dem Verfahren gegen den Angeklagten für das Anbringen eines Ablehnungsgesuchs verwertet hat. Denn im Hinblick auf § 148 Abs. 1 StPO ist es im Rahmen einer laufenden Telefonüberwachung grundsätzlich geboten, die Aufzeichnung eines Telefonats sofort abzubrechen, wenn sich ergibt, daß es sich um ein Mandantengespräch zwischen dem Beschuldigten, Angeschuldigten bzw. Angeklagten und seinem Verteidiger handelt (vgl. Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 100 a Rdn. 75; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 100 a Rdn. 13; Welp JZ 1972, 423, 428; ders., Die strafprozessuale Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs - 1974 - S. 207 f.). Dies gilt auch dann, wenn die Überwachung des Anschlusses des Mandanten in dem Verfahren gegen einen Dritten (vgl. § 100 a Satz 2 StPO) angeordnet wurde (Schäfer aaO). Ist der Abbruch der Aufzeichnung nicht möglich, weil sie automatisch durchgeführt wird, so hat jedenfalls jede inhaltliche Auswertung des Gesprächs zu unterbleiben. Dies folgt nunmehr auch aus § 100 h Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 StPO. Denn wenn es danach schon unzulässig ist, die unter Mißachtung des § 100 h Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 1 Nr. 2 StPO gewonnenen bloßen Daten über Telekommunikationsverbindungen zwischen dem Verteidiger und seinem Mandanten zu verwerten, muß die Auswertung des durch eine Überwachungsmaßnahme zufällig bekannt gewordenen Inhalts einer derartigen Kommunikation erst recht ausgeschlossen sein (aA wohl Nack in KK 5. Aufl. § 100 a Rdn. 30). Anders läge es nur, wenn gegen den Verteidiger ein Verdacht im Sinne des § 100 h Abs. 2 Satz 2 StPO bestanden hätte. Dies war jedoch nicht der Fall.
Entgegen der vom Generalbundesanwalt ersichtlich vertretenen Ansicht ist die Aus- und Verwertung des Inhalts des Mandantengesprächs nicht nur im Hinblick auf die unmittelbare Schuld- und Straffrage, sondern auch für sonstige, hiervon ohnehin kaum trennbaren verfahrensrechtlichen Zwecke unzulässig. Er darf daher auch nicht - wie hier - als Grundlage für einen Ablehnungsantrag gegen einen der erkennenden Richter herangezogen werden.
Die an diese Vorgänge anknüpfende Rüge des Angeklagten greift indessen nicht durch. Das Kammergericht mußte dem Antrag auf Vernehmung des Generalbundesanwalts nicht nachkommen, sondern durfte der Behauptung des Angeklagten, es seien weitere Telefonate zwischen ihm und seinem Verteidiger abgehört worden, freibeweislich nachgehen; denn es ging hier nicht um die Aufklärung von Tatsachen, die für die Schuld- oder Straffrage relevant waren, sondern darum, ob gegebenenfalls die Grundsätze fairer Verfahrensgestaltung verletzt und hieraus verfahrensrechtliche Konsequenzen zu ziehen waren (vgl. Herdegen in KK 5. Aufl. § 244 Rdn. 6 m. w. N.). Die freibeweislichen Ermittlungen hat das Kammergericht durchgeführt. Es ist auf der Grundlage der seitens der Bundesanwaltschaft eingereichten dienstlichen Erklärungen zu dem Ergebnis gelangt, daß neben dem Telefonat, das Anlaß für das Ablehnungsgesuch war, noch weitere Gespräche zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger aufgezeichnet, jedoch nicht zur "Begründung der Schuld- und Straffrage ausgewertet und benutzt" wurden. Es ist nicht zu erkennen, daß aus der persönlichen Vernehmung des Generalbundesanwalts weitergehende Erkenntnisse hätten gewonnen werden können; solche trägt auch die Revision nicht vor. § 244 Abs. 3 Satz 2 bzw. § 244 Abs. 2 StPO sind daher entgegen der Auffassung des Angeklagten nicht verletzt.
Die geschilderten Vorgänge lassen auch keinen Verstoß gegen das Recht des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren erkennen, der die weitere Durchführung des Verfahrens hindern würde. Ob dies auch dann der Fall wäre, wenn dem Generalbundesanwalt durch die Auswertung der Mandantengespräche das Verteidigungskonzept bekannt geworden wäre (vgl. BGH NStZ 1984, 419 für den Fall der unzulässigen Beschlagnahme von Unterlagen des Verteidigers), braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn dies wird weder von der Revision behauptet, noch ergeben sich hierfür irgendwelche Anhaltspunkte.
II. Die Sachrüge hat nur in geringem Umfang Erfolg.
1. Der Schuldspruch gegen den Angeklagten R. wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung als Rädelsführer (§ 129 Abs. 1 und 4 StGB) ist nicht zu beanstanden.
a) Das Kammergericht ist der Ansicht, daß die drei Mitglieder der Musikgruppe "Landser" nach dem Eintritt des Mitangeklagten W. im Jahre 1997 innerhalb kürzester Zeit eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB bildeten. Es stützt diese Beurteilung maßgeblich auf folgende Erwägungen:
Die Gruppe habe die für eine (kriminelle) Vereinigung vorausgesetzte Organisationsstruktur aufgewiesen, den notwendigen verbindlichen Gesamtwillen ausgebildet und sich als einheitlicher Verband verstanden. Sie habe sich daher von einer Bande im strafrechtlichen Sinne abgehoben, die keine organisatorischen Strukturen und auch keinen den Willen der einzelnen Bandenmitglieder überlagernden Gesamtwillen aufweisen müsse. Die Tätigkeit der Bande erschöpfe sich darin, daß deren Mitglieder aus je eigenem Interesse an einer risikolosen und effektiven Tatausführung sowie Beute- und Gewinnerzielung zusammenwirken. Dagegen verfolge sie keine über die unmittelbaren kriminellen Handlungen hinausgehenden gesellschaftsgefährdenden Ziele.
Auf die organisatorische Struktur der Musikgruppe "Landser" deute bereits hin, daß sie unter einem besonderen Namen und seit Anfang 1996 mit einem identitätsstiftenden Logo ausgestattet gewesen sei. Darüber hinaus seien innerhalb der Band nicht nur die musikalischen Aufgaben auf die einzelnen Mitglieder verteilt gewesen. Der Angeklagte R. sei als Sänger und Gittarist aufgrund seiner überlegenen Fähigkeiten der kreative Kopf der Band gewesen, der deren nationalsozialistische Ausrichtung bestimmt und die Liedtexte verfaßt habe, ohne die der Erfolg der Band nicht denkbar gewesen sei. Der Mitangeklagte W. sei mit äußeren Organisationsaufgaben betraut gewesen. So habe er drei Probenräume besorgt und durch seine Verbindungen in der rechtsradikalen Szene maßgeblich zur Produktion und zum Vertrieb der CD "Ran an den Feind" beigetragen. Der Mitangeklagte M. habe demgegenüber aufgrund seiner Berufstätigkeit neben den musikalischen nur wenige sonstige Aufgaben erledigen können. Er habe R. und W. zum Teil zu den Probenräumen transportiert und R. s Post bei dessen Mutter abgeholt.
Dieses Mindestmaß an innerer Struktur sei ergänzt worden durch die von der Gruppe zur Herstellung der CDs planvoll genutzten Fremdstrukturen ihrer Unterstützer im rechtsradikalen Umfeld. Auf dieses "Netzwerk" habe sich die Gruppe in der Durchsetzung ihrer kriminellen Ziele verlassen und sich in ihm geborgen fühlen dürfen.
Dies genüge indessen nicht, um sie als kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB einzustufen. Denn derartige Organisationsstrukturen seien bei Musikgruppen, die strafbare Texte verbreiten, leicht anzutreffen. Der Schutzzweck des § 129 Abs. 1 StGB gebiete es indessen, nur solche Gruppen zu erfassen, von denen eine Gefahr für die innere öffentliche Sicherheit ausgehe. Dies sei nur der Fall, wenn die Gruppe "eine bedeutende Stellung im relevanten Markt" habe. Eine solch hohe Marktbedeutung habe sich die Band "Landser" schon durch die 1995 noch in anderer Besetzung eingespielte CD "Republik der Strolche" erworben. Diese sei auch durch den Wechsel in der Besetzung und die mehrmonatige Pause der Aktivitäten der Band vor Eintritt des Mitangeklagten W. nicht verlorengegangen.
Innerhalb der Gruppe sei auch ein bindender Gemeinschaftswille vorhanden gewesen. Zwar habe R. die Gruppe nicht autoritär geführt und es habe auch keine hierarchische Struktur bestanden. Vielmehr hätten alle Mitglieder die Entscheidungen gemeinschaftlich getroffen, wenn auch häufig aufgrund der gleichgerichteten Interessenlage und in Anerkennung der Kompetenz des Angeklagten R. einstimmig durch Abnicken.
Da im Vordergrund der Aktivitäten der Gruppe die Begehung von Straftaten gestanden habe, nämlich die Verbreitung zu Gewalttaten auffordernder, volksverhetzender, die demokratische Verfassung der Bundesrepublik verunglimpfender und den Nationalsozialismus wiederbelebender Botschaften, und hierdurch die öffentliche Sicherheit erheblich gefährdet gewesen sei, habe die Band sämtliche Voraussetzungen einer kriminellen Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB erfüllt.
b) Dies läßt im Ergebnis keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Bei einer kriminellen Vereinigung handelt es sich um einen auf eine gewisse Dauer angelegten, freiwilligen organisatorischen Zusammenschluß von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame (kriminelle) Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, daß sie sich als einheitlicher Verband fühlen (s. nur BGHSt 28, 147; 31, 202, 204 f.; 31, 239 f.; 45, 26, 35).
aa) Diese Voraussetzungen waren hier nach den Urteilsgründen erfüllt.
Innerhalb der Musikband "Landser" war eine organisatorische Struktur für das Zusammenwirken der drei Gruppenmitglieder vorhanden, um die gemeinsam verfolgten Ziele zu verwirklichen. Dies wird durch die Feststellungen zum Verfassen neuer Lieder durch den Angeklagten R. , zum Einüben der neuen Stücke, zum allgemeinen Ablauf des Probenbetriebes, zum Einspielen bzw. der Produktion der CDs sowie der weitgehend konspirativen Ausübung all dieser Aktivitäten hinreichend belegt. Daß sich die Mitglieder der Gruppierung als einheitlicher Verband fühlten, hat das Kammergericht zutreffend aus dem Bandnamen und dem für die Band verwendeten Abzeichen geschlußfolgert.
Die einzelnen Gruppenmitglieder hatten sich dem Gruppenwillen untergeordnet. Zwar hat das Kammergericht nicht festgestellt, daß sich die Angeklagten verbindliche Regeln gegeben hatten, nach denen sämtliche Entscheidungen innerhalb der Band zu treffen waren. Dies war hier indessen auch nicht erforderlich. Denn aus dem erfolgreichen Zusammenwirken über mehrere Jahre, in denen drei CDs auf den Markt gebracht wurden, ergibt sich ohne weiteres, daß sich jedes einzelne Mitglied der Band dem vom gemeinsamen Gruppenwillen getragenen Ziel untergeordnet haben muß. Ansonsten hätten die kriminellen Absichten der Beteiligten nicht in der hier vorliegenden Weise umgesetzt werden können.
bb) Die weiteren Umstände, die das Kammergericht zur Bestätigung seiner Rechtsauffassung erörtert, sind demgegenüber für das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung nicht konstitutiv und nicht geeignet, diese von einem sonstigen Zusammenwirken mehrerer zur Erreichung krimineller Ziele abzugrenzen. Insoweit gilt:
Sollten die Ausführungen des Kammergerichts dahin zu verstehen sein, daß erst die Einbettung in bzw. die Nutzung von Fremdstrukturen der rechtsradikalen Szene ("Netzwerk") der Band "Landser" den für eine Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB vorausgesetzten Organisationsgrad verschafft habe, könnte dem nicht gefolgt werden. Eine derartige ein- oder gegenseitige Ergänzung organisatorischer Strukturen könnte straftatbestandliche Folgen nur dann zeitigen, wenn beiden "Organisationen" zumindest in ihrem Zusammenwirken strafrechtliche Relevanz zukäme. Dies war hier nicht der Fall; denn es fehlt an jedem Hinweis darauf, daß die Teile der rechtsradikalen Szene, mit denen die Angeklagten zusammenwirkten, mit diesen gemeinsam eine der Vereinigung "Landser" einschließende, umfassendere kriminelle Vereinigung bildeten. Durch die Konstruktion des Kammergerichts würde überdies die gesetzliche Unterscheidung zwischen der Vereinigung und ihren Unterstützern eingeebnet.
Soweit das Kammergericht darüber hinaus als wesentliches Merkmal zur Abgrenzung einer Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB von sonstigen Formen des Zusammenwirkens mehrerer bei der Verfolgung deliktischer Zwecke, insbesondere der Bande, anführt, daß die Vereinigung über die unmittelbaren kriminellen Handlungen hinausgehende gesellschaftsgefährdende Ziele verfolge, findet dies im Gesetz keine Stütze. Zwar ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, daß der Gesetzgeber als kriminelle Vereinigungen namentlich politische oder politisch motivierte Gruppierungen ins Auge faßte (Hohmann wistra 1992, 85 f. m. w. N.). Jedoch kann weder hieraus noch aus der Deliktsnatur, der systematischen Stellung oder dem von § 129 StGB geschützten Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit der Schluß gezogen werden, daß die Vorschrift nur auf derartige Organisationen anwendbar ist (aA Hohmann aaO; Walischewski StV 2000, 583, 585). Denn eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs ist weder dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen, noch wird sie von der der Norm in ihrem Ursprung zugrunde liegenden Bestimmung des Art. 9 Abs. 2 GG nahegelegt (s. nur von Bubnoff in LK 11. Aufl. § 129 Rdn. 5; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 129 Rdn. 1).
Ebensowenig hängt die Bewertung der Musikband "Landser" als kriminelle Vereinigung davon ab, daß sie eine "bedeutende Stellung im relevanten Markt" erreicht hatte. Dies ist ein untaugliches Abgrenzungskriterium. § 129 Abs. 1 StGB setzt nicht voraus, daß die Vereinigung auch nur eine der Straftaten, auf die sie ausgerichtet ist, konkret plant oder gar vorbereitet (BGH NJW 2005, 80, 81 m. w. N.). Die Strafbarkeit nach dieser Vorschrift kann demgemäß nicht voraussetzen, daß diese Straftaten begangen werden und die Vereinigung hierdurch ein hohes Maß an Ansehen bei ihren Gesinnungsgenossen gewinnt. Es genügte, daß sie auf die Begehung von Straftaten wie Volksverhetzung, Verunglimpfung des Staates, Verbreitung von Propagandamitteln verfassungsfeindlicher Organisationen etc. ausgerichtet war.
2. Auch der Schuldspruch wegen der tateinheitlich mit § 129 Abs. 1 und 4 StGB abgeurteilten sonstigen Delikten hält im wesentlichen rechtlicher Überprüfung stand. Er stützt sich auf die Texte verschiedener Lieder der CDs "Ran an den Feind" und "Best of Landser". Zwar hat das Kammergericht abgesehen von einer kurzen inhaltlichen Textanalyse eine Subsumtion der getroffenen Feststellungen unter die einzelnen Tatbestandsmerkmale der von ihm angewendeten Vorschriften weitgehend unterlassen. Dies hat indessen nur in einem Punkt zu einer rechtlichen Fehlbeurteilung geführt, die Auswirkung auf den Schuldspruch hat:
Die Verurteilung wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 Abs. 1 und 2 StGB) kann keinen Bestand haben. Der Schuldspruch stützt sich insoweit auf den Text des Liedes "Xenophobia" aus der CD "Best of Landser". Darin werden die in Deutschland lebenden Vietnamesen in unflätiger Weise angegriffen. Der Text mag zwar nach seinem Gesamtzusammenhang zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen diese inländische Bevölkerungsgruppe auffordern und damit den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) auch in dieser Variante erfüllen. Dies genügt für die Verwirklichung des § 111 Abs. 1 und 2 StGB indessen nicht. Dieser Tatbestand setzt weitergehend vielmehr voraus, daß zumindest erkennbar wird, in welcher strafrechtlich relevanten Weise gegen die Mitglieder der angegriffenen Bevölkerungsgruppe vorgegangen werden soll. Daran fehlt es hier. Das Kammergericht meint, die Zuhörer würden aufgestachelt, "die verhaßten Opfergruppen ihrem verhießenen Schicksal zuzuführen"; es werde "das Existenzrecht der Betroffenen in Deutschland bestritten". Das beschreibt jedoch gerade keinen erkennbaren Straftatbestand. Es bleibt offen, ob die Opfer körperlich mißhandelt oder gar getötet oder genötigt werden sollen, Deutschland zu verlassen.
Weitergehender Erörterung bedarf darüber hinaus nur noch folgendes:
Das Kammergericht meint, der Angeklagte habe durch die Verbreitung der CD "Best of Landser" wegen mehrerer hierauf enthaltener Lieder den Tatbestand der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90 a StGB) erfüllt. Der Titel "Republik der Strolche" richte sich gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, da er zum Widerstand und Volksaufstand auffordere, um das "herrschende Regime" gewaltsam zu beseitigen. Die Tat sei daher gemäß § 90 a Abs. 3 StGB qualifiziert. Dies ist nur im Ergebnis zutreffend.
Im Sinne des § 90 a Abs. 3 StGB sind Bestrebungen des Täters nur dann gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gerichtet, wenn er darauf hinarbeitet, die Freiheit der Bundesrepublik von fremder Botmäßigkeit aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihr gehörendes Gebiet abzutrennen (§ 92 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 StGB). Hierfür ist in der Person des Angeklagten nichts erkennbar. Dennoch ist der qualifizierende Tatbestand des § 90 a Abs. 3 StGB verwirklicht. Denn sowohl nach dem Inhalt aller fraglichen Lieder als auch nach den sonstigen Feststellungen zu den ideologischen Zielen des Angeklagten R. steht außer Zweifel, daß er sich durch das Verbreiten der CD absichtlich gegen Verfassungsgrundsätze im Sinne des § 90 a Abs. 3, § 92 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 und 6 StGB eingesetzt hat.
III. Da weitergehende Feststellungen nicht in Betracht kommen, ändert der Senat entsprechend obiger Darlegungen das Urteil gegen den Angeklagten R. dahin ab, daß im Schuldspruch die Verurteilung wegen tateinheitlicher öffentlicher Aufforderung zu Straftaten entfällt. Diese Schuldspruchänderung ist gemäß § 357 StPO auf die beiden nichtrevidierenden Mitangeklagten M. und W. zu erstrecken.
Die Strafaussprüche werden hierdurch nicht berührt. Der Senat kann ausschließen, daß das Kammergericht auf niedrigere Strafen erkannt hätte, wenn es von der Verurteilung der Angeklagten nach § 111 Abs. 1 und 2 StGB abgesehen hätte; denn ausweislich der Urteilgründe waren die Verwirklichung der neben der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung ausgeurteilten Straftaten für die Strafbemessung ohne ausschlaggebende Bedeutung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
JAAAC-08549
1Nachschlagewerk: ja