Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 212 Abs. 2; StGB § 212 Abs. 1; StGB § 21; StGB § 49 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 50
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit es den Strafausspruch betrifft, ist im übrigen jedoch unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
1. Nach den Feststellungen mißhandelte der Angeklagte die 41-jährige V , zu der er eine intime Beziehung unterhielt, über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Stunden durch Schläge, Tritte und andere Gewalttätigkeiten derart, daß sie kurze Zeit später an den Folgen der erlittenen schweren Verletzungen verstarb. Er tötete Frau V aus Wut darüber, daß sie ihn zuvor in einer Gaststätte "vor allen Leuten" ohne eine Erklärung hatte stehen lassen und anschließend über Stunden nicht auffindbar war. Bei Ausführung der Tat war der Angeklagte hochgradig alkoholisiert; seine Steuerungsfähigkeit war erheblich eingeschränkt, aber nicht aufgehoben.
2. Das Landgericht bewertet die Tat als Totschlag, da Mordmerkmale jedenfalls aus subjektiven Gründen nicht gegeben seien. Der Angeklagte habe zwar objektiv aus niedrigen Beweggründen gehandelt; dies könne ihm jedoch subjektiv nicht angelastet werden, da nicht ausgeschlossen werden könne, daß er aufgrund der erheblichen Alkoholisierung und der damit verbundenen Enthemmung die Niedrigkeit seiner Beweggründe nicht erkennen und in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewußtsein habe aufnehmen können. Das Vorliegen des Mordmerkmals "grausam" nimmt die Strafkammer deshalb nicht an, weil nicht auszuschließen sei, daß der Angeklagte erst zum Ende des Tatgeschehens den zumindest bedingten Tötungsvorsatz gefaßt habe und damit die vorangegangenen brutalen und grausamen Mißhandlungen des Opfers von dem Tötungsvorsatz nicht umfaßt gewesen seien.
3. Im Rahmen der Strafzumessung lehnt die Strafkammer einen besonders schweren Fall des Totschlags im Sinne des § 212 Abs. 2 StGB ab und führt dazu aus, daß die Tat zwar - objektiv gesehen - in der Nähe von zwei Mordmerkmalen liege, daß diese schulderhöhenden Momente aber aufgrund der erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten an Gewicht verlören. Zudem sei die Wut des Angeklagten, in die er sich über mehrere Stunden hineingesteigert habe, und seine damit verbundene besondere psychische Situation zur Tatzeit auf das für ihn in der konkreten Situation nicht nachvollziehbare Verhalten der Geschädigten zurückzuführen. Diese Umstände stellten ein erhebliches Gegengewicht zu dem besonders schulderhöhenden Faktor der Nähe zu zwei Mordmerkmalen dar und führten zur Verneinung eines besonders schweren Fall des Totschlags. Es sei somit der Regelstrafrahmen des § 212 Abs.1 StGB zugrunde zu legen. Dieser könne nicht noch einmal nach §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB gemildert werden, da die Annahme des § 21 StGB schon zum Ausschluß der Anwendung des § 212 Abs. 2 StGB geführt habe und damit im Sinne von § 50 StGB bereits verbraucht sei.
II.
Diese Erwägungen des Landgerichts begegnen durchgreifenden Bedenken.
1. Ein besonders schwerer Fall des Totschlags setzt voraus, daß das in der Tat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters außergewöhnlich groß ist. Es muß ebenso schwer wiegen wie das eines Mörders. Hierfür genügt nicht schon die bloße Nähe der die Tat oder den Täter kennzeichnenden Umstände zu gesetzlichen Mordmerkmalen. Es müssen vielmehr schulderhöhende Gesichtspunkte hinzukommen, die besonders gewichtig sind (BGH NJW 1982, 2264, 2265; StV 2000, 309; BGHR StGB § 212 Abs. 2 Umstände, schulderhöhende 1, 3, 4). Ob dies der Fall ist, kann nur unter Berücksichtigung der Gesamtheit der äußeren und inneren Seite der Tat beantwortet werden.
Danach ist schon fraglich, ob allein die vom Landgericht angenommene Nähe zu zwei Mordmerkmalen ausreicht, um einen besonders schweren Fall des Totschlags in Betracht zu ziehen. Dies wird grundsätzlich dann zu verneinen sein, wenn - wie hier - die erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit des Täters zur Ablehnung der subjektiven Voraussetzungen der Mordmerkmale führt. Denn die Umstände, welche die Verneinung von Mordmerkmalen zur Folge haben, können es nahelegen, auch die Nähe zu Mordmerkmalen zu verneinen. Ansonsten käme man unter Verstoß gegen das Schuldprinzip auf dem Umweg über die Bejahung der Voraussetzungen des § 212 Abs. 2 StGB zu einem dem Mörder zugedachten Strafrahmen (BGH NStZ 1981, 258; ).
2. Darüber hinaus erscheint zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall überhaupt an die Nähe zu zwei Mordmerkmalen gedacht werden kann, da nach den Urteilsausführungen die dem Mordmerkmal "grausam" nahen Tatelemente vom Tötungsvorsatz nicht umfaßt waren. Hinzu kommt, daß Handlungsmodalitäten - wie besondere Brutalität -, die Anzeichen für die Stärke einer seelischen Beeinträchtigung sind oder sein können, einem vermindert schuldfähigen Angeklagten nicht voll angelastet werden dürfen; keinesfalls darf sie der Tatrichter als besondere Strafschärfungsgründe bewerten (vgl. BGHR StGB § 21 Strafzumessung 7, 14, 15).
3. Besondere (zusätzlich) schulderhöhende Umstände, welche die Tat des Angeklagten zurechenbar mit Mord auf eine Stufe heben, sind weder vom Landgericht dargetan noch ersichtlich. Vielmehr hat die Strafkammer eine Reihe von Milderungsgründen aufgeführt, welche die Strafwürdigkeit der Tat nicht unerheblich vermindern. So hat sie als ein deutliches Gegengewicht zu dem von ihr angenommenen schulderhöhenden Faktor der Nähe zu zwei Mordmerkmalen unter anderem auf die - unabhängig von der alkoholbedingten Beeinträchtigung - psychische Situation des Angeklagten zur Tatzeit abgestellt, welche auf das für ihn nicht nachvollziehbare und kränkende Verhalten der später Getöteten zurückzuführen war. Darüber hinaus ist dem Angeklagten zugute gehalten worden, daß er (nur) mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt habe, die Tat nicht geplant gewesen sei und er Reue gezeigt habe. Demgegenüber hat das Landgericht ihm neben seiner Vorstrafe wegen Körperverletzung die Dauer des Tatgeschehens angelastet und den Umstand, daß er die Tat in der eigenen Wohnung des ihm vertrauenden Opfers begangen habe.
4. Nach allem lag die Annahme eines besonders schweren Falls des Totschlags eher fern und es bedurfte nicht der Berufung auf den vertypten Milderungsgrund des § 21 StGB, um den besonders schweren Fall auszuschließen. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob dessen Verneinung unter Heranziehung eines vertypten Milderungsgrundes die Anwendung des § 50 StGB ohne weiteres nach sich zieht (vgl. dazu unter anderem BGH NJW 1986, 1699, 1700; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall - Gesamtwürdigung, unvollständige 11; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 50 Rdn. 2; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 50 Rdn. 14 ff.).
5. Da es sich um einen Wertungsfehler handelt, bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen. Der neue Tatrichter darf ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen treffen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAC-07249
1Nachschlagewerk: nein