Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 66 Abs. 1; StGB § 66 Abs. 1 Nr. 1; StGB § 66 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3; StGB § 250 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung wendet. Das Rechtsmittel hat Erfolg; zugleich führt es zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung ist schon deshalb unwirksam (vgl. dazu Kuckein in KK-StPO 5. Aufl. § 344 Rdn. 12 m.w.N.), weil die Strafkammer im Zusammenhang mit der Gefährlichkeitsprognose einen Bezug zur Haftdauer hergestellt hat. Damit unterliegt der Rechtsfolgenausspruch insgesamt der Überprüfung durch das Revisionsgericht.
I. Die Begründung, mit der das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Nach den Urteilsfeststellungen liegen die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB vor.
Der 1957 geborene Angeklagte ist vor der hier abgeurteilten Tat bereits dreimal wegen einschlägiger Delikte verurteilt worden und hat wegen dieser Taten weit mehr als zwei Jahre Freiheitsstrafe verbüßt. Wegen einer im Januar 1983 begangenen räuberischen Erpressung zum Nachteil der Deutschen Bahn verurteilte ihn das zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren, die er bis zum teilverbüßte. Im August 1990 wollten der Angeklagte und ein Mittäter sich durch einen Banküberfall Geld verschaffen. Sie stiegen nachts in eine Bankfiliale ein und bedrohten einen morgens eintreffenden Bankangestellten mit zwei geladenen und schußbereiten Revolvern. Ihr Vorhaben scheiterte jedoch, weil der Angestellte Alarm auslöste. Wegen dieser Tat wurde der Angeklagte vom Landgericht Saarbrücken im Dezember 1990 wegen versuchten schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, welche er bis zum teilverbüßte. Bereits im April 1995 beging der Angeklagte einen weiteren Raubüberfall, wobei er einen schußwaffenähnlichen Gegenstand als Drohmittel einsetzte. Das Landgericht Saarbrücken verurteilte ihn deswegen im März 1996 wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren. Während der Verbüßung dieser Strafe absolvierte der Angeklagte mit großem Erfolg eine Schreinerlehre und konnte deswegen als Freigänger die Meisterschule besuchen. Als sich anstaltsintern Schwierigkeiten wegen der für die Ausbildung erforderliche Computerbenutzung ergaben, fühlte sich der Angeklagte frustriert und verabredete mit dem Mitangeklagten, der sein Zellengenosse im Freigängerhaus war, den verfahrensgegenständlichen Banküberfall zu begehen. Am betraten beide mit Wollmützen maskiert eine Sparkassenfiliale, bedrohten einen Angestellten und eine Kundin mit Schreckschußpistolen und erbeuteten insgesamt 6.980 Euro. Auf ihrer Flucht im Pkw des Angeklagten wurden sie von Polizeibeamten verfolgt und gestellt. Dem Angeklagten gelang es, zu Fuß zu flüchten, während sein Mittäter mit der Beute festgenommen wurde.
2. Das Landgericht geht, ohne dies allerdings im Urteil auszuführen, in Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Sachverständigen davon aus, daß es sich bei der verfahrensgegenständlichen Tat um eine Hangtat handelt. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, daß beim Angeklagten ein Hang besteht, in Konfliktsituationen schwerwiegende Straftaten zu begehen. Gleichwohl hat die Strafkammer von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen, weil sie die materielle Voraussetzung einer Gefährlichkeit des Angeklagten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB für nicht gegeben erachtet. Hiergegen wendet sich die Revisionsführerin zu Recht.
a) Grundlage der Gefährlichkeitsprognose sind ausschließlich die Verhältnisse zur Zeit der Hauptverhandlung, nicht der Entlassung aus der sich anschließenden Strafhaft. Denkbare, aber nur erhoffte positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug bleiben der obligatorischen Prüfung vor dessen Ende, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert (§ 67 c Abs. 1 StGB), vorbehalten (vgl. Ullenbruch in MünchKomm StGB § 66 Rdn. 135 m.w.N.). Nur wenn in der Hauptverhandlung festgestellt wird, daß die unter den bisherigen Lebensverhältnissen an sich gegebene Gefährlichkeit nach dem Strafvollzug nicht mehr bestehen werde oder daß sie durch weniger einschneidende und sicher ausführbare Maßnahmen behoben werden kann, ist die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ausgeschlossen. Diesen Maßstäben wird die Prognoseentscheidung des Landgerichts nicht gerecht.
b) Soweit die Strafkammer bei ihrer Gesamtwürdigung auf die "grundsätzlich günstigen kriminogenen Faktoren" - wie u.a. die Herkunft aus normalbürgerlichen Verhältnissen, die Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit, die affektive Zugänglichkeit und das ungewöhnlich hohe Potential der Selbstreflektion - abstellt, hat sie sich nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, daß der Angeklagte trotz dieser Faktoren innerhalb von etwa 20 Jahren schwerwiegende Straftaten begangen hat, derentwegen er zu insgesamt 18 Jahren Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist.
Aus demselben Grund trägt auch die Feststellung, daß seit der vorletzten Tat vom April 1995 eine "außerordentliche und ungewöhnlich positive Entwicklung des Angeklagten" eingetreten sei, zu der die Drogenentwöhnung und der erfolgreiche Lehrabschluß gehören, die Prognose des Landgerichts nicht, da es trotz dieser Entwicklung zu der verfahrensgegenständlichen Tat gekommen ist. Auch wenn hinsichtlich der Banküberfälle keine Steigerung der Gewaltintensität zu erkennen ist, vermag dies die günstige Prognose des Landgerichts ebenfalls nicht zu stützen, denn nach wie vor handelt es sich bei den vom Angeklagten begangenen Taten um solche, die der Schwerkriminalität zuzurechnen sind. Daß der Angeklagte über die intellektuellen und charakterlichen Fähigkeiten verfügt, trotz seiner langjährigen kriminellen Laufbahn zukünftig ein straffreies Leben zu führen, spricht nicht gegen seine Gefährlichkeit, da er diese Fähigkeiten auch bisher nicht in diesem Sinne genutzt hat. Der vom Landgericht besonders hervorgehobene Umstand, daß der Angeklagte erstmals mit therapeutischer Unterstützung die Ursachen seines strafbaren Verhaltens zu ergründen versucht, mag zwar ein erstes Zeichen von Umkehr sein; er ist aber entgegen der Ansicht des Landgerichts kein entscheidender Einwand gegen eine fortdauernde Gefährlichkeit. Dies ergibt sich bereits daraus, daß das Landgericht es für erforderlich hält, daß der Angeklagte den nunmehr folgenden langjährigen Freiheitsentzug für die Fortsetzung der therapeutisch zu unterstützenden Arbeit an den Ursachen seines Verhaltens nutzen wird.
Soweit die Strafkammer schließlich - wenn auch nur flankierend (UA 18) - darauf abstellt, daß der Angeklagte die verhängte Freiheitsstrafe von 11 Jahren voraussichtlich erst im Alter von fast 60 Jahren verbüßt haben wird, trägt dies ebenfalls die Gefährlichkeitsprognose nicht. Der Tatrichter darf - zumal bei der Frage der obligatorischen Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB - dem Alter des Angeklagten und den Wirkungen eines jahrelangen Strafvollzugs allenfalls dann Bedeutung beimessen, wenn schon bei Urteilsfindung mit Sicherheit angenommen werden kann, daß aufgrund dessen eine Gefährlichkeit des Täters bei Ende des Vollzugs der Strafe nicht mehr bestehen wird. Die Würdigung der Strafkammer, die bereits jetzt vorhandenen körperlichen Gebrechen des Angeklagten, der an Nierensteinen, Bandscheibenproblemen, Tinnitus und fortschreitender Schwerhörigkeit leidet, würden sich während des Strafvollzugs sicher nicht bessern und die Rückfallwahrscheinlichkeit mindern, belegt die geforderte Gewißheit künftigen Legalverhaltens jedenfalls nicht.
Über die Anordnung der Sicherungsverwahrung muß nach alledem neu entschieden werden.
II. Der Senat hebt zugleich auch den Strafausspruch auf, da - zumal angesichts der Höhe der verhängten Strafe - nicht ausschließbar ist, daß diese bei Anordnung der Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (vgl. BGH StV 2000, 615, 617 m.w.N.; NStZ-RR 2005, 39, 40).
Zudem belegt das Urteil nicht, daß das Landgericht zu Recht den Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB zugrundegelegt hat. Zwar ist dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen, daß die von dem Mittäter des Angeklagten zur Bedrohung eingesetzte Schreckschußpistole geladen war. Das Landgericht hat aber nicht festgestellt, daß der Angeklagte Kenntnis vom Ladezustand dieser Waffe hatte. Dazu wird die neu entscheidende Strafkammer ergänzende Feststellungen zu treffen haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DAAAC-07835
1Nachschlagewerk: nein