Leitsatz
[1] Zur Anwendbarkeit des § 8 ZPO (Wertberechnung) bei einem Streit über das Bestehen oder die Dauer eines miet- oder pachtähnlichen Nutzungsverhältnisses.
Gesetze: ZPO § 8
Instanzenzug: OLG Rostock vom LG Stralsund
Gründe
I.
Die Klägerin verlangte mit ihrer Klage Herausgabe des unbebauten Teils eines etwa 90 m² großen Grundstücks, und zwar in erster Linie aus Eigentum, hilfsweise aus einem gekündigten Nutzungsverhältnis.
Dem gegenüber berief sich der Beklagte auf ein Recht zum Besitz aus einem Vertrag mit der früheren Grundstückseigentümerin, in den die Klägerin als Erwerberin des Grundstücks eingetreten sei. Gemäß einer nur von der früheren Grundstückseigentümerin unterschriebenen "Zustimmungserklärung" vom sei er entweder als neuer Nutzer in deren Vertrag vom mit dem VEB W. H. eingetreten, oder er habe mit der früheren Eigentümerin einen neuen Vertrag zu den Bedingungen des früheren Vertrages geschlossen.
Mit dem als "Nutzungsvertrag" bezeichneten Vertrag hatte die frühere Grundstückseigentümerin dem VEB das Grundstück gegen ein jährliches Nutzungsentgelt von 22,50 Mark (DDR) zur Nutzung durch teilweise Überbauung mit einem Lagergebäude überlassen. Nach Maßgabe des Vertrages sollte das unbefristete Nutzungsverhältnis nur durch Vereinbarung der Vertragspartner beendet werden können.
Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, wegen des vereinbarten Kündigungsausschlusses habe die Klägerin das zwischen ihr und dem Beklagten bestehende Pachtverhältnis nicht durch die von ihr ausgesprochene Kündigung beenden können.
Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin verwarf das Berufungsgericht durch Beschluß als unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Beschwer belaufe sich nach § 8 ZPO höchstens auf den 25-fachen Betrag der Jahresmiete von 22,50 DM = 562,50 DM (287,60 €).
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO statthaft, aber nicht zulässig, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 574 Abs. 2 ZPO.
1. Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend erkennt, ist § 8 ZPO auch dann anzuwenden, wenn eine Herausgabeklage auf Eigentum gestützt wird und der Beklagte ein Miet- oder Pachtverhältnis einwendet, dessen Bestand oder Dauer streitig ist (vgl. - BGHReport 2003, 757 f.).
2. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde jedoch geltend, die Beschwer sei hier nach § 6 ZPO zu bemessen, weil § 8 ZPO nur auf einen Streit über das Bestehen oder die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses anzuwenden sei, nicht aber auf einen Streit über das Bestehen oder die Dauer eines sonstigen Nutzungsverhältnisses, das einem Miet- oder Pachtverhältnis nur ähnlich sei. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung sei daher unzutreffend und birgt die Gefahr einer Verallgemeinerung dahingehend, daß § 8 ZPO auf alle sonstigen Nutzungsverhältnisse anzuwenden sei. Zudem verletze die angefochtene Entscheidung das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf wirkungsvollen Rechtsschutz, indem sie ihr eine Sachprüfung durch die zweite Instanz verwehre.
a) Für die Bemessung der Beschwer nach § 8 ZPO ist es ohne Bedeutung, ob ein Vertrag als Mietvertrag oder Pachtvertrag zu qualifizieren ist (vgl. Senatsurteil vom - XII ZR 244/94 - WM 1996, 1064 ff.). Die entgeltliche Überlassung eines Grundstücks ist jedenfalls regelmäßig als Mietverhältnis zu qualifizieren (vgl. BGHZ 117, 236, 238; Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 8. Aufl. Rdn. 1, 3 und 8 vor § 535 BGB), soweit die Überlassung nur zum Gebrauch und nicht zum Fruchtgenuß erfolgt. Daher hat das Berufungsgericht das hier streitige Rechtsverhältnis zutreffend als Mietvertrag angesehen und die Beschwer nach § 8 ZPO bemessen.
Dessen Anwendung steht nicht entgegen, daß der ursprüngliche Vertrag nach dem Recht der ehemaligen DDR abgeschlossen und als Nutzungsvertrag bezeichnet wurde (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom aaO und vom - XII ZR 335/99 - NJW-RR 2000, 1739 f.). Etwas anderes gilt nur, wenn das vereinbarte Entgelt keine adäquate Bewertung des Nutzungsinteresses darstellte und der Vertrag daher eher einem unentgeltlichen Nutzungsverhältnis ähnlich ist (vgl. Senatsbeschluß vom - XII ZR 149/91 - JURIS). Insoweit ist aber auf die Vorstellungen der Parteien bei Vertragschluß abzustellen. Ein Jahresentgelt von 22,50 Mark (DDR) für die Überlassung eines ungünstig geschnittenen und unbebauten 90 m² großen Randgrundstücks war angesichts der Wertmaßstäbe in der ehemaligen DDR nicht völlig unangemessen; so wurden beispielsweise für die Überlassung unbebauter Grundstücke zu Erholungszwecken (§ 312 ZGB) Jahresentgelte zwischen 0,03 und 0,10 Mark gezahlt (vgl. MünchKomm-Voelskow BGB 3. Aufl., Anhang zu Art. 232 §§ 4, 4 a Rdn. 1).
Abgesehen davon hat sich der Beklagte alternativ damit verteidigt, nicht auf Seiten des VEB in den ursprünglichen Vertrag eingetreten zu sein, sondern im Dezember 1990 ein neues Vertragsverhältnis mit der Voreigentümerin begründet zu haben. Ein solches Vertragsverhältnis hätte von Anfang an dem Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches unterlegen, so daß als Zins im Sinne des § 8 ZPO stets nur das vertraglich vereinbarte Entgelt zu berücksichtigen ist und es nicht darauf ankommt, ob das ortsübliche Entgelt höher ist oder eine Partei das vereinbarte Entgelt als unangemessen ansieht (vgl. Senatsbeschluß vom aaO).
b) Verwehrt ist der Rechtsbeschwerde auch der Einwand, aus Rechtsgründen könne zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis zustande gekommen sein, so daß der Beklagte ein ortsübliches Entgelt hätte zahlen müssen, dessen Jahresbetrag weit über 600 € gelegen habe. Die Bemessung der Beschwer nach § 8 ZPO setzt nämlich nur voraus, daß zwischen den Parteien das Bestehen eines Miet- oder Pachtvertrages streitig ist. Darauf, ob es wirklich besteht und welches Entgelt andernfalls zu zahlen wäre, kommt es gerade nicht an.
c) Die vom Berufungsgericht angenommene Beschwer von unter 600 € ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Klägerin ist daher durch die angefochtene Entscheidung keine zweitinstanzliche Sachentscheidung verwehrt worden, auf die sie Anspruch gehabt hätte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAC-05940
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja