Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BGB § 574; BGB § 574 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug: LG Dresden vom
Tatbestand
Die Klägerin ist seit 1992 Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks U. straße in D. . Die Beklagten haben seit 1959 im Erdgeschoß (Hochparterre) des Hauses eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit Küche und Bad mit einer Größe von ca. 70 m2 gemietet. Die Klägerin bewohnt zwei weitere Zimmer im Erdgeschoß nebst Küche mit einer Wohnfläche von ca. 90 m2. Die Toilette der Klägerin ist nur über den Flur des Erdgeschosses zu erreichen, der den Eingangsbereich für beide Wohnungen bildet. Über ein Bad verfügt die Wohnung der Klägerin, die seit 1996 an Lungenkrebs erkrankt und darüber hinaus stark sehbehindert ist, nicht. Die Klägerin benutzt das Bad im Untergeschoß (Hangwohnung), welches innerhalb des Hauses über eine steinerne Wendeltreppe oder von außen über einen abschüssigen, schlecht befestigten Weg um das Haus herum erreichbar ist. Die Wohnung im ersten Stock, die ebenfalls über ein Bad verfügt, steht leer.
Die Klägerin hat gegenüber den jetzt 81 und 82 Jahre alten Beklagten mit Schreiben vom eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen. Sie hat geltend gemacht, sie wolle die Erdgeschoßwohnung des Anwesens zu einer Fünf-Zimmer-Wohnung umbauen, damit ihre in Köln lebenden Eltern dort zumindest zeitweise mit ihr zusammen wohnen und sie pflegen könnten, wenn ihr Gesundheitszustand dies erfordere. Es sei ihren betagten Eltern nicht möglich, die Wohnung im Obergeschoß zu nutzen. Die Beklagten haben der Kündigung widersprochen. Sie bestreiten den Eigenbedarf der Klägerin und machen darüber hinaus geltend, aufgrund ihres Gesundheitszustandes - die Beklagte zu 1 ist an Krebs erkrankt - sei es ihnen nicht zumutbar, in eine andere Wohnung umzuziehen.
Die Klägerin begehrt die Räumung der von den Beklagten bewohnten Wohnung im Erdgeschoß. Das Amtsgericht hat nach Einnahme eines Augenscheins im Anwesen U. straße die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Räumungsantrag weiter.
Gründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Kündigung der Klägerin rechtfertige einen Räumungsanspruch gegen die Beklagten nicht. Ein Vermieter könne ein Mietverhältnis über Wohnraum grundsätzlich nur dann kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung habe. Dieses sei insbesondere dann gegeben, wenn er die Räume als Wohnung für sich oder seine Familienangehörigen benötige. Das sei dann der Fall, wenn vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraumes sprächen, wobei nur auf die Interessen des Vermieters abzustellen sei. Die besonderen Belange des Mieters seien bei einer Abwägung im Rahmen der Härteklausel des § 574 BGB (vorher § 556 a BGB a.F.) zu beachten.
Nach diesen Grundsätzen sei Eigenbedarf zu bejahen. Vor dem Hintergrund von stationären Krankenhausaufenthalten und einer begleitenden Chemotherapie der Klägerin sei offensichtlich, daß sie der Pflege und Unterstützung durch ihre Eltern bedürfe. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, daß sich die Eltern der Klägerin aufgrund der Krebserkrankung ihrer Tochter ernsthaft entschlossen hätten, nach D. zu ziehen, um ihr beizustehen und sie zu unterstützen. Selbst wenn sie die von ihnen derzeit bewohnten Räumlichkeiten in K. beibehalten und die Wohnung der Beklagten vor allem in den Zeiten nutzen wollten, in denen ihre Tochter aufgrund ihrer Erkrankung der Hilfe und Pflege bedürfe, stehe dies einem berechtigten Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses mit den Beklagten nicht entgegen.
Eine Beendigung des Mietverhältnisses komme jedoch deshalb nicht in Betracht, weil die Kündigung für die Beklagten eine Härte bedeute, die auch unter Würdigung der aufgezeigten Interessen der Klägerin nicht zu rechtfertigen sei. Die Beklagte zu 1 sei schwer krebskrank. Das durch das Attest vermittelte Gesamtbild mache es auch angesichts des Alters der Beklagten nachvollziehbar, daß die mit einem Umzug einhergehenden physischen und psychischen Belastungen erheblichen negativen Einfluß haben würden. Hinzu komme, daß der Umzug in eine andere Umgebung bereits für sich eine Härte bedeute, weil Menschen im Alter der Beklagten an ihre Umgebung gewöhnt und dort verwurzelt seien, so daß sie sich in einem neuen Umfeld nicht mehr eingewöhnen und zurechtfinden könnten. Allerdings konkurriere mit den gesundheitlichen und persönlichen Belangen der Beklagten in gleicher Weise der Wunsch der Klägerin nach gegenseitiger Unterstützung und Hilfe innerhalb der Familie. In dieser schwierigen Konfliktsituation gingen die Belange der Beklagten vor, da es der Klägerin immerhin in begrenztem Umfang möglich sei, ihre Eltern während deren zeitweiligen Aufenthaltes in D. im Hause selbst anderweitig unterzubringen, da jedenfalls im Dachgeschoß ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehe. Zwar sei für die Mutter der Klägerin das Treppensteigen mit Beschwerlichkeiten verbunden. Es erscheine jedoch zumutbar, daß die Klägerin mechanische Hilfsvorrichtungen zur Überwindung der Stockwerke (Treppenlift oder ähnliches) anbringe, um auf diese Art den mit der Nutzung einer Treppe einhergehenden Schwierigkeiten zu begegnen.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht das Vorliegen von Eigenbedarf (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) auf seiten der Klägerin in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (z.B. Beschluß vom , NJW 1990, 309 ff.) bejaht. Diese Würdigung wird von der Klägerin als ihr günstig nicht angegriffen.
2. Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt, daß die Beendigung des Mietverhältnisses für die Beklagten eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der aufgezeigten Interessen der Klägerin nicht zu rechtfertigen ist.
Das Berufungsgericht hat bei der Würdigung der beiderseitigen Interessen im Rahmen des § 574 BGB nach gründlicher und sorgfältiger Sachverhaltsfeststellung, unter anderem auf der Grundlage eines Augenscheins im Wohnanwesen durch das Gericht erster Instanz, den Belangen der Beklagten ein größeres Gewicht beigemessen. Dies beruht auf einer Subsumtion des festgestellten Sachverhalts durch das Berufungsgericht unter die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB. Insoweit hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum der Instanzgerichte zu respektieren. Es kann regelmäßig nur überprüfen, ob das Berufungsgericht Rechtsbegriffe verkannt hat und ob dem Tatgericht von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, es etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt oder Erfahrungssätze verletzt hat (z.B. , NJW 1990, 2889 unter I 2 b). Hiernach zu berücksichtigende Rechtsfehler vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
III.
Danach war die Revision zurückzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
KAAAC-04373
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein