Leitsatz
[1] Zur Unzulässigkeit einer Bestimmung des zuständigen Gerichts in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bei einem Zuständigkeitskonflikt zwischen Gerichten verschiedener Rechtswege.
Gesetze: GVG § 17 a; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Instanzenzug: ArbG Paderborn AG Hofgeismar
Gründe
I. Die Klägerin war als Auszubildende bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte warf der Klägerin vor, Unterschlagungen in ihrem Betrieb begangen zu haben. In diesem Zusammenhang gab die Klägerin am ein Schuldanerkenntnis ab und versprach zu Protokoll eines Notars, an die Beklagte 810,-- DM nebst Zinsen und Kosten zu zahlen.
Die Klägerin hat Klage beim Arbeitsgericht P. erhoben, mit der sie beantragt, die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären und die Zwangsvollstreckung aus einem aufgrund dieses Titels ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts H. vorläufig einzustellen. Sie behauptet, daß sie nur 20,-- DM aus der Kasse entwendet habe. Zur Unterzeichnung des notariellen Schuldanerkenntnisses sei sie durch Drohung mit einer Strafanzeige veranlaßt worden, weshalb die Vollstreckung gegen § 826 BGB verstoße und die Beklagte durch das Schuldanerkenntnis ungerechtfertigt bereichert sei.
Das Arbeitsgericht P. hat sich durch den den Parteien am 1. bzw. zugestellten Beschluß vom für "sachlich unzuständig" erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht H. verwiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht P. ausgeführt, daß für die hier begehrte Einstellung der Zwangsvollstreckung das Vollstreckungsgericht gemäß §§ 764, 802 ZPO ausschließlich zuständig sei, somit das Amtsgericht H.. Das Amtsgericht H. hat die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat zur Begründung unter anderem ausgeführt, daß sich die Klage an das Prozeßgericht gemäß § 767 ZPO richte und das Vollstreckungsgericht für das Verfahren nach dieser Vorschrift funktionell nicht zuständig sei, so daß der Beschluß vom nicht binden könne. Das Arbeitsgericht P. hat die Rücknahme des Rechtsstreits unter Hinweis darauf abgelehnt, daß der Verweisungsbeschluß vom rechtskräftig und nach Rechtskraft bindend sei. Das Amtsgericht H. hat den Rechtsstreit dem Bundesgerichtshof mit der Bitte um Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist abzulehnen.
1. Hinsichtlich der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs trifft § 17 a GVG eine eigenständige Regelung, die einen Streit von Gerichten verschiedener Rechtswege von vornherein ausschließen soll (Sen.Beschl. v. - X ARZ 266/01, WM 2002, 406, 407; Sen.Beschl. v. - X ARZ 314/01, zur Veröffentlichung vorgesehen). Wenn das angerufene Gericht den zu ihm führenden Rechtsweg für unzulässig hält, hat es dies auszusprechen und den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen. Außerdem sieht das Gesetz vor, daß die Entscheidung auf ihre Richtigkeit hin in einem Instanzenzug überprüft werden kann (vgl. § 17 a Abs. 4 GVG). Anders als die Verweisung wegen örtlicher und sachlicher Unzuständigkeit eines ordentlichen Gerichts (§ 281 ZPO) kann der nach § 17 a Abs. 2 GVG ergehende Verweisungsbeschluß auf sofortige Beschwerde einer Partei im Rechtsmittelzug überprüft werden. Hieraus kann abgeleitet werden, daß ein nach § 17 a Abs. 2 GVG ergangener Beschluß, sobald er rechtskräftig geworden ist, einer weiteren Überprüfung entzogen ist. Die Regelung in § 17 a Abs. 5 GVG bestätigt dies (Sen.Beschl. v. , aaO). Angesichts dieser Rechtslage besteht die Bindungswirkung nach § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG auch bei gesetzwidrigen Verweisungen (BGHZ 144, 21, 24; Sen.Beschl. v. , aaO).
Wenn ein Gericht nach § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG rechtskräftig ausgesprochen hat, daß der zu ihm beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, bedarf es deshalb einer Bestimmung durch ein übergeordnetes Gericht nicht mehr. Dem trägt § 36 ZPO Rechnung, der eine Bestimmung durch ein Obergericht im Falle eines Streits zwischen Gerichten unterschiedlicher Rechtswege über die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht vorsieht (Sen.Beschl. v. , aaO; Sen.Beschl. v. , aaO).
Auch der Streit zwischen dem Arbeitsgericht P. und dem Amtsgericht H. ist hiermit entschieden. Das Amtsgericht H. ist das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs, weil der Rechtsstreit durch den unangefochtenen und unanfechtbaren Beschluß des Arbeitsgerichts P. vom mit der sich aus § 17 b Abs. 1 GVG ergebenden Folge verwiesen worden ist, daß der Rechtsstreit nunmehr bei diesem Gericht anhängig ist.
2. Im vorliegenden Fall kann unentschieden bleiben, ob trotz des in § 17 a Abs. 4 GVG eigens vorgesehenen Instanzenzuges ein rechtskräftiger Beschluß nach § 17 a Abs. 2 GVG ausnahmsweise das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs nicht bindet (vgl. Sen.Beschl. v. , aaO; , NZA 1998, 1190, 1191). Eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung wäre in Anbetracht der durch § 17 a GVG selbst eröffneten Überprüfungsmöglichkeit allenfalls bei "extremen Verstößen" denkbar (Sen.Beschl. v. , aaO; vgl. auch 9 AV 1.94, DVBl. 1995, 572), etwa wenn die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen sich soweit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, daß sie nicht mehr zu rechtfertigen ist, wenn sie also objektiv oder auch verfahrensrechtlich willkürlich zustande gekommen ist (BGHZ 144, 21, 25; BVerfG NJW 1992, 359, 361). Hiervon kann jedoch allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BVerfGE 29, 45, 49; vgl. auch Senat BGHZ 85, 116, 118 f. - Auflaufbremse; , RPfl 1992, 82). Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor.
Zwar hat das Arbeitsgericht P. verkannt, daß bei der erhobenen Vollstreckungsabwehrklage nach den §§ 767 Abs. 1, 797 Abs. 5, 802 ZPO das Prozeßgericht des ersten Rechtszuges ausschließlich zuständig ist, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Auch ein solcher Rechtsfehler macht seinen Verweisungsbeschluß jedoch nicht zu einer offensichtlich unhaltbaren (BVerfGE 29, 45, 49) gerichtlichen Entscheidung, die einer Korrektur außerhalb des vorgesehenen Rechtsmittelzuges bedürfte.
3. Die Vorlage gibt keine Veranlassung, in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ausnahmsweise einen Ausspruch zur Rechtswegzuständigkeit vorzunehmen, weil dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig ist. Zwar ist ein solcher Ausspruch zu der sich aus § 17 a GVG ergebenden Rechtswegzuständigkeit möglich, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung von rechtskräftigen Verweisungsbeschlüssen kommt und keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (Sen.Beschl. v. - X ARZ 69/01, NJW 2001, 3631, 3632) oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, daß der Rechtsstreit von diesem nicht prozeßordnungsgemäß betrieben werden wird, obwohl er gemäß § 17 b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (Sen.Beschl. v. - X ARZ 266/01, WM 2002, 406, 407). Derartige Annahmen finden jedoch allein in der Vorlage der Sache durch das Amtsgericht keine hinreichende Grundlage.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß innerhalb des Amtsgerichts nicht der Rechtspfleger in Wahrnehmung der Geschäfte des Vollstreckungsgerichts (vgl. § 20 Nr. 17 RPflG), sondern der für die Entscheidung der Vollstreckungsabwehrklage zuständige Richter tätig zu werden hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
GAAAC-04678
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein