Leitsatz
[1] § 227 Abs. 1 ZPO ist im erstinstanzlichen Patentnichtigkeitsverfahren entsprechend anzuwenden.
Leidet das Verfahren vor dem Bundespatentgericht an einem Mangel, kann die Patentnichtigkeitssache ohne Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zurückverwiesen werden.
Gesetze: ZPO § 227 Abs. 1; ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1; PatG § 99 Abs. 1; PatG § 110 ff.
Instanzenzug: Bundespatentgericht vom
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 542 144 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung vom beruht, mit der die Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom in Anspruch genommen worden ist. Das in der Verfahrenssprache Deutsch am veröffentlichte Streitpatent umfaßt elf Patentansprüche, von denen die Patentansprüche 1 und 4 in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut haben:
"1. Vorrichtung zum Verbinden eines Drahtes (85) mit einem Kontaktelement (88) od. dgl. durch Verformen von Klemmorganen (90, 90a) des Kontaktelementes (88) mittels Druckelementen eines auswechselbar in einer Presse angeordneten Crimpwerkzeugs (84), bei der eine um die Achse (A) eines in Druckrichtung weisenden Arretierbolzens (16) od. dgl. Halteorganes drehbar und druckorganseitig vorgesehene Verstellscheibe (13) des Crimpwerkzeuges (84) einer klemmorganseitigen weiteren Verstellscheibe (14) des Crimpwerkzeuges (84) koaxial drehbar zugeordnet ist, wobei beide Verstellscheiben jeweils mit zumindest einer in Druckrichtung (x) spiralartig ansteigenden Ringfläche (65, 68, 108) versehen sind,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die erste druckorganseitige Verstellscheibe (13) zur Bestimmung der Preßtiefe mit Auflagepunkten (97d, 98d) einer Druckplatte (15) zusammenwirkt und die weitere Verstellscheibe (14) sich zum Verstellen eines Isolations-Crimpers (76) an der ersten Verstellscheibe (13) abstützt.
4. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die Druckplatte (15) in eine zentrische Ausnehmung der weiteren Verstellscheibe (14) einsetzbar dimensioniert ist und an ihrer Oberfläche (96) mit zwei teilkreisförmigen, um 180° versetzten Druckflächen (97d, 98d) ansteigender Oberfläche als Auflagepunkte für die darüberliegende, druckorganseitige Verstellscheibe (13) versehen ist."
Wegen des Wortlauts der weiteren Patentansprüche in der erteilten Fassung wird auf die europäische Patentschrift 0 542 144 B 1 verwiesen.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung sei gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik nicht patentfähig. Die Beklagte hat der Nichtigkeitsklage widersprochen und zunächst beantragt, diese abzuweisen. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht hat die Beklagte sodann das Streitpatent nur noch in einer geänderten Fassung verteidigt. Hiernach dienen aus der Beschreibung des Streitpatents entnommene sowie ein Teil der ursprünglich erst mit Patentanspruch 4 beanspruchten Merkmale als zusätzliche Kennzeichnung des mit dem Patentanspruch 1 beanspruchten Gegenstands.
Die Klägerin hat auf die geänderte Fassung mit der Erklärung reagiert, sie halte diese Fassung für unzulässig, weil der neue Patentanspruch 1 eine vollständige Lösung nicht offenbare. Im übrigen hat die Klägerin Vertagung beantragt, weil im Hinblick auf den neuen Patentanspruch 1 eine weitere Recherche zur Frage der Neuheit und der Erfindungshöhe erforderlich sei.
Das Bundespatentgericht hat dem zuletzt gestellten Antrag der Beklagten folgend unter Abweisung der Nichtigkeitsklage im übrigen das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß Patentansprüche 1 und 4 folgende Fassung erhalten (im folgenden sind bei Patentanspruch 1 aus der Beschreibung entnommene Merkmale kursiv, aus dem ursprünglichen Patentanspruch 4 entnommene Merkmale zusätzlich unterstrichen wiedergegeben):
"1. Vorrichtung zum Verbinden eines Drahtes (85) mit einem Kontaktelement (88) od. dgl. durch Verformen von Klemmorganen (90, 90a) des Kontaktelementes (88) mittels Druckelementen eines auswechselbar in einer Presse angeordneten Crimpwerkzeugs (84), bei der eine um die Achse (A) eines in Druckrichtung weisenden Arretierbolzens (16) od. dgl. Halteorganes drehbar und druckorganseitig vorgesehene Verstellscheibe (13) des Crimp-Werkzeuges (84) einer klemmorganseitigen weiteren Verstellscheibe (14) des Crimpwerkzeuges (84) koaxial drehbar zugeordnet ist, wobei beide Verstellscheiben jeweils mit zumindest einer in Druckrichtung (x) spiralartig ansteigenden Ringfläche (65, 68, 108) versehen sind,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die erste druckorganseitige Verstellscheibe (13) zur Bestimmung der Preßtiefe mit Auflagepunkten (97d, 98d) einer Druckplatte (15) zusammenwirkt und die weitere Verstellscheibe (14) sich zum Verstellen eines Isolations-Crimpers (76) an der ersten Verstellscheibe (13) abstützt, daß sich zwei Ringflächen (65, 68) der ersten druckorganseitigen Verstellscheibe (13) in Umfangsrichtung über etwa 360° erstrecken, gegeneinander um 180° versetzt und in radialer Richtung aufeinanderfolgend angeordnet sind, und daß die Druckplatte (15) an ihrer Oberfläche (96) mit zwei teilkreisförmigen, um 180° versetzten Druckflächen (97d, 98d) ansteigender Oberfläche als Auflagepunkte für die druckorganseitige Verstellscheibe (13) versehen ist.
4. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die Druckplatte (15) in eine zentrische Ausnehmung der weiteren Verstellscheibe (14) einsetzbar dimensioniert ist."
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Klägerin beantragt hauptsächlich,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.
Gestützt auf eine mit der Berufungsbegründung in das Verfahren eingeführte weitere Entgegenhaltung beantragt die Klägerin ferner hilfsweise,
das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfange für nichtig zu erklären,
da in Anbetracht dieses Stands der Technik das Streitpatent auch in der geänderten Fassung nicht patentfähig sei.
Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel der Klägerin entgegen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des erstinstanzlichen Verfahrens sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht, weil das Verfahren im ersten Rechtszug an einem Mangel gelitten hat.
1. Der Senat entnimmt der Berufungsbegründung, daß die Klägerin sich mit ihrem Hauptantrag (auch) dagegen wendet, daß ihr vor dem Bundespatentgericht gestellter Antrag, die Verhandlung zu vertagen, zurückgewiesen worden ist, indem das Bundespatentgericht im Anschluß an diesen Antrag die mündliche Verhandlung geschlossen und ein Urteil in der Sache verkündet hat. Diese Rüge ist berechtigt. Es war im Streitfall gemäß § 227 Abs. 1 ZPO, § 99 Abs. 1 PatG prozeßordnungswidrig, ohne Vertagung der mündlichen Verhandlung über die Nichtigkeitsklage durch Urteil zu entscheiden.
a) § 227 Abs. 1 ZPO ist gemäß § 99 Abs. 1 PatG im erstinstanzlichen Patentnichtigkeitsverfahren entsprechend anzuwenden, weil das Patentgesetz keine Bestimmung darüber enthält, ob und gegebenenfalls wann ein Termin vor dem Bundespatentgericht vertagt werden kann, und das Patentnichtigkeitsverfahren gegenüber dem Zivilprozeßverfahren keine Besonderheiten aufweist, die eine Heranziehung des § 227 Abs. 1 ZPO ausschließen. Die Regelung in § 87 Abs. 2 PatG verlangt nur ein Patentnichtigkeitsverfahren in erster Instanz möglichst in einer Sitzung zu erledigen und läßt damit schon dem Wortlaut nach andere Verfahrensweisen zu. Dem so verstandenen Beschleunigungsgebot für das erstinstanzliche Patentnichtigkeitsverfahren widerspricht die Anwendung von § 227 Abs. 1 ZPO nicht. Denn auch hiernach kommt eine Vertagung nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich nur dann, wenn hierfür ein erheblicher Grund streitet. Dieses Erfordernis verlangt außerdem nach einer Prüfung, die nicht nur Rechte der Beteiligten oder deren beachtenswerte Interessen, sondern auch das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens berücksichtigt (vgl. 7 B 155.99, Buchholz 303, § 227 ZPO Nr. 29).
b) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, die insbesondere vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Anwendung des § 173 VwGO entwickelt worden ist, sind eine Vertagung der mündlichen Verhandlung rechtfertigende erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 regelmäßig solche, die den Anspruch auf rechtliches Gehör einer oder mehrerer Parteien berühren und die auch gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern ( 9 B 1.95, NJW 1995, 1231). Angesichts der verfassungsrechtlichen Garantie des Anspruchs auf rechtliches Gehör verbleibt dem Gericht dann auch kein Ermessensspielraum. Zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und eines insoweit prozeßordnungsgemäßen Verfahrens muß die mündliche Verhandlung vertagt werden ( 3 C 28.92, NJW 1995, 1441).
Diese Notwendigkeit besteht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung immer dann, wenn nach dem für das Gericht ersichtlichen oder gegebenenfalls auf Verlangen des Gerichts (vgl. § 227 Abs. 2 ZPO) glaubhaft gemachten Sachstand durch die Ablehnung einer Vertagung der eine solche beantragenden Partei die Möglichkeit entzogen wäre, sich in der betreffenden Instanz sachgemäß und erschöpfend über alle Tatsachen, Beweisergebnisse oder sonstigen verhandelten Fragen zu erklären (vgl. 5 CB 69.74, Buchholz 310, § 108 Nr. 100), die Grundlage der zu treffenden Entscheidung sind (BVerfGE 7, 239, 241; , MDR 1978, 46 m.w.N.). Ein solcher Fall ist beispielsweise gegeben, wenn die Vertagung beantragende Partei von dem Gericht oder der Gegenseite mit einer Tatsachen- oder einer Rechtsfrage konfrontiert wird, mit der sie sich nicht "aus dem Stand" auseinanderzusetzen vermag, zu der sie sachlich fundiert vielmehr nur dann Stellung nehmen kann, wenn sie angemessene Zeit für Überlegung und Vorbereitung hat (vgl. 4 CB 2.91, NVwZ-RR 1993, 275), die anders, etwa durch eine Unterbrechung der mündlichen Verhandlung, nicht in ausreichender Weise zur Verfügung gestellt werden kann.
c) So lagen die Dinge auch hier. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht war zunächst nur der Bestand des Streitpatents in der erteilten Fassung streitig. Dieser Streit umfaßte keinen Patentanspruch, der Gegenstand der Fassung ist, mit welcher die Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung hervorgetreten ist. Erst durch die Verteidigung des Streitpatents lediglich im Umfang dieser neuen Fassung wurde deshalb die Frage entscheidungserheblich, ob das bisherige Vorbringen der Klägerin zur Rechtfertigung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds diesen auch gegenüber der verteidigten Fassung ausfülle, mit der Folge, daß sich die Klägerin nunmehr fragen mußte, was der verteidigten Fassung entgegengehalten werden könne. Das verlangte nach Überlegung und Vorbereitung. Da nichts dafür ersichtlich oder gar festgestellt ist, daß die Klägerin eine auf die neue, verteidigte Fassung ausgerichtete Recherche im Stand der Technik bereits durchgeführt hatte, gehörte hierzu auch diese Maßnahme, zumal die Klägerin ausdrücklich eine neue, auf die nunmehr verteidigte Fassung ausgerichtete Recherche als notwendig bezeichnet hatte, um sich vollständig zur Patentfähigkeit der verteidigten Fassung äußern zu können. Denn regelmäßig kann erst durch eine Recherche Kenntnis vom relevanten Stand der Technik erlangt werden, der Entscheidungsgrundlage für den hier geltend gemachten Nichtigkeitsgrund ist. Da auch nichts dafür ersichtlich ist, daß im Streitfall ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, mußte deshalb angenommen werden, daß eine sachgemäße und erschöpfende Äußerung der Klägerin zu der verteidigten Fassung des Streitpatents erst nach Ablauf einer angemessenen Frist für eine neue Recherche im Stand der Technik möglich war.
d) Das Bundespatentgericht hat hieraus gleichwohl ein Vertagungserfordernis nicht abgeleitet, weil es mit der verteidigten Fassung ein in der Streitpatentschrift beschriebenes und in den Figuren gezeigtes Ausführungsbeispiel als beansprucht angesehen hat. Bei einer Beschränkung eines erteilten Patents auf ein darin offenbartes Ausführungsbeispiel könne ein Nichtigkeitskläger schwerlich geltend machen, hierzu sei nicht bereits vor der Beschränkung eine Recherche notwendig gewesen, weil schon ein Nachweis fehlender Neuheit oder Erfindungshöhe bezüglich eines Ausführungsbeispiels zur Vernichtung des Patents in der erteilten Fassung führen müsse. Mit dieser Argumentation hat das Bundespatentgericht der Sache nach höchstrichterliche Rechtsprechung angewendet, wonach der Betroffene zunächst seinerseits alles in seinen Kräften Stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche getan haben muß, um sich in der mündlichen Verhandlung rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. , BGHR ZPO § 227; 3 C 28.92, NJW 1995, 1441). Diese Rechtsprechung ist jedoch ergangen und auf Fälle zugeschnitten, in denen die Partei oder ein postulationsfähiger Vertreter im Termin nicht erschienen ist und fraglich gewesen ist, ob eine Verhinderung bestand, durch Wahrnehmung des Termins sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Aus dieser Rechtsprechung kann deshalb für das Patentnichtigkeitsverfahren nicht abgeleitet werden, der Kläger müsse im Hinblick auf die in diesem Verfahren bestehende Möglichkeit einer beschränkten Verteidigung des angegriffenen Schutzrechts mit geänderten Patentansprüchen jedenfalls eine Recherche nach Maßgabe der darin offenbarten Ausführungsbeispiele oder gar jede Recherche bereits durchgeführt haben, die sich im Falle nachträglicher beschränkter Verteidigung als sinnvoll erweisen könne, anderenfalls er nicht geltend machen könne, wegen der nunmehr beschränkten Verteidigung des Streitpatents seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nur nach Vertagung wahren zu können. Sinn und Zweck einer Terminsbestimmung ist es, daß die Beteiligten sich in bestimmter Weise, nämlich in mündlicher Verhandlung, rechtliches Gehör verschaffen können. Es kann deshalb erwartet werden, daß jeder Beteiligte sich darauf einrichtet, einen anberaumten Termin auch wahrzunehmen. Zieht sich ein Patentinhaber im Laufe der mündlichen Verhandlung im Patentnichtigkeitsverfahren auf eine Verteidigung des Schutzrechts in geänderter Fassung zurück, steht hingegen die Art und Weise des Angriffs gegen das Schutzrecht in Frage, also insbesondere, was hierzu vorgetragen werden soll und aufgrund welcher Ermittlungen dieser Vortrag erfolgt. Das ist jedoch in den sich aus dem Wahrheitsgebot ergebenden Grenzen allein dem Kläger überlassen. Damit ist eingeschlossen, zunächst auf eine Recherche nach Maßgabe eines im erteilten Schutzrecht offenbarten Ausführungsbeispiels zu verzichten und sich darauf einzurichten, zur Vorbekanntheit und zum Naheliegen der Merkmale, die zur Kennzeichnung des geschützten Gegenstandes in den erteilten Patentanspruch aufgenommen sind, auf andere, einem selbst geeignet erscheinenden Weise vortragen zu können. Denn im Falle des hier geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds hat die Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit nach Maßgabe dieser Merkmale zu erfolgen. Es muß deshalb in aller Regel genügen, hierauf in der mündlichen Verhandlung auf eine mögliche Weise eingehen zu können.
e) Die ergänzende Begründung des Bundespatentgerichts, nämlich gegen die "Unvorhersehbarkeit" der erfolgten Beschränkung, spreche auch, daß für einen Fachmann einerseits der "Kern der Erfindung", andererseits die Möglichkeiten der Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik durchaus erkennbar erschienen, ändert an der Mißachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nichts. Wenn das Bundespatentgericht hiermit gemeint haben sollte, die Klägerin habe bereits, bevor die Beklagte zum Mittel der Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Patentansprüchen gegriffen habe, jedenfalls mit der Möglichkeit einer Beschränkung auf ein offenbartes Ausführungsbeispiel rechnen können und deshalb sich darauf einrichten müssen, hierzu in der anberaumten mündlichen Verhandlung sachgerecht Stellung zu nehmen, könnte dem nicht beigetreten werden. Auch im Nichtigkeitsverfahren trifft die Parteien zwar eine Prozeßförderungspflicht. Durch sie sollen die Parteien jedoch angehalten werden, Vorbringen nicht aus prozeßtaktischen Gründen zurückzuhalten (vgl. Sen.Urt. v. - X ZR 69/01, NJW 2003, 200). Deshalb kann hieraus beispielsweise eine Verpflichtung der Partei, tatsächliche Umstände, die ihr nicht bekannt sind, erst zu ermitteln, grundsätzlich nicht abgeleitet werden. Im Regelfall kann dann aber auch ebensowenig eine Ermittlungspflicht hinsichtlich solcher Umstände angenommen werden, mit deren Hilfe man zwar auch schon den Angriff gegen das erteilte Patent hätte führen können, die allein entscheidende Bedeutung jedoch überhaupt erst erlangen, sobald der Patentinhaber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich bei der Verteidigung seines Schutzrechts auf ein Ausführungsbeispiel zurückzuziehen.
f) Der Streitfall weist keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigten, von den vorstehenden Grundsätzen abzuweichen. Dabei kann dahinstehen, ob der Kern der Erfindung und Möglichkeiten zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik - wie vom Bundespatentgericht angenommen - durchaus erkennbar waren. Auch hiermit mußte die Klägerin sich zunächst nicht befassen. Ihre Klage richtete sich gegen das Streitpatent in der erteilten Fassung. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund erforderte eine Prüfung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit nicht etwa nach Maßgabe des Kerns der Erfindung, sondern nach Maßgabe der zur Kennzeichnung des geschützten Gegenstandes in den betreffenden erteilten Patentanspruch aufgenommenen Merkmale. Zur Vorbekanntheit im Stand der Technik und zum Naheliegen allein dieser Merkmale hatte die Klägerin gemäß § 81 Abs. 5 PatG durch Angabe entsprechender Tatsachen vorzutragen. Da sie dies durch Hinweis auf ihr insoweit geeignet erscheinende Entgegenhaltungen getan hatte und im Hinblick auf das Streitpatent in der verteidigten Fassung ein Nachschieben von Gründen nicht in Rede stand, hatte mithin im Streitfall die Klägerin der ihr obliegenden Prozeßförderungspflicht Genüge getan.
2. Der Mangel im erstinstanzlichen Verfahren führt zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht. Dabei kann dahinstehen, ob dieser Mangel die Qualität und Folgen hat, die nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eine Zurückverweisung erlauben.
a) Da das Patentgesetz keine das Berufungsverfahren in Nichtigkeitssachen betreffende Regelung enthält, ob und gegebenenfalls wann bei einem Verfahrensfehler in erster Instanz die Sache zurückverwiesen werden kann, muß aus den im Senatsbeschluß vom (X ZR 14/94, GRUR 1997, 119 - Schwimmrahmen-Bremse) erörterten Gründen die bestehende Lücke möglichst gesetzesimmanent geschlossen werden. Damit bildet § 99 Abs. 1 PatG die sachgerechte Norm, weil diese Vorschrift einerseits auf eine weitgehend vollständige Verfahrensordnung verweist, hiernach andererseits aber auch Besonderheiten des Patentnichtigkeitsverfahrens Rechnung getragen werden kann und muß. Das wiederum führt dazu, daß - wie im Zivilprozeß gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO - auch im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen das Berufungsgericht die Sache zurückverweisen kann, wenn das Verfahren des erstinstanzlichen Gerichts an einem Mangel gelitten hat, daß diese Möglichkeit aber nicht an die weiteren Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO geknüpft ist.
Das Patentnichtigkeitsverfahren ist dadurch geprägt, daß in der ersten Instanz unter Mitwirkung technischer Richter entschieden wird. Hierdurch erübrigt sich in dieser Instanz regelmäßig die Hinzuziehung eines Sachverständigen; es kann so vergleichsweise kostengünstig und schnell in der Sache entschieden werden. Diese Möglichkeit auch nutzen zu können, haben die Parteien des Patentnichtigkeitsverfahrens nach der Ausgestaltung dieses Verfahrens ein Anrecht. Hiermit vertrüge es sich nicht, wenn der Senat - wie nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgesehen - eine Zurückverweisung wegen eines Verfahrensmangels nur in den Fällen aussprechen könnte, in denen der Mangel wesentlich ist und eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig macht. Da der Senat nicht auf durch entsprechende Ausbildung gewährleisteten technischen Sachverstand von Mitgliedern zurückgreifen kann, muß er nämlich in Patentnichtigkeitsberufungsverfahren regelmäßig einen Sachverständigen hinzuziehen. Der damit verbundene Kosten- und Zeitaufwand belastet die Parteien auch in den Fällen, in denen der Verfahrensmangel als nicht wesentlich eingestuft werden kann und/oder nur eine vergleichsweise schnell zu erledigende und mit vergleichsweise geringen zusätzlichen Kosten verbundene Beweiserhebung vor dem Senat zu erwarten ist. Deshalb muß auch in diesen Fällen die Zurückverweisung der Patentnichtigkeitssache an das Bundespatentgericht in Betracht kommen.
b) Der Senat wählt im Streitfall die mithin mögliche Zurückverweisung statt der eigenen Sachentscheidung. Aus den genannten Gründen ist es sachgerecht, daß das sachkundig besetzte Bundespatentgericht sich mit dem nunmehr von der Klägerin gegen das Schutzrecht in der verteidigten Fassung Vorgebrachten befaßt und zunächst dieses Gericht auf dieser Grundlage in der Sache entscheidet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
CAAAC-05083
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja