Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 544 Abs. 7
Instanzenzug: LG Lüneburg 4 O 281/04 vom OLG Celle 6 U 43/05 vom
Gründe
I.
Der Kläger pachtete am von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu einem "Autohof" gehörende Geschäftsräume und betreibt dort ein Bistro samt Speiselokal. Die Beklagte betreibt im gleichen Gebäude einen "Tank-Shop", in dem sie neben Autozubehör auch heiße Getränke und kleine Speisen verkauft. Daneben führt sie die zum Autohof gehörende Tankstelle.
§ 16 Abs. 1 des notariellen Pachtvertrages lautet:
"Der Verpächter verpflichtet sich, keine Konkurrenzbetriebe auf dem gesamten Tankstellengrundstück zu gestatten, auch nicht in Form von Bier-, Wurst- oder anderen gastronomischen Ständen. Sollte ferner bei einer besonderen Veranstaltung durch den Verpächter oder durch Dritte eine Bewirtung auf dem vorgenannten Gesamtgelände erforderlich sein, verpflichtet sich der Verpächter, dies durch den Pächter betreiben zu lassen unter Berücksichtigung konkurrenzfähiger Preise."
Der Kläger unterwarf sich wegen seiner Verpflichtungen zur Zahlung des monatlichen Pachtzinses dem Verpächter gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.
Er ist der Meinung, ihm stehe ein Recht zur Minderung sowie ein Anspruch auf Schadensersatz zu, weil die Beklagte gegen das vertragliche Konkurrenzverbot verstoße. Es sei vereinbart worden, dass im "Tank-Shop" Speisen und Getränke zwar verkauft, aber dort nicht verzehrt werden dürften. Die Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Pacht.
Das Landgericht hat die Vollstreckungsabwehrklage des Klägers abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Denn das Berufungsgericht hat, wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt, entscheidungserhebliche Beweisanträge übergangen und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Art. 103 Abs. 1 verpflichtet das Gericht, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundsatz sicherstellen, dass die von den Gerichten zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge ( - BGH Report 2005, 939, 940 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).
1. Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt.
a) Das Berufungsgericht meint, die Konkurrenzschutzklausel in § 16 des Pachtvertrages beziehe sich nicht auf den von der Beklagten betriebenen Tank-Shop. Dafür spreche bereits der Wortlaut der Klausel, wonach sich der Verpächter verpflichte, "keine Konkurrenzbetriebe zu gestatten, auch nicht in Form von Bier-, Wurst- oder anderen gastronomischen Ständen". Es gehe also nur um die Gestattung künftiger Tätigkeiten Dritter, nicht hingegen um die dem Kläger - unstreitig - bei Vertragsschluss bekannte eigene Tätigkeit der Verpächterin durch das Betreiben des Tank-Shops. Die Verpächterin werde nicht dadurch "Dritter", dass sie mit der Bewirtschaftung des Tank-Shops einen bei ihr angestellten Mitarbeiter betraue. Unterstützt werde das aus dem Wortlaut des ersten Satzes abgeleitete Auslegungsergebnis durch den nachfolgenden Satz der Klausel, die sich auf die Bewirtung anlässlich besonderer Veranstaltungen "durch den Verpächter oder durch Dritte" beziehe. Hier seien ausdrücklich auch Aktivitäten des Verpächters selbst aufgeführt; in diesem Zusammenhang müsse daher der vorangehende Satz, in dem nur von Gestaltungshandlungen des Verpächters die Rede sei, so verstanden werden, dass dort dessen eigene Tätigkeiten gerade nicht erfasst seien.
Dafür spreche auch die Interessenlage der Vertragsparteien bei Vertragsschluss. Es sei von Anfang an geplant gewesen, ein Kühlgerät für Baguettes und Würstchen, einen Kocher für Bockwurst, einen Cola- und Kaffeeautomaten, Frischbrüh-Kannen sowie einen Backautomaten für Brötchen einzubauen. Der Kläger habe mehrere Jahre hinweg das Aufstellen der Tische gegenüber der Beklagten nicht gerügt, und zwar selbst dann nicht, als er nach eigenem Vorbringen im Jahre 2002 seinen Mitarbeitern verboten habe, der Beklagten weiterhin Barhocker für die Stehtische auszuleihen. Dieses Verhalten wäre nicht verständlich, wenn die Behauptung des Klägers zuträfe, bei Vertragsabschluss habe allseits Einigkeit bestanden, dass ein Verzehr von Speisen und Getränken im Tank-Shop ausgeschlossen sein solle.
Da der Kläger selbst einräume, eine Beschränkung habe nur insoweit vorgelegen, dass der Verkauf nur "in die Hand" erfolgen sollte, erscheine nicht nachvollziehbar, weshalb eine entsprechende Regelung nicht konkret in den Vertragstext aufgenommen worden sei, obwohl dort sonstige Details ausführlich geregelt seien. Sinnvoll und schlüssig sei das nur, wenn das Angebot des Tank-Shops im Lebensmittelbereich von vornherein nicht vom Anwendungsbereich der Klausel habe erfasst sein sollen.
b) Demgegenüber hat der Kläger vorgetragen, die Parteien hätten bei Abschluss des Pachtvertrags gewusst, dass der Kläger im "Roadhouse" seinen Umsatz mit alkoholischen Getränken, nichtalkoholischen Heißgetränken (insbesondere Kaffee, Kaffeemischgetränken, Tee und Kakao) als auch mit Speisen, welche die Kunden in seiner Lokalität verzehren sollten, machen würde. Für den Umsatz des Klägers im "Roadhouse" sei es deshalb wichtig gewesen, dass auf dem sonstigen Tankstellengelände, insbesondere außerhalb der Tankstelle sowie auch innerhalb des Tank-Shops keine Speisen, alkoholische und Heißgetränke in einer Weise veräußert würden, dass den Kunden ein längerer Aufenthalt auf dem Tankstellengelände und im Tank-Shop ermöglicht würde. Grundsätzlich habe der Kläger also erreichen wollen - und hier habe der Notar eine entsprechende Vereinbarung entwickeln sollen -, dass ausschließlich er Gastronomie auf dem gesamten Grundstück betreiben dürfe, während der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der Beklagten im Vertrieb zur Mitnahme bestimmter Waren, insbesondere im Vertrieb von Kraftstoffen, Autopflegeprodukten, Kleinwaren (Körperhygieneartikel und Haushaltswaren, im Übrigen nur im völlig untergeordneten Maße Speisen und Getränke ausschließlich zur Mitnahme und zum Verzehr außerhalb des Tankstellengeländes) bestehen sollte. Darüber habe zwischen den damaligen Parteien des Vertrages Übereinstimmung bestanden; dies habe der Notar innerhalb des später beurkundeten Vertrages gemäß dortiger Regelung nach § 16 auch zum Ausdruck gebracht.
Zum Beweis für die Richtigkeit dieses Vortrages hatte sich der Kläger auf das Schreiben des Notars vom und des früheren Geschäftsführers der Vermieterin, Peter R., vom , sowie auf die Vernehmung des Notars und des Geschäftsführers als Zeugen berufen.
Das Berufungsgericht hat die Zeugen nicht vernommen. Es hat die Vernehmung des Notars mit der Begründung abgelehnt, die schriftliche Äußerung des Urkundsnotars sei für die Ermittlung der Vorstellungen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss unergiebig. Denn der Notar habe ausdrücklich klargestellt, dass er lediglich seine "persönliche Auffassung" zur Auslegung der Vertragsklausel mitteilen könne, weil er an die seinerzeitige Beurkundung "aus nahe liegenden Gründen aufgrund des Zeitablaufs keine konkrete Erinnerung mehr" habe. Deshalb bedürfe es keiner Vernehmung des Notars als Zeugen.
Die Vernehmung des Zeugen R. hat das Berufungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, aus der schriftlichen Äußerung des Zeugen ergebe sich letztlich gerade nicht, dass der Tank-Shop von den Vertragsparteien als Konkurrenzbetrieb im Sinne des § 16 Abs. 1 des Vertrages angesehen worden sei. Soweit der Kläger aus der Äußerung des Geschäftsführers R. ableiten wolle, die Parteien seien sich einig gewesen, dass innerhalb des Tank-Shops keine Verzehrmöglichkeit habe geschaffen werden sollen, habe dies im Wortlaut des Vertrages keinen Niederschlag gefunden. Denn an einem Verkauf "in die Hand", d.h. über den Tresen weg und ohne Bewirtung, ändere es nichts, wenn dem Kunden Gelegenheit gegeben werde, die so "in die Hand" gegebenen Speisen und Getränke nach eigener freier Entscheidung innerhalb des Shops an dort aufgestellten Stehtischen zu verzehren. Demnach bestehe kein Anlass, den Geschäftsführer R. als Zeugen zu den Vorstellungen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss noch mündlich anzuhören. Denn der Kläger lege nicht dar, dass der Zeuge noch Anderes und Weitergehenderes bekunden könne, als er bereits schriftlich niedergelegt habe.
c) Das Berufungsgericht hätte die Zeugen S. und R. vernehmen müssen. Entscheidungserhebliche Beweisantritte dürfen nur in Ausnahmefällen unbeachtet gelassen werden (Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. vor § 284 ZPO Rdn. 8 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
Die Bedeutung der Konkurrenzklausel ist nicht eindeutig. Ihr Wortlaut schließt jedenfalls eine Vereinbarung, wie vom Kläger behauptet, nicht aus. Die Behauptung des Klägers, ein Verzehr im Tank-Shop habe nicht stattfinden sollen, ist damit beweisbedürftig.
aa) Das Berufungsgericht durfte von der Vernehmung des Urkundsnotars nicht deshalb absehen, weil dieser in einem Schreiben an die Beklagte erklärt hatte, aufgrund des Zeitablaufs keine konkrete Erinnerung mehr zu haben. Diese Äußerung des Zeugen außerhalb einer förmlichen Vernehmung macht das Beweismittel nicht ungeeignet (vgl. Zöller/Greger aaO Rdn. 10). Bei einer Zurückweisung des Beweismittels als ungeeignet ist größte Zurückhaltung geboten (Thomas-Putzo/Reichold ZPO 27. Aufl. § 284 Rdn. 7). Aus dem Justizgewährungsanspruch folgt ein Recht der beweispflichtigen Partei darauf, dass die von ihr angebotenen Zeugen vom Tatrichter nach den Regeln der Zivilprozessordnung samt den dort gegenüber dem Zeugen vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten vernommen werden. Sie ist im Rahmen einer förmlichen Beweisaufnahme berechtigt, Fragen zu stellen (§ 397 ZPO) und Vorhalte zu machen. Da das Absehen von der Vernehmung des angebotenen Zeugen im Prozessrecht keine Stütze findet, hat das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt.
bb) Das Gleiche gilt, soweit das Berufungsgericht die Einvernahme des Zeugen R. abgelehnt hat. Zwar ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht das vom Kläger vorgelegte Schreiben nicht als ausreichend zum Beweis der Klagebehauptung ansieht; denn die Auslegung des Berufungsgerichts, ein Verkauf "in die Hand" schließe nicht aus, dass der Kunde die ihm "in die Hand" gegebenen Speisen und Getränke an den aufgestellten Stehtischen verzehren dürfe, ist möglich.
Die Auslegung dieses Schreibens berechtigte das Berufungsgericht aber nicht, von der förmlichen Vernehmung des Zeugen abzusehen. Hätte der Kläger das Schreiben nicht vorgelegt, sondern allein die Vernehmung des Zeugen beantragt, so wäre dieser zweifelsohne zu vernehmen gewesen. Das Beweismittel auf Einvernahme des Zeugen wird aber nicht dadurch ungeeignet, weil der Kläger - zusätzlich - eine schriftliche Äußerung des Zeugen vorgelegt hat, in der er - im Gegensatz zum Berufungsgericht - eine Bestätigung seiner Beweisbehauptung sieht.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts musste der Kläger auch nicht darlegen, dass der Zeuge noch Anderes oder Weitergehenderes bekunden könne, als er bereits schriftlich niedergelegt hat. Der Zeuge war der Verhandlungsführer auf der Vermieterseite und damit als unmittelbar Beteiligter Ohrenzeuge für die getroffene Vereinbarung. Er hätte selbst dann vernommen werden müssen, wenn er die Beweisbehauptung des Klägers schriftlich in Abrede gestellt hätte. Von der beweisbelasteten Partei eine Erklärung zu verlangen, warum eine schriftliche Erklärung eines Zeugen nicht richtig ist, überspannt die Darlegungslast und beeinträchtigt damit den Kläger in seinem "Recht auf Beweis", abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall das Schreiben des Zeugen nicht von vornherein gegen die Beweisbehauptung spricht, sondern lediglich vom Berufungsgericht aufgrund der von ihm vorgenommenen Auslegung nicht als ausreichender Beweis angesehen wurde.
Entsprechendes gilt auch, soweit das Berufungsgericht von der Vernehmung des Steuerberaters K. abgesehen hat, der nach der Behauptung des Klägers auch insoweit Einfluss auf die Vertragsverhandlungen genommen haben soll.
2. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Von einer solchen ist bereits auszugehen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte ( - NJW 2003, 3205 f. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Das ist hier der Fall. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die förmliche Einvernahme der Zeugen unter Ausnutzung des Fragerechts samt Vorhalten die Beweisbehauptung des Klägers zur Überzeugung des Berufungsgerichts bestätigt hätte.
Fundstelle(n):
IAAAC-06416
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein