Leitsatz
[1] a) Hat ein seinem Elternteil Unterhaltspflichtiger im Verhältnis zu seinem Ehegatten die ungünstigere Steuerklasse (hier: V) gewählt, ist diese Verschiebung der Steuerbelastung durch einen tatrichterlich zu schätzenden Abschlag zu korrigieren (im Anschluß an Senatsurteil vom - IVb ZR 530/80 - FamRZ 1980, 984, 985).
b) Zur Leistungsfähigkeit eines auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen verheirateten Unterhaltspflichtigen, dessen Einkommen die in den Unterhaltstabellen ausgewiesenen Mindestselbstbehaltssätze übersteigt.
Gesetze: BGB § 1601; BGB § 1603 Abs. 1
Instanzenzug: AG Herne
Tatbestand
Der Kläger macht als Träger der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Elternunterhalt geltend.
Die am geborene Mutter der Beklagten lebte seit Jahren in einem Alten- und Pflegeheim. Die Kosten des Heimaufenthalts konnten durch die von ihr bezogene Rente, das Pflegegeld und das Pflegewohngeld nur teilweise bestritten werden. Es verblieb ein ungedeckter Betrag von mehr als 2.400 DM monatlich, in dessen Höhe der Kläger der Mutter Sozialhilfe in Form der Hilfe zur Pflege leistete. Durch Rechtswahrungsanzeige vom wurde die Beklagte über die Gewährung der Sozialhilfe unterrichtet.
Die Beklagte ist vollschichtig erwerbstätig. Sie bewohnt zusammen mit ihrem - ebenfalls erwerbstätigen - Ehemann ein diesem gehörendes Einfamilienhaus, dessen Wohnwert mit monatlich 680 DM anzusetzen ist. Im Jahre 1998 erzielte die Beklagte bei Besteuerung nach Lohnsteuerklasse V ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von rund 1.800 DM. Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes, für den Lohnsteuer nach Lohnsteuerklasse III abgeführt wurde, betrug 1998 etwas mehr als 3.900 DM. Die Beklagte hat einen Bruder, dessen monatliches Einkommen sich auf ca. 3.500 DM beläuft. Hiervon hat er neben berufsbedingten Fahrtkosten Unterhaltsleistungen für eine ein Studium absolvierende Tochter aufzubringen.
Seit dem Jahre 1993 zahlt die Beklagte an den Kläger Unterhalt für die Mutter in Höhe von 138 DM monatlich. Sie hat sich wegen des Unterhaltsanspruchs ab durch vollstreckbare notarielle Urkunde in der vorgenannten Höhe zur Zahlung verpflichtet.
Mit der am erhobenen Klage hat der Kläger rückständigen Unterhalt für die Zeit vom bis zum in Höhe von insgesamt 5.922 DM zuzüglich Zinsen geltend gemacht und ab März 2000 laufenden Unterhalt in Höhe von weiteren 423 DM monatlich (561 DM - 138 DM) verlangt. Dabei hat er seiner Anspruchsberechnung einen angemessenen Eigenbedarf der Beklagten und ihres Ehemannes von insgesamt 4.000 DM zugrunde gelegt und ist davon ausgegangen, daß die Beklagte nach den Einkommensverhältnissen der Parteien von ihrem Einkommen von 1.801 DM monatlich einen Betrag von 1.240 DM zur Deckung des Familienbedarfs aufzubringen habe. In Höhe der verbleibenden 561 DM sei sie als zur Zahlung von Elternunterhalt leistungsfähig anzusehen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hält sich für nicht leistungsfähig.
Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Klage abgewiesen, weil das Einkommen der Beklagten unter dem mit 2.250 DM anzusetzenden angemessenen Eigenbedarf liege und sie deshalb nicht leistungsfähig sei. Auf die Berufung des Klägers, mit der er seine Klageanträge weiterverfolgt hat, hat das Oberlandesgericht die Beklagte verurteilt, rückständigen Unterhalt für die Zeit von Januar 1999 bis Februar 2000 in Höhe von insgesamt 544 DM zuzüglich Zinsen und ab März 2000 über die aufgrund des Schuldversprechens zu leistenden 138 DM monatlich hinaus laufenden Unterhalt in Höhe von weiteren 68 DM monatlich zu zahlen. Die weitergehende Klage hat das Oberlandesgericht abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision hat der Kläger zunächst sein Klagebegehren, soweit diesem nicht stattgegeben worden ist, weiterverfolgt. Nachdem die Mutter der Beklagten am verstorben ist, hat er den die Zeit ab betreffenden Antrag nur noch für die Zeit bis zum gestellt.
Gründe
Die Revision ist in dem Umfang, in dem sie aufrechterhalten worden ist, begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht, soweit die Berufung des Klägers wegen der Unterhaltsansprüche für die Zeit bis zum zurückgewiesen worden ist. Wegen der Unterhaltsansprüche für die Folgezeit ist die Erklärung des Klägers, der Antrag werde insoweit nicht mehr gestellt, als Revisionsrücknahme aufzufassen.
1. Das Oberlandesgericht, dessen Urteil in NJW-RR 2001, 1663 f. veröffentlicht ist, hat die Beklagte nur in dem ausgeurteilten Umfang für unterhaltspflichtig gehalten. Es ist davon ausgegangen, daß der Unterhaltsbedarf der Mutter zwischen den Parteien nicht im Streit sei. Unterschiedlich beurteilt werde allein die Leistungsfähigkeit der Beklagten. Diese sei im Jahre 1999 nur in Höhe von insgesamt 172 DM monatlich gegeben und ab Januar 2000 in Höhe von insgesamt 206 DM monatlich. Hierzu hat das Oberlandesgericht im wesentlichen ausgeführt: Für das Jahr 1999 sei ausweislich der vorgelegten Verdienstbescheinigungen von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen der Beklagten von 1.872 DM auszugehen. Dieses Einkommen sei - ähnlich wie in einem Fall verschleierter Einkünfte (§ 850 h ZPO) - um einen geschätzten Betrag von monatlich 550 DM auf 2.422 DM zu erhöhen. Die Höhe des Einkommens werde nämlich wesentlich durch die Wahl der Steuerklasse V bestimmt, die der Kläger sich nicht entgegenhalten zu lassen brauche. Mit Rücksicht darauf, daß das Bruttoerwerbseinkommen des Ehemannes der Beklagten nicht wesentlich höher sei als ihr eigenes, ergebe sich für die Eheleute aus der Verschiebung der überwiegenden Steuerlast auf die Beklagte bei den laufenden monatlichen Steuereinbehaltungen kein wesentlicher Steuervorteil. Wenn sich die Beklagte nach Steuerklasse I hätte versteuern lassen, wäre ihre Steuerbelastung um knapp 600 DM monatlich niedriger gewesen. Von dem deshalb unterhaltsrelevanten Einkommen von 2.422 DM sei für den angemessenen Eigenbedarf der Beklagten ein Betrag von 2.250 DM abzuziehen, so daß sie in Höhe weiterer 34 DM (172 DM - 138 DM) leistungsfähig sei. Es bestehe im vorliegenden Fall kein Anlaß, von dem Eigenbedarf nach oben oder nach unten abzuweichen. Der Umstand, daß die Beklagte mit ihrem Ehemann in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zusammenlebe, rechtfertige keine Herabsetzung des Eigenbedarfsbetrages. Die durch ein Zusammenleben eintretende Ersparnis mache - abgesehen von den Wohnkosten - so geringe Beträge aus, daß diese hier nicht ins Gewicht fielen. Von Einsparungen bei den Wohnkosten sei aber ebensowenig auszugehen, denn es bleibe den Ehegatten angesichts des bei der Verwendung des Eigenbedarfsbetrages bestehenden weiten Ermessensspielraums überlassen, wie sie ihre Wohnverhältnisse gestalteten. Entgegen der Auffassung des Klägers sei auch nicht auf einen sogenannten Familienselbstbehalt abzustellen, bei dem der auf die Beklagte entfallende Bedarfsanteil deutlich unter dem Betrag von 2.250 DM liegen würde. Denn die Festsetzung eines solchen Bedarfsbetrages würde eine nicht hinzunehmende Reduzierung des eheangemessenen Unterhaltsbedarfs des seiner Schwiegermutter nicht unterhaltspflichtigen Ehemannes der Beklagten bewirken. Dieser brauche aber nur hinzunehmen, daß das Familieneinkommen, soweit seine Ehefrau es einbringe, wegen der bestehenden Unterhaltspflicht auf den angemessenen Eigenbedarfsbetrag sinke. Der Betrag, der der Beklagten zu belassen sei, könne auch nicht im Hinblick auf eine Unterhaltspflicht ihres Ehemannes herabgesetzt werden. Da sie aufgrund ihrer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht gehalten sei, die überwiegende Last der Haushaltsführung zu übernehmen, ergebe sich unter diesem Gesichtspunkt keine Verpflichtung des Ehemannes, in höherem Maße zum Familienunterhalt beizutragen. Nachdem er ohnehin das höhere Einkommen erziele und das Einkommen der Ehegatten in einer Größenordnung liege, bei der es in der Regel zur Finanzierung der Lebensführung diene, bestehe auch sonst kein Grund anzunehmen, die Beklagte müsse von ihrem bereits auf den Eigenbedarfsbetrag reduzierten Einkommen weitere Beträge für den Unterhalt der Mutter abführen. Andererseits sei es nicht gerechtfertigt, der Beklagten einen über 2.250 DM hinausgehenden Eigenbedarf zuzubilligen. Eine solche Erhöhung, die im Einzelfall in Betracht kommen könne, scheide vorliegend aus, weil die Beträge, die die Beklagte zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ihrer Mutter beitragen könne, so gering seien, daß eine weitere Reduzierung nicht angemessen erscheine. Für das Jahr 2000 ergebe sich auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung eines wegen der Wahl der Steuerklasse V auf monatlich 2.456 DM erhöhten Einkommens der Beklagten ein Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 206 DM, so daß weitere 68 DM monatlich (206 DM - 138 DM) zu zahlen seien. Von diesem Betrag sei auch für die Folgezeit auszugehen.
Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
2. a) Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme der Beklagten für die Zeit von Januar 1999 an bejaht. Mit Rücksicht auf die Rechtswahrungsanzeige der Klägerin vom und die an die Beklagte gerichteten wiederholten Aufforderungen zur Offenlegung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse, mit denen - wie die zuletzt erfolgte Aufforderung vom zeigt - die Mitteilung der (fortdauernden) Gewährung von Sozialhilfe verbunden worden ist, kann nach § 91 Abs. 3 Satz 1 BSHG Unterhalt für die Zeit vor Klageerhebung gefordert werden.
b) Die Unterhaltspflicht der Beklagten gegenüber ihrer Mutter steht dem Grunde nach zwischen den Parteien nicht im Streit. Sie ergibt sich aus § 1601 BGB. Gegen den von dem Kläger in Höhe der ungedeckten Heimkosten behaupteten Unterhaltsbedarf hat die Beklagte keine Einwendungen erhoben. Das Berufungsgericht hatte deshalb, auch aus sonstigen Erwägungen, keinen Anlaß, von dieser Beurteilung der Unterhaltsbedürftigkeit abzuweichen.
c) Was das die Leistungsfähigkeit bestimmende Einkommen der Beklagten anbelangt, ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht das aufgrund der Verdienstbescheinigungen festgestellte monatliche Nettoeinkommen der Beklagten mit Rücksicht auf deren Einstufung in Steuerklasse V mit einem höheren als dem errechneten Betrag angesetzt hat. Unter den gegebenen Umständen entspricht es der Rechtsprechung des Senats, die von dem Erwerbseinkommen tatsächlich einbehaltene Lohnsteuer durch einen Abschlag zu korrigieren, durch den die mit der Einstufung in Steuerklasse V verbundene Verschiebung der Steuerbelastung auf den unterhaltspflichtigen Ehegatten möglichst behoben wird. Diesen Abschlag hat das Gericht in tatrichterlicher Verantwortung und unter Berücksichtigung der Einkommen beider Ehegatten zu bemessen (vgl. Senatsurteil vom - IVb ZR 530/80 - FamRZ 1980, 984, 985). Das Berufungsgericht hat sich hier bei der Schätzung des entsprechenden Betrages an den Abzügen nach der Lohnsteuerklasse I (die der Lohnsteuerklasse IV entspricht, soweit keine Kinderfreibeträge zu berücksichtigen sind) orientiert, ohne sie indessen ganz zu übernehmen; daß ihm hierbei ein revisionsrechtlich beachtlicher Fehler unterlaufen wäre, ist nicht ersichtlich. Auch die Revisionserwiderung erinnert insofern nichts.
d) Ausgehend von dem auf diese Weise ermittelten unterhaltsrelevanten Einkommen der Beklagten hat das Berufungsgericht den für die Mutter zu leistenden Unterhalt nach Abzug eines mit 2.250 DM bemessenen Eigenbedarfs errechnet. Insofern rügt die Revision im Ansatz zu Recht, daß damit nicht sämtliche für die Leistungsfähigkeit der Beklagten maßgeblichen Umstände berücksichtigt worden sind.
aa) Wie der Senat inzwischen - in Anknüpfung an sein Urteil vom (IVb ZR 81/85 - FamRZ 1987, 472, 473 f.) entschieden hat, kann auch bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende angemessene Selbstbehalt insoweit gewahrt sein, als er durch den ihm von seinem Ehegatten zu leistenden Familienunterhalt sein Auskommen findet. Die Höhe des von jedem Ehegatten zu leistenden Familienunterhalts richtet sich nach dem Verhältnis der beiderseitigen unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkommen. Soweit das Einkommen eines Ehegatten zur Bestreitung des angemessenen Familienunterhalts nicht benötigt wird, steht es ihm selbst zur Verfügung und kann folglich für Unterhaltszwecke eingesetzt werden, sofern der angemessene Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen insgesamt gewahrt ist. Der nicht unterhaltspflichtige Ehegatte wird in solchen Fällen nicht mittelbar zum Unterhalt herangezogen, denn sein eigener angemessener Familienunterhalt ist gedeckt; die durch Unterhaltsleistungen bedingte Schmälerung des Einkommens seines Ehegatten braucht er nicht zu kompensieren, da auch dessen angemessener Unterhalt gesichert ist (Senatsurteil vom - XII ZR 122/00 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
bb) Entscheidend ist mithin, ob und gegebenenfalls inwieweit das Einkommen des Unterhaltspflichtigen zur Bestreitung des vorrangigen angemessenen Familienunterhalts benötigt wird. Das hängt wiederum davon ab, wie der geschuldete Familienunterhalt zu bemessen ist. Da dieser gemäß § 1360 a BGB seinem Umfang nach alles umfaßt, was für die Haushaltsführung und die Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und eventueller Kinder erforderlich ist und sich an den ehelichen Verhältnissen ausrichtet, kann er nicht generell mit den Mindestselbstbehalten des Unterhaltspflichtigen und seines Ehegatten - gegebenenfalls unter Hinzurechnung des für den Kindesunterhalt erforderlichen Betrages - angesetzt werden (so aber Gerhardt in Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 4. Aufl. 6. Kap. Rdn. 207 b). Denn der Ehegatte des Unterhaltspflichtigen steht außerhalb dessen Unterhaltsrechtsverhältnisses zu seinen Eltern und ist rechtlich nicht verpflichtet, sich zu deren Gunsten in seiner Lebensführung einzuschränken (vgl. insofern für die Ehefrau des Unterhaltspflichtigen Senatsurteil vom - XII ZR 67/00 - FamRZ 2003, 860, 865). Was die Ehegatten für ihren Familienunterhalt benötigen, muß vielmehr - ebenso wie der eigene angemessene Bedarf eines Unterhaltspflichtigen - nach den im Einzelfall maßgebenden Verhältnissen, insbesondere unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensstellung, des Einkommens, Vermögens und sozialen Rangs, bestimmt werden. Es entspricht nämlich der Erfahrung, daß der Lebensstandard sich hieran ausrichtet, bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen also ein einfacherer Lebenszuschnitt anzutreffen ist als bei günstigeren Einkommensverhältnissen (vgl. - FamRZ 2002, 1698, 1700 und vom aaO S. 864).
cc) Wie der Familienunterhalt danach zu bemessen ist, obliegt der tatrichterlichen Beurteilung des Einzelfalls. Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Seine Annahme, Einkünfte in der Größenordnung, wie sie von der Beklagten und ihrem Ehemann erzielt worden seien, dienten im wesentlichen zur Finanzierung der Lebensführung, läßt sich nicht damit vereinbaren, daß die Sparquote in Deutschland (nach den Angaben der Deutschen Bundesbank, abgedruckt u.a. in Fischer Weltalmanach 2004 Sp. 277) im Jahr 1999 knapp 10 % des verfügbaren Einkommens betrug und bis zum Jahr 2001 auf 10,1% gestiegen ist. Da mit Rücksicht darauf nicht ohne weiteres von einem Verbrauch des gesamten Familieneinkommens ausgegangen werden kann, muß der für seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit darlegungsbelastete Unterhaltspflichtige dann, wenn das Familieneinkommen die ihm und seinem Ehegatten zuzubilligenden Mindestselbstbehaltssätze übersteigt, vortragen, wie sich der Familienunterhalt gestaltet und ob und gegebenenfalls welche Beträge zur Vermögensbildung verwendet werden. Soweit das Einkommen der Ehegatten nicht für den Familienunterhalt verwendet, sondern der Vermögensbildung zugeführt wird, ist der Ansatz eines aus dem gesamten beiderseitigen Einkommen abgeleiteten Familienunterhaltsbedarfs nicht gerechtfertigt. Vermögensbildende Maßnahmen des Unterhaltspflichtigen dürfen sich - soweit es nicht etwa um die Finanzierung eines angemessenen Eigenheims oder in angemessenem Rahmen betriebene zusätzliche Altersversorgung geht (vgl. hierzu Senatsurteil vom - XII ZR 123/00 - FamRZ 2003, 1179, 1180 ff.) - nicht zu Lasten eines unterhaltsberechtigten Elternteils auswirken. In diesem Sinne bedeutsame Anhaltspunkte für die Leistungsfähigkeit kann auch der Träger der Sozialhilfe geltend machen, da er nach § 116 Abs. 1 BSHG von dem Unterhaltspflichtigen und seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse verlangen kann, soweit die Durchführung dieses Gesetzes es erfordert.
dd) Je nach dem, wie der Familienunterhalt danach zu bemessen ist, kann auch bei einer Doppelverdienerehe ein über die Differenz zwischen dem Einkommen und dem bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt angemessenen Selbstbehalt (vgl. hierzu Senatsurteil vom aaO S. 1700 ff.) hinausgehender Teil des Einkommens des Unterhaltspflichtigen für die Zahlung von Elternunterhalt einzusetzen sein, also dessen eigener angemessener Selbstbehalt unterschritten werden. Ist der Familienunterhalt nämlich einerseits höher als die für die Eheleute insofern maßgeblichen Mindestselbstbehaltssätze, andererseits aber niedriger als das beiderseitige unterhaltsrelevante Einkommen, so steht dem Unterhaltspflichtigen, der zum Unterhalt nur soviel beitragen muß, wie es dem Verhältnis der beiderseitigen Einkünfte entspricht, ein Teil seines Einkommens zur Verfügung mit der Folge, daß er insoweit unterhaltsrechtlich leistungsfähig sein kann, auch wenn ihm von seinem eigenen Einkommen nicht der Mindestselbstbehalt verbleibt. Denn sein angemessener Unterhalt ist im Rahmen des Familienunterhalts gewährleistet (ebenso Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 5. Aufl. § 2 Rdn. 645; Luthin/Seidel Handbuch des Unterhaltsrechts 9. Aufl. Rdn. 5084 f.; Günther Münchner Anwaltshandbuch § 12 Rdn. 96; Heiß/Hußmann Unterhaltsrecht 13. Kap. Rdn. 42; Henrich FamRZ 1992, 590). Entspricht es dagegen der Lebensgestaltung der Familie, daß die Ehegatten ihre jeweiligen Einkünfte voll für den Familienunterhalt einsetzen, so verfügt der Unterhaltspflichtige nur über für den Elternunterhalt einsetzbare Mittel, soweit sein eigenes Einkommen seinen angemessenen Selbstbehalt übersteigt. In weitergehendem Umfang ist er dagegen nicht leistungsfähig. Andernfalls würde nämlich eine Senkung des - häufig langjährig bestehenden - Lebensstandards der Familie eintreten, den der Ehegatte des Unterhaltspflichtigen insoweit nicht hinzunehmen braucht, weil er nicht mittelbar für den Unterhalt der Schwiegereltern aufzukommen hat (ebenso Wendl/Pauling aaO § 2 Rdn. 645; Heiß/Hußmann aaO 13. Kap. Rdn. 42; Günther aaO § 12 Rdn. 93; Henrich aaO S. 590; Duderstadt Erwachsenenunterhalt 3. Aufl. Anm. 3.5 a.E.). Der Ehegatte muß in einem solchen Fall nur hinnehmen, daß die über dem angemessenen Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen liegenden Mittel für den Unterhaltsbedarf der Eltern einzusetzen sind und damit für den Familienunterhalt nicht zur Verfügung stehen.
3. Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Ob die Beklagte über die von dem Berufungsgericht ausgeurteilten Beträge hinaus leistungsfähig ist, hängt zum einen davon ab, wie der Familienunterhalt der Beklagten und ihres Ehemannes zu bemessen ist, und zum anderen, inwieweit die Beklagte hierzu beizutragen hat. Da sich dies nach dem Verhältnis der beiderseitigen unterhaltsrelevanten Nettoeinkommen der Ehegatten - unter Berücksichtigung der wegen der Wahl der Steuerklassen vorzunehmenden Veränderungen - richtet, kommt es zur Bestimmung der jeweiligen Anteile der Ehegatten auch auf das Einkommen des Ehemannes der Beklagten an. Hierzu hat das Berufungsgericht für die Zeit ab 1999 ebensowenig wie zu dem angemessenen Familienunterhalt konkrete Feststellungen getroffen. Das angefochtene Urteil ist deshalb in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird die zur Beurteilung einer eventuellen weitergehenden Leistungsfähigkeit der Beklagten erforderlichen Feststellungen - nach ergänzendem Sachvortrag - nachzuholen haben.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
a) Der Familienunterhalt umfaßt auch den zur Bestreitung der Wohnkosten notwendigen Aufwand der Familie. Soweit ein Ehegatte - wie hier der Ehemann der Beklagten - über Wohneigentum verfügt und die Familie infolgedessen ganz oder teilweise mietfrei wohnt, handelt es sich um einen aus dem Vermögen des betreffenden Ehegatten zu leistenden Teil des Familienunterhalts. Dies hat zur Folge, daß insoweit das Erwerbseinkommen nicht eingesetzt zu werden braucht. Bezüglich der Bewertung des Wohnvorteils wird auf das Senatsurteil vom (aaO S. 1180 ff.) hingewiesen.
b) Ein sich unter Berücksichtigung ihrer anteiligen Beiträge zum Familienunterhalt ergebendes restliches Einkommen der Beklagten ist - soweit damit nicht etwa eine unterhaltsrechtlich anzuerkennende zusätzliche Altersversorgung betrieben wird -, in voller Höhe für den Elternunterhalt einzusetzen. Eine Beschränkung der Haftung auf einen etwa hälftigen Anteil des den Mindestselbstbehalt übersteigenden Einkommens (vgl. hierzu Senatsurteil vom aaO S. 1182) ist nicht geboten, da der angemessene Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen bereits im Rahmen des angemessenen Familienunterhalts gewahrt wird.
c) Falls das Einkommen des unterhaltspflichtigen Ehegatten in voller Höhe für den Familienunterhalt verbraucht wird, ist dieser jedenfalls insoweit leistungsfähig, als sein Einkommen seinen angemessenen Eigenbedarf übersteigt. Hinsichtlich der Bemessung des angemessenen Eigenbedarfs der Beklagten wird auf das Senatsurteil vom (aaO S. 1700 ff.) hingewiesen. Insofern obliegt es der verantwortlichen Beurteilung des Tatrichters, auf welche Weise er erforderlichenfalls dem Umstand Rechnung trägt, daß die Mindestbedarfssätze auf durchschnittliche Einkommensverhältnisse bezogen sind und es deshalb geboten sein kann, den für den Unterhaltspflichtigen angemessenen Eigenbedarf anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Der Senat hat es grundsätzlich gebilligt, wenn bei der Ermittlung des für den Elternunterhalt einzusetzenden bereinigten Einkommens allein auf einen - etwa hälftigen - Anteil des Betrages abgestellt wird, der den an sich vorgesehenen Mindestselbstbehaltbetrag übersteigt (Senatsurteil vom aaO).
Soweit das Berufungsgericht im vorliegenden Fall keinen Anlaß gesehen hat, entweder den Mindestselbstbehalt heraufzusetzen oder nur einen Teil des über dem Mindestselbstbehalt liegenden Einkommens als für den Elternunterhalt einsetzbar anzusehen, dürfte dies im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken begegnen. Wenn nämlich einerseits berücksichtigt wird, daß die Ehefrau aufgrund des entsprechenden Beitrags ihres Ehemannes zum Familienunterhalt mietfrei wohnt und deshalb ein reduzierter Mindestselbstbehalt angesetzt wird, so ist andererseits zu erwägen, ob der den reduzierten Selbstbehalt übersteigende - dann höhere - Einkommensteil der Beklagten gleichwohl in vollem Umfang für den Elternunterhalt einzusetzen ist. Auch dies obliegt aber letztlich tatrichterlicher Beurteilung.
d) Hinsichtlich der Höhe des Mindestselbstbehalts wird für die Zeit ab Juli 2001 der in der Düsseldorfer Tabelle (Stand: ) ausgewiesene Betrag von 2.450 DM zu berücksichtigen sein.
e) Der Unterhaltsanspruch der Mutter ist mit deren Tod erloschen (§ 1615 Abs. 1 BGB). Der Verpflichtete schuldet den vollen Monatsbetrag aber auch dann, wenn der Berechtigte im Laufe des Monats verstirbt (§ 1612 Abs. 3 Satz 2 BGB).
f) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Unterhaltspflicht der Beklagten werde unter den vorliegenden Umständen nicht durch eine eventuelle anteilige Haftung ihres Bruders berührt (§ 1606 Abs. 3 BGB), begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
HAAAC-06720
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein